Beschluss vom 13.06.2013 -
BVerwG 9 VR 3.13ECLI:DE:BVerwG:2013:130613B9VR3.13.0
Leitsätze:
1. Die Modifizierung des Maßstabs zur Prüfung von Anträgen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gemäß § 4a Abs. 3 UmwRG betrifft nur den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten der Klage („ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts“), lässt jedoch die Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte in die Abwägung unberührt.
2. Einen solchen weiteren Gesichtspunkt stellt die bei fehlender Dringlichkeit eines planfestgestellten Vorhabens zur Vermeidung unnötiger (fristgebundener) Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Aussetzung einer gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung durch die Behörde dar (vgl. Beschlüsse vom 17. September 2001 - BVerwG 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 2 und vom 1. März 2012 - BVerwG 9 VR 7.11 - Buchholz 406.403 § 63 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 6; stRspr).
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Rechtsquellen
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 UmwRG § 4a Abs. 3 FStrG § 17e Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 13.06.2013 - 9 VR 3.13 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:130613B9VR3.13.0]
Beschluss
BVerwG 9 VR 3.13
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2013
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ
als Berichterstatter gemäß § 87a Abs. 1 und 3 VwGO
beschlossen:
- Das Verfahren über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird eingestellt.
- Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, nachdem die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben.
2 Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach erscheint es angemessen, dem Antragsgegner die Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Falle einer streitigen Entscheidung voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.
3 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es an einem das Suspensivinteresse überwiegenden Vollzugsinteresse, wenn und soweit während eines längeren Zeitraums keine Vollzugsmaßnahmen anstehen und es deshalb von Anfang an nahegelegen hätte, die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG) gemäß § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise auszusetzen, um unnötigen Rechtsschutzverfahren vorzubeugen, die ansonsten wegen der Fristbindung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (§ 17e Abs. 2 Satz 2 FStrG) eingeleitet werden (vgl. Beschlüsse vom 17. September 2001 - BVerwG 4 VR 19.01 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 66 S. 2, vom 22. September 2010 - BVerwG 9 VR 2.10 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 82 Rn. 3, vom 31. März 2011 - BVerwG 9 VR 2.11 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 84 Rn. 2 und vom 1. März 2012 - BVerwG 9 VR 7.11 - Buchholz 406.403 § 63 BNatSchG 2010 Nr. 2 Rn. 6). Ein solcher Fall fehlender Dringlichkeit liegt hier ebenfalls vor, weil der angefochtene Planfeststellungsbeschluss mit der aufschiebenden Bedingung versehen ist, dass die vorgesehenen Maßnahmen erst nach Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses zu einem anderen Abschnitt des Gesamtvorhabens realisiert werden dürfen. Anlass für eine Aussetzung der sofortigen Vollziehung bestand auch nicht erst aufgrund der gerichtlichen Mitteilung vom 9. April 2013, dass die den anderen Autobahnabschnitt betreffenden Rechtsstreitigkeiten (BVerwG 9 A 19.12 , 9 A 20.12 und 9 A 22.12 ) erst nach Verhandlung des vorliegenden Rechtsstreits terminiert werden sollen, so dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss ohnehin nicht vor Unanfechtbarkeit wird umgesetzt werden können. Denn für den Fall, dass die aufschiebende Bedingung vor Unanfechtbarkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses eingetreten wäre, hätte die Planfeststellungsbehörde die Entscheidung über die Aussetzung der sofortigen Vollziehung aufheben können mit der Folge, dass die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehung wieder aufgelebt wäre (vgl. Beschluss vom 1. März 2012 a.a.O. Rn. 8 m.w.N.).
4 Die durch das Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) in § 4a Abs. 3 UmwRG eingefügte Maßgabe zur Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung der Erfolgsaussichten des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Danach kann die aufschiebende Wirkung in umweltrechtlichen Verfahren ganz oder teilweise angeordnet werden, „wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen“. Durch den Hinweis im Gesetzestext auf die vorzunehmende Gesamtabwägung wird ausdrücklich klargestellt, dass die Modifizierung des Prüfungsmaßstabs nur den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten der Klage betrifft, die Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte in die Abwägung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO jedoch unberührt lässt (vgl. BTDrucks 17/10957 S. 18). Einen solchen „weiteren Gesichtspunkt“ stellt die Notwendigkeit einer Aussetzung der sofortigen Vollziehung bei fehlender Dringlichkeit des Vorhabens zur Vermeidung unnötiger Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dar.
5 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG (Hälfte der voraussichtlichen Streitwertfestsetzung im Klageverfahren).