Beschluss vom 11.08.2006 -
BVerwG 9 VR 5.06ECLI:DE:BVerwG:2006:110806B9VR5.06.0
Leitsätze:
1. Die Verwendung nicht erläuterter Planzeichen in Planunterlagen, die in einem Planfeststellungsverfahren zur Betroffenenbeteiligung ausgelegt werden, kann die Verständlichkeit der Planunterlagen beeinträchtigen und dazu führen, dass der Plan seiner Funktion, den Betroffenen Art und Ausmaß ihrer Betroffenheit zu verdeutlichen, nicht voll gerecht wird.
2. Der Vermerk auf planfestgestellten Planunterlagen über deren Auslegung im Rahmen der Behörden- und Betroffenenbeteiligung dient dem Nachweis, dass ausgelegte und festgestellte Planunterlagen identisch sind. Fehlt der Vermerk, so kann dies Bedeutung gewinnen, wenn ein Planbetroffener geltend macht, dass ihn belastende Details der festgestellten Planung für ihn aus den ausgelegten Planunterlagen nicht erkennbar gewesen seien und deshalb nicht zum Gegenstand von Einwendungen hätten gemacht werden können.
-
Rechtsquellen
FStrG § 17 Abs. 6c Satz 2 VwVfG §§ 46, 73 Abs. 1 Satz 2, § 74 Abs. 4, § 75 Abs. 1 Satz 1 LEP-LSA Nr. 3.6.1.1 Gesetz zur Errichtung des Landesbetriebes Bau Sachsen-Anhalt §§ 1, 2 Abs. 3 Satz 2 -
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 11.08.2006 - 9 VR 5.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:110806B9VR5.06.0]
Beschluss
BVerwG 9 VR 5.06
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:
- Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 29. März 2006 wird abgelehnt.
- Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
1 1. Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt für den Ausbau der B 100 - Bitterfeld - Bismarckstraße begehrt, ist zulässig. Der Planfeststellungsbeschluss, der dem Antragsteller unabhängig von der Frage, ob die Anforderungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG an die Auslegung und Bekanntmachung gewahrt sind, im Wege der Individualzustellung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG) wirksam zugestellt worden ist, betrifft ein Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes (VerkPBG). Die hiergegen vom Antragsteller erhobene Klage entfaltet deshalb gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG keine aufschiebende Wirkung. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen einen solchen Planfeststellungsbeschluss (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) und ist folglich auch nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der Hauptsache für die Entscheidung über den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zuständig.
2 2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt die Interessen des Antragstellers an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung der Hauptsache, denn seine auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichtete Klage wird nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, deren Verletzung der Antragsteller als ein durch die enteignungsrechtliche Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 19 Abs. 2 FStrG) unmittelbar in seinem Eigentum Betroffener mit der Folge einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Notwendigkeit eines ergänzenden Verfahrens (§ 17 Abs. 6c Satz 2 Halbs. 1 FStrG) geltend machen kann. Angesichts dessen besteht kein hinreichender Grund, von der in § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG enthaltenen Regel sofortiger Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses abzuweichen.
3 a) Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt nicht den Schluss, dass der Planfeststellungsbeschluss an Form- oder Verfahrensfehlern leidet, die seine Aufhebung oder die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit zur Folge hätten.
4 aa) Der Antragsteller zieht zu Unrecht in Zweifel, dass die Zuständigkeit zur Wahrnehmung der Aufgaben des Vorhabenträgers vom Straßenbauamt Wittenberg auf den Landesbetrieb Bau Sachsen-Anhalt übergegangen ist. Der Übergang ist gesetzlich geregelt; er folgt aus § 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 1 des Errichtungsgesetzes vom 21. Dezember 2004 (GVBl. LSA S. 843).
5 bb) Sollte der Antragsteller eine ungenügende Einbindung der Beigeladenen als Träger der Straßenbaulast für die Gehwege in der Ortsdurchfahrt der B 100 rügen wollen, so kann dem nicht gefolgt werden. Der Rat der Beigeladenen hat nämlich in seiner Sitzung am 27. März 2002 ausweislich der darüber gefertigten Niederschrift das Planungskonzept des Landesbetriebs Bau Sachsen-Anhalt ausdrücklich gebilligt.
6 cc) Der Antragsteller stellt unter verschiedenen Gesichtspunkten in Frage, dass die ausgelegten Planunterlagen eine hinreichende Anstoßwirkung für die Planbetroffenen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 VwVfG) entfaltet haben. Seine diesbezüglichen Rügen greifen nicht durch.
7 Sein Vortrag, für die Erstellung von Planunterlagen der hier in Rede stehenden Art gebe es europaweit einheitliche Standards in Gestalt von DIN-EN-Normen, die nicht beachtet worden seien, ist gänzlich unsubstantiiert geblieben. Unabhängig davon hat der Antragsteller nicht ansatzweise dargetan, in welcher Hinsicht die Nichtbeachtung solcher - nicht aus sich heraus mit einem hoheitlichen Geltungsanspruch ausgestatteter - Standards die Verständlichkeit der ausgelegten Unterlagen konkret beeinträchtigt haben sollte.
8 Schwerer wiegt sein Einwand, in den ausgelegten Lageplänen seien Planzeichen verwendet worden, die in der beigefügten Legende nicht erläutert seien. Die Verwendung nicht erläuterter Planzeichen kann je nach den konkreten Umständen in der Tat die Verständlichkeit einer zeichnerischen Darstellung beeinträchtigen und dazu führen, dass der Plan seiner Funktion, den Planbetroffenen Art und Ausmaß ihrer Betroffenheit zu verdeutlichen, nicht voll gerecht wird. Hier ist das in den Lageplänen verwendete Planzeichen „Lichtsignalanlage“ während der Betroffenenbeteiligung unerläutert geblieben. Sollte in dieser Hinsicht ein Mangel vorliegen, ist dieser aber nach § 17 Abs. 6c Satz 2 Halbs. 2 FStrG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA, § 46 VwVfG unbeachtlich. Denn es ist nicht ersichtlich, welche Einwendungen durch die mangelnde Erfassung des Standortes der Lichtsignalanlage verhindert worden sein könnten. Für den Antragsteller gilt dies umso mehr, als die Ampelanlage am geplanten Standort für die von seinem Anwesen auf die Straße ausfahrenden Verkehrsteilnehmer besser einsehbar ist als am alten Standort.
9 Es trifft zu, dass einige der planfestgestellten Unterlagen nicht zuvor im Anhörungsverfahren ausgelegt worden sind. Es handelt sich - abgesehen von der ergänzten Legende - um Unterlagen, die die landschaftspflegerische Begleitplanung betreffen und in Auswertung der Ergebnisse des Anhörungsverfahrens geändert und ergänzt worden sind. Dass damit neue oder veränderte Betroffenheiten verbunden sein könnten, denen nicht schon durch eine Beteiligung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 73 Abs. 8 Satz 1 VwVfG Rechnung getragen worden ist und die deshalb eine ergänzende Auslegung erfordert hätten, ist nicht ansatzweise dargelegt. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang ebenfalls angesprochenen Leitungspläne dienten nur zur Information und begründeten schon deshalb keine zur Auslegung verpflichtenden Betroffenheiten.
10 Soweit der Antragsteller außerdem darauf verweist, dass die planfestgestellten Unterlagen keinen Auslegungsvermerk tragen, berührt dieser Umstand als solcher nicht die Anstoßwirkung der ausgelegten Unterlagen. Der Auslegungsvermerk dient dem Nachweis, dass ausgelegte und planfestgestellte Pläne identisch sind. Der Umstand, dass der Vermerk fehlt, kann deshalb Bedeutung gewinnen, wenn von einem Planbetroffenen geltend gemacht wird, ihn belastende Details der festgestellten Planung seien für ihn aus den im Anhörungsverfahren ausgelegten Plänen nicht erkennbar gewesen und hätten deshalb nicht zum Gegenstand von Einwendungen gemacht werden können. Entsprechende Angaben lassen sich der Antragsbegründung aber nicht entnehmen, sodass auch insoweit ein erheblicher Verfahrensmangel ausscheidet.
11 dd) Ein selbständiger Verfahrensfehler ist nicht mit der Rüge dargetan, dass im Rahmen der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung keine Alternativen untersucht worden seien. Ob und inwieweit eine Alternativenprüfung zu erfolgen hat, ist eine materiellrechtliche Frage, deren Beantwortung sich nach dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot (§ 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG) richtet; dem UVP-Recht selbst lässt sich hierzu keine Aussage entnehmen (vgl. Beschluss vom 14. Mai 1996 - BVerwG 7 NB 3.95 - BVerwGE 101, 166 <174 f.> = Buchholz 406.251 § 2 UVPG Nr. 3).
12 ee) Die bereits in der Antragsbegründung erhobene und später wiederholte Rüge des Antragstellers, der örtliche Abwasserzweckverband sei am Verfahren nicht beteiligt worden, wird - ungeachtet der Frage, welche Relevanz ihr überhaupt beizumessen wäre - durch die Verwaltungsakten widerlegt. Dem Verband ist mit Schreiben der Anhörungsbehörde vom 30. April 2004 und 31. Mai 2005 zur ursprünglichen Planung und einer späteren Planänderung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
13 ff) In welcher Hinsicht das Verfahren schließlich nach überholten Rechtsvorschriften durchgeführt worden sein sollte, ist dem pauschalen Vorbringen des Antragstellers hierzu nicht zu entnehmen. Auch unter diesem Gesichtspunkt gibt die Planfeststellung keinen Anlass zu verfahrensrechtlichen Beanstandungen.
14 b) Das Vorhaben verfügt über die erforderliche Planrechtfertigung. Gemessen an den Zielsetzungen des Bundesfernstraßengesetzes erweist es sich als vernünftigerweise geboten. Die ausweislich der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses vornehmlich mit der Planung verfolgten Ziele, die Ortsdurchfahrt Bitterfeld der B 100 verkehrlich leistungsfähig zu gestalten und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, entsprechen den generellen Zielen des Bundesfernstraßengesetzes. Im Hinblick auf diese Ziele besteht ein konkretes Bedürfnis für das Vorhaben. Die Erneuerung der schadhaften Fahrbahn steigert die Leistungsfähigkeit der Straße, der Bau getrennter Radwege und gesonderter Linksabbiegespuren verbessert die Verkehrssicherheit und trägt ebenfalls zu einer leistungsfähigen Ausgestaltung der Straße bei.
15 c) Nach summarischer Prüfung leidet der Planfeststellungsbeschluss auch nicht an Abwägungsmängeln, die der Anfechtungsklage des Antragstellers zum Erfolg verhelfen werden.
16 aa) Der Antragsteller beanstandet im Kern, ausgehend von veralteten Verkehrszählungen habe der Antragsgegner es versäumt, eine günstigere Planungsalternative in die Abwägung einzubeziehen; diese beinhalte den Verzicht auf die für den Verkehr auf der Bismarckstraße aus Richtung Süden geplante Linksabbiegespur im Kreuzungsbereich Bismarckstraße/Walther-Rathenau-Straße, verbunden mit der Führung dieses Verkehrs über die Bahnhofstraße und die Mittelstraße zum Bahnhof und zu den Geschäftslagen am westlichen Abschnitt der Walther-Rathenau-Straße. In dieser Hinsicht begegnet der Planfeststellungsbeschluss jedoch keinen durchgreifenden Bedenken.
17 Der Antragsgegner hat, wie die Wiedergabe der diesbezüglichen Einwendungen des Antragstellers im Planfeststellungsbeschluss erkennen lässt, die genannte Planungsalternative zur Kenntnis genommen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit ihr ist freilich unterblieben; die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses beschränkt sich darauf, die Einwendungen unter Hinweis auf die zur Rechtfertigung der planfestgestellten Lösung angestellten Erwägungen zurückzuweisen. Die für die Entscheidung maßgeblichen Gründe, die sich daraus unter ergänzender Berücksichtigung der Darlegungen in der Antragserwiderung mit noch ausreichender Deutlichkeit ergeben, halten jedoch gerichtlicher Überprüfung Stand.
18 Die Planfeststellungsbehörde muss Alternativlösungen als Teil des Abwägungsmaterials mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung in die vergleichende Prüfung der berührten öffentlichen und privaten Belange einbeziehen. Die gewählte Lösung darf zudem nicht auf einer Bewertung beruhen, die zur objektiven Gewichtigkeit der von den möglichen Alternativen betroffenen Belange außer Verhältnis steht (vgl. etwa Beschluss vom 20. Dezember 1988 - BVerwG 7 NB 2.88 - BVerwGE 81, 128 <136 f.> = Buchholz 451.22 AbfG Nr. 29). Diese Anforderungen sind erfüllt.
19 Der planfestgestellten Lösung liegt eine doppelte Zielsetzung zugrunde. Zum einen sollen die drei bisherigen Zufahrtsmöglichkeiten von der Bismarckstraße zur Walther-Rathenau-Straße über die gemeinsame Kreuzung beider Straßen sowie die Bahnhofstraße und die Mittelstraße erhalten bleiben, um die Erreichbarkeit der dortigen Ziele auf möglichst kurzem Weg zu gewährleisten. Zum anderen geht es darum, durch Einrichtung von Linksabbiegespuren den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit der Bismarckstraße zu erhöhen. Die vom Antragsteller vorgeschlagene Alternativlösung würde zwar der zweiten Zielsetzung gerecht, die erste aber verfehlen. Ein Teil des Ziel- und Quellverkehrs der Walther-Rathenau-Straße würde nämlich zwangsläufig auf einem längeren Stück als bisher das untergeordnete Straßennetz belasten. Das wäre nicht nur verkehrstechnisch unerwünscht, zumal - worauf der Antragsgegner unwidersprochen hingewiesen hat - die Geschäfte am nördlichen Rand der Walther-Rathenau-Straße wegen der Ausstattung dieser Straße mit baulich getrennten Richtungsfahrbahnen von Westen her deutlich schlechter anfahrbar sind. Mit der stärkeren verkehrlichen Belastung ginge vielmehr auch eine stärkere Immissionsbelastung der dortigen Anwohner einher. Städtebauliche Belange sprechen deshalb gleichfalls gegen die vom Antragsteller vorgeschlagene Alternative, die überdies die Frage aufwirft, warum die Linksabbiegemöglichkeit von der Bismarckstraße gerade an der Kreuzung mit der nach den Angaben im Erläuterungsbericht bislang als Hauptzufahrt zum Bahnhof und zur Innenstadt genutzten Walther-Rathenau-Straße und nicht an der Abzweigung der Bahnhofstraße oder der bereits früher nur in Gegenrichtung befahrbaren Mittelstraße ausgeschlossen werden sollte. Angesichts dessen leuchtet es im Grundsatz ein, dass der Antragsgegner die planfestgestellte Lösung für vorzugswürdig gehalten hat.
20 Die Auswahlentscheidung beruht nach derzeitigem Erkenntnisstand des Gerichts nicht auf Fehlannahmen zur Verkehrsentwicklung. Der Antragsteller macht hierzu geltend, bei der Straßenplanung sei außer Acht gelassen worden, dass durch die A 9 und andere Fernverkehrsstraßen ein Entlastungseffekt für die Ortsdurchfahrt Bitterfeld der B 100 eintrete und dass sich wegen nachträglicher Öffnung der Mittelstraße der Linksabbiegestrom der Bismarckstraße aus Richtung Süden in die Walther-Rathenau-Straße verringere. Von unrealistischen Annahmen zur Gesamtbelastung der Bismarckstraße kann nicht ausgegangen werden. Der Antragsgegner hat nachvollziehbar vorgetragen, dass ein Vergleich der Ergebnisse, die einerseits bei einer im Auftrag des Planungsträgers durchgeführten Zählung am 9. August 2000 und andererseits im Rahmen der Straßenverkehrszählung 2000 ermittelt worden seien, eine gute Übereinstimmung ergeben habe. Es spricht nichts für die Annahme, bei den daraus ermittelten Prognosewerten könnten relevante Veränderungen im Fernstraßennetz außer Betracht geblieben sein. Dass der Linksabbiegestrom von der Bismarckstraße aus Richtung Süden in die Walther-Rathenau-Straße durch nachträgliche Öffnung der Mittelstraße gegenüber den 1997 gezählten Werten abgenommen hat, erscheint zwar nachvollziehbar und ist auch vom Antragsgegner nicht substantiiert angegriffen worden. Nach den aus den vorliegenden Plänen zu entnehmenden örtlichen Verhältnissen deutet aber nichts darauf hin, dass der fragliche Linksabbiegestrom in der Kreuzung Bismarckstraße/Walther-Rathenau-Straße kein Gewicht mehr hätte. Angesichts der mit der Planung verfolgten Verkehrsziele, eine Erreichbarkeit der einzelnen Abschnitte der Walther-Rathenau-Straße von der Bismarckstraße auf kurzem Weg sicherzustellen und zugleich den Verkehrsfluss auf der Bismarckstraße zu verstetigen, kann unter diesen Umständen nicht angenommen werden, dass die durch die Öffnung der Mittelstraße bewirkte Veränderung im Kreuzungsbereich Bismarckstraße/Walther-Rathenau-Straße zu einem Verzicht auf die in Rede stehende Linksabbiegemöglichkeit oder Linksabbiegespur geführt hätte.
21 Die Entscheidung für eine gesonderte Linksabbiegespur ist auch nicht durch ungenügende Erhebungen über planungsbedingte Veränderungen des Mikroklimas beeinflusst worden. Da die Fläche zwischen der Bebauung beiderseits der Straße schon im Ist-Zustand auf ganzer Breite versiegelt ist, führt die Schaffung einer gesonderten Linksabbiegespur nicht zu einer Neuversiegelung. Ebenso wenig ergeben sich daraus Veränderungen der Verkehrsbelastung der Straße. Nimmt man hinzu, dass die Linksabbiegespur einen Beitrag zur Verbesserung des Verkehrsflusses auf der Straße leistet und dass im Zuge des Straßenausbaus entlang der Bismarckstraße Pflanzstreifen geschaffen werden, so bedurfte es keiner genaueren Erhebungen, um nachteilige Auswirkungen auf das Mikroklima infolge der Schaffung einer Linksabbiegespur zu verneinen.
22 Auch sonst sind keine Fehlbewertungen öffentlicher Belange erkennbar, die die Entscheidung für die planfestgestellte Lösung bestimmt haben. Warum diese Lösung dazu führen sollte, Verkehrsteilnehmer irrezuleiten, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht nachvollziehbar entnehmen. Dem durch eine sachgerechte Beschilderung entgegenzuwirken, ist Sache der Straßenverkehrsbehörden, nicht der Planfeststellungsbehörde. Ebenso wenig verfängt der Einwand, dass die geplante Ausgestaltung des Kreuzungsbereichs Bismarckstraße/Walther-Rathenau-Straße erhöhte Unfallgefahren schaffe. Der Antragsteller verweist hierzu auf mögliche Konflikte zwischen dem von seinem Grundstück ausfahrenden Pkw-Verkehr, dem Kfz-Verkehr der Bundesstraße, dem Radfahrverkehr und dem Fußgängerverkehr. Der Ausbau der Straße dient indessen gerade dazu, durch Anlegung gesonderter Radwege und Einrichtung von Linksabbiegespuren die verschiedenen Verkehrsarten und -ströme zu trennen und dadurch die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Dass die Ausfahrt vom Grundstück des Antragstellers auf die Straße in den Kreuzungsbereich mündet, ist nicht unproblematisch, war aber schon bisher so. Auch insoweit führt der Kreuzungsausbau eher zu einer Verbesserung, weil der Standort der Lichtsignalanlage an der Bismarckstraße - wie bereits erwähnt - so verändert wird, dass diese für die vom Grundstück ausfahrenden Verkehrsteilnehmer nunmehr eingesehen werden kann. Soweit der Antragsteller ferner die Nichtberücksichtigung des unter Nr. 3.6.1.1 des Landesentwicklungsplans des Landes Sachsen-Anhalt (LEP-LSA vom 23. August 1999, GVBl LSA S. 244, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2005, GVBl LSA S. 550) festgelegten Grundsatzes rügt, wonach die Verkehrsinfrastruktur verkehrsartenübergreifend so zu entwickeln ist, dass im Sinne eines integrierten Gesamtverkehrskonzepts eine unter sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten optimale Bewältigung des Verkehrs erreicht und gesichert wird, folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass dieser Vorwurf nicht berechtigt ist. Ebenso beruhen die Rügen mangelnder Wirtschaftlichkeit und unzureichender Orientierung an dem im Erläuterungsbericht formulierten Ziel, städtebaulichen und ökologischen Mindestanforderungen zu genügen, auf Annahmen, die nach diesen Ausführungen nicht zutreffen.
23 bb) Im Hinblick auf die privaten Belange des Antragstellers lässt der Planfeststellungsbeschluss gleichfalls keine Abwägungsmängel erkennen, die dem mit der Klage verfolgten Anfechtungsbegehren zum Erfolg verhelfen können.
24 Nach derzeitigem Erkenntnisstand hat der Antragsgegner Umfang und Gewicht der Inanspruchnahme des im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstücks ... zutreffend erfasst. Bei summarischer Prüfung liegt eine Fehlgewichtung nicht darin, dass er dieses Grundstück als schon bisher zur öffentlichen Straße gehörend betrachtet hat. Zwar hat er nicht näher dargelegt, auf welche Weise das Grundstück diese Eigenschaft erlangt haben soll. Die vorgelegten Auszüge aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster, die es als „Straßenverkehrsfläche“ bzw. „Straßenfläche“ ausweisen, stellen aber ein aussagekräftiges, jedenfalls für das Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes hinreichend tragfähiges Indiz dafür dar, dass es von der Widmung der Bismarckstraße, die als solche nicht in Frage steht, umfasst wird. Hiervon ausgehend stehen dem Antragsteller die von ihm als beeinträchtigt gerügten Möglichkeiten zur Nutzung des Flurstücks ... als private Lieferzone, für Werbezwecke usw. kraft seines - durch die öffentliche Sachherrschaft an der Straße überlagerten - Eigentums nicht zu. Soweit er die Fläche bislang in entsprechender Weise faktisch genutzt haben sollte, hat der Antragsgegner zu Recht die Auffassung vertreten, dass dem in der Abwägung kein Gewicht zukommt. Hieraus folgt zugleich, dass etwaige Folgewirkungen für die Nutzbarkeit der ebenfalls im Eigentum des Antragstellers stehenden Flurstücke ... und ..., auf die dieser sich unter dem Aspekt einer wirtschaftlichen Einheit aller drei Flurstücke beruft, nicht in die Abwägung eingestellt werden mussten. Ein zweiter Fluchtweg für sein Gebäude, der nach seinem Vorbringen in der zugrunde liegenden Baugenehmigung gefordert wird und das Vorhandensein einer Aufstellfläche für Rettungsfahrzeuge mit Drehleitern voraussetzt, geht dem Antragsteller ohnehin nicht verloren, da - worauf der Planfeststellungsbeschluss ausdrücklich hinweist - als Aufstellfläche im Notfall die vor dem Haus mit zwei Geradeausfahrstreifen ausgestattete und deshalb ein Vorbeifahren ermöglichende Fahrbahn der Bismarckstraße dienen kann.
25 Selbst wenn sich aber im Hauptsacheverfahren ergeben sollte, dass das Flurstück ... nicht für den öffentlichen Verkehr gewidmet ist oder als gewidmet gilt, so würde daraus dennoch kein Bewertungsmangel folgen, der für sich genommen das Abwägungsergebnis berührt. Das planfestgestellte Vorhaben würde dann zwar zu Nutzungseinschränkungen vor allem für den Lieferverkehr, keineswegs aber zu dem vom Antragsteller geltend gemachten Nutzungsausschluss der Flurstücke ... und ... führen. Unter diesen Umständen hätte der Mangel kein solches Gewicht, dass von der Annahme ausgegangen werden könnte, die Planfeststellungsbehörde hätte bei zutreffender Gewichtung dem Vorhaben unter Beibehaltung der Linksabbiegespur die Zulassung verweigert; dies umso mehr, als das Anwesen des Antragstellers unmittelbar an einen zentralen innerstädtischen Kreuzungsbereich grenzt, in dem die Nutzung einer vom Gehweg jedenfalls nicht deutlich abgegrenzten Fläche als Entladezone ohnehin verkehrsrechtlich problematisch erscheint.
26 Unzutreffend ist ferner der Einwand des Antragstellers, die Stellplätze im Hof seines Anwesens seien künftig nicht mehr anfahrbar. Der Planfeststellungsbeschluss sieht nicht vor, die Grundstückszufahrt zu schließen. Im Gegenteil wird in ihm ausdrücklich erklärt, die Zufahrt zu den Stellplätzen bleibe erhalten. Wie bereits erwähnt, hat die in den planfestgestellten Unterlagen vorgesehene Verlagerung des Standorts der Lichtsignalanlage sogar zur Folge, dass die Grundstücksausfahrt erleichtert wird.
27 Bezogen auf mittelbare Einwirkungen des Vorhabens auf Rechte und Belange des Antragstellers sind Abwägungsfehler, die zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen oder die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens erfordern, ebenfalls nicht hervorgetreten.
28 Dass es durch das Vorhaben bedingt zu einer weiteren Zunahme der ohnehin hohen Lärmbelastung der Straßenfront des Wohn- und Geschäftshauses des Antragstellers kommt, hat der Antragsgegner berücksichtigt. Es spricht nichts dafür und ist auch nicht vom Antragsteller geltend gemacht, dass das Ausmaß der Erhöhung in der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten lärmtechnischen Untersuchung zu niedrig angesetzt wäre. Die Inkaufnahme dieser Lärmzunahme im Interesse der mit der Planung verfolgten Ziele erweist sich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Planfeststellungsbeschluss dem Antragsteller einen Anspruch auf - nach den örtlichen Verhältnissen allein in Betracht kommenden - passiven Schallschutz zugebilligt hat, nicht als unverhältnismäßig. Dem kann der Antragsteller nicht entgegenhalten, der Antragsgegner habe die Realisierbarkeit passiven Schallschutzes unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes fehlerhaft eingeschätzt. Mit der Entscheidung, passiven Schallschutz dem Grunde nach zuzuerkennen, ist zugleich über dessen grundsätzliche denkmalrechtliche Zulässigkeit verbindlich entschieden; einer zusätzlichen denkmalschutzrechtlichen Genehmigung bedarf es insoweit nicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Aus der im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Aussage, denkmalrechtliche Auflagen seien zu berücksichtigen, folgt nichts anderes, weil sie sich nur auf die Ausgestaltung von Fenstern und Lüftungseinrichtungen, nicht aber auf deren grundsätzliche Zulässigkeit bezieht.
29 Soweit der Planfeststellungsbeschluss ohne eine Detailuntersuchung der zu erwartenden Schadstoffbelastungen die Auffassung vertreten hat, das Anwesen des Antragstellers würde nicht stärker als bisher belastet werden, ist auch dies nicht zu beanstanden. Die Fahrbahn rückt zwar ca. 4 m weiter an das Haus des Antragstellers heran, andererseits führt die Planung zu einem verbesserten Verkehrsfluss. Dass es dennoch zu einer signifikanten und damit abwägungsbeachtlichen Mehrbelastung mit Luftschadstoffen für das Anwesen kommen könnte, erscheint auch ohne eingehendere Untersuchungen ausgeschlossen. Fehleinschätzungen in dieser Hinsicht würden im Übrigen nur zur Planergänzung um Schutzauflagen verpflichten, nicht jedoch - worauf es im Rahmen des hier zu beurteilenden Antragsbegehrens allein ankommt - das Planungskonzept als solches berühren.
30 Entsprechendes trifft auf den Einwand des Antragstellers zu, das Vorhaben werde zu verstärkten Erschütterungen für sein Anwesen führen. Der Antragsgegner hat hierzu plausibel dargelegt, dass das Planungsvorhaben nicht mit tiefgreifenden Veränderungen des Untergrundes verbunden ist. Die Fahrbahn rückt zwar von durchschnittlich 9,5 m auf durchschnittlich 5,5 m an das Gebäude des Antragstellers heran, ihre Ausstattung mit einem heutigen Anforderungen entsprechenden Fahrbahnbelag wird aber eher erschütterungsdämpfend wirken. Auch insoweit hätten Fehleinschätzungen im Übrigen keinen Einfluss auf das Planungskonzept.
31 Soweit sich der Antragsteller schließlich auf eine verstärkte Verschmutzung seiner Hausfassade durch den heranrückenden Straßenverkehr beruft, steht eine allenfalls ganz geringfügige Verschlechterung in Rede, der angesichts der Vorbelastung des Anwesens durch die stark befahrene Bismarckstraße kein abwägungsbeachtliches Gewicht beizumessen ist.
32 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.