Verfahrensinformation

Haftung für Abschiebungskosten


Der 1964 geborene Kläger betrieb von 1988 bis 2007 eine Gaststätte in Berlin. Am 23. und 24. März 2003 beschäftigte er den jordanischen Staatsangehörigen W. als Kellner, obwohl dieser keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis besaß. W. wurde im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle in der Gaststätte festgenommen und wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz verurteilt. Am Tag seiner Verurteilung (14. April 2003) wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen und zur Sicherung der Abschiebung in Abschiebungshaft genommen. Die gerichtlich angeordnete und verlängerte Abschiebungshaft dauerte 205 Tage, bis W. am 5. November 2003 in Begleitung von zwei Beamten des Bundesgrenzschutzes mit dem Flugzeug nach Jordanien abgeschoben wurde.


Das beklagte Land Berlin nahm den Kläger mit Bescheid vom Februar 2006 gemäß § 66 Abs. 4 AufenthG auf Erstattung von Kosten für die Abschiebung des W. in Höhe von 17 013,09 € in Anspruch. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage. Das Verwaltungsgericht hat den Kostenbescheid aufgehoben, soweit er einen Betrag von 11 520,00 € übersteigt, und sich dabei u.a. auf die Unverhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme des Klägers in Anlehnung an die Wertung der Insolvenzordnung berufen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Kostenbescheid hingegen - soweit er noch streitig ist - als rechtmäßig angesehen. Die Revision wurde zur Klärung der Frage zugelassen, anhand welchen Maßstabs die Richtigkeit der Sachbehandlung durch die Behörde zu beurteilen ist und ob schon bei der Festsetzung der Kosten ein atypischer Fall zu berücksichtigen ist.


 


Pressemitteilung Nr. 100/2012 vom 16.10.2012

Arbeitgeber muss Kosten einer rechtswidrigen Abschiebungshaft nicht tragen

Ein Arbeitgeber haftet bei der Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitserlaubnis zwar grundsätzlich für die Kosten ihrer Abschiebung ins Ausland. Die Kosten einer Abschiebungshaft hat er jedoch dann nicht zu tragen, wenn diese rechtswidrig war. Das hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig heute entschieden.


In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte der Betreiber einer Gaststätte in Berlin im März 2003 einen jordanischen Staatsangehörigen als Kellner beschäftigt, obwohl dieser keine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis besaß. Der Jordanier wurde im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle in der Gaststätte festgenommen und wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz verurteilt. Im April 2003 wurde er zur Sicherung der Abschiebung in Haft genommen. Die gerichtlich angeordnete und mehrfach verlängerte Abschiebungshaft dauerte knapp sieben Monate, bis der Jordanier nach einem von ihm vereitelten Versuch im November 2003 in Begleitung von zwei Beamten der Bundespolizei mit dem Flugzeug nach Jordanien abgeschoben wurde. Das beklagte Land Berlin nahm den Kläger als Arbeitgeber mit Bescheid vom Februar 2006 auf Erstattung von Kosten für die Abschiebung in Höhe von 16 951,09 € in Anspruch. Das Oberverwaltungsgericht hat den Kostenbescheid als rechtmäßig angesehen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, soweit es die Kosten der Abschiebungshaft in Höhe von 12 693,60 € betrifft, die Revision hinsichtlich der sonstigen Kosten der Abschiebung in Höhe von 4 257,49 € hingegen zurückgewiesen.


Der 10. Senat hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Arbeitgeber nach § 66 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz bei der Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitserlaubnis zwar grundsätzlich für die Kosten ihrer Abschiebung ins Ausland haftet. Diese Haftung erstreckt sich aber nicht auf Amtshandlungen, die den Ausländer in seinen Rechten verletzen. Das ist bei einer rechtswidrigen Anordnung und Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft der Fall. Im vorliegenden Fall war der Jordanier bei der Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht nicht - wie es das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen von 1963 vorschreibt - auf sein Recht hingewiesen worden, die unverzügliche Unterrichtung seiner konsularischen Vertretung über die Inhaftnahme zu verlangen. Die Belehrung war auch nicht nachgeholt worden. Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht führt - auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft.


Die übrigen Amtshandlungen zur Durchsetzung der Abschiebung hat das Bundesverwaltungsgericht hingegen als rechtmäßig angesehen mit der Folge, dass der Kläger die hierfür entstandenen Kosten zu tragen hat. Dies gilt auch für die polizeiliche Begleitung des Ausländers auf dem Weg zum Flughafen sowie auf dem Flug nach Jordanien, die aufgrund des gescheiterten Abschiebungsversuches gerechtfertigt war. Die geltend gemachten Flugkosten entsprachen dem geltenden Auslandsreisekostenrecht. Eine mögliche mangelnde Leistungsfähigkeit des Schuldners ist erst bei der Vollstreckung, nicht schon bei der Festsetzung der Kosten zu berücksichtigen.


BVerwG 10 C 6.12 - Urteil vom 16. Oktober 2012

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 3 B 17.09 - Urteil vom 09. November 2012 -

VG Berlin, 19 A 228.06 - Urteil vom 01. April 2009 -


Beschluss vom 11.05.2009 -
BVerwG 3 B 17.09ECLI:DE:BVerwG:2009:110509B3B17.09.0

Beschluss

BVerwG 3 B 17.09

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 389,19 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist unzulässig.

2 Der Kläger stützt seine Beschwerde allein darauf, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem das angefochtene Berufungsurteil beruhen könne (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Diesen Verfahrensmangel sieht er offenbar in einer Verletzung von § 152a VwGO. Er macht nämlich geltend, das Berufungsgericht habe die Berufung gar nicht erst zulassen dürfen, nachdem es den Zulassungsantrag des Beklagten zuvor bereits abgelehnt hatte. Der Beklagte habe zwar gegen die Zulassungsversagung Anhörungsrüge erhoben, diese sei aber nicht begründet gewesen, da der Beklagte zuvor ausreichend Gelegenheit zum Sachvortrag gehabt habe. Damit rügt der Kläger sinngemäß, der Verwaltungsgerichtshof habe der Berufung des Beklagten unter Verletzung von § 152a VwGO stattgegeben, weil der die Zulassung der Berufung zunächst versagende Beschluss nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht habe.

3 Mit diesem Vorbringen kann der Kläger nicht gehört werden. Unter Missachtung seiner Begründungspflicht aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO legt er nicht näher dar, inwiefern das Berufungsgericht gegen § 152a Abs. 1 VwGO verstoßen haben soll. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es habe das Vorbringen des Beklagten zur Begründung seines Zulassungsantrags nur unvollständig zur Kenntnis genommen und gewürdigt; bei vollständiger Würdigung sei der Zulassungsantrag begründet. Diese Ausführungen betreffen den Tatbestand des § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO. Damit setzt sich der Kläger nicht auseinander. In der Kennzeichnung dieser Ausführungen als „formelhaft“ kann die gebotene Auseinandersetzung nicht gesehen werden.

4 Abgesehen davon könnte selbst eine - unterstellt fehlerhafte - Zulassung der Berufung nicht zur Zulassung der Revision führen. Der Beschluss über die Zulassung der Berufung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO); auf ihn kann deshalb auch ein Rechtsmittel gegen das nachfolgende Berufungsurteil nicht gestützt werden (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO). Hinzu kommt, dass der Kläger durch eine fehlerhafte Berufungszulassung nicht beschwert wäre. Die Beschränkung der Berufung durch ein Zulassungsverfahren dient allein objektiven Zwecken; durch die Entscheidung über die Zulassung der Berufung werden subjektive Rechte des Rechtsmittelgegners daher nicht berührt. Es gibt kein subjektives Recht eines Prozessbeteiligten darauf, von einem Rechtsmittel seines Gegners verschont zu bleiben (stRspr, vgl. Beschluss vom 27. Mai 1988 - BVerwG 9 CB 19.88 - Buchholz 402.25 § 32 AsylVfG Nr. 6).

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.