Beschluss vom 14.07.2005 -
BVerwG 9 VR 23.04ECLI:DE:BVerwG:2005:140705B9VR23.04.0
Beschluss
BVerwG 9 VR 23.04
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Juli 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. R u b e l und
Dr. N o l t e
beschlossen:
- Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden vom 21. Juli 2004 wird abgelehnt.
- Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000 € festgesetzt.
Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden für den Neubau der Bundesstraße B 178 n, erster Bauabschnitt Teil 2 (von der S 112 westlich Nostitz bis zur B 6 nördlich Löbau) begehrt, ist zulässig. Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss betrifft ein Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (VerkPBG). Die hiergegen vom Antragsteller erhobene Klage entfaltet daher keine aufschiebende Wirkung (§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG). Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen einen solchen Planfeststellungsbeschluss (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) und ist folglich auch nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zuständig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt die Interessen des Antragstellers an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung der Hauptsache. Denn seine auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage wird nach im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglicher summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich keinen Erfolg haben.
Ein Aufhebungsanspruch steht dem Antragsteller schon deswegen nicht zu, weil er durch den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss nicht in seinen Rechten betroffen ist.
Die Flächen des landwirtschaftlichen Betriebes des Antragstellers sowie seine Wohnung, die ihm als rechtliche Anknüpfungspunkte seiner Angriffe gegen die Planung des Antragsgegners dienen, werden unstreitig weder unmittelbar noch - durch Immissionen - mittelbar durch das planfestgestellte Teilstück 1.2 der B 178 n in Anspruch genommen. Der Antragsteller meint jedoch, er könne sich dennoch bereits gegen diesen Planfeststellungsbeschluss zur Wehr setzen, weil hierdurch ein unzulässiger Zwangspunkt für die im nachfolgenden Planfeststellungsabschnitt 1.1 drohende Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen seines Betriebes sowie für Schadstoff- und Lärmimmissionen, die auf seine Wohnung einwirkten, gesetzt werde.
Die Betroffenheit in einem nachfolgenden Planfeststellungsabschnitt vermag nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Klagerecht gegen die
herannahende Planung aber nur dann zu eröffnen, wenn ein Zwangspunkt geschaffen wird, der im weiteren Planungsverlauf unvermeidbar zu einer Rechtsbetroffenheit führen muss (BVerwG, Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - juris; Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 3 S. 21, jeweils m.w.N.). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn eine bloße Wahrscheinlichkeit oder gar nur eine nicht auszuschließende Möglichkeit späterer eigener Rechtsbetroffenheit besteht (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 92 S. 102). Denn der Sicherung des effektiven Rechtsschutzes vor der Schaffung vollendeter Tatsachen, der die "Zwangspunkt"-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient (BVerwG, Urteil vom 24. März 2004 - BVerwG 9 A 34.03 - a.a.O. und Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - a.a.O.), bedarf es nur, wenn die Betroffenheit eines Klägers im nachfolgenden Planungsabschnitt, insbesondere wegen topographischer oder technischer Gegebenheiten, durch Festlegungen im vorangegangenen Planungsabschnitt unausweichlich und gerichtlicher Rechtsschutz hierdurch praktisch unmöglich wird (BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 S. 16 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Der weitere, sich an das nördliche Ende des planfestgestellten Abschnitts 1.2 anschließende Trassenverlauf der B 178 n im Abschnitt 1.1, durch den sich der Antragsteller in seinen Rechten verletzt sieht, ergibt sich für den Bereich, in dem die Wohnung des Antragstellers und seine landwirtschaftlich genutzten Flächen liegen, nicht aus Festlegungen des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses. Wie auch der Antragsteller nicht infrage stellt, kommen mindestens zwei Trassenvarianten in Betracht, die westlich von Weißenberg verlaufen und die östlich von Weißenberg gelegene Wohnung und die dortigen landwirtschaftlichen Flächen des Antragstellers, aber nach der unwidersprochen gebliebenen Darlegung des Antragsgegners auch die weiter südlich gelegenen landwirtschaftlichen Flächen des Antragstellers nicht berühren. Dass der Vorhabenträger nicht diese Trassenvarianten, sondern eine den Antragsteller berührende Trassenführung favorisieren mag, ist insoweit ohne Bedeutung. Denn eine solche Präferenz wäre das Ergebnis eines selbständigen, mangels Verfahrenseinleitung für den Abschnitt 1.1 im Übrigen auch noch völlig unverbindlichen Entscheidungsprozesses, nicht jedoch zwingende Folge der im angegriffenen Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Trassenfestlegung. Deswegen wird die Effektivität des Rechtsschutzes des Antragstellers gegenüber einem späteren Planfeststellungsbeschluss für den Bauabschnitt 1.1 durch einen bestandskräftig gewordenen, den Abschnitt 1.2 betreffenden Planfeststellungsbeschluss nicht beeinträchtigt, zumal eine Planung bei abschnittsweiser Verwirklichung nicht nur im ersten, sondern in jedem Teilstück dem Einwand standhalten muss, einem anderen Lösungskonzept unterlegen zu sein (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1992 - BVerwG 4 B 205.92 - a.a.O. S. 104). Es ist aber nicht Ziel der "Zwangspunkt"-Rechtsprechung, vorhandene und hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten zu erweitern (BVerwG, Beschluss vom 1. Juli 2003 - BVerwG 4 VR 1.03 - a.a.O. S. 21 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Antragsteller eine Beeinträchtigung seines landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebes sowie Immissionseinwirkungen auf seine Wohnung geltend macht, auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.