Beschluss vom 19.03.2025 -
BVerwG 7 B 24.24ECLI:DE:BVerwG:2025:190325B7B24.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 19.03.2025 - 7 B 24.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:190325B7B24.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 B 24.24
- OVG Berlin-Brandenburg - 25.04.2024 - AZ: 7 A 33/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. März 2025
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Günther und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. April 2024 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 57 893,50 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Klägerin begehrt die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides für zwei Windenergieanlagen zur Klärung der Fragen nach der bauplanungsrechtlichen Privilegierung des Vorhabens im Außenbereich sowie nach der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Zielen der Raumplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung.
2 Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit dem Erfordernis einer ausreichenden Beurteilung der Auswirkungen der geplanten Anlage verlange § 9 Abs. 1 BImSchG eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung des Vorhabens. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen reichten hierfür nicht aus. Die Revision gegen sein Urteil hat das Oberverwaltungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.
II
3 Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
4
Die Frage,
"kann der Vorhabenträger den Prüfaufwand im Rahmen eines Vorbescheidsantrags nach § 9 Abs. 1 BImSchG auf von ihm formulierte einzelne Genehmigungsvoraussetzungen (Einzelfragen) einschränken und auf ein darüberhinausgehendes vorläufiges positives Gesamturteil durch Erklärung verzichten
oder
ist bei jedem Vorbescheidsantrag nach § 9 Abs. 1 BImSchG zwingend und ohne Verzichtsmöglichkeit des Antragstellers stets seitens der Immissionsschutzbehörde auch über die Erfolgsaussichten des Vorhabens insgesamt ('vorläufiges positives Gesamturteil') zu entscheiden?",
rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.
5 Die von der Beschwerde hierdurch aufgeworfene Rechtsfrage im Hinblick auf eine tatbestandliche Voraussetzung des § 9 Abs. 1 BImSchG würde sich in einem Revisionsverfahren nicht mehr stellen. Nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 25. April 2024 hat sich die Rechtslage geändert. Durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes vom 3. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 9. Juli 2024 die Regelung des § 9 Abs. 1a BImSchG eingeführt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll, für den Fall, dass das Vorhaben eine Windenergieanlage betrifft und ein Genehmigungsantrag noch nicht gestellt ist, auf Antrag durch Vorbescheid über einzelne Genehmigungsvoraussetzungen entschieden werden, sofern ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides besteht. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ist es nach dem eindeutigen Wortlaut der Neuregelung nicht erforderlich, dass die Auswirkungen der geplanten Anlage ausreichend beurteilt werden können. Auf ein vorläufiges positives Gesamturteil wird danach verzichtet.
6 Die Änderung der Rechtslage wäre in einem Revisionsverfahren zu beachten. Das Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, in gleichem Umfang zu berücksichtigen wie die Vorinstanz, wenn sie jetzt entschiede (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2022 - 4 C 5.21 - Buchholz 406.11 § 13a BauGB Nr. 7 Rn. 14 m. w. N.). Daher wäre auch die jüngste Änderung des § 9 Abs. 1a BImSchG durch das Gesetz für mehr Steuerung und Akzeptanz beim Windenergieausbau vom 24. Februar 2025 (BGBl. 2025 I Nr. 58) zu berücksichtigen, mit dem klargestellt wird, dass ein berechtigtes Interesse an der Erteilung eines Vorbescheides über die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht besteht, wenn der Vorhabenstandort - wie vorliegend anzunehmen ist - außerhalb ausgewiesener Windenergiegebiete oder in Planung befindlicher Windenergiegebiete liegt. Der Antrag der Klägerin wäre demnach in einem Revisionsverfahren nach § 9 Abs. 1a BImSchG zu beurteilen, so dass es auf die von ihr aufgeworfene Frage nach den Möglichkeiten des Verzichts auf ein vorläufiges positives Gesamturteil im Rahmen des § 9 Abs. 1 BImSchG voraussichtlich nicht mehr ankäme. Der Klägerin würde das berechtigte Interesse fehlen, wenn ihr Vorhaben im Außenbereich liegt.
7 Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass es für einen Vorbescheid hinsichtlich der (weiterhin) unter § 9 Abs. 1 BImSchG fallenden Anlagen auch der Unterlagen bedarf, die eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung ermöglichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 C 3.19 - BVerwGE 169, 39 Rn. 26). Die vom Oberverwaltungsgericht zusätzlich in Anspruch genommene Wendung, wonach dem Gesamtvorhaben keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen entgegenstehen dürfen, ist nur eine Umschreibung für das erforderliche Gesamturteil (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 1982 - 7 C 54.79 - Buchholz 451.171 AtG Nr. 11 S. 10). Eine Möglichkeit, auf diese Prüfung zu verzichten, ist demnach offensichtlich weder für den Vorhabenträger noch für die Immissionsschutzbehörde im Rahmen des § 9 Abs. 1 BImSchG gegeben.
8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.