Urteil vom 16.12.2004 -
BVerwG 2 WD 15.04ECLI:DE:BVerwG:2004:161204U2WD15.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 16.12.2004 - 2 WD 15.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:161204U2WD15.04.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 15.04

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 16. Dezember 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Thiele,
Stabsarzt Ferchland
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Justizobersekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Unter Zurückweisung der Berufung des Wehrdisziplinaranwalts wird auf die Berufung des Soldaten das Urteil der 10. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 15. Januar 2004 aufgehoben.
  2. Der Soldat hat ein Dienstvergehen begangen.
  3. Das Verfahren wird eingestellt.
  4. Die Kosten des Verfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der 49 Jahre alte Soldat beendete seine Schulausbildung im Juli 1973 mit dem Realschulabschluss. Anschließend besuchte er die Staatliche Fachoberschule in Traunstein, die er ohne Abschlussprüfung zum 30. Juni 1975 verließ.

Als Wehrpflichtiger zum 1. Juli 1975 zur F...kompanie 1/8 in M. einberufen, wurde er aufgrund seiner freiwilligen Bewerbung und Verpflichtung als Funker am 28. August 1975 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf 15 Jahre festgesetzt. Mit Verfügung des Personalstammamtes der Bundeswehr vom 15. August 1986 wurde er zum 1. Oktober 1986 für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zugelassen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1989 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen.

Der Soldat wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1989 zum Leutnant, mit Wirkung vom 1. April 1992 zum Oberleutnant und mit Wirkung vom 1. April 1996 zum Hauptmann befördert. In eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 2002 eingewiesen.

Nach seiner Versetzung zum 1. Oktober 1978 zur 1./G...bataillon 235 in R. als Militärkraftfahrlehrer (MKL)-Unteroffizier Rad/Kette und Kraftfahrer, nahm der Soldat in der Zeit vom 16. Mai bis 7. Dezember 1979 am Unteroffizieraufbaulehrgang - Militärfachlicher Teil - bei der P...schule in M. teil. In der Zeit vom 11. Februar bis 20. März 1980 besuchte er den Unteroffiziergrundlehrgang - Militärfachlicher Teil Beobachtungsdienst (BeobDst) - und vom 15. Oktober bis 19. Dezember 1980 den Unteroffizieraufbaulehrgang - Militärfachlicher Teil BeobDst - bei der A...schule in I. Letzteren Lehrgang bestand er mit der Abschlussnote „gut“. Zum 1. März 1981 wurde er zur 1./G...bataillon 235 in R. als MKL-Feldwebel Rad versetzt. Zum 1. Oktober 1986 wurde er zur F...schule in D. als Schüler versetzt und absolvierte dort die Fachausbildung zum „Staatlich anerkannten Erzieher“. In der Zeit vom 4. April bis zum 14. September 1989 nahm er am Offizierlehrgang Militärfachlicher Dienst bei der O...schule in D. teil, den er mit der Abschlussnote „befriedigend“ bestand. Der Soldat wurde weiterhin wie folgt versetzt: zum 1. Oktober 1989 zur 3./S...bataillon (S...Btl) 851 in M. als Sanitätsdienstoffizier (SanDstOffz) Fachdienst (FD) und Zugführeroffizier FD, in derselben Funktion zum 1. Oktober 1991 zur 8./S...Btl 851 in M., zum 1. Dezember 1995 zur 3./S...Btl 851 als SanDstOffz FD und Kompaniechef (KpChef) FD, zum 1. Oktober 1996 zur S...kompanie (S.Kp) der S...akademie (S...Ak...) in M. als SanDstOffz und KpChef und zum 1. August 2002 zur VI./S...Ak... als SanDstOffz und Inspektionschef (InspChef).

In der letzten planmäßigen Beurteilung vom 14. Januar 2002 wurden die Leistungen des Soldaten im Beurteilungszeitraum hinsichtlich der Einzelmerkmale dreimal mit „7“ und 13 mal mit „6“ bewertet. Seine Eignung und Befähigung wurde in den Merkmalen „Verantwortungsbewusstsein“ und „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ mit „E“ sowie in den Merkmalen „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ mit „D“ bewertet.

Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ heißt es:

„Hauptmann G. ist aus innerster Überzeugung Soldat und ein überzeugter Repräsentant der Bundeswehr. Mit Einfühlungsvermögen, Überzeugungskraft und soldatischem Selbstverständnis versteht er es, seine Soldaten in überzeugender Weise zu motivieren.

Geradlinig und konsequent hat Hauptmann G. in seinen bisherigen Verwendungen hervorragende Leistungen erzielt. Diese Leistungen hat er in bestechender Weise, mit Begeisterungsfähigkeit und großem persönlichen Einsatzwillen in den letzten beiden Jahren auch weiterhin erbracht. Ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein, Gewissenhaftigkeit und Wille zur Leistung kennzeichnen seine Person.“

In der Sonderbeurteilung vom 16. März 2004 bewertete Oberfeldarzt H., Kommandeur der Lehrgruppe B der S...akademie, die Leistungen des Soldaten in den Einzelmerkmalen ebenfalls dreimal mit „7“ und 13 mal mit „6“. In der Eignungs- und Befähigungsbewertung vergab er für „Verantwortungsbewusstsein“ und „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ ebenfalls „E“. Auch die Merkmale „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ bewertete er mit „D“.

Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ heißt es:

„Hptm G. ist ein sehr engagierter Offizier mit einem hohen beruflichen Selbstverständnis und großer Identifikation mit dem Beruf ‚Soldat’. Seine Persönlichkeit ist durch eine vorbildliche Haltung, Integrität und Loyalität geprägt.

Sein Gespür und sein Eintreten für Gerechtigkeit zeichnen ihn als Vorgesetzten genauso aus wie seine Fürsorge für seine Untergebenen.

Seine zielgerichtete Einsatz- und Leistungsfähigkeit machen ihn zu einem wertvollen Führer und Mitarbeiter.“

In der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten wird ausgeführt:

„Mit der treffenden Beurteilung bin ich, auch im Rahmen der vergleichenden Betrachtung, einverstanden. Hptm G. ist ein pflicht- und verantwortungsbewusster Offizier mit unerschütterlichem beruflichen Selbstverständnis. Dabei überzeugt er insbesondere durch Einsatzbereitschaft, Eigenständigkeit und Bescheidenheit.“

Oberfeldarzt H., Disziplinarvorgesetzter des Soldaten seit 1. Oktober 2003, hat als Leumundszeuge vor dem Truppendienstgericht ausgesagt, er könne die letzte planmäßige Beurteilung des Soldaten bestätigen. Er hat insbesondere das Engagement des Soldaten hervorgehoben.

Ausweislich des Auszugs aus dem Disziplinarbuch vom 12. März 2004 und der Auskunft aus dem Zentralregister vom 15. März 2004 ist der Soldat bislang weder disziplinar noch strafgerichtlich in Erscheinung getreten. Er ist Träger der Schützenschnur in Bronze, des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Silber und des Leistungsabzeichens in Gold. Darüber hinaus erhielt er drei förmliche Anerkennungen wegen vorbildlicher Pflichterfüllung, und zwar am 21. Januar 1994, 10. September 1996 und 10. Dezember 1998. Mit Wirkung vom 1. Januar 2000 wurde für den Soldaten eine Leistungsstufe nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BBesG festgesetzt.

Der verheiratete Soldat erhält Dienstbezüge aus der Dienstaltersstufe 10 der Besoldungsgruppe A 12 des Bundesbesoldungsgesetzes in Höhe von 3.495,46 € brutto und 2.661,05 € netto. Tatsächlich ausgezahlt werden ihm 2.621,17 €. Nach seinen Angaben erzielt seine Ehefrau als Mitarbeiterin einer Bank ein monatliches Einkommen von 1.600 € netto.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Soldaten sind geordnet.

II

III