Beschluss vom 18.12.2024 -
BVerwG 2 B 13.24ECLI:DE:BVerwG:2024:181224B2B13.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 18.12.2024 - 2 B 13.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:181224B2B13.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 13.24
- VG Ansbach - 14.02.2023 - AZ: AN 1 K 21.01946
- VGH München - 08.01.2024 - AZ: 3 BV 23.516
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Dezember 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Januar 2024 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 111 835,40 € festgesetzt.
Gründe
1 Der Rechtsstreit betrifft insbesondere das Ruhen von Versorgungsbezügen eines bayerischen kommunalen Wahlbeamten.
2 1. Der 1963 geborene Kläger war 12 Jahre lang - von Mai 2008 bis April 2020 - erster Bürgermeister der beklagten bayerischen Stadt und kandidierte nicht für eine weitere Amtszeit. Die Beklagte setzte im März 2020 die Versorgungsbezüge des Klägers zunächst auf rund 2 500 € fest. Nachdem der Kläger eine Gehaltsabrechnung seines neuen Arbeitgebers - einer anderen Gemeinde - vorgelegt hatte, erließ die Beklagte im Oktober 2020 einen Änderungsbescheid über die Anrechnung von Einkünften und setzte die Versorgungsbezüge ab Mai 2020 auf rund 1 970 € fest. Im Oktober 2021 nahm die Beklagte ihren Bescheid vom März 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom Oktober 2020 rückwirkend zurück und stellte die Versorgungsbezüge des Klägers bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres ruhend. Darüber hinaus forderte sie rund 40 860 € zurück.
3 Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen das Ruhen der Versorgungsbezüge, die Rücknahme der Festsetzungsbescheide und die Rückforderung bisher gezahlter Versorgungsbezüge stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung insbesondere ausgeführt: Die Ruhensentscheidung der Beklagten leide an einem Ermessensausfall. Die gesetzliche Regelung verlange eine Ermessensentscheidung; ein Fall intendierten Ermessens liege nicht vor. Die Entscheidung der Beklagten lasse die erforderlichen Ermessensgründe in keiner Weise erkennen. Der Ermessensausfall werde auch dadurch bestätigt, dass zwingend anzustellende Erwägungen von der Beklagten unterlassen worden seien. So gebiete es die Fürsorgepflicht, dass der Betroffene wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werde als ein entsprechender berufsmäßiger kommunaler Wahlbeamter, der ohne eigenen Antrag nach nur einer Amtszeit entlassen werde und deshalb Übergangsgeld nach beamtenrechtlichen Bestimmungen erhalte. Auch die Rücknahme der Versorgungsfestsetzungsbescheide durch die Beklagte sei rechtswidrig. Damit gebe es auch keine Grundlage für die Rückforderung.
4 2. Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Beklagten ist unbegründet.
5 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, wenn die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m. w. N., vom 15. Januar 2020 - 2 B 38.19 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 99 Rn. 6 und vom 14. Februar 2023 - 2 B 3.22 - juris Rn. 7). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
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Die Frage,
"unter welchen Voraussetzungen ein zuständiges Gremium die Anordnung des Ruhens von Versorgungsbezügen kommunaler Wahlbeamter anordnen kann",
ist in ihrer Weite nicht in verallgemeinerungsfähiger Form zu beantworten. Sofern bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung der Ausführungen in der Beschwerdebegründung angenommen würde, dass eine Frage revisiblen Landesrechts (§ 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 3 BeamtStG) als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfen wird, nämlich
"ob im Rahmen der Ermessensausübung nach Art. 51 Abs. 1 Kommunal-Wahlbeamten-Gesetz - KWBG BY - zu berücksichtigen ist, dass der ausscheidende kommunale Wahlbeamte im Vergleich zu einem nicht freiwillig ausscheidenden Beamten nicht schlechter gestellt werden darf",
würde sich diese Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht hat - selbständig tragend - festgestellt, dass sich die Begründung der Anordnung des Ruhens der Versorgungsbezüge im Bescheid vom Oktober 2021 auf die Aussage beschränkt, es habe kein wichtiger Grund dafür vorgelegen, dass sich der Kläger nicht zur Wiederwahl gestellt habe (vgl. UA Rn. 26). Das Bundesverwaltungsgericht ist an den vom Tatsachengericht festgestellten Erklärungsinhalt gebunden. Die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen im Wege der Auslegung gilt revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung i. S. d. § 137 Abs. 2 VwGO. Die Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn die Auslegung des Tatsachengerichts einen Verstoß gegen revisibles Recht oder gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. Februar 2019 - 2 C 50.16 - Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 27 Rn. 15 m. w. N.). Dass die Auslegung durch das Berufungsgericht an einem solchen Fehler leidet, hat die Beschwerde weder dargelegt noch der Sache nach geltend gemacht. Auf der Grundlage der bindenden Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichtshofs ist im vorliegenden Fall die rechtliche Folgerung zu ziehen, dass die Beklagte nur auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 KWBG - Nichtaufstellung zur Wiederwahl ohne wichtigen Grund - eingegangen ist, aber von dem in der Norm eingeräumten Ermessen fehlerhaft keinen Gebrauch gemacht hat (sog. Ermessensausfall). Die von der Beschwerde zur Ermessensausübung aufgeworfene Frage kann sich deshalb in einem Revisionsverfahren nicht stellen.
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Die außerdem von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
"unter welchen Voraussetzungen Vertrauen in den Bestand eines Verwaltungsaktes schutzwürdig ist, obwohl der Adressat positive Kenntnis von der formellen Rechtswidrigkeit des Bescheids hat",
würde sich ebenfalls in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die ihr zugrunde liegende Prämisse - positive Kenntnis des Adressaten von der formellen Rechtswidrigkeit des Bescheids - ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden. Im Gegenteil tritt das Berufungsurteil den diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten sogar ausdrücklich entgegen (Rn. 31 des Berufungsurteils am Ende).
8 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.