Beschluss vom 18.12.2024 -
BVerwG 11 VR 18.24ECLI:DE:BVerwG:2024:181224B11VR18.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 18.12.2024 - 11 VR 18.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:181224B11VR18.24.0]
Beschluss
BVerwG 11 VR 18.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Dezember 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Dieterich und Dr. Hammer
beschlossen:
- Der Antrag, im Wege einer Zwischenentscheidung die Baumfällarbeiten und die Herstellung von Provisorien für den Rückbau der 110-kV-Leitungen bis zu einer Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO zu untersagen, wird abgelehnt.
- Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
1 Der mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2024 gestellte Antrag auf Erlass einer Zwischenentscheidung ("Hängebeschluss") bleibt erfolglos.
2 Der Senat entscheidet über den Antrag auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Eine Zwischenentscheidung wäre erforderlich, wenn zu befürchten wäre, dass bis zur Entscheidung im gerichtlichen Eilverfahren unter Verletzung des verfassungsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dabei kommt es darauf an, ob bei einem Vollzug des Planfeststellungsbeschlusses schwere und unabwendbare Nachteile drohen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. November 2020 - 4 VR 6.20 - juris und vom 14. Dezember 2022 - 4 VR 4.22 - juris, jeweils m. w. N.).
3 Der Antragsteller hat den Erlass eines Hängebeschlusses unter Hinweis auf Baumfällarbeiten und die Herstellung von Provisorien ersichtlich angeregt, um die Schaffung irreversibler Tatsachen im Naturschutzgebiet "Sielbektal, Kreuzkamper Seenlandschaft und angrenzende Wälder" (im folgenden NSG Sielbektal) zu verhindern. Denn der Antragsteller setzt sich als nach § 3 Abs. 1 UmwRG anerkannte Vereinigung nach seinem Vorbringen für den Erhalt der Flora und Fauna in diesem Naturschutzgebiet ein. Eine darüber hinausgehende vorläufige Außervollzugsetzung sämtlicher Maßnahmen zur Verwirklichung des Planfeststellungsbeschlusses im Wege einer Zwischenentscheidung ist wohl nicht beantragt. Sie würde jedenfalls ausscheiden, weil die gesetzliche Bedarfsfeststellung und ein überragendes öffentliches Interesse (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BBPlG i. V. m. Nr. 42 der Anlage zum BBPlG) für das Vorhaben streiten und für den begrenzten Zeitraum des Eilverfahrens eine Zwischenentscheidung nicht geboten erscheint.
4 Die Vorhabenträgerin hat mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2024 detaillierte Angaben zum Bauzeitenplan vorgelegt. Hiernach ist der Baubeginn an den Maststandorten 29 und 30, die sich im NSG Sielbektal befinden, für die Kalenderwoche 11 bzw. 22 des kommenden Jahres vorgesehen. Der Senat beabsichtigt, über das Eilverfahren bis zur Kalenderwoche 6 des kommenden Jahres zu entscheiden. Insoweit bedarf es keiner Zwischenentscheidung.
5 Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass durch die Fortsetzung der Baumfällarbeiten ab dem 17. Dezember 2024 und die Herstellung von Provisorien für den Rückbau der 110-kV-Leitungen schwere und unabwendbare Nachteile drohen, die zur Gewährleistung des verfassungsrechtlichen Gebots effektiven Rechtsschutzes verhindert werden müssen.
6 Soweit er sich auf mehrere Libellenarten im Naturschutzgebiet bezieht und die pauschale Ablehnung einer Betroffenheit dieser Arten im Planfeststellungsbeschluss rügt, ist aus dem Vorbringen nicht zu erkennen, dass die Vorkommen dieser Libellenarten durch die Baumfällarbeiten und die Herstellung der Provisorien irreversibel geschädigt werden. Die Beigeladene zu 1 hat in ihrer Stellungnahme vom 16. Dezember 2024 darauf hingewiesen, dass die Libellen im Winterhalbjahr nur im Larvenstadium in den Gewässern vorhanden sind und die gegenwärtigen Maßnahmen auf Flächen weit außerhalb der infrage kommenden Fortpflanzungsgewässer zu keiner Beeinträchtigung dieser Tiere führen. Im Übrigen hat die Beigeladene zu 1 mitgeteilt, dass die Ausholzungsarbeiten in dem Naturschutzgebiet bereits ausgeführt worden sind, teilweise im 1. Quartal 2024, teilweise von Oktober bis Dezember dieses Jahres.
7 Entsprechendes gilt für die Beeinträchtigung des Wegerich-Scheckenfalters. Die Beigeladene zu 1 hat darauf hingewiesen, dass von dieser Art bis etwa Ende Mai ausschließlich Larven vorhanden sind, die in Futterpflanzen im Boden überwintern. Da diese Futterpflanzen in Grünlandflächen, Säumen und Hochstaudenfluren recht weit verbreitet seien, sei das Risiko einer signifikanten Schädigung im Verhältnis zu der - in Relation zur Gesamtfläche sehr geringen - Flächeninanspruchnahme gering. Dies leuchtet ein.
8 Die Geltendmachung von Rechtsfehlern des Planfeststellungsbeschlusses im Übrigen zeigt nicht auf, dass durch Baumfällarbeiten und die Herstellung von Provisorien schwere und nicht rückgängig zu machende Nachteile drohen.