Urteil vom 10.10.2019 -
BVerwG 2 WD 32.18ECLI:DE:BVerwG:2019:101019U2WD32.18.0

Urteil

BVerwG 2 WD 32.18

  • TDG Süd 4. Kammer - 14.08.2018 - AZ: TDG S 4 VL 31/16

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 10. Oktober 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Henke,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Schadt und
ehrenamtlicher Richter Oberfeldwebel Lauterbach,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ..., ...,
als Pflichtverteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 4. Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 14. August 2018 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Das Verfahren betrifft die disziplinarische Ahndung des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst und von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz.

2 Der ... geborene Soldat wurde im Jahr ... unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit zum Sanitätssoldaten ernannt. Seine Dienstzeitverpflichtung endet mit Ablauf des Jahres ... Nach seiner letzten Beförderung im Jahr ... zum Feldwebel war er zunächst Sanitätsfeldwebel und Rettungsassistent beim ...zentrum ... Im Juni 2015 wurde er als Sanitätsfeldwebel und Notfallsanitäter zur ...staffel ... ... versetzt. Im Jahr 2016 wurde er zeitweise zum ...zentrum ..., in ... kommandiert. Mit Verfügung vom 16. Oktober 2017 enthob ihn der Kommandeur des ... vorläufig des Dienstes, verbot ihm, Uniform zu tragen, und ordnete den Einbehalt der Hälfte seiner Dienstbezüge an.

3 Der Soldat ist strafrechtlich wie folgt sachgleich in Erscheinung getreten:

4 Im August 2012 sah die Staatsanwaltschaft ... gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. § 109 JGG von der Verfolgung einer unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in geringer Menge zum Tatzeitpunkt 25. April 2012 ab.

5 Mit Beschluss vom 8. Mai 2015 stellte das Amtsgericht ... ein gegen den Soldaten eingeleitetes Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zum Tatzeitpunkt 15. Februar 2015 zunächst vorläufig und mit Beschluss vom 4. Januar 2016 gegen eine Geldauflage von 800 Euro gemäß § 153a Abs. 2 StPO endgültig ein.

6 Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 17. Dezember 2015 verhängte das Amtsgericht ... gegen den Soldaten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zum Tatzeitpunkt 23. November 2015 eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 50 Euro.

7 Mit rechtskräftigem Urteil vom 25. Januar 2018 verurteilte das Amtsgericht ... den Soldaten wegen eigenmächtiger Abwesenheit vom Dienst im Tatzeitraum 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 25 Euro.

8 Eine Auskunft aus dem Zentral- und Erziehungsregister vom 26. August 2019 und ein Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 19. September 2019 verweisen jeweils auf den genannten Strafbefehl und das Strafurteil.

9 Der Soldat wurde nicht regelbeurteilt. In einer Sonderbeurteilung vom 22. Oktober 2018 wurde als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "1,33" angegeben. Der Soldat habe kein dienstgradgerechtes Verhalten als Feldwebel entwickelt und keinerlei Vorbildfunktion als Vorgesetzter gezeigt. Ab November 2015 habe er nicht mehr als Rettungsassistent eingesetzt werden können und ab Oktober 2017 könnten seine Eignung, Leistung und Befähigung nicht mehr bewertet werden. Er habe sich für die Laufbahn nicht geeignet gezeigt. Aufgrund seiner mehrfach offen dargelegten Einstellung zum Gesamtsystem Bundeswehr sei dauerhaft keinerlei Eignung gegeben. Der Soldat habe keine verwertbare Eignung, Leistung oder Befähigung für eine Förderung oder Verwendung als Sanitätsfeldwebel und Notfallsanitäter gezeigt.

10 Der Disziplinarvorgesetzte Hauptmann H. hat den Soldaten in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung als bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er wegen Drogenkonsums in der Liegenschaft aufgefallen sei, unauffällig beschrieben. Er sei über das Verhalten des Soldaten sehr irritiert gewesen. Dieser habe nie etwas abgestritten. Ihm habe jegliches Unrechtsbewusstsein gefehlt. Er sei geistig nie im Dienstgrad eines Feldwebels angekommen.

11 In der Berufungshauptverhandlung hat Hauptmann H. ergänzt, dass die Sonderbeurteilung vom 22. Oktober 2018 wohlwollend sei. Der Soldat habe in vielerlei Hinsicht keinerlei Eignung. Infolge der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz habe er nicht mehr für Tätigkeiten mit Zugang zu Medikamenten eingesetzt werden können. Die Versetzung Mitte 2015 sei erfolgt, um für den Soldaten mehr militärische Führung sicherzustellen.

12 Der Soldat ist ledig und hat keine Kinder. Seine Dienstbezüge betragen infolge der hälftigen Einbehaltung 1 347,26 Euro brutto und 1 221,56 Euro netto. Der Soldat hat seine finanziellen Verhältnisse erstinstanzlich als "angespannt" bezeichnet. Anfang 2016 hat er sich ohne Erfolg einer Drogentherapie unterzogen.

II

13 1. Mit Verfügung vom 16. Dezember 2015 hat der Kommandeur des ... ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten eingeleitet.

14 2. Mit Schreiben vom 10. März 2016 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft das gerichtliche Disziplinarverfahren um den Vorfall vom 23. November 2015 erweitert. Sie hat dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 6. Juni 2016 zur Last gelegt:
"Der Soldat verstieß trotz einer am 11.01.2011 erfolgten schriftlichen Belehrung jeweils ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis zum Umgang mit Betäubungsmitteln gegen die ZDv 10/5 Nr. 404 (heute: Zentralrichtlinie A2-2630/0-0-2 Nr. 503), die Soldaten den Besitz und Konsum von Betäubungsmitteln verbietet, obwohl er das Verbot kannte, zumindest aber hätte kennen können und müssen, indem er
1. am 25.04.2012 gegen 18:30 auf der Landstraße ..., Höhe ..., mit einem 2,1 g-Päckchen Marihuana als Beifahrer des PKW Renault, amtliches Kennzeichen ..., aus den Niederlanden kommend in das Bundesgebiet einreiste und somit Betäubungsmittel einführte,
2. am 15.02.2015 gegen 05:35 Uhr im Hauptbahnhof ... einen Joint rauchte und darüber hinaus noch ein Tütchen mit weiteren 0,68 g Marihuana mit sich führte,
3. am 23.11.2015 gegen 21:15 Uhr in ..., ...-Kaserne, Gebäude ..., auf der Stube Nr. ... des ehemaligen Obergefreiten (UA) S. gemeinsam mit dem ehemaligen Stabsgefreiten N. und dem vorgenannten S. zusammen zumindest einen Joint rauchte. Zu diesem Zweck hatte er gemeinschaftlich mit den beiden ehemaligen Soldaten vier Joints mit insgesamt ca. zwei Gramm Marihuana besessen."

15 3. Mit Nachtragsanschuldigungsschrift vom 27. März 2017 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten ergänzend vorgeworfen:
"Der Soldat blieb dem Dienst in seiner Einheit, der ...staffel ... ...-Kaserne in ... bzw. während der Dauer seiner Kommandierung zur ... des ...zentrums ..., ebenfalls in ..., am 12., 13., 19. und 26. September, am 26. Oktober, am 11., 14. und 15. November - jeweils 2016 -, sowie vom 23. Dezember 2016 bis zum 08. Januar 2017 unerlaubt fern."

16 4. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten mit Urteil vom 14. August 2018 aus dem Dienstverhältnis entfernt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:

17 Der Soldat sei am 25. April 2012 mit seiner Freundin in den Niederlanden gewesen, um Marihuana zu konsumieren und zu kaufen. Auf der Rückfahrt seien bei ihnen bei einer Polizeikontrolle 2,1 g Marihuana gefunden worden.

18 Der Soldat sei am 15. Februar 2015 im Hauptbahnhof ... von Polizisten beim Rauchen eines Joints gesehen worden. Bei seiner weiteren Kontrolle seien 0,68 g Marihuana gefunden worden. Seine Einlassung, er habe sich anlässlich des Karnevals in ... aufgehalten und das Marihuana von einem Unbekannten geschenkt bekommen, vermöge sein Fehlverhalten nicht zu entschuldigen.

19 Am 23. November 2015 habe der Soldat in der Kaserne mit zwei Mannschaftsdienstgraden einen Joint geraucht. Er habe aus den vom Obergefreiten (UA) S. mitgebrachten Betäubungsmitteln vier Joints mit insgesamt ca. 2 g Marihuana gedreht. Seine Einlassung, er habe sich beim Rauchen von Marihuana wohlgefühlt, sich nicht als Vorgesetzter der beiden Mannschaftsdienstgrade gefühlt und Anfang 2016 erfolglos einen Entzug versucht, rechtfertige sein Verhalten nicht.

20 Der Soldat sei wegen der in der Anschuldigungsschrift genannten Sachverhalte ab dem 11. Januar 2016 zum ...zentrum ..., in ... kommandiert worden. Dort sei er dem Dienst am 12., 13., 19. und 26. September 2016 sowie am 26. Oktober 2016 unerlaubt ferngeblieben. Er sei wiederholt krankgeschrieben worden, habe aber nicht für jeden Fehltag ärztliche Belege beibringen können. Daher sei die Kommandierung aufgehoben worden. Zurück in der ...staffel ... sei der Soldat am 11., 14. und 15. November 2016 sowie - wie vom Amtsgericht ... bindend festgestellt - vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 unerlaubt dem Dienst ferngeblieben. Seine Einlassung, er habe die Bundeswehr verlassen wollen und hinsichtlich der Fehltage zwischen September und November 2016 den Überblick über seine Krankschreibungen verloren, rechtfertige sein Verhalten nicht. Wegen der vielen einzelnen Fehltage sei von einem zumindest bedingt vorsätzlichen Fehlverhalten auszugehen.

21 Der Soldat habe folgende Dienstpflichten schuldhaft verletzt: § 7 SG, § 11 Abs. 1 SG, § 10 Abs. 3 SG, § 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 SG und § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG. Er habe damit ein vorsätzliches Dienstvergehen i.S.d. § 23 Abs. 1 SG begangen, wobei er als Vorgesetzter unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG gehandelt habe.

22 Das Dienstvergehen werde durch die eigenmächtige Abwesenheit vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 und das wiederholte unerlaubte Fernbleiben vom Dienst geprägt. Da die eigenmächtige Abwesenheit einen längeren Zeitraum umfasse, sei Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Erschwerend komme hinzu, dass der Soldat darüber hinaus wiederholt kurzfristig unerlaubt dem Dienst ferngeblieben sei und mehrfach Marihuana konsumiert habe. Dadurch habe er seine Funktion als Vorgesetzter in Frage gestellt und seine Vorbildfunktion schwer beeinträchtigt. Besonders erschwerend wiege, dass er mit Untergebenen in der Kaserne einen Joint geraucht habe. Einzig sein aufrichtiges Geständnis und die klare Aussage, dass er die Bundeswehr verlassen wolle, seien als Milderungsgrund anzuerkennen. Unter Berücksichtigung aller Umstände komme nur eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis in Betracht.

23 5. Der Soldat hat gegen das ihm am 1. September 2018 zugestellte Urteil am 20. September 2018 eine maßnahmebeschränkte Berufung eingelegt. Er hält eine Versetzung in den untersten Mannschaftsdienstgrad für angemessen. Hilfsweise begehrt er, im Fall der Entfernung aus dem Dienstverhältnis einen angemessenen Unterhaltsbeitrag festzusetzen. Er habe sich geständig gezeigt und unwidersprochen vorgetragen, aufgrund seiner Erkrankung den Überblick über seine Fehltage zwischen September und November 2016 verloren zu haben. Er habe insoweit ohne Vorsatz gehandelt. Ein Teil der Fehltage könne medizinisch begründet gewesen sein. Auch habe keine Dienstaufsicht stattgefunden; anders seien die vielen Fehltage nicht zu erklären.

III

24 Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Soldaten, über die der Senat trotz Abwesenheit des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung gemäß § 124 WDO verhandeln und entscheiden konnte, ist unbegründet. Das Truppendienstgericht hat den Soldaten zu Recht aus dem Dienstverhältnis entfernt.

25 1. Da der Soldat seine Berufung auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt hat, sind der Entscheidung des Senats gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 327 StPO die verfahrensfehlerfrei getroffenen Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts zugrunde zu legen. Danach hat der Soldat die ihm vorgeworfenen Drogen- und Dienstentziehungsdelikte vorsätzlich begangen und seine Dienstpflichten - wie festgestellt - verletzt.

26 2. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Im Einzelnen geht der Senat von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

27 a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen.

28 Das Truppendienstgericht hat im Ergebnis zutreffend eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen angesehen. Das Dienstvergehen wird in erster Linie durch das wiederholte vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben des Soldaten vom Dienst einschließlich einer strafbaren eigenmächtigen Abwesenheit i.S.d. § 15 WStG im Zeitraum vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 geprägt. Dieses Fehlverhalten wiegt außerordentlich schwer. Denn ein Soldat, der der Truppe unerlaubt fernbleibt, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten. Die Bundeswehr kann die ihr obliegenden Aufgaben nur dann hinreichend erfüllen, wenn nicht nur das innere Gefüge der Streitkräfte so gestaltet ist, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch ihre Angehörigen im erforderlichen Maße jederzeit präsent und einsatzbereit sind. Der Dienstherr muss sich darauf verlassen können, dass jeder Soldat seinen Pflichten zur Verwirklichung des Verfassungsauftrags der Bundeswehr nachkommt und alles unterlässt, was dessen konkreter Wahrnehmung zuwiderläuft. Dazu gehören insbesondere die Pflichten zur Anwesenheit und gewissenhaften Dienstleistung. Die Verletzung der Pflicht zur militärischen Dienstleistung berührt nicht nur die Einsatzbereitschaft der Truppe, sie erschüttert auch die Grundlagen des Dienstverhältnisses selbst (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - juris Rn. 30).

29 Nach der Rechtsprechung des Senats ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen in Fällen des vorsätzlichen eigenmächtigen Fernbleibens eines Soldaten von der Truppe bei kürzerer unerlaubter Abwesenheit grundsätzlich eine Dienstgradherabsetzung, gegebenenfalls bis in den Mannschaftsdienstgrad; bei länger andauerndem Fernbleiben, wiederholt eigenmächtiger Abwesenheit oder Fahnenflucht ist das Dienstvergehen so schwerwiegend, dass es regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst oder den Ausspruch der sonst gebotenen Höchstmaßnahme indiziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Dezember 2014 - 2 WD 23.13 - juris Rn. 60, vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 47 Rn. 53, vom 25. Oktober 2018 - 2 WD 8.18 - juris Rn. 37 und vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - juris Rn. 30). Zur Abgrenzung der kürzeren von einer längeren Abwesenheit hat der Senat den Zeitraum herangezogen, der durch den regulären Jahresurlaub abgedeckt werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 47 Rn. 55, vom 19. Mai 2015 - 2 WD 13.14 - juris Rn. 42 und vom 24. Januar 2018 - 2 WD 11.17 - juris Rn. 34).

30 Dies zugrunde gelegt ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis. Zwar liegt entgegen der Annahme des Truppendienstgerichts mit der Abwesenheit des Soldaten vom Dienst vom 23. Dezember 2016 bis 8. Januar 2017 noch kein länger andauerndes Fernbleiben vor. Er ist aber wiederholt unerlaubt dem Dienst ferngeblieben, nämlich auch am 12., 13., 19. und 26. September 2016, 26. Oktober 2016, 11., 14. und am 15. November 2016. Eine derartige Vielzahl an unerlaubten Abwesenheiten vom Dienst innerhalb weniger Monate einschließlich einer strafbaren eigenmächtigen Abwesenheit indiziert als Regelmaßnahme die Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

31 b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren (BVerwG, Urteile vom 18. Juni 2015 - 2 WD 11.14 - juris Rn. 52 m.w.N. und vom 18. Juli 2019 - 2 WD 19.18 - juris Rn. 31). Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto gewichtiger müssen auch die Milderungsgründe sein, die es erlauben, von der im Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen vorgesehenen Regelmaßnahme abzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 2015 - 2 WD 13.14 - juris Rn. 45 m.w.N.). Danach muss es bei der Höchstmaßnahme verbleiben.

32 aa) Im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens liegen keine mildernden, sondern erschwerende Umstände vor.

33 Zum einen stand der Soldat im Zeitpunkt seines wiederholten vorsätzlichen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst als Feldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV) und war daher gemäß § 10 SG zu vorbildlicher Pflichterfüllung verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 - 2 WD 8.18 - juris Rn. 24 m.w.N.). Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens erhöht.

34 Zum anderen treten drei bei der Bestimmung des Ausgangspunkts der Bemessungsentscheidung noch nicht berücksichtigten Dienstpflichtverletzungen in Form von strafbaren Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz hinzu, die der Soldat ebenfalls als Vorgesetzter begangen hat. Insoweit fällt besonders erschwerend ins Gewicht, dass der Soldat am 23. November 2015 auf einer Stube in der Kaserne gemeinsam mit zwei Untergebenen einen Joint rauchte. Für Fälle des strafbaren Erwerbs, Besitzes, Konsums sowie der strafbaren Weitergabe von Betäubungsmitteln im oder außer Dienst ist bei aktiven Soldaten Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen - unter anderem bei einer Verstrickung von Kameraden in das Vergehen - eine Dienstgradherabsetzung (BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2018 - 2 WD 9.17 - juris Rn. 34 m.w.N.). Das gemeinsame Rauchen eines Joints als Vorgesetzter mit Untergebenen in der Kaserne stellt einen besonders gravierenden Fall einer solchen Verstrickung dar, der bereits für sich genommen regelmäßig jedenfalls mit einer Dienstgradherabsetzung zu ahnden ist.

35 bb) Darüber hinaus hatte das Dienstvergehen erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Durch den zuletzt genannten Vorfall hat der Soldat maßgeblich dazu beigetragen, dass die betreffenden Untergebenen nach § 55 SG entlassen wurden. Infolge der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz konnte er selbst zudem nicht mehr in Bereichen mit Zugang zu Medikamenten eingesetzt werden, sondern wurde zum ...zentrum ..., in ... kommandiert. Wegen des dortigen mehrfachen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst wurde die Kommandierung aufgehoben. Nachdem der Soldat im Anschluss auch der Einheit ...staffel ... mehrfach unerlaubt ferngeblieben war, wurde er schließlich vorläufig des Dienstes enthoben.

36 cc) Das durch das vorsätzliche Handeln bestimmte Maß der Schuld des Soldaten war unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gemindert.

37 Dass der Soldat den Überblick über seine Fehltage zwischen September und November 2016 verloren haben will und es für möglich hält, dass ein Teil dieser Fehltage medizinisch begründet war, vermag die vom Truppendienstgericht für den Senat infolge der auf die Maßnahme beschränkten Berufung bindend festgestellten vorsätzlichen Pflichtverletzungen nicht zu entschuldigen.

38 Es liegt auch kein Mitverschulden von Vorgesetzten in Form einer mangelhaften Dienstaufsicht vor. Ungeachtet dessen, dass auf den Soldaten mit der Versetzung im Juni 2015, mit der Kommandierung und ihrer Aufhebung im Jahr 2016 sowie durch mehrere Gespräche des Disziplinarvorgesetzten mit dem Soldaten eingewirkt wurde, bedurfte es keines hilfreichen Eingreifens der Dienstaufsicht, um zu erkennen, dass der Soldat zur Dienstleistung und damit zum Erscheinen am Dienstort verpflichtet war und im und außerhalb des Dienstes nicht gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen durfte. Dies war dem Soldaten aufgrund der von ihm am 4. Januar 2011 unterzeichneten Belehrungen bekannt. Es bestand mithin keine Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich gemacht hätte (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. März 2003 - 1 WD 4.03 - Buchholz 235.01 § 38 WDO 2002 Nr. 2 S. 10, vom 13. Januar 2011 - 2 WD 20.09 - juris Rn. 37, vom 11. Juni 2015 - 2 WD 12.14 - juris Rn. 48 und vom 25. Oktober 2018 - 2 WD 8.18 - juris Rn. 30).

39 dd) Beweggründe, die für den Soldaten sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

40 ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" hat das Truppendienstgericht entgegen der Annahme des Soldaten sein Geständnis in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten berücksichtigt. Es hat aber zu Recht angenommen, dass es bei einer Gesamtwürdigung kein solches Gewicht erreicht, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden kann.

41 ff) Ist - wie hier - die Verhängung der Höchstmaßnahme geboten, kann auch eine etwaige Überlänge des Disziplinarverfahrens nicht maßnahmemildernd wirken (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. Mai 2011 - 2 WD 2.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 6 Rn. 47, vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - juris Rn. 76 und vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 77).

42 3. Für die Festsetzung eines vom Soldaten hilfsweise beantragten angemessenen Unterhaltsbeitrags besteht kein Anlass. Vielmehr wird ein Unterhaltsbeitrag gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 WDO kraft Gesetzes gewährt, soweit er nicht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 WDO im Urteil ausgeschlossen wurde. Ein solcher Ausschluss setzt nach § 115 Abs. 2 WDO einen dahingehenden Antrag des Bundeswehrdisziplinaranwalts voraus, der hier nicht gestellt worden ist.

43 Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2 und § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO.