Beschluss vom 17.06.2024 -
BVerwG 2 B 41.23ECLI:DE:BVerwG:2024:170624B2B41.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.06.2024 - 2 B 41.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:170624B2B41.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 41.23

  • VG Ansbach - 17.05.2023 - AZ: AN 12a D 22.01886
  • VGH München - 22.09.2023 - AZ: 16b D 23.1385

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juni 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2023 wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2023 wird verworfen.
  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

2 1. Der 1987 geborene Beklagte war ab dem 1. Juli 2018 als Prozesssachbearbeiter einem Referat der Außenstelle Berlin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zugewiesen. Diesen Dienstposten trat der Beklagte jedoch nicht an. Zum 1. Oktober 2019 wurde die Zahlung der Bezüge eingestellt. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab; das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg lehnte den Antrag des Beklagten auf Bestellung eines Notanwalts im Oktober 2023 ab und verwarf den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung.

3 Anfang Dezember 2020 leitete die Klägerin gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs ein, der Beklagte sei seit dem 12. Dezember 2018 unerlaubt dem Dienst ferngeblieben. Das ärztliche Attest vom 30. November 2018 sei nicht aktuell und berechtige nicht zum Fernbleiben vom Dienst. Die Klägerin habe den Beklagten wiederholt aufgefordert, aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit der genauen Dauer der Dienstunfähigkeit vorzulegen; dem sei der Beklagte jedoch nicht nachgekommen. Auch habe der Beklagte zwei amtsärztliche Untersuchungen abgelehnt.

4 Mit Urteil vom 17. Mai 2023 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten mit der Begründung aus dem Beamtenverhältnis entfernt, er sei seit mehreren Jahren unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Antrag des Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für das Berufungsverfahren sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts verworfen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

5 Die Beiordnung eines Notanwalts für das Berufungsverfahren sei ausgeschlossen, weil der Beklagte mittellos sei. Ein Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestehe nicht, weil die vom Beklagten beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Berufung des Beklagten sei unzulässig, weil sie nur vom Beklagten persönlich, nicht jedoch durch einen Bevollmächtigten eingelegt worden sei. In der dem Urteil des Verwaltungsgerichts beigefügten Rechtsmittelbelehrung sei der Beklagte auf den Vertretungszwang hingewiesen worden. Anlass zur Gewährung von Wiedereinsetzung bestehe nicht.

6 2. Der Antrag des Beklagten auf Beiordnung eines Notanwalts für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht ist unbegründet.

7 Nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 78b ZPO ist einem Verfahrensbeteiligten auf dessen Antrag hin, soweit - wie hier gemäß § 67 Abs. 4 VwGO - eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, durch Beschluss für den Rechtszug ein Rechtsanwalt zur Wahrung seiner Rechte beizuordnen, wenn der Beteiligte einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diesem Antrag steht hier die ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung entgegen, dass der betreffende Verfahrensbeteiligte nicht mittellos sein darf. Eine Beiordnung nach § 78b Abs. 1 ZPO dient allein dazu, im Falle eines bestehenden Anwaltszwangs den Rechtsschutz des Beteiligten nicht am Fehlen eines postulationsfähigen Vertreters scheitern zu lassen. Dass die Beiordnung eines Notanwalts nicht auch auf die Wahrung der Interessen eines mittellosen Verfahrensbeteiligten abzielt, zeigt sich an § 78c Abs. 2 ZPO. Danach kann auch der Notanwalt die Übernahme der Vertretung von der Zahlung eines Vorschusses abhängig machen. Für Beteiligte, die zur Honorierung eines Rechtsanwalts selbst nicht in der Lage sind, sieht die Rechtsordnung stattdessen die Möglichkeit der Beiordnung eines Anwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe vor (BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 1966 - V ZR 166/63 - NJW 1966, 780 und vom 7. Dezember 1999 - VI ZR 219/99 - MDR 2000, 412 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 28. März 2017 - 2 B 4.17 - Buchholz 303 § 78b ZPO Nr. 5 Rn. 6).

8 Aufgrund der eigenen Angaben des Beklagten im Beschwerdeverfahren ist von seiner Mittellosigkeit auszugehen. In der E-Mail vom 5. Oktober 2023, mit der er bei zahlreichen Anwälten um die Wahrnehmung seiner Interessen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nachgesucht hat, hat er ausdrücklich auf seine angespannte finanzielle Lage hingewiesen ("Ausbleiben der Bezüge"; "Mein Konto ist auch fast null"). Im Oktober 2023 erwuchs die Abweisung der Klage des Beklagten gegen die Einstellung der Zahlung seiner Bezüge in Rechtskraft (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Oktober 2023 - 10 N 7/21 -).

9 3. Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht ist unbegründet.

10 Wie dargelegt, ist ein Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts, der wegen der Mittellosigkeit des Verfahrensbeteiligten abzulehnen ist, als ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 3 BDG, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO und §§ 114 ff. ZPO zu behandeln. Dieser Antrag ist unbegründet, weil die Rechtsverfolgung des Beklagten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11 Anhaltspunkte dafür, dass der Verwaltungsgerichtshof die in § 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO genannten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gegen seinen Beschluss vom 22. September 2023, mit dem er die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts verworfen hat, zu Unrecht verneint hätte, sind nicht ersichtlich.

12 Der Aspekt der Vertretung eines Beteiligten in einem Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof durch einen Bevollmächtigten nach § 67 Abs. 4 VwGO wirft keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Auch bestehen keine Anzeichen für eine Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Schließlich leidet die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu verwerfen, nicht an einem Verfahrensmangel i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

13 4. Die vom Beklagten persönlich erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs ist als unzulässig zu verwerfen. Der Beklagte hat die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde (§ 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und auch die weitere Frist zur Begründung der Beschwerde (zwei Monate nach Zustellung der Berufungsentscheidung, § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) versäumt. Die Beschwerde des Beklagten hat die genannten Fristen nicht gewahrt, weil sie nicht von einem vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten gezeichnet ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 bis 3 und Abs. 2 Satz 1 VwGO).

14 5. Es liegen keine Gründe vor, dem Beklagten wegen der Versäumung der Fristen zur Einlegung sowie zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 VwGO).

15 6. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das gerichtliche Verfahren bedarf es nicht, weil Gerichtsgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.