Beschluss vom 17.08.2007 -
BVerwG 8 C 5.07ECLI:DE:BVerwG:2007:170807B8C5.07.0
Beschluss
BVerwG 8 C 5.07
- VG Potsdam - 26.05.2005 - AZ: VG 9 K 1992/01
In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg
beschlossen:
- Die Anhörungsrüge der Beigeladenen vom 26. Januar 2007 gegen das Urteil des Senats vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 8 C 20.05 - wird zurückgewiesen.
- Die Beigeladenen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Gründe
1 Die Beigeladenen rügen ohne Erfolg mit ihrer auf § 152a VwGO gestützten Anhörungsrüge vom 26. Januar 2007 zum einen, dass die Frage der individuellen Verfolgung ihres Rechtsvorgängers nach einer Zurückverweisung durch das Verwaltungsgericht aufzuklären gewesen wäre, und zum anderen, dass der historische Hintergrund sowie die Frage der Mitursächlichkeit sich auf die Fragen der Zwangsversteigerung als alternative Schädigungsmaßnahme bezogen habe. Weiterhin rügen sie, es sei nicht zutreffend, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und dem Inhalt der Akten keine konkreten Tatsachen dafür ersichtlich seien, dass die Erbausschlagungen durch staatliche Verfolgung veranlasst worden seien.
2 1. Der Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in der Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO). Unter den Senaten des Bundesverwaltungsgerichts besteht bisher eine unterschiedliche Praxis bezüglich der Besetzung bei einer Entscheidung über die Anhörungsrüge, wenn diese sich gegen ein Urteil richtet, das auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist. Für eine Entscheidung in der Besetzung von fünf Richtern kann sprechen, dass dann auch der Senat - gewissermaßen spiegelbildlich zur Richterbesetzung bei einem auf Grund mündlicher Verhandlung ergehenden Urteil - über die Anhörungsrüge in der Fünfer-Besetzung zu entscheiden hat. So würde eine effektive Gewähr für die Beurteilung der Frage geboten, ob etwa das Vorbringen des Beteiligten bereits Gegenstand der früheren mündlichen Verhandlung war. Es wird auch eher dem mit der Schaffung des § 152a VwGO verfolgten Zweck einer wirksamen Selbstkontrolle des Senats nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung Rechnung getragen. Andererseits hat der Gesetzgeber eine von der generellen Regelung des § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO abweichende Besetzungsregelung in § 152a VwGO trotz der dort enthaltenen detaillierten Verfahrensregelungen nicht getroffen. Nach § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO entscheiden die Senate des Bundesverwaltungsgerichts bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung in der Besetzung von drei Richtern. Eine Befassung des mit fünf Richtern besetzten Spruchkörpers ist damit bei einer Anhörungsrüge nicht notwendig.
3 Der Senat hat gemäß § 11 Abs. 3 VwGO bei dem 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts angefragt, ob er an seiner Auffassung festhält, dass über eine Anhörungsrüge, die sich gegen ein Urteil richtet, in der Besetzung von fünf Richtern zu entscheiden ist (vgl. Beschluss vom 30. Mai 2005 - BVerwG 7 CN 1.05 ). Dies hat der 7. Senat mit Beschluss vom 6. August 2007 verneint.
4 2. Die Rügen bleiben ohne Erfolg. Unabhängig davon, dass der Senat nicht verpflichtet ist, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, übersieht der Vortrag der Beigeladenen, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht nur verlangt, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird. Keineswegs muss das Gericht bei der Würdigung des Vorbringens den Vorstellungen der Beteiligten folgen. Im Übrigen ist es schon im Ansatz verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Vortragselemente in den Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst.
5 Weiterhin weist der Senat darauf hin, dass es nicht Sinn und Zweck einer Anhörungsrüge ist, einen vollständigen weiteren Rechtszug zu eröffnen, den die Beigeladenen offenbar mit ihrem Vorbringen anstreben, dass der Senat nicht in der Sache selbst gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO hätte entscheiden können.
6 Weder die Rüge mangelnder Aufklärung und Ermittlung noch eine vermeintlich unzutreffende Wiedergabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts können Gegenstand einer Anhörungsrüge sein. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hätte das seit langem bekannte Wissen der Beigeladenen zu 1, das sie nach Erlass des angegriffenen Senatsurteils zum Gegenstand einer notariellen Erklärung gemacht hat, spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in das Verfahren einführen müssen. Dies musste sich jedermann aufdrängen angesichts der Umstände, dass das Verwaltungsgericht keine individuellen Verfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Erbausschlagung festgestellt hatte und angesichts der gesamten Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. Oktober 2006, bei der ausdrücklich die Frage von Anhaltspunkten für weitere Ermittlungen und einer endgültigen Entscheidung durch den Senat selbst erörtert worden war. Vorausgegangen war im Rechtsgespräch der Hinweis des Senats, dass insbesondere die Systematik der Rückerstattungsgesetze gegen die Annahme einer gesetzlichen Vermutung im Falle der Erbausschlagung sprechen und es deshalb auf die individuelle Verfolgung ankommen könne.
7 Die von der Beigeladenen zu 1 bekundeten Umstände waren dieser seit langem bekannt und mussten auch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vorgebracht werden. Denn angesichts des substantiierten Vortrags der Klägerin zum Fehlen einer verfolgungsbedingten Erbausschlagung, die das gesamte Verwaltungsverfahren und das gerichtliche Verfahren durchzog, traf die Beigeladenen und ihren Prozessbevollmächtigten die Pflicht, mit einem eigenen Sachvortrag zu reagieren, da nur ihnen selbst die konkreten Verfolgungsumstände bekannt sein konnten.
8 Sinn einer Anhörungsrüge kann es nicht sein, Umstände nachträglich vorzubringen, deren rechtzeitige Einführung in das bisherige gerichtliche Verfahren die Beteiligten verabsäumt haben. Es hätte den anwaltlich vertretenen Beigeladenen oblegen, den vom Vorsitzenden des Senats gegebenen Hinweis, ob im Falle einer Zurückverweisung Beweisanträge bezüglich etwaiger individueller Verfolgungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Erbausschlagung zu erwarten sind, in der mündlichen Verhandlung aufzugreifen. Stattdessen hat der Vertreter der Beigeladenen nur darauf hingewiesen, dass keinerlei Geschäftsunterlagen aus der Vergangenheit mehr vorhanden sind. Für die insoweit höchst vorsorglich beantragte Wiedereinsetzung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
9 Auch der nunmehr von den Beigeladenen eingeführte Vortrag über den angeblichen Eigentumsverlust durch Zwangsversteigerung, kann eine Anhörungsrüge nicht begründen.
10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO.