Beschluss vom 08.08.2024 -
BVerwG 5 B 7.24ECLI:DE:BVerwG:2024:080824B5B7.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 08.08.2024 - 5 B 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:080824B5B7.24.0]
Beschluss
BVerwG 5 B 7.24
- VG Aachen - 31.08.2021 - AZ: 2 K 2791/20
- OVG Münster - 05.03.2024 - AZ: 12 A 2376/21
In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. August 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen-Weiß und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge
beschlossen:
- Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. März 2024 wird verworfen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1 Die auf den Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Beschwerde das Vorliegen dieses Zulassungsgrundes nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gemäß dargelegt hat.
2 1. Die Beschwerde ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
3 Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Eine ausreichende Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Dabei verlangt die Begründungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO unter anderem, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt und aufzeigt, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2011 - 5 B 45.11 - juris Rn. 3 und vom 12. März 2018 - 5 B 26.17 D - juris Rn. 3 m. w. N.). Soweit sich die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Revision rechtlich Bedeutung haben könnten (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juni 2019 - 5 B 40.18 - juris Rn. 3 m. w. N.). Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2023 - 5 BN 2.22 - juris Rn. 3 m. w. N.). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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a) Die Beschwerde bezeichnet ausdrücklich die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig:
"Liegt ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung analog § 113 Abs. 1 S[atz] 4 VwGO auch dann vor, wenn die relevante Rechtsfrage, bezüglich derer im entschiedenen Rechtsstreit eine Erledigung eingetreten ist, für parallel gelagerte Sachverhalte, in denen die Beklagte künftig ebenfalls Verwaltungsstreitverfahren erwartet, von grundlegender Bedeutung ist?"
5 Zur Begründung der angeblich grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage führt sie aus, die Beklagte erhalte laufend Anträge auf Bereitstellung eines Betreuungsplatzes von Eltern, die mit ihren Kindern im benachbarten Ausland lebten. Sie müsse diese Anträge regelmäßig ablehnen, weil ein Betreuungsplatz an Auswärtskinder nur ausnahmsweise dann bereitgestellt werden könne, wenn die angefragte Kindertageseinrichtung einen freien Platz habe, für den kein in ihrem Gebiet lebendes Kind auf der Warteliste stehe. Damit sei die Wahrscheinlichkeit, dass es zeitnah zu einem erneuten Klageverfahren kommen werde, als sehr hoch einzuschätzen. Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde die Klärungsbedürftigkeit der formulierten Frage nicht in einer den Darlegungsanforderungen genügenden Weise auf.
6 Das Oberverwaltungsgericht hat sich unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (insbesondere BVerwG, Urteile vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7.88 - BVerwGE 87, 62 <67>, vom 1. September 2011 - 5 C 21.10 - juris Rn. 14 und vom 26. April 2018 - 5 C 11.17 - Buchholz 436.511 § 42b SGB VIII Nr. 1 Rn. 17) entscheidungstragend darauf gestützt, dass die Feststellung der Hauptsacheerledigung auf die einseitige Erledigungserklärung der Klägerseite hin dann die Überprüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens erfordere, wenn die Beklagtenseite sich für ihren Widerspruch gegen die Erledigungserklärung und ihr Festhalten an ihrem bisherigen Antrag auf ein nach den Maßstäben des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung berufen könne, dass die Klage vor ihrer Erledigung unzulässig oder unbegründet gewesen sei. Des Weiteren hat es unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (insbesondere BVerwG, Urteile vom 25. April 1989 - 9 C 61.88 - BVerwGE 82, 41 <44> und vom 26. April 2018 - 5 C 11.17 - Buchholz 436.511 § 42b SGB VIII Nr. 1 Rn. 22) entscheidungstragend darauf abgestellt, dass es für ein (derart) schützenswertes Interesse des beklagten Verwaltungsträgers nicht genüge, wenn er die Klärung einer Rechtsfrage begehre, die für seine Rechtsbeziehungen zu anderen Personen bedeutsam sei und die ohne Weiteres in einem anderen, nicht bereits erledigten Rechtsstreit geklärt werden könne. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz habe das Bundesverwaltungsgericht für den Fall anerkannt, dass sich die Sachentscheidung auf bereits bestehende Rechtsverhältnisse zu Dritten auswirken und wegen der Eigenart der Materie eine Prüfung der klärungsbedürftigen Rechtsfrage durch das Gericht nur in einem Rechtsstreit erfolgen könne, der sich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits in der Hauptsache erledigt habe. Mit diesen Erwägungen der angefochtenen Entscheidung setzt sich die Beschwerde nicht ansatzweise auseinander. Sie geht insbesondere nicht auf die vom Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene (ihrer Auffassung gegebenenfalls entgegenstehende) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein. Ebenso wenig zeigt sie substantiiert auf, aus welchen Gründen die vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegten Maßstäbe des Bundesverwaltungsgerichts in der vorliegenden Fallkonstellation nicht anwendbar sein sollten oder einer Fortentwicklung bedürften.
7 b) Auch mit ihren weiteren Ausführungen zur "Zusatzerklärung zum Betreuungsvertrag" vom 7. Oktober 2021 und dem sich von der Beklagten für den Fall des Obsiegens im Klageverfahren vorbehaltenen Recht zur außerordentlichen Kündigung des Betreuungsvertrages legt die Beschwerde keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dar. Sie macht zwar ein "präjudizielles Interesse im Hinblick auf die vorbehaltene Kündigung des Betreuungsvertrages" geltend und stellt ihre Ausführungen damit in den Rahmen der für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage. Der diesbezügliche Vortrag der Beschwerde erschöpft sich der Sache nach aber in der Art einer Revisionsbegründung in der Darlegung einer von der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts einzelfallbezogen abweichenden und zu einem anderen Ergebnis führenden Rechtsmeinung. Mit der Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz bzw. der Rüge von bloßen Rechtsanwendungsfehlern kann die Grundsatzbedeutung jedoch nicht dargetan werden (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14).
8 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
9 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben.