Beschluss vom 08.12.2008 -
BVerwG 5 B 58.08ECLI:DE:BVerwG:2008:081208B5B58.08.0
Beschluss
BVerwG 5 B 58.08
- VGH Baden-Württemberg - 20.02.2008 - AZ: VGH 13 S 1169/07
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Dezember 2008
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Brunn und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die allein auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Beschwerde hält es bei verständiger Würdigung ihrer auf den Seiten 1 f. und 5 der Beschwerdeschrift in Bezug auf § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG formulierten Fragen zunächst der Sache nach für grundsätzlich bedeutsam, ob es sich bei dieser Vorschrift um eine formelle oder - zumindest auch - materielle Einbürgerungsvoraussetzung handelt. Die dazu gemachten Ausführungen genügen den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung einer Grundsatzrüge zu stellenden Anforderungen nicht. Die Beschwerde setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass die Klärung dieser Frage in einem künftigen Revisionsverfahren schon deswegen nicht der Rechtseinheit oder Rechtsfortentwicklung dienen könnte, weil sie lediglich ausgelaufenes, nur noch übergangsweise anwendbares Recht betrifft.
3 Durch Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl S. 1970) sind die Voraussetzungen für die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG in der bis zum 31. August 2008 geltenden Fassung ergänzt worden. Nach der mit Wirkung zum 1. September 2008 neu eingefügten Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und Abs. 5 StAG müssen Einbürgerungsbewerber künftig in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachweisen, dass sie über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügen. Damit erübrigt sich für die Zukunft die Frage, ob zur Erfüllung der Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG die formelle Abgabe des Bekenntnisses der freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie der Loyalitätserklärung ausreicht oder diese auch von einem entsprechenden Bewusstsein des Einbürgerungsbewerbers getragen sein muss, was als Mindestvoraussetzung erfordert, dass der Einbürgerungsbewerber den Inhalt des von ihm abgegebenen Bekenntnisses und der Loyalitätserklärung verstanden hat und deren Kerninhalte kennt.
4 Rechtsfragen, die sich aus der Anwendung von ausgelaufenem Recht oder Übergangsrecht stellen, rechtfertigen mit Rücksicht auf den Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungweisende gesetzliche Klärung herbeizuführen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig nicht die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Beschlüsse vom 9. Juni 2000 - BVerwG 4 B 19.00 - juris, vom 23. Januar 2003 - BVerwG 1 B 467.02 - Buchholz 402.240 § 102a AuslG Nr. 1 und vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 5 B 84.05 - juris). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Klärung noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in unabsehbarer Zukunft von Bedeutung ist. Für das Vorliegen einer solchen Sachlage ist der Beschwerdeführer darlegungspflichtig (Beschlüsse vom 21. Dezember 1977 - BVerwG 7 B 109.77 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 160 sowie vom 21. Juni und vom 13. August 1993 - BVerwG 11 B 65.93 - MDR 1994, 319, 320; stRspr). Der Kläger hat keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Zahl von Altfällen vorgetragen. Derartige Anhaltspunkte sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
5 Die bloße Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom 27. August 2008 im Anschluss an den Hinweis der Beklagten auf die geänderte Gesetzeslage im Schriftsatz vom 14. August 2008, „die gesamten bisherigen Fälle - und hier handelt es sich mit Sicherheit um eine Vielzahl von Fällen - [müssen] noch nach altem Recht entschieden werden“, genügt hierfür nicht. Gleiches gilt für die im Schriftsatz vom 18. August 2008 unter Bezugnahme auf einen Zeitungsartikel gemachten Ausführungen, bei der Stadt S. und ihrer Einbürgerungsbehörde gingen jährlich zwischen 1 500 und 2 000 Einbürgerungsanträge ein. Auch ihnen ist nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass es bei dem aufgeworfenen Rechtsproblem um mehr als einen die Rechtsbeziehungen der Beteiligten betreffenden Einzelfall geht und jenes Problem sich in einer nennenswerten Anzahl vergleichbarer Fälle in gleicher oder ähnlicher Weise stellt. Dem in Bezug genommenen Zeitungsartikel ist lediglich zu entnehmen, dass von den 1 500 bis 2 000 Anträgen rund 300 aus den verschiedensten Gründen abgelehnt oder wieder zurückgezogen werden. In 5 bis 10 Fällen werde jährlich die Einbürgerung aufgrund eines Hinweises des Verfassungsschutzes abgelehnt. Es wird weder behauptet noch substantiiert dargelegt, dass das aufgeworfene Rechtsproblem auch in einem oder mehreren der ablehnend beschiedenen Fälle aufgetreten ist. Solches kann auch nicht ohne Weiteres als selbstverständlich unterstellt werden.
6
2. Auch die von der Beschwerde im Zusammenhang mit § 8 StAG aufgeworfene Frage,
„inwieweit die oben aufgeworfene Frage grundsätzlicher Bedeutung, ob ein verbales und schriftlich abgegebenes Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und eine reine verbale und schriftliche Loyalitätserklärung zur Ermessenseinbürgerung des § 8 Staatsangehörigkeitsgesetzes ausreicht, wenn die erforderlichen Deutschkenntnisse geprüft sind, ohne dass hier im Ermessenswege eine inhaltliche Überprüfung erfolgt, als eine sogenannte politische Prüfung“ (Beschwerdebegründung S. 6),
verleiht der Rechtsache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die damit sinngemäß aufgeworfene Frage nach der Reichweite des behördlichen Ermessens, namentlich der Zulässigkeit einer sogenannten „Staatsbürgerkundeprüfung“ im Rahmen der Ermesseneinbürgerung nach § 8 StAG lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ohne Weiteres in für die Beschwerde negativer Weise beantworten.
7 Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG bei Vorliegen der gesetzlichen Mindestvoraussetzungen im grundsätzlich weiten Ermessen der Einbürgerungsbehörde steht. Ferner ist bereits entschieden, dass die Ermächtigung des § 8 StAG den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung bezweckt. Deswegen kann die Einbürgerung abgelehnt werden, wenn die Behörde befürchtet, der Bewerber könnte sich künftig gegen diese Grundprinzipien des Staates wenden. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass (bereits) eine konkrete Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung vorliegt. Die Ablehnung der Einbürgerung nach § 8 StAG ist schon dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn tatsächliche Umstände vorliegen, die es der Behörde zweifelhaft erscheinen lassen, dass der Bewerber sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennt und für ihre Erhaltung eintreten wird, und diese Umstände objektiv geeignet sind, solche Zweifel hervorzurufen (zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorschrift des § 8 RuStAG (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1986 - BVerwG 1 C 44.84 - BVerwGE 75, 86 <88 und 93 f.> m.w.N.). Es versteht sich von selbst, dass derartige Zweifel berechtigt sind, wenn der Einbürgerungsbewerber - wovon der Verwaltungsgerichtshof nach seinen Urteilsgründen (UA S. 12 f.) der Sache nach ausgegangen ist, ohne dass insoweit eine zulässige Verfahrensrüge angebracht worden ist - nachweislich nicht über einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügt und infolgedessen auch nicht weiß, der Schutz welcher staatlichen Ordnung und Grundprinzipien von ihm gegebenenfalls erwartet wird. Nur derjenige kann glaubwürdig Gewähr für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung bieten, der die Grundprinzipien der Staatsgestaltung kennt, die das Grundgesetz als unantastbar anerkennt und die deshalb gegen Angriffe verteidigt werden sollen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. August 1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85 <139>). Demzufolge ist es - auch verfassungsrechtlich - nicht zu beanstanden, bei einer Einbürgerung nach § 8 StAG im Rahmen einer persönlichen Befragung zu prüfen und festzustellen, ob ein entsprechendes staatsbürgerliches Grundwissen vorhanden ist. Die Beschwerde lässt nicht erkennen, welche über diese Grundsätze hinausgehende abstrakte Rechtsfrage vorliegend durch ein Revisionsverfahren geklärt werden könnte.
8
3. Ebenso wenig rechtfertigt die zweite von der Beschwerde im Zusammenhang mit § 8 StAG aufgeworfene Frage,
„inwieweit bezüglich dieses ausgeübten Ermessens, dass das Bekenntnis des Einbürgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Loyalitätserklärung für die Einbürgerungsbehörde ausreicht, vom Gericht überprüft werden kann und sozusagen diese Ermessensentscheidung vom Gericht ‚e r s e t z t’ werden kann“ (Beschwerdebegründung S. 6 f.),
die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Die Frage nach dem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Ermessenskontrolle ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits hinreichend beantwortet. Danach beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung darauf, ob die Behörde rechtsfehlerhaft gehandelt hat. Die Gerichte dürfen hingegen nicht eigenes Ermessen an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen, wenn ihnen eine andere Entscheidung den Umständen des Falles gemäßer erscheint (vgl. Urteil vom 14. November 1989 - BVerwG 1 C 5.89 - BVerwGE 84, 93 <95> m.w.N.). Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer erneuten Behandlung dieser Frage in einem Revisionsverfahren keinen Anlass.
9 4. Soweit mit der Grundsatzrüge des Weiteren geltend gemacht wird, das Berufungsgericht habe im vorliegenden Streitfall die Grenzen der gerichtlichen Ermessenskontrolle überschritten, indem es im Unterschied zur Beklagten die formelle Abgabe der Erklärung zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie der Loyalitätserklärung nicht für ausreichend gehalten habe, betrifft dies allein die richtige Rechtsanwendung im Einzelfall und rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Entsprechendes gilt in Bezug auf die von der behördlichen Begründung des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 11 Satz 1 StAG abweichende Begründung des Berufungsgerichts, „auch eine Einbürgerung im Ermessenswege nach § 8 StAG kommt nicht in Betracht. Nach Nr. 8.1.2.5 VwV-StAR - die über Art. 3 Abs. 1 GG das Ermessen der Behörde bindet - setzt die Ermessenseinbürgerung ebenfalls ein wirksames Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und eine entsprechende Erklärung voraus“ (UA S. 13). Mit der Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung im Einzelfall kann die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Sache nicht begründet werden.
10 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG (s.a. Nr. 42.1 des Streitwertkatalogs in der Fassung vom 7./8. Juli 2004, NVwZ 2004, 1327).