Beschluss vom 14.12.2021 -
BVerwG 5 PB 1.21ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B5PB1.21.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.12.2021 - 5 PB 1.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:141221B5PB1.21.0]

Beschluss

BVerwG 5 PB 1.21

  • VG Berlin - 16.01.2020 - AZ: VG 61 K 5.19 PVL
  • OVG Berlin-Brandenburg - 26.10.2020 - AZ: OVG 60 PV 1/20

In der Personalvertretungssache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Harms und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Preisner
beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. Oktober 2020 wird verworfen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache noch wegen einer Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieser Zulassungsgründe (§ 91 Abs. 2 PersVG BE i.V.m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 3 ArbGG) nicht genügt.

2 1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der nach § 91 Abs. 2 PersVG BE entsprechend anwendbaren § 92a Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Nach § 92a Satz 2 i.V.m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG ist in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit darzulegen. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2014 - 5 PB 1.14 - juris Rn. 4 und vom 25. Mai 2016 - 5 PB 21.15 - juris Rn. 10 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht.

4 Der Antragsteller hält die folgende Frage für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig:
"Kann die Zustimmung des Personalrates zu einer außertariflichen Erstreckung von beamtenrechtlichen Zulagen auf weitere Beschäftigte auch künftige Zulagen erfassen?"

5 a) Die Zulassung der Revision ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil sich die aufgeworfene Rechtsfrage dem Oberverwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Antragstellers in dieser Allgemeinheit nicht gestellt hat und nicht erkennbar ist, dass sie sich in dieser pauschalen Form in einem Rechtsbeschwerdeverfahren stellen und geklärt werden könnte.

6 aa) Das Oberverwaltungsgericht hat die Frage in seiner Urteilsbegründung weder aufgeworfen noch beantwortet, sondern nur die konkrete Zustimmungsvorlage des Beteiligten vom 11. November 2015 und die dazu am 15. Dezember 2015 erteilte Zustimmung des Antragstellers - anders als das Verwaltungsgericht - als dynamische Verweisung auf beamtenrechtliche Zulagenregelungen ausgelegt. Im Rahmen dieser Auslegung führt es zwar an, es sei kein Grund dafür ersichtlich, bei der Wirkung der Erstreckung danach zu unterscheiden, ob es sich um eine tarifvertragliche Regelung oder um eine mitbestimmte entsprechende Anwendung dieser tarifvertraglichen Regelung auf weitere Beschäftigte handele. Insbesondere existiere kein Rechtssatz des Inhalts, dass eine mitbestimmte Erstreckung anders als eine entsprechende tarifvertragliche Regelung nur den jeweiligen Status quo erfasse oder erfassen könne (BA S. 11). Damit beantwortet es aber nicht, wie der Antragsteller meint, die von ihm aufgeworfene abstrakte Rechtsfrage, sondern verhält sich lediglich im Rahmen der Auslegung zu der konkreten Frage, ob eine mitbestimmte Erstreckungsregelung andere Rechtswirkungen hat als eine entsprechende tarifvertragliche Regelung, um darzutun, dass diese Erstreckungswirkung jeweils gleich zu beurteilen sei. Aus dem Umstand, dass die Frage dem nahezu gleichlautenden Leitsatz zu der Entscheidung entnommen wurde, folgt nichts anderes. Denn der Leitsatz enthält, anders als die von dem Antragsteller formulierte Frage, den Zusatz "nach den Umständen" und bezieht sich damit offensichtlich nur auf die Auslegung der Zustimmungsvorlage und der dazu erteilten Zustimmung, die allein Gegenstand des Verfahrens sind.

7 bb) Die Beschwerde legt darüber hinaus nicht hinreichend dar, dass sich die Frage in dieser abstrakten Form in einem Rechtsbeschwerdeverfahren stellen würde und vom Rechtsbeschwerdegericht beantwortet werden müsste.

8 Maßgeblich für die Ablehnung des streitgegenständlichen Mitbestimmungsrechts bei der Erstreckung der beamtenrechtlich im Jahr 2018 neu eingeführten Brennpunktzulage ist nach Auffassung beider Vorinstanzen die Auslegung der Zustimmung des Antragstellers zu der Zustimmungsvorlage des Beteiligten vom 11. November 2015. Insoweit hat der Antragsteller keinen Rechtsbeschwerdegrund aufgezeigt. Denn er hat weder die für die Auslegung als dynamische Verweisung auf die jeweils geltenden beamtenrechtlichen Zulagenregelungen maßgeblichen Tatsachenfeststellungen des Oberverwaltungsgerichts mit Verfahrensrügen angegriffen noch diesen rechtlichen Ausgangspunkt als solchen in Frage gestellt.

9 Vielmehr verknüpft die Beschwerde die aufgeworfene Frage mit dem Maßnahmebegriff und argumentiert inhaltlich damit, das Oberverwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der beabsichtigten Entscheidung einer Dienststelle, künftige beamtenrechtliche Zulagen als außertarifliche Zulagen Tarifbeschäftigten zu zahlen, um eine Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts handele, der der Personalrat wirksam zustimmen könne. Das Oberverwaltungsgericht verkenne insoweit den Maßnahmebegriff, weil sich die Zustimmung eines Personalrats bei einer Blankettverweisung auf künftige Zulagen mangels "Inhalt" nicht auf eine Veränderung des gegenwärtigen bzw. bestehenden Zustands beziehen könne. Damit wirft die Beschwerde jedoch keine beachtliche Grundsatzfrage zum personalvertretungsrechtlichen Maßnahmebegriff auf. Vielmehr legt sie den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Begriff zugrunde (Beschwerdebegründung S. 8) und kritisiert lediglich die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Oberverwaltungsgericht. Mit einem Vorbringen, das sich der Sache nach gegen eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall richtet, lässt sich die Grundsatzbedeutung einer Rechtsfrage jedoch nicht erfolgreich begründen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 5 PB 23.19 - PersV 2021, 231 Rn. 7).

10 Im Übrigen legt die Beschwerde einen Verstoß gegen den Maßnahmebegriff auch nicht schlüssig dar. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass als Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne jede auf eine Veränderung des bestehenden Zustands abzielende Handlung oder Entscheidung der Dienststellenleitung zu verstehen ist, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt und durch deren Durchführung das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2017 - 5 P 10.15 - BVerwGE 157, 266 Rn. 21 m.w.N.). Dazu zählen ohne Zweifel auch abstrakt-generelle Regelungen, die für eine Vielzahl von Fällen gelten und damit die Rechtsstellung der Beschäftigten für die Zukunft gestalten. Das belegt auch das hier streitige Mitbestimmungsrecht bei Fragen der Lohngestaltung innerhalb der Dienststelle gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 PersVG BE, das gegebenenfalls auch durch Abschluss von Dienstvereinbarungen wahrgenommen werden kann und gerade den Zweck verfolgt, die angemessene und durchsichtige Gestaltung des Lohngefüges und die Wahrung der Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Dienststelle zu gewährleisten. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist nicht die konkrete, absolute Höhe des Arbeitsentgelts, sondern es sind die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, das heißt die abstrakt-generellen Grundsätze der Entgeltfindung (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 20. November 2008 - 6 P 17.07 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 15 Rn. 11 m.w.N.). Eine solche abstrakt-generelle Regelung der Lohngestaltung stellt auch die mit der Zustimmungsvorlage vom 11. November 2015 beabsichtigte, vom Personalrat mitbestimmte Regelung dar. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts enthält sie eine dynamische Erstreckung auch künftiger beamtenrechtlicher Zulagenregelungen auf solche Lehrkräfte, für die die tarifvertragliche Erstreckungsregelung nicht gilt. Es handelt sich damit nicht um die Einräumung einer bloßen Option, Entgeltzulagen nach Belieben des Beteiligten auf alle Lehrkräfte zu übertragen, sondern um eine verbindlich vorzunehmende entsprechende Anwendung einer tarifvertraglichen Erstreckungsregelung, so dass die wirkungsgleiche Übernahme der beamtenrechtlich im Jahr 2018 neu eingeführten Brennpunktzulage durch die entsprechende Änderung der Arbeitsmaterialien des Beteiligten zur Entgeltordnung Lehrkräfte sich lediglich als die Umsetzung der bereits im Jahr 2015 getroffenen und mitbestimmten Maßnahme darstellt.

11 b) Die Beschwerde zeigt außerdem nicht auf, zu welcher Rechtsnorm sich die als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage stellen soll, das heißt in Auslegung welcher Norm des materiellen Rechts, die das Oberverwaltungsgericht angewendet hat, sich ergeben soll, dass die Zustimmung zu einer dynamischen Blankettverweisung unwirksam sein soll.

12 Das gilt zunächst, soweit die Beschwerdebegründung davon ausgehen sollte, dass ein entsprechender Rechtssatz dem in Streit stehenden Mitbestimmungsrecht aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG BE entnommen werden könnte. Denn in Bezug auf dieses Mitbestimmungsrecht hat die Beschwerde keine Grundsatzfrage aufgeworfen.

13 Sollte die Beschwerde mit der von ihr aufgeworfenen Frage die teilweise Unwirksamkeit der Zustimmung des Personalrats in Bezug nehmen und rügen wollen, zeigt sie auch insoweit weder auf, aus welcher Norm sich diese ergeben sollte, noch bringt sie dies in ihrer Fragestellung hinreichend zum Ausdruck. Die Beschwerdebegründung geht zwar auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein, nach der ein Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht nicht in der Weise ausüben darf, dass er dem Arbeitgeber das alleinige Gestaltungsrecht über den mitbestimmungspflichtigen Tatbestand eröffnet, mit der Folge, dass im Falle eines Verstoßes die Zustimmung zu einer Maßnahme oder eine Dienstvereinbarung (teilweise) unwirksam sein kann (BAG, Urteil vom 26.  April 2005 - 1 AZR 76/04 - BAGE 114, 286 <291 f.> m.w.N.; Beschluss vom 9. Juli 2013 - 1 ABR 19/12 - BAGE 145, 330 Rn. 17 ff. und 22). Dies hat sie aber nicht zum Gegenstand der von ihr aufgeworfenen Frage gemacht.

14 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht nach § 91 Abs. 2 PersVG BE i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2 ArbGG wegen entscheidungserheblicher Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs zuzulassen.

15 Der Antragsteller hält die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes für gegeben, weil das Oberverwaltungsgericht auf seinen Vortrag nicht eingegangen sei, im Dezember 2015 habe noch keine "Maßnahme" im personalvertretungsrechtlichen Sinne vorgelegen, weil der Beteiligte damals noch keine Entscheidung mit Wirkung für die bestehenden Rechtsverhältnisse bzw. Arbeitsverhältnisse getroffen habe, so dass der Antragsteller mangels Maßnahme nicht zugestimmt haben könne. Dieses wesentliche Vorbringen habe das Oberverwaltungsgericht übergangen, da es in den Gründen des Beschlusses nicht darauf eingegangen sei.

16 Damit wird eine Gehörsverletzung nicht ordnungsgemäß bezeichnet. Der verfassungsrechtlich durch Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist allerdings nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht den von ihm entgegengenommenen Vortrag der Verfahrensbeteiligten in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur wenn besondere Umstände den eindeutigen Schluss zulassen, dass es die Ausführungen eines Verfahrensbeteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat, wird der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 5 PB 16.14 - juris Rn. 4 und 6 und vom 29. Januar 2019 - 5 B 25.18 - juris Rn. 18 jeweils m.w.N.). Dies hat die Beschwerde nicht, wie es nach § 72a Abs. 3 Nr. 3 ArbGG erforderlich gewesen wäre, dargelegt.

17 Das Oberverwaltungsgericht ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Zustimmungsvorlage eine personalvertretungsrechtliche Maßnahme darstellt und hat sich in seiner Urteilsbegründung mit der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt, es handele sich bei der Erstreckungsregelung um eine bloße Option, die noch keine Maßnahme darstelle, sondern lediglich vorbereitenden Charakter habe. Daraus ergibt sich, dass es - soweit es nach seiner materiell-rechtlichen Ansicht überhaupt darauf ankam - auch das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis genommen hat. Besondere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass es die Argumente nicht bedacht und geprüft hat, zeigt die Beschwerde nicht auf. Insbesondere lässt sich ein mangelndes Erwägen der vorgebrachten Gründe nicht daraus schließen, dass das Oberverwaltungsgericht nicht der Rechtsansicht des Antragstellers gefolgt ist.