Beschluss vom 10.12.2024 -
BVerwG 1 WNB 3.24ECLI:DE:BVerwG:2024:101224B1WNB3.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 10.12.2024 - 1 WNB 3.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:101224B1WNB3.24.0]
Beschluss
BVerwG 1 WNB 3.24
- TDG Nord 5. Kammer - 22.02.2024 - AZ: N 5 RL 2/24 und N 5 BLa 3/23
In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Koch
am 10. Dezember 2024 beschlossen:
- Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts ... vom 22. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1 Die fristgemäß eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die vom Antragsteller geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) liegen nicht vor oder sind für die angefochtene Entscheidung nicht erheblich.
3 a) Ohne Erfolg bleibt zunächst die Rüge, das Truppendienstgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es eine Auskunft des Erstbeurteilers eingeholt und seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe, ohne dies dem Antragsteller mitzuteilen und ihm Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.
4 aa) Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, sich zu jeder dem Gericht zur Entscheidung unterbreiteten Stellungnahme der Gegenseite und deren Rechtsauffassung erklären zu können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2019 - 1 WNB 7.18 - juris Rn. 4 f. m. w. N. zur Rspr des BVerfG; vgl. ferner Beschluss vom 28. Juni 2018 - 1 WRB 1.18 - NZWehrr 2018, 251 <251>); das Gericht muss deshalb alle Äußerungen, Anträge und Stellungnahmen den jeweils anderen Beteiligten bekanntgeben. Dieser in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Grundsatz gilt auch im wehrbeschwerderechtlichen Antragsverfahren und erstreckt sich - über den Wortlaut des § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO hinaus - auf alle für die Entscheidung maßgeblichen Sachfragen sowie auf die Beweisergebnisse, ferner auf entscheidungsrelevante Rechtsfragen, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 2024 - 1 WNB 14.22 - juris Rn. 4 m. w. N.). Insbesondere bestimmt § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO, dass das Truppendienstgericht, wenn Beweiserhebungen stattgefunden haben, das Beweisergebnis (u. a.) dem Beschwerdeführer mitzuteilen und ihm innerhalb einer vom Gericht zu setzenden Frist, die wenigstens drei Tage betragen muss, Gelegenheit zur Akteneinsicht und Stellungnahme zu geben hat.
5 bb) Danach hat das Truppendienstgericht zwar seine Verfahrenspflicht aus § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO und damit zugleich den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt. Es hat von dem Erstbeurteiler der strittigen Regelbeurteilung eine Auskunft darüber eingeholt, ob ihm bei der Erstellung der Beurteilung ein Beurteilungsbeitrag für den Zeitraum vom 6. Februar 2020 bis 30. September 2020 vorgelegen und ob er diesen bei der Erstellung der Beurteilung berücksichtigt habe. Der Erstbeurteiler hat dem Truppendienstgericht mit E-Mail vom 5. September 2023 bestätigt, dass ihm ein solcher Beurteilungsbeitrag des Leiters des Bereichs ... des Generalinspekteurs der Bundeswehr (BerLtr ... GenInspBw) vorgelegen und er diesen auch berücksichtigt habe; er hat zugleich erläutert, dass aus technischen Gründen wegen der damaligen Umstellung der "Beurteilungs-IT" das Vorliegen des Beurteilungsbeitrags (als solches) unter Nr. IV des Beurteilungsformulars nur in schwer nachvollziehbarer Form habe eingetragen werden können. Das Truppendienstgericht hat diese Auskunft des Erstbeurteilers allerdings nicht, wozu es gemäß § 18 Abs. 2 Satz 4 WBO verpflichtet gewesen wäre, dem Antragsteller übermittelt und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
6 cc) Auf diesem Verfahrensmangel kann die angefochtene Entscheidung jedoch nicht beruhen.
7 Der Antragsteller hat seine Beschwerde ausschließlich darauf gestützt, dass den Vorgesetzten ein Beurteilungsbeitrag für den Zeitraum vom 6. Februar 2020 bis 30. September 2020 bei der Erstellung der Beurteilung nicht vorgelegen habe und demzufolge von ihnen nicht berücksichtigt worden sei. Der Beschwerdebescheid vom 12. Juli 2022 hat auf den Eintrag in Nr. IV des Beurteilungsformulars verwiesen und dazu ausgeführt, dass der in Rede stehende Beurteilungsbeitrag den Beurteilern auch tatsächlich vorgelegen habe und von ihnen berücksichtigt worden sei. Diese dem Antragsteller bereits bekannten Erklärungen hat die vom Truppendienstgericht eingeholte Auskunft des Erstbeurteilers lediglich bestätigt und auch im Übrigen keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte in das Verfahren eingeführt. Im Anschluss an den Beschwerdebescheid und mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller weiterhin ausschließlich das Nichtvorliegen eines Beurteilungsbeitrags behauptet, ohne diesen Vorwurf weiter zu substantiieren.
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Vor diesem Hintergrund hätte der Antragsteller mit der Nichtzulassungsbeschwerde darlegen müssen, was er in Kenntnis der E-Mail des Erstbeurteilers zusätzlich vorgetragen hätte, um das Vorliegen des Beurteilungsbeitrags und dessen Berücksichtigung in Frage zu stellen. Das ist nicht geschehen. Die von dem Antragsteller aufgeführten "Fragen an den Erstbeurteiler",
"- welchen konkret tatsächlichen Vorgang der Erstbeurteiler beschreibt,
- zu welchem konkreten Zeitpunkt er diesen Vorgang beschreibt,
- welche Sachinformationen ihm durch den Beurteilungsbeitragenden übermittelt wurden
- und insbesondere ob die 'Berücksichtigung' über eine Befassung mit der Eintragung in das technische Beurteilungssystem hinausgeht",
betreffen denkbare inhaltliche Einwände gegen die Art und Weise der Verwertung des Beurteilungsbeitrags als "zusätzliche Erkenntnisquelle" (Nr. 507 AR A-1340/50), nicht jedoch den für das Truppendienstgericht entscheidungserheblichen Punkt, dass ein Beurteilungsbeitrag - entgegen der Behauptung des Antragstellers - als solches vorgelegen hat und berücksichtigt wurde.
9 b) Auch die vom Antragsteller geltend gemachte Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WBO, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor.
10 Die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge setzt - unter anderem - die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann. Weiter muss - unter anderem - dargelegt werden, dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2020 - 1 WNB 7.19 - juris Rn. 3 und vom 21. Juli 2022 - 1 WNB 2.22 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.).
11 Der Antragsteller rügt mit der Nichtzulassungsbeschwerde, dass das Truppendienstgericht den Beurteilungsbeitrag des BerLtr ... GenInspBw nicht beigezogen habe und dem Gericht damit eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Art und Weise der Verwertung des Beurteilungsbeitrags in der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung nicht möglich gewesen sei. Der Antragsteller trägt jedoch nicht vor und es ist auch nicht aus den Akten ersichtlich, dass er die Beiziehung des Beurteilungsbeitrags beantragt hätte. Er erklärt im Übrigen auch nicht, dass ihm persönlich - entgegen der Vorschrift der Nr. 513 Satz 2 AR A-1340/50 - keine Ausfertigung des Beurteilungsbeitrags ausgehändigt worden sei; die Nichtzulassungsbeschwerde bezieht sich nur auf einen "dem Signierenden", also dem Bevollmächtigten, "nicht bekannte(n) Beurteilungsbeitrag". Vielmehr hat der Antragsteller im gesamten vorgerichtlichen und gerichtlichen Wehrbeschwerdeverfahren stets allein gerügt, dass der Beurteilungsbeitrag den beurteilenden Vorgesetzten nicht vorgelegen habe. Konkrete inhaltliche Einwände hinsichtlich der Verwertung des Beurteilungsbeitrags hat er zu keinem Zeitpunkt vorgebracht.
12 Vor diesem Hintergrund musste sich dem Truppendienstgericht, nach dessen - hier maßgeblicher - Rechtsauffassung es allein auf den Umstand ankam, dass den beurteilenden Vorgesetzten der Beurteilungsbeitrag (als solcher) vorlag und er von ihnen berücksichtigt wurde, die vom Antragsteller geforderte weitergehende Aufklärung von Amts wegen nicht aufdrängen.
13 2. Der Beschwerdesache kommt ferner die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO).
14 Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - ZIP 2017, 463 Rn. 16).
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Die vom Antragsteller aufgeworfenen Fragen
"a) Widerspricht sich eine Regelbeurteilung, die einen berücksichtigten Beurteilungsbeitrag als Grund für das Fehlen eines Beurteilungsbeitrags angibt und damit an einer anderen als der dafür vorgesehenen Stelle und
b) wie ist ein bei einer Regelbeurteilung berücksichtigter Beurteilungsbeitrag in der Beurteilung darzustellen?"
lassen keine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus erwarten. Sie beziehen sich im Tatsächlichen auf spezielle Probleme, die sich bei der Umstellung einer bestimmten "Beurteilungs-IT" auf ein bestimmtes neues technisches System für das Einpflegen bereits zuvor erstellter Beurteilungsbeiträge ergeben, sowie im Rechtlichen auf deren Bewertung durch das Truppendienstgericht im konkreten Einzelfall des Antragstellers. Eine allgemeine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ergibt sich daraus nicht.
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Die vom Antragsteller außerdem als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage
"Stellen §§ 27a und 27b Soldatengesetz in Verbindung mit §§ 2, 3, 3a Soldatenlaufbahnverordnung in Verbindung mit der Allgemeinen Regelung A-1340/50 eine hinreichend bestimmte und rechtmäßige Beurteilungsgrundlage dar?"
stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Die Rechtsvorschriften der §§ 27a und 27b SG und der entsprechend geänderten bzw. eingefügten §§ 2, 3 und 3a SLV sind erst mit Wirkung vom 23. Dezember 2023 in Kraft getreten (Art. 7 Gesetz vom 20. Dezember 2023, BGBl. I Nr. 392) und deshalb hier nicht anzuwenden. Dass die für die hier strittige Beurteilung des Antragstellers vom 16. Dezember 2021 geltenden Vorschriften weiter angewandt werden durften, ist bereits durch den Beschluss des Senats vom 29. August 2023 - 1 WB 60.22 - (BVerwGE 180, 116 LS 2 und Rn. 44 ff.), auf den sich auch das Truppendienstgericht bezieht, geklärt.
17 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.