Beschluss vom 14.12.2023 -
BVerwG 2 B 42.22ECLI:DE:BVerwG:2023:141223B2B42.22.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 14.12.2023 - 2 B 42.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:141223B2B42.22.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 42.22
- VG Freiburg - 18.12.2020 - AZ: DB 11 K 3857/19
- VGH Mannheim - 12.09.2022 - AZ: DB 16 S 530/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel
beschlossen:
- Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichthofs Baden-Württemberg vom 12. September 2022 wird verworfen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
2 1. Der 1969 geborene Beklagte steht als Polizeioberkommissar der Bundespolizei (Besoldungsgruppe A 10 BBesO) im Dienst der Klägerin. Im Jahr 2013 leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen ein. Das daraufhin im Februar 2014 eingeleitete Disziplinarverfahren setzte die Klägerin im Hinblick auf das laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus. Im Oktober 2015 verurteilte das Amtsgericht den Beklagten wegen Verletzung des Privatgeheimnisses in zwei Fällen und Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Berufung des Beklagten reduzierte das Landgericht die Strafe auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Der Beklagte hatte in zwei Fällen auf Aufforderung eines Bekannten unzulässige Recherchen in polizeilichen Datenbanken zu bestimmten Personen durchgeführt und die Ergebnisse an seinen Bekannten weitergegeben. Ferner hatte der Beklagte auf Aufforderung dieses Bekannten durch unzulässige Nachforschungen in polizeilichen Datenbanken ermittelt, dass gegen dritte Personen ein verdecktes Ermittlungsverfahren wegen Vermögensstraftaten (u. a. Geldwäsche) durchgeführt wurde, und diese Erkenntnisse wiederum seinem Bekannten mitgeteilt, der seinerseits die Zielpersonen der polizeilichen Ermittlungen informierte.
3 Auf die sachgleiche Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die vom Beklagten beantragte Mitwirkung des Personalrats sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Zur Mitwirkung berufen sei der örtliche Personalrat bei der Bundespolizeidirektion S. gewesen, der durch Übersendung des Entwurfs der Disziplinarklageschrift hinreichend unterrichtet worden sei. Bei dem Gemeinsamen Zentrum in K. habe kein örtlicher Personalrat bestanden. Mit seiner Stellungnahme habe der örtliche Personalrat der Erhebung der Disziplinarklage konkludent zugestimmt und zugleich auf eine Erörterung verzichtet, wodurch das Mitwirkungsverfahren abgeschlossen worden sei. Angemessene Disziplinarmaßnahme für das schwere Dienstvergehen des Beklagten sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Der Beklagte habe durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren.
4 2. Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 VwGO).
5 a) Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
6 Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann i. S. d. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3).
7 Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie verweist zum Beleg der - angeblichen - rechtssatzmäßigen Abweichung des Berufungsurteils von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf das Urteil vom 28. Oktober 1998 - 1 D 28.97 - sowie auf das Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - und macht geltend, das Berufungsgericht habe der Bemessungsentscheidung einen Rechtssatz zugrunde gelegt, der nach der Praxis des Bundesverwaltungsgerichts allein für eine Konstellation einer sog. "Regelvermutung" gelte, der im Fall des Beklagten gerade nicht gegeben sei.
8 Im Übrigen ist in der Senatsrechtsprechung geklärt, dass auch bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 BDG am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten ist. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen ebenfalls eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - BVerwGE 154, 10 Rn. 19). Ausgehend von diesem Orientierungsrahmen hat das Disziplinargericht bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Von diesen Grundsätzen für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist das Berufungsgericht ausgegangen (UA S. 33 ff.).
9 b) Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
10 Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Diese Voraussetzungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn die von der Beschwerde aufgeworfene Frage bereits geklärt ist, auf Grund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie nur einzelfallbezogen zu beantworten ist und deshalb keine allgemeine Bedeutung hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4, vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 und vom 20. Juni 2017 - 2 B 84.16 - juris Rn. 9). Die von der Beschwerde formulierten Fragen erfüllen die Voraussetzungen einer Rechtsfrage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung nicht.
11
aa) Die Fragen,
"ob die Dienststelle die ihr gegenüber einem Personalrat im Rahmen von dessen Mitbestimmung bzw. Mitwirkung obliegende Unterrichtungspflicht gem. § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG a. F. bzw. nunmehr § 66 Abs. 1 BPersVG n. F. dadurch erfüllen kann, dass ein anderes personalvertretungsrechtliches Gremium (insbes. Gesamtpersonalrat, Bezirkspersonalrat, Hauptpersonalrat) die Informationen der Dienststelle an diesen Personalrat weiterleitet, und ob dieses Gremium von der Dienststelle als Bote herangezogen werden kann,"
begründen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht. Denn sie lassen sich mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Berufungsurteils beantworten.
12 Nach dem hier maßgeblichen § 78 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693 - BPersVG a. F.) wirkt der Personalrat bei Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten mit, falls der Beamte einen entsprechenden Antrag gestellt hat. § 68 Abs. 2 Satz 1 BPersVG a. F. gibt ferner vor, dass die Personalvertretung zur Durchführung ihrer Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist. Auf welche Art und Weise der für die Unterrichtung des Personalrats nach § 7 BPersVG a. F. grundsätzlich verantwortliche Leiter der Dienststelle diese Verpflichtung erfüllt, ist nicht vorgegeben. Maßgeblich ist, dass der Personalrat von der Dienststelle die für die Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgabe erforderlichen Informationen erhält. Diese Vorgabe ist auch erfüllt, wenn dem zuständigen örtlichen Personalrat das entsprechende Schreiben der Dienststelle über den Gesamtpersonalrat zugeleitet wird.
13 Zudem ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich der betroffene Beamte nicht auf etwaige Fehler bei der Einleitung des Mitwirkungsverfahrens berufen kann. Bei Fehlern im Rahmen der Einleitung des Verfahrens kann der Personalrat gegenüber dem Leiter der Dienststelle Einwendungen erheben (§ 72 Abs. 2 Satz 2 BPersVG a. F.). Versäumt der Personalrat allerdings diese Möglichkeit zur Einwendung, so verliert er sein Rügerecht und kann den Mangel im weiteren Verlauf des Mitwirkungsverfahrens nicht mehr beanstanden. Ein derartiger Mangel ist auch im Verhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem betroffenen Beamten unbeachtlich geworden. Das Mitbestimmungs- wie auch das Mitwirkungsverfahren dienen nicht in erster Linie den Individualinteressen des Beschäftigten. Das Wohl aller Beschäftigten und die Verhältnisse in der Dienststelle als Ganzes sind Richtschnur des Handelns des Personalrats. Die ordnungsgemäße Einleitung des Verfahrens dient der Verdeutlichung der Bedeutung des Personalrats, der als Repräsentant aller Beschäftigten durch die Wahrnehmung der ihm eingeräumten Befugnisse die Beteiligung der Bediensteten an der Regelung des Dienstes und der Dienst- und Arbeitsweise zu verwirklichen und dadurch die Interessen der Bediensteten in der Dienststelle zu vertreten hat. Deshalb können vom Personalrat nicht beanstandete formelle Mängel bei der Einleitung des Verfahrens, die dessen Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nicht ausschließen, nicht Rechte des einzelnen Beschäftigten berühren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich diese Mängel nicht auf eine ausdrücklich zu der beabsichtigten Maßnahme erteilte Zustimmung auszuwirken vermögen (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1989 - 2 C 8.88 - BVerwGE 81, 288 <290 ff.>, vom 6. April 1989 - 2 C 26.88 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 13 Rn. 18 ff. und vom 12. Oktober 1989 - 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362>).
14 Der von der Beschwerde angeführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2009 - 6 PB 25.08 - (Buchholz 251.51 § 64 MVPersVG Nr. 1) steht dem nicht entgegen. Der Beschluss betrifft allein die Zulässigkeit der Ausübung des Letztentscheidungsrechts der obersten Dienstbehörde bei Abordnungen von Beamten für die Dauer von mehr als drei Monaten, wenn im Mitbestimmungsverfahren eine ordnungsgemäße Unterrichtung der Personalvertretungen nicht erfolgt ist, Personalrat, die Stufenvertretung und die Einigungsstelle dies gerügt und ihre Zustimmungsverweigerung darauf gestützt haben. Das kraft Verfassung und Gesetz bestehende Letztentscheidungsrecht der obersten Dienstbehörde ist in seinem Bestand unabhängig davon, ob das vorausgegangene Mitbestimmungsverfahren in jeder Beziehung rechtmäßig verlaufen ist oder ob es unter Rechtsfehlern leidet. Erkennt die oberste Dienstbehörde selbst, dass die vollständige Unterrichtung über die mitbestimmungspflichtige Maßnahme bisher unterblieben ist, muss sie die erforderlichen Informationen nachholen und hat die Ausübung ihres Letztentscheidungsrechts vorerst zurückzustellen. Ist die oberste Dienstbehörde dagegen der Auffassung, dass die Personalvertretung jedenfalls bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens ordnungsgemäß unterrichtet worden ist, so darf sie von ihrem Letztentscheidungsrecht Gebrauch machen. Die abweichende Auffassung von Personalvertretung oder Einigungsstelle hindert die Behörde nicht an der Ausübung des Rechts; die Personalvertretung kann aber den Streit über Art und Umfang der zu erteilenden Informationen gerichtlich klären lassen.
15
bb) Auch die weiteren Fragen,
"ob die Dienststelle im Rahmen ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber dem zuständigen Personalrat bei dessen Mitwirkung bei beabsichtigter Erhebung einer Disziplinarklage gem. §§ 68 Abs. 2 Satz 1, 78 Abs. 1 Nummer 3 BPersVG a. F. bzw. §§ 66 Abs. 1, 84 Abs. 1 Nummer 4 BPersVG n. F. gehalten ist, den Personalrat nicht lediglich die aus ihrer Sicht tragenden Gründe zu unterbreiten, sondern von vornherein (nicht erst auf Nachfrage des Personalrats) hinsichtlich aller wesentlichen für und gegen den Beamten sprechenden Gesichtspunkte durch entsprechende über die Vorlage des Entwurfs der Disziplinarklage hinausgehende Informationen dem Personalrat einen gleichen Informationsstand zu verschaffen, wie sie ihn selbst hat, ob sie insbesondere verpflichtet ist, von vornherein ein dem Disziplinarverfahren zugrundeliegendes vollständiges strafgerichtliches Urteil, sowie einen Ermittlungsbericht der Dienststelle, etwaige Protokolle von Aussagen des Beamten und wesentliche polizeiliche Ermittlungsergebnisse zu den Vorwürfen dem Personalrat vorzulegen, und ob sich weitergehende Anforderungen ergeben, wenn es sich hinsichtlich der Voraussetzungen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG nicht um einen Fall der Regeleinstufung für eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis handelt,"
führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil sie auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet werden können und ein darüberhinausgehender Bedarf an einer gerichtlichen Klärung nicht dargelegt wird.
16 Die Dienstbehörde muss den örtlich zuständigen Personalrat zutreffend in kurzer und knapper Form über die beabsichtigte Maßnahme unterrichten. Die Unterrichtung muss konkret genug sein und Art und Umfang der beabsichtigten Maßnahme erkennen lassen. Eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung durch die Dienststelle entspricht diesen Anforderungen nicht und führt, auch wenn sich der Personalrat nicht auf Täuschung berufen sollte, zur Anfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme (BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362> m. w. N.). Gegenstand der Mitwirkung des Personalrats nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a. F. ist die Erhebung der Disziplinarklage gegen einen Beamten. Damit ist Gegenstand der Mitwirkung lediglich das "Ob" der Klageerhebung; der genaue Inhalt der Klageschrift, insbesondere der konkrete Sachantrag des Dienstherrn oder die Entscheidung, welcher Bedienstete des Dienstherrn die Disziplinarklage zu erheben hat, sind nicht mehr Gegenstand der Mitwirkung des Personalrats (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <254 f.> zu § 55 BDG und Beschluss vom 17. April 2020 - 2 B 3.20 - 235.2 LDisziplinarG Nr. 73 Rn. 9).
17 Eine Disziplinarklageschrift, die den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG genügt, erfüllt die Anforderungen an die Information des Personalrats. Denn sie gibt, wie hier die Klageschrift vom 11. September 2019, Auskunft über den persönlichen und beruflichen Werdegang des betroffenen Beamten sowie über den Gang des behördlichen Disziplinarverfahrens, schildert - unter Verweis auf die bindenden tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils - die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und stellt die anderen Tatsachen und Beweismittel dar, die für die Entscheidung bedeutsam sind. Hält der Personalrat die Mitteilung durch die Dienststelle für unzureichend, so ist es seine Sache, weitere Informationen einzuholen. Wie dargelegt, berühren für den Personalrat erkennbare, aber von ihm nicht beanstandete formelle Mängel nicht die Rechte des einzelnen Beschäftigten (BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1989 - 2 C 22.87 - BVerwGE 82, 356 <362>).
18
cc) Die weitere Frage,
"ob bei der gerichtlichen Auslegung einer nicht eindeutigen Erklärung des Personalrats als "konkludente Zustimmung" und als "Verzicht auf die Erörterung" eine gegenteilige Aussage von Seiten der Dienststelle (keine Zustimmung des Personalrats) als "unerheblich" behandelt werden kann, oder ist nach Treu und Glauben und aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung gem. § 2 Abs. 1 BPersVG a. F., inhaltsgleich nun § 2 Abs. 1 BPersVG n. F., die gegenteilige Aussage zu berücksichtigen mit der Folge, dass eine konkludente Zustimmung und ein Verzicht auf die Erklärung nicht angenommen werden kann,"
begründet ebenfalls nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
19 Es ist geklärt, dass die Auslegungsregel des § 133 BGB auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist daher der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann ("objektivierter Empfängerhorizont"). Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. September 2010 - 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 Rn. 36 und vom 30. Oktober 2013 - 2 C 23.12 - BVerwGE 148, 217 Rn. 15) und unter welchen Begleitumständen die Erklärung abgegeben worden ist (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2012 - 3 C 12.11 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 113 Rn. 16).
20 Diese Grundsätze hat das Berufungsurteil seiner Auslegung zugrunde gelegt (UA S. 31). Einen darüberhinausgehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Vielmehr wendet sie sich lediglich in Gestalt der Grundsatzrüge gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs zur Bedeutung der Erklärung einer Mitarbeiterin der klagenden Bundesrepublik, die im Vorlagebericht ausgeführt hatte, dass die Personalvertretung der Erhebung der Disziplinarklage nicht zustimme. Mit Angriffen gegen die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls kann die grundsätzliche Bedeutung nicht begründet werden.
21 c) Die Revision ist schließlich auch nicht im Hinblick auf einen der von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
22 aa) Die Rüge, das Berufungsgericht habe den "Beweisantrag 2" (S. 72 f. der VGH-Akte) zu den dienstlichen Leistungen und zum dienstlichen Verhalten des Beklagten fehlerhaft behandelt, ist unbegründet.
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat den "Beweisantrag 2" in vollem Umfang als Beweisantrag i. S. v. § 86 Abs. 2 VwGO bewertet, obwohl er zahlreiche Wertungen (z. B. Bewertung des Beklagten als außerordentlich engagierter und pflichtbewusster Polizeibeamter mit immer wieder herausragenden Leistungen, der für seinen Beruf "brannte"; Hinweis auf konsequente Ermittlungen und gute Ergebnisse des Beklagten auch bei schwierigen Aufgaben sowie Inkaufnahme sehr widriger Umstände bei Auslandseinsätzen) und nur wenige Tatsachenbehauptungen enthält, die allein Gegenstand eines Beweisantrags i. S. v. § 86 Abs. 2 VwGO sein können. Ungeachtet dessen verletzt die Behandlung dieses Antrags nicht § 86 Abs. 2 VwGO, weil der Verwaltungsgerichtshof den Beweisantrag nach der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO ablehnen durfte. Danach darf das Verwaltungsgericht einen Beweisantrag ablehnen, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist. Stützt sich das Gericht auf § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 StPO, so ist die betreffende Tatsache für das Urteil bindend und das Gericht darf sich im Urteil zu ihr nicht in Widerspruch setzen. Die Tatsache muss in ihrer vollen, aus Sinn und Zweck sich ergebenden Bedeutung unverändert als erwiesen behandelt und darf nicht in unzulässiger Weise eingeengt werden (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 - 1 StR 410/88 - NJW 1989, 845 unter Hinweis auf die Parallele zur Wahrunterstellung).
24 Gegen diese Vorgabe hat der Verwaltungsgerichtshof im Urteil nicht verstoßen. Die Verpflichtung, die Tatsache als erwiesen zu behandeln, schützt den Betroffenen nicht davor, dass ihr das Gericht aus rechtlichen Gründen keine Bedeutung beimisst.
25 bb) Auch die Ablehnung der weiteren in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisanträge als rechtlich unerheblich ist nicht verfahrensfehlerhaft, weil sie im Prozessrecht ihre Stütze findet.
26 Im Verwaltungsprozess hat das Gericht die Möglichkeit, einen angebotenen Beweis unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Unerheblichkeit der behaupteten Tatsache abzulehnen (BVerwG, Urteil vom 24. März 1987 - 9 C 47.85 - BVerwGE 77, 150 <155 ff.> und Beschluss vom 19. November 2020 - 9 B 40/19 - Buchholz 424.01 § 58 FlurbG Nr. 7 Rn. 8). Dies ist hier nach der materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, auf die es für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ankommt, der Fall.
27 Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist es unerheblich, ob der örtliche Personalrat das an ihn gerichtete Schreiben der Dienststelle vom 5. August 2019 unmittelbar von der Dienststelle oder mittelbar über den Gesamtpersonalrat erhalten hat. Ebenso ist es nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ohne Bedeutung, ob das Schreiben des örtlichen Personalrats vom 15. August 2019 noch am selben Tag an den Gesamtpersonalrat und zur Kenntnis an die Dienststelle übermittelt wurde. Auf der Basis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ohne Belang sind auch die Vorstellungen der Mitglieder des Gesamtpersonalrats über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen ihm und dem örtlichen Personalrat für die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung bei der Erhebung der Disziplinarklage.
28 Unbegründet ist auch die weitere Rüge, das Berufungsgericht habe dadurch gegen § 86 Abs. 2 VwGO verstoßen, dass es in der Berufungsverhandlung seine konkreten Erwägungen für die angenommene rechtliche Bedeutungslosigkeit der in den drei Beweisanträgen unter Beweis gestellten Tatsachen nicht dargelegt habe.
29 Sinn und Zweck der Verpflichtung zur Begründung der Ablehnung des Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO ist es, dem Antragsteller die zur Ablehnung seines Antrags führenden Erwägungen des Gerichts zur Kenntnis zu bringen, um ihm zu ermöglichen, sich darauf einzurichten, etwa einen neuen oder veränderten Beweisantrag zu stellen oder im abschließenden Vortrag sich mit der im Beschluss zu Tage getretenen Auffassung des Gerichts auseinanderzusetzen (BVerwG, Urteile vom 23. Juni 1961 - 4 C 308.60 - BVerwGE 12, 268 <269> und vom 6. Oktober 1982 - 7 C 17.80 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 26 und Beschluss vom 8. Dezember 1988 - 9 B 388.88 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 35). Diesen Anforderungen genügt der Hinweis auf die rechtliche Unerheblichkeit der Tatsachen. Denn der Beklagte konnte daraus ableiten, dass das Berufungsgericht den in den drei Anträgen unter Beweis gestellten Tatsachen für die Entscheidung über die Berufung keine Bedeutung beimisst, und sein weiteres prozessuales Vorgehen an dieser Rechtsauffassung ausrichten.
30 cc) Auch die weiteren Verfahrensrügen des Beklagten, zu deren Begründung auf den Antrag auf Tatbestandsberichtigung verwiesen wird, sind unbegründet.
31 1) Unbegründet ist die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe dem Beklagten eine Erklärung unterstellt, die er nicht abgegeben habe.
32 Die Aussage auf Seite 25 des Berufungsurteils zu den "übereinstimmenden Angaben der Beteiligten" bezieht sich allein auf den Aspekt der unterbliebenen Bildung eines örtlichen Personalrats beim Gemeinsamen Zentrum der deutsch-französischen Polizei- und Zollbehörden in K. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht angenommen, der Beklagte sei in Übereinstimmung mit der Klägerin - in rechtlicher Hinsicht - von der Zuständigkeit des örtlichen Personalrats der Bundespolizei für das Mitwirkungsverfahren nach § 78 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG a. F. und nicht die des Gesamtpersonalrats ausgegangen.
33 Auch durfte das Berufungsgericht das Verhalten des Beklagten auf das Vorbringen der Vertreterin der Klägerin in der Berufungsverhandlung zum Fehlen eines örtlichen Personalrats beim Gemeinsamen Zentrum in K. würdigen. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zu bewerten ist vom Gericht dabei auch das Verhalten eines Beteiligten auf Vorbringen des Prozessgegners, das nach der deutlich gewordenen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich sein kann. Nach dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. November 2022, mit dem er den Antrag des Beklagten auf Berichtigung des Tatbestands des Berufungsurteils abgelehnt und den dieser in die Beschwerdebegründung einbezogen hat, hat die Klägerin ausgeführt, beim Gemeinsamen Zentrum bestehe kein örtlicher Personalrat. Durch die Entscheidung über die unbedingten Beweisanträge musste dem Beklagten bewusst geworden sein, dass das Berufungsgericht nicht den Gesamtpersonalrat, sondern den örtlichen Personalrat als zur Mitwirkung befugt ansieht. Dementsprechend kam der Frage, welcher örtliche Personalrat zuständig ist, rechtliche Bedeutung zu. Das Fehlen eines Widerspruchs des Beklagten gegen die Darstellung der Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durfte der Verwaltungsgerichtshof nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO bewerten.
34 2) Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht habe wesentliche Bekundungen des Beklagten nicht berücksichtigt. Die Rechtsansicht des Beklagten, nicht der örtliche Personalrat, sondern der Gesamtpersonalrat sei zur Mitwirkung berufen, hat das Berufungsgericht zur Kenntnis genommen. Dass das Gericht insoweit eine andere Rechtsauffassung vertritt, begründet keinen Verfahrensmangel i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
35 3) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, der Verwaltungsgerichtshof sei von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Äußerungen des Gesamtpersonalrats im Vorfeld der Erhebung der Disziplinarklage sind auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts unerheblich, weil der Gesamtpersonalrat nach dessen Ansicht im Mitwirkungsverfahren nicht zu beteiligen war. Entgegen der Beschwerdebegründung hat der Verwaltungsgerichtshof nicht eine Erklärung des Gesamtpersonalrats, sondern die im Tatbestand des Berufungsurteils wörtlich wiedergegebene Stellungnahme des örtlichen Personalrats gegenüber der Dienststelle vom 9. September 2019 als konkludente Zustimmung zur Erhebung der Disziplinarklage unter Verzicht auf eine Erörterung gewertet.
36 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gerichtsgebühren nach den analog anzuwenden Bestimmungen des Landesrechts erhoben werden (BVerwG, Urteile vom 21. April 2016 - 2 C 4.15 - BVerwGE 155, 6 Rn. 81 f. und - 2 C 13.15 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 42 Rn. 35 f. sowie Beschlüsse vom 25. Februar 2021 - 2 B 69.20 - NVwZ-RR 2021, 540 Rn. 35 f. und vom 29. Oktober 2021 - 2 B 34.21 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 89 Rn. 24).