Beschluss vom 08.07.2008 -
BVerwG 6 B 25.08ECLI:DE:BVerwG:2008:080708B6B25.08.0
Beschluss
BVerwG 6 B 25.08
- OVG Rheinland-Pfalz - 29.01.2008 - AZ: OVG 7 A 11058/07
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn und Dr. Bier
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes des Beschwerdeverfahrens wird auf 792,71 € festgesetzt.
Gründe
1 Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) und des Verfahrensmangels (2.) stützt, hat keinen Erfolg.
2 1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
3 Der Kläger will im Hinblick auf § 4 Abs. 4 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - geklärt wissen, ob „es dem Schuldner von Rundfunkgebühren grundsätzlich verwehrt (ist), sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen, wenn die Landesrundfunkanstalt Gebühren nacherhebt, weil der Gebührenschuldner sich nicht angemeldet hat“. Er fragt weiter, ob „für den Fall, dass sich der Gebührenschuldner nicht auf die Einrede der Verjährung berufen (kann), das Unterlassen der Anmeldung kausal für die Nichterhebung von Gebühren sein“ muss. Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, denn sie beziehen sich im hier vorliegenden Streitfall (noch) auf irrevisibles Landesrecht. Das Rundfunkgebührenrecht wurde erst durch § 10 RGebStV i.d.F. des Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, der am 1. März 2007 in Kraft getreten ist, für revisibel erklärt. Die Revisibilität gilt noch nicht für das Staatsvertragsrecht, das für die hier umstrittene Rundfunkgebührenpflicht hinsichtlich eines bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits abgeschlossenen Zeitraums maßgeblich ist (vgl. Beschluss vom 5. April 2007 - BVerwG 6 B 15.07 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 42 Rn. 4 m.w.N.).
4 Die Fragen, die die Beschwerde aufwirft, führen auch nicht deshalb auf revisibles Recht, weil § 4 Abs. 4 RGebStV hinsichtlich der Verjährung auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches verweist. Soweit Landesrecht auf bundesrechtliche Regelungen Bezug nimmt, erlangen auch die so rezipierten Bestimmungen den Charakter nicht revisiblen Landesrechts, da das für anwendbar erklärte Bundesrecht nicht aus sich heraus, sondern kraft Gesetzgebungsbefehls des Landes gilt (Urteile vom 24. September 1992 - BVerwG 3 C 64.89 - BVerwGE 91, 77 <81> = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 173 S. 22 und vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 C 9.93 - Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 S. 3). An der Bewertung, dass die Grundsatzbeschwerde auf die Anwendung irrevisiblen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht zielt, ändert schließlich auch der Umstand nichts, dass das Oberverwaltungsgericht auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots einer unzulässigen Rechtsausübung abgestellt hat, um die Unbeachtlichkeit der vom Kläger erhobenen Verjährungseinrede zu begründen. Auch allgemeine Rechtsgrundsätze wie das Prinzip von Treu und Glauben in seinen verschiedenen von der Rechtsprechung entwickelten Ausprägungen sind dem nicht revisiblen Landesrecht zuzuordnen, wenn sie im konkreten Fall zu dessen Ergänzung herangezogen werden (Urteil vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> = Buchholz 316 § 56 VwVfG Nr. 13 S. 10).
5 2. Die Revision ist auch nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Ein Verfahrensmangel ist nur dann hinreichend bezeichnet i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
6 a) Die Beschwerde rügt eine Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO), die sie darin erblickt, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Klägers im Hinblick auf die Anmeldung eines Rundfunkgeräts am 15. August 1997 nicht zur Kenntnis genommen habe. Damit ist der behauptete Verfahrensmangel nicht ausreichend bezeichnet. Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör erfordert die substantiierte Angabe dessen, was der Prozessbeteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern dies - ausgehend von der materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts - für die Entscheidung hätte Bedeutung erlangen können (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15). Daran mangelt es hier. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich der Umstand, dass der Kläger in den Jahren 1997/98 ein Rundfunkgerät in seiner Betriebsstätte angemeldet hatte, auswirken konnte auf die Beurteilung der hier umstrittenen Frage, ob er (auch) eine Rundfunkgebühr in Form einer Haltergebühr für in Gebrauchtwagen eingebaute Autoradios schuldet. Dies gilt auch in Bezug auf die vom Kläger erhobene Verjährungseinrede, die das Oberverwaltungsgericht unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung für unbeachtlich gehalten hat. Nach der materiellen Rechtsauffassung der Vorinstanz kommt es für die Unzulässigkeit der fraglichen Rechtsausübung nicht darauf an, ob der Beklagte im Zusammenhang mit der o.g. Geräteanmeldung das Bestehen einer weitergehenden Rundfunkgebührenpflicht des Klägers erkennen konnte, sondern allein darauf, dass dieser seiner Verpflichtung zur Anzeige des Bereithaltens von Rundfunkgeräten in den von ihm als Halter zum Verkauf angebotenen Fahrzeugen nicht nachgekommen ist.
7 b) Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, dass schon im Dezember 1992 zumindest eines der Angebotsfahrzeuge, deren Halter er war, über ein empfangsbereites Autoradio verfügt hat und dass während des gesamten Erhebungszeitraums bis Juni 2006 von einer Änderung der für die Gebührenpflicht maßgeblichen Umstände nicht auszugehen ist. Die Rügen, die die Beschwerde in diesem Zusammenhang erhebt, führen nicht auf einen Verfahrensfehler, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann.
8 Soweit die Beschwerde beanstandet, das Oberverwaltungsgericht habe diese Feststellung nicht auf seine - mit im Internet veröffentlichten Zahlenangaben des Kraftfahrzeuggewerbes untermauerte - Lebenserfahrung stützen dürfen, wird damit ein Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht hinreichend bezeichnet. Die Aufklärungsrüge setzt die substantiierte Darlegung voraus, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche Beweismittel hierfür in Betracht kamen und welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss dargelegt werden, dass die Nichterhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist bzw. inwieweit sich dem Gericht die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.). Derartige konkrete Angaben in Bezug auf eine von der Beschwerde etwa für notwendig erachtete Beweisaufnahme lassen sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.
9 Auch eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wird durch das Beschwerdevorbringen nicht aufgezeigt. Ob das Tatsachengericht auf einer ausreichend breiten oder aber auf einer zu schmalen tatsächlichen Grundlage entschieden hat, ist grundsätzlich eine dem materiellen Recht zuzuordnende Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung, auf die eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden kann. Soweit hiervon Ausnahmen zuzulassen sind, verlangt die Behauptung eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz die Darlegung, dass das Gericht einen Schluss gezogen hat, den es ohne Willkür, insbesondere ohne Verletzung von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen schlechterdings nicht ziehen konnte (Beschlüsse vom 19. August 1997 a.a.O. S. 15 f., vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 und vom 9. November 2006 - BVerwG 1 B 134.06 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 48 Rn. 4, jeweils m.w.N.). Davon kann hier keine Rede sein. In Wahrheit wendet sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Sachverhaltsfeststellung und -würdigung des Oberverwaltungsgerichts, wonach ab dem Jahr 2000 der weit überwiegende Teil aller Gebrauchtwagen mit Autoradios ausgestattet war, dies auch bereits für die Zeit ab 1992 für einen erheblichen Teil aller Gebrauchtwagen angenommen werden muss und daraus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefolgert werden kann, dass während des ganzen hier maßgeblichen Zeitraums jeweils mindestens eines der vom Kläger zum Verkauf vorgehaltenen Gebrauchtfahrzeuge über ein gebührenpflichtiges Autoradio verfügte. Diese tatsächliche Bewertung kann mit einer Verfahrensrüge selbst dann nicht mit Erfolg angegriffen werden, wenn die Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts nicht in jeder Hinsicht zwingend sein sollten.
10 Auch soweit der Kläger einen vorherigen Hinweis des Oberverwaltungsgerichts auf die Umstände vermisst, auf die es seine Überzeugungsbildung hinsichtlich der Verbreitung von Autoradios in Gebrauchtwagen gestützt hat, fehlt es an der notwendigen Darlegung. Die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs erfordert, wie schon erwähnt, die substantiierte Angabe dessen, was der Prozessbeteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern dies für die Entscheidung hätte Bedeutung erlangen können. Daran fehlt es. Der Kläger gibt nur pauschal an, er hätte nach erfolgtem Hinweis „die tatsächliche Lebenserfahrung aus seinem Betrieb ... darlegen und Gegenteiliges beweisen können“; er legt aber nicht im Einzelnen offen, was er über den bisherigen Streitstoff hinaus konkret vorgebracht hätte, wenn ihm der vermisste Hinweis erteilt worden wäre.
11 c) Soweit schließlich das Oberverwaltungsgericht die Behauptung des Klägers, in Gebrauchtwagen vorhandene Autoradios würden zum Schutz gegen Diebstahl ausgebaut, als „bloße Schutzbehauptung“ gewertet hat, führen die Darlegungen der Beschwerde ebenfalls nicht auf einen Verfahrensfehler, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann.
12 Falls der in diesem Zusammenhang dem Berufungsgericht gegenüber erhobene Vorwurf der Voreingenommenheit nach Beendigung der Berufungsinstanz überhaupt noch Rechtsfolgen zeitigen kann, ist er jedenfalls ersichtlich unbegründet. Aus dem Umstand allein, dass das Gericht eine bestimmte Behauptung aus näher bezeichneten tatsächlichen Gründen als widerlegt ansieht, lässt sich nicht auf eine Vorfestlegung des Gerichts schließen.
13 Soweit die Beschwerde beanstandet, das Oberverwaltungsgericht hätte den Vortrag des Klägers nicht ohne dessen persönliche Anhörung als „Schutzbehauptung“ werten dürfen, führt auch dies nicht auf einen Verfahrensfehler. Die Beschwerde übersieht, dass das Oberverwaltungsgericht nicht die Person des Klägers als unglaubwürdig, sondern die hier in Rede stehende Behauptung - aus näher bezeichneten sachlichen Gründen - als unglaubhaft gewertet hat. Es gibt keinen Rechtssatz des Inhalts, dass das Tatsachengericht sich vom Wahrheitsgehalt der Behauptung eines Beteiligten stets nur durch dessen persönliche Anhörung überzeugen kann.
14 Davon abgesehen wird das Beschwerdevorbringen auch insofern den schon oben näher bezeichneten Anforderungen nicht gerecht, die an eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) bzw. die Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu stellen sind. Insbesondere trägt sie nicht vor, welche Beweismittel (etwa in Gestalt von Zeugen) für den angeblichen Ausbau der Autoradios aus den Gebrauchtwagen zur Verfügung gestanden hätten, zu welchem Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich geführt hätte und inwiefern sich die Erhebung der Beweise dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Argumente, mit denen das Oberverwaltungsgericht die Behauptung des Klägers als unglaubhaft wertete, gegen die Gesetze der Logik verstoßen. Hinsichtlich seines weiteren Vortrages, dass er Radiogeräte, soweit er sie nicht aus den Gebrauchtwagen ausbaue, jedenfalls von der Batterie trenne, fehlt es im Übrigen an der Darlegung, inwiefern das angefochtene Urteil gemäß der materiellen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die Rundfunkgebühr grundsätzlich für in Kraftfahrzeuge eingebaute Rundfunkgeräte zu entrichten ist, auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann.
15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.