Beschluss vom 13.01.2025 -
BVerwG 7 B 21.24ECLI:DE:BVerwG:2025:130125B7B21.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.01.2025 - 7 B 21.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:130125B7B21.24.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 21.24

  • VGH Mannheim - 27.11.2023 - AZ: 10 S 1584/22

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Januar 2025
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und Dr. Löffelbein
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. November 2023 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein anerkannter Umweltverband, wendet sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb zweier Windenergieanlagen. Diese verursachten eine erhebliche Beeinträchtigung des benachbarten Vogelschutzgebietes und hätten daher nicht genehmigt werden dürfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine erhebliche Beeinträchtigung mit Blick auf die festgesetzten Schadensbegrenzungsmaßnahmen verneint und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde.

II

2 Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

3 Die als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage,
"ob § 34 Abs. 2 BNatSchG aufgrund von Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie und § 32 Abs. 3 BNatSchG dahin auszulegen ist, dass das Beeinträchtigen-Können gegeben ist, wenn die Erhaltung von Biotopverbundkorridoren und Trittsteinhabitaten des Auerhuhns zu den Erhaltungszielen eines Schutzgebiets zählt, aber kein Managementplan existiert, sondern eine im konkreten Fall nicht eingehaltene fachliche Empfehlung einer Landesforschungseinrichtung existiert, der aber unter Verweis auf Einzelfallumstände nicht gefolgt wird",
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Soweit ihr eine über den Einzelfall hinausgehende fallübergreifende Rechtsfrage zu entnehmen ist, geht die Beschwerde von einem unzutreffenden Verständnis der unter Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie fallenden Schutzmaßnahmen in Form von Schadensvermeidungs- oder Schadensbegrenzungsmaßnahmen einerseits und den nach Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie festzulegenden Erhaltungsmaßnahmen andererseits aus.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit zutreffend die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts wiedergegeben, wonach Schutzmaßnahmen in Form von Schadensbegrenzungs- und -vermeidungsmaßnahmen im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie dadurch geprägt sind, dass sie ergriffen werden, um erhebliche Beeinträchtigungen eines Projekts auf ein Schutzgebiet zu verhindern. Als Schadensbegrenzungsmaßnahmen sind daher solche Maßnahmen anzusehen, die in den fraglichen Plan oder das fragliche Projekt aufgenommen werden und die etwaigen durch den Plan oder das Projekt unmittelbar verursachten schädlichen Auswirkungen verhindern oder verringern sollen, um dafür zu sorgen, dass der Plan oder das Projekt die betreffenden Gebiete als solche nicht beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urteile vom 15. Mai 2014 - C-521/12 [ECLI:​​EU:​​C:​​2014:​​330], Briels u. a. - Rn. 28 f.; vom 21. Juli 2016 - C-387/15 u. a. [ECLI:​​EU:​​C:​​2016:​​583], Orleans u. a. - Rn. 48, 54; vom 25. Juli 2018 - C-164/17 [ECLI:​​EU:​​C:​​2018:​​593], Grace und Sweetman - Rn. 47, 50 und vom 7. November 2018 - C-293/17 u. a. [ECLI:​​EU:​​C:​​2018:​​882], Coöperatie Mobilisation for the Environment UA - Rn. 125; BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 89). Ihre Berücksichtigungsfähigkeit nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie setzt voraus, dass ausreichende Gewissheit besteht, dass die Maßnahme wirksam dazu beitragen wird, eine Beeinträchtigung des betreffenden Gebiets als solches zu vermeiden, und gewährleistet, dass kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass das Gebiet als solches durch den fraglichen Plan oder das fragliche Projekt nicht beeinträchtigt wird (EuGH, Urteile vom 21. Juli 2016 - C-387/15 u. a., Orleans - Rn. 51 und vom 7. November 2018 - C-293/17 u. a., Coöperatie Mobilisation for the Environment UA - Rn. 126, 130).

5 Diese überobligatorischen Schadensbegrenzungsmaßnahmen sind von den erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie zu unterscheiden und abzugrenzen. Derartige Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sind in erster Linie aus den für das Gebiet aufgestellten Managementplänen abzuleiten. Während die Mitgliedstaaten hinsichtlich des "Ob" der nach Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie nötigen Maßnahmen kein Ermessen haben, stehen den nationalen Behörden hinsichtlich der im Rahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie einzusetzenden Mittel und technischen Entscheidungen und hinsichtlich der Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 FFH-Richtlinie Regelungs-, Entscheidungs- und Ermessensspielräume zu. Nicht für jeden Lebensraumtyp und jede Art muss den festgelegten Erhaltungszielen entsprechend sofort und umfassend ein günstiger Erhaltungszustand wiederhergestellt werden. Ziel der Habitat-Richtlinie ist vielmehr ein günstiger Erhaltungszustand auf nationaler, biogeographischer und europäischer Ebene (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 11. August 2016 - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 152 und vom 9. Februar 2017 - 7 A 2.15 - BVerwGE 158, 1 Rn. 423, jeweils m. w. N. und BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2019 - 9 A 2.18 - BVerwGE 166, 1 Rn. 96).

6 Aus der unterschiedlichen Zielsetzung und der unterschiedlichen Funktion der beiden Maßnahmenarten wird deutlich, dass das von der Beschwerde angenommene "Erfordernis, die nötigen Erhaltungsmaßnahmen durch strukturelle Vorgaben festzulegen und auch, dem auf wirksame Weise und durch vollständige, klare und konkrete Maßnahmen nachzukommen" (Beschwerdebegründung S. 10) auf die hier streitgegenständlichen einzelfallbezogen zu ermittelnden und festzulegenden Schadensvermeidungs- und -begrenzungsmaßnahmen gerade keine Anwendung findet. Weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf, er ist auch sonst nicht ersichtlich.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG.