Beschluss vom 18.08.2023 -
BVerwG 1 WNB 15.22ECLI:DE:BVerwG:2023:180823B1WNB15.22.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.08.2023 - 1 WNB 15.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:180823B1WNB15.22.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 15.22

  • TDG Süd 6. Kammer - 04.08.2022 - AZ: N 6 BLa 5/21 und N 6 RL 1/22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 18. August 2023 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 4. August 2022 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) liegt nicht vor.

2 Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch nicht geklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache nur zu, wenn mit der Klärung der Rechtsfrage im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten ist (vgl. zuletzt BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2022 - 1 WNB 2.22 - juris Rn. 2).

3 Die vom Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfragen:
"1. Ist ein Truppenarzt Vorgesetzter kraft Auftrages (§ 3 VorgV) und hat er insoweit auch die Pflicht, die Rechte von Angehörigen oder Lebenspartnern des Patienten zu wahren?
2. Wenn ja: Kann ein Soldat, der durch einen solchen Vorgesetzten mittelbar, nämlich durch pflichtwidriges Verhalten gegenüber seinem Partner/seiner Partnerin, in seinen Rechten verletzt wird, gerichtlichen Rechtsschutz verlangen?
3. Entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für den gerichtlichen Rechtsschutz, wenn bei einer Beschwerde mit einem komplexen Sachverhalt nur Teile davon, insbesondere die am wenigsten gravierenden, gewürdigt werden und die Beschwerde sodann zusammenfassend als 'begründet' beschieden wird?"
rechtfertigen danach nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

4 Das Truppendienstgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zurückgewiesen, weil seiner Rechtsauffassung nach zwischen der Truppenärztin, die die Lebensgefährtin des Antragstellers behandelte, und dem - von der Truppenärztin nicht behandelten - Antragsteller kein Vorgesetztenverhältnis bestanden habe und es deshalb an der Möglichkeit einer Rechtsverletzung in einem militärischen Über- und Unterordnungsverhältnis und dem Vorliegen einer dienstlichen Maßnahme fehle (§ 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 WBO). Die Frage 1, ob ein Truppenarzt gegenüber dem Soldaten, den er als Patient untersucht oder behandelt, Vorgesetzter mit besonderem Aufgabenbereich (§ 3 VorgV) ist und ihm daraus auch Pflichten gegenüber Angehörigen oder Lebenspartnern dieses Patienten erwachsen, war für das Truppendienstgericht daher nicht entscheidungserheblich und würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

5 Sofern die Frage 1 zusätzlich darauf zielen sollte, ob ein Truppenarzt auch gegenüber Angehörigen oder Lebenspartnern des Patienten Vorgesetzter nach § 3 VorgV ist, bedarf es keines Rechtsbeschwerdeverfahrens, weil sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und ein Rechtsbeschwerdeverfahren hierzu keine weitergehende Klärung erbringen würde (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 16. Mai 2018 - 1 WNB 4.17 - juris Rn. 18 und 21). Unabhängig davon, ob und in welchem Umfang ein Truppenarzt Vorgesetzter gegenüber dem Soldaten als Patienten ist (vgl. Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 17a Rn. 15; Poretschkin/Lucks, SG, 11. Aufl. 2022, § 17a Rn. 29), besteht jedenfalls in keinerlei Hinsicht eine Befehlsbefugnis (§ 1 Abs. 3 Satz 1 SG) gegenüber Angehörigen oder Lebenspartnern des Patienten und damit gegenüber diesen auch keine aus dem ärztlichen Aufgabenbereich begründete Vorgesetztenstellung gemäß § 3 VorgV.

6 Bei Frage 2 handelt es sich um eine abstrakt gestellte Rechtsfrage, deren Entscheidungserheblichkeit für den Fall nicht dargelegt ist. Der Antragsteller beantwortet sich diese Frage im Übrigen zutreffend selbst dahingehend, dass er "Rechtsschutz außerhalb des Beschwerdeweges, also straf- oder zivilrechtlich", suchen kann.

7 Die Beantwortung der Frage 3 zum Rechtsschutzbedürfnis für den gerichtlichen Rechtsschutz bei einem stattgebenden Beschwerdebescheid hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und ist deshalb einer verallgemeinerungsfähigen, über den Einzelfall hinausgehenden Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zugänglich (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 2023 - 1 WNB 6.22 - juris Rn. 6). Grundsätze für Beschwerdeentscheidungen in den Fällen, in denen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht in Betracht kommt, weil es - wie zum Beispiel bei sog. Kameradenbeschwerden - an einer dienstlichen Maßnahme fehlt, hat der Senat zuletzt mit Beschluss vom 29. September 2022 - 1 WB 30.21 - (juris Rn. 18 m. w. N.) präzisiert. Auch insoweit ist eine weitergehende Klärung oder Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erwarten.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.