Beschluss vom 15.12.2008 -
BVerwG 1 WB 70.08ECLI:DE:BVerwG:2008:151208B1WB70.08.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 15.12.2008 - 1 WB 70.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:151208B1WB70.08.0]
Beschluss
BVerwG 1 WB 70.08
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 15. Dezember 2008 beschlossen:
- Das Bundesverwaltungsgericht ist sachlich unzuständig.
- Die Sache wird an das Truppendienstgericht ... verwiesen.
Gründe
I
1 Der Antragsteller wendet sich gegen zwei dienstliche Beurteilungen vom 14. März und 8. August 2005. Er war vom 1. Oktober 2004 bis 6. Dezember 2007 Soldat auf Zeit. Zunächst wurde er beim Bundeswehrkrankenhaus L. als Sanitätsstabsoffizier ... in der Fachuntersuchungsstelle ... verwandt und nach Auflösung des Bundeswehrkrankenhauses mit Wirkung vom 1. April 2007 an das Fachsanitätszentrum L. als Sanitätsstabsoffizier Arzt versetzt.
2 Unter dem Datum 14. März 2005 fertigte der Leiter der Fachuntersuchungsstelle 9 eine Sonderbeurteilung nach ZDv 20/6 Nr. 206a zum 1. März 2005 an, die dem Antragsteller am 8. April 2005 ausgehändigt wurde und zu der der nächsthöhere Vorgesetzte, der Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses L., am 20. April 2005 Stellung nahm.
3 Unter dem Datum 8. August 2005 fertigte der Leiter der Fachuntersuchungsstelle 9 eine weitere, nunmehr planmäßige Beurteilung zum 30. September 2005, die dem Antragsteller am 8. August 2005 ausgehändigt wurde und zu der der Chefarzt als nächsthöherer Vorgesetzter am 8. Dezember 2005 Stellung nahm.
4
In einem Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 4. Mai 2007 an das Bundeswehrkrankenhaus L., das am 8. Mai 2007 beim Fachsanitätszentrum L. einging, heißt es unter dem Betreff „Beurteilung für Dr. med. ... vom 14. März 2005 und 8. August 2005“:
„In der vorbezeichneten Angelegenheit begründen wir den Widerspruch gegen die beiden Beurteilungen vom 14.03.2005 sowie 08.08 .2005.“
5 Nachdem das Sanitätskommando ... mit Schreiben vom 30. Mai 2007 an die Bevollmächtigten ausgeführt hatte, bei sachgerechter Auslegung sei der als Widerspruch bezeichnete Rechtsbehelf als Wehrbeschwerde zu werten, die jedoch wegen Fristversäumnis unzulässig sei, erwiderten die Bevollmächtigten mit Schreiben vom 26. Juni 2007, der Antragsteller habe nach Rückkehr aus seinem Auslandseinsatz im Kosovo „unverzüglich das Gespräch mit dem damaligen Chefarzt Oberstabsarzt G. gesucht. Zudem hat er mit seinem Personalbearbeiter Oberfeldarzt Dr. H. in K. telefonisch Kontakt aufgenommen. In beiden Gesprächen hat er sich ausdrücklich über die Beurteilungen beschwert.“ Diese Beschwerden seien dann aber nicht bearbeitet worden.
6
Mit Schriftsatz vom 14. März 2008, eingegangen am 15. März 2008, hat der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht B. gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung, erhoben und beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 8. August 2005 und 14. März 2005 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
7 Das Verwaltungsgericht B. hat sich nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 4. September 2008 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenat - verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich um eine truppendienstliche Angelegenheit im Sinne des § 17 Abs. 1 WBO. Richte sich in solchen Angelegenheiten der Rechtsbehelf gegen das Bundesministerium der Verteidigung, so sei die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben.
II
8 Zuständig für die Entscheidung über das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist nicht das Bundesverwaltungsgericht, sondern das Truppendienstgericht ...
9
Der im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht B. angekündigte Antrag ist im Wehrbeschwerdeverfahren sachgerecht dahin auszulegen, dass der Antragsteller beantragt,
die dienstlichen Beurteilungen vom 8. August 2005 und vom 14. März 2005 aufzuheben und den zuständigen Vorgesetzten zu verpflichten, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
10 Für diesen Antrag ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten gegeben. Unabhängig von der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass dienstliche Beurteilungen truppendienstliche Maßnahmen darstellen, die vor den Wehrdienstgerichten angefochten werden können (vgl. u.a. Beschlüsse vom 8. März 2006 - BVerwG 1 WB 23.05 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 7> und vom 11. März 2008 - BVerwG 1 WB 41.07 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 10>).
11 Das Bundesverwaltungsgericht ist aber sachlich unzuständig. Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts anstelle des Truppendienstgerichts besteht im gerichtlichen Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung lediglich in den Fällen der §§ 21, 22 WBO. Nach § 21 Abs. 1 WBO kann das Bundesverwaltungsgericht nur gegen Entscheidungen oder Maßnahmen des Bundesministers der Verteidigung einschließlich der Entscheidungen über Beschwerden unmittelbar angerufen werden. Diese Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gilt nach § 22 WBO auch für die Entscheidungen der Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Vorgesetzten in vergleichbaren Dienststellungen über weitere Beschwerden. Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben. Sind - wie im vorliegenden Fall - weder ein Beschwerdebescheid noch ein Bescheid über die weitere Beschwerde ergangen und wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Untätigkeit, so kommt es für die Frage der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts darauf an, welcher Vorgesetzte oder welche Dienststelle für die unterlassenen Entscheidungen zuständig gewesen wäre.
12 Hier richtete sich die nach dem Vorbringen des Antragstellers „mündlich“ eingelegte Beschwerde gegen dienstliche Beurteilungen, die von dem damaligen Vorgesetzten des Antragstellers, dem Leiter der Fachuntersuchungsstelle ... des Bundeswehrkrankenhauses L. und dem Chefarzt des Bundeswehrkrankenhauses L. als nächsthöheren Vorgesetzten erstellt worden waren. Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde wäre daher der Kommandeur des Sanitätskommandos ... und für die Entscheidung über die weitere Beschwerde der Befehlshaber des Sanitätsführungskommandos gewesen. Das gilt entsprechend für einen etwaigen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG. In beiden Fällen liegen die Voraussetzungen der §§ 21, 22 WBO nicht vor.
13 Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts wäre allerdings dann gegeben, wenn Streitgegenstand des Verfahrens die Aufhebung einer bestandskräftigen Beurteilung im Wege der Dienstaufsicht wäre. Darüber entscheidet nach Nr. 901 Satz 1 ZDV 20/6 nämlich die personalbearbeitende Stelle, hier also das Personalamt der Bundeswehr, und über eine dagegen eingelegte Beschwerde der Bundesminister der Verteidigung. Weder dem Vorbringen des Antragstellers noch den vorgelegten Akten lässt sich aber entnehmen, dass der Antragsteller einen solchen Antrag gestellt hätte. Auch das Vorbringen des Antragstellers im Verwaltungsverfahren, er habe mündlich Beschwerde gegen die dienstlichen Beurteilungen eingelegt, über die bisher nicht entschieden sei, lässt die Auslegung, er begehre die Aufhebung der dienstlichen Beurteilungen im Wege der Dienstaufsicht nach Nr. 901 der ZDv 20/6, nicht zu, zumal eine solche Entscheidung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht mit einem Verpflichtungsantrag erreicht werden kann (vgl. u.a. Beschlüsse vom 26. Juni 2007 - BVerwG 1 WB 3.07 - und vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 11.08 -).
14 Ist demnach die sachliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben, war das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten an das für das Fachsanitätszentrum L. und das Sanitätskommando ... zuständige Truppendienstgericht ... (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über die Errichtung von Truppendienstgerichten <Errichtungsverordnung - ErrV> vom 16. Mai 2006 <BGBl I S. 1262>) in entsprechender Anwendung des § 83 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG zu verweisen. Einer solchen Weiterverweisung steht die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des VG B. nicht entgegen, weil diese nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG nur die Entscheidung über den Rechtsweg betrifft (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 17 Rn. 38).
15 Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. Beschlüsse vom 13. Dezember 1999 - BVerwG 1 WB 58.99 - Buchholz 311 § 21 WBO Nr. 1 = NZWehrr 2000, 123 und vom 17. Januar 2006 - BVerwG 1 WB 3.05 - <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 450.1 § 21 WBO Nr. 3> m.w.N.).