Beschluss vom 19.06.2024 -
BVerwG 10 B 32.23ECLI:DE:BVerwG:2024:190624B10B32.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 19.06.2024 - 10 B 32.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:190624B10B32.23.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 32.23

  • OVG Bautzen - 05.07.2023 - AZ: 4 C 25/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Juni 2024
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 529,20 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Kläger wenden sich als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach X gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 27. Juni 2022 "Ertüchtigung/Erhöhung Hochwasserschutzlinie N. - R. Elbkilometer ... bis ..., Teilvorhaben: Hochwasserschutzanlage M.-P. Neubau Hochwasserschutzwand Schloss Y Elbkilometer ... bis ... (MP 5)". Schloss Y ist Teil des Nachlasses. Dem Nachlassverwalter wurde der Beschluss am 25. Juli 2022 zugestellt. Die Kläger haben am 25. August 2022 Klage erhoben.

2 Mit der Klageerhebung, die keine Begründung enthielt, hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger Akteneinsicht beantragt. Unter dem 30. August 2022 hat die Vorsitzende des zuständigen Senats am Oberverwaltungsgericht den Prozessbevollmächtigten der Kläger aufgefordert, die Klage innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Verwaltungsakte bei ihm zu begründen. Der Verwaltungsvorgang ist dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 20. September 2022 übersandt worden. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2022 hat die Berichterstatterin den Prozessbevollmächtigten aufgefordert, die Klage innerhalb von zwei Wochen zu begründen.

3 Die Kläger haben die Klage am 8. Februar 2023 begründet und zur Begründung u. a. vorgetragen, dass die zehnwöchige Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG zum Zeitpunkt der Fristverlängerung vom 19. Dezember 2022 bereits abgelaufen gewesen sei. Die Kläger hätten auf die Fristverlängerungen vertrauen dürfen.

4 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kläger seien wegen Ablaufs der Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG zehn Wochen nach Klageerhebung mit sämtlichem Vortrag ausgeschlossen. Die Revision hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.

II

5 Die auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

6 1. Zunächst beruht die angefochtene Entscheidung nicht auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel. Die Beschwerde stützt sich darauf, dass das Oberverwaltungsgericht gleich zweimal die Klagebegründungsfrist verlängert, im weiteren Verfahren aber die eigene Fristverlängerung nicht anerkannt habe. Die Kläger hätten hingegen auf die gerichtliche Fristverlängerung vertrauen dürfen. Der Sache nach macht die Beschwerde damit einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren geltend (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2004 - 1 BvR 1892/03 - BVerfGE 110, 339 <342 ff.>). Dies kann verletzt sein, wenn die Anforderungen an eine Entschuldigung verspäteten Vorbringens bei falscher richterlicher Auskunft überspannt werden.

7 Ob diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann jedoch offenbleiben, weil die angefochtene Entscheidung keinesfalls auf diesem möglichen Verfahrensfehler beruht. Denn die Kläger haben auch die richterlich gesetzten Fristen, auf die sie ihr Vertrauen stützen, nicht eingehalten. Die erste Fristsetzung lief zwei Monate nach Übersendung der Verwaltungsvorgänge ab, mithin am 21. November 2022. Die zweite Fristsetzung lief zwei Wochen nach der Verfügung der Berichterstatterin vom 19. Dezember 2022 ab. Die Klage wurde erst am 8. Februar 2023 und damit deutlich nach Ablauf beider Fristen begründet. Auch bei der Annahme berechtigten Vertrauens in die richterlich verlängerte Frist wären die Kläger mit ihrem Vortrag ausgeschlossen gewesen.

8 2. Die geltend gemachte Abweichung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. März 2013 - 2 BvR 2595/12 - (BVerfGK 20, 260) ist nicht gegeben. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung (unter anderem) des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2022 ‌- 7 B 19.21 - NVwZ-RR 2023, 95 Rn. 13). Daran fehlt es hier.

9 Die Beschwerde benennt schon keinen in der verfassungsgerichtlichen Entscheidung enthaltenen Rechtssatz, von dem die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abweiche. Sie bezieht sich nur in allgemeiner Weise auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der in der verfassungsgerichtlichen Entscheidung von Bedeutung gewesen sei. Diesen Grundsatz hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht in Frage gestellt. Ob im Einzelfall insoweit ein Anwendungsfehler im Hinblick auf diesen Grundsatz vorliegen könnte, ist unerheblich. Ein Rechtsanwendungsfehler begründet eine Divergenz nicht.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.