Urteil vom 07.05.2013 -
BVerwG 2 WD 20.12ECLI:DE:BVerwG:2013:070513U2WD20.12.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 07.05.2013 - 2 WD 20.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:070513U2WD20.12.0]
Urteil
BVerwG 2 WD 20.12
- Truppendienstgericht Süd 5. Kammer - 13.03.2012 - AZ: TDG S 5 VL 25/11
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 7. Mai 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant Bete und
ehrenamtlicher Richter Hauptfeldwebel Koch,
...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
Hauptsekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
- Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 13. März 2012 aufgehoben.
- Gegen den Soldaten wird wegen eines Dienstvergehens ein Beförderungsverbot für die Dauer von drei Jahren verhängt.
- Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden dem Soldaten auferlegt.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.
Gründe
I
1 Der 34 Jahre alte Soldat absolvierte nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung zum staatlich geprüften chemisch-technischen Assistenten. Er leistete 1999 Grundwehrdienst und wurde mit Wirkung vom 1. September 2000 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde bis auf 15 Jahre verlängert und endet mit Ablauf des Monats Oktober 2014. Der Soldat wurde zuletzt im November 2007 zum Oberfeldwebel befördert. Nach der Verwendung auf unterschiedlichen Dienstposten im Bereich der Kampfmittelbeseitigung - unter anderem vom 1. November 20.. bis 11. Mai 20.. beim ... Einsatzkontingent KFOR in Prizren - wurde er zum April 2006 zur 1./... in St. versetzt und dort auf mehreren Dienstposten als Munitionsverbrauchsgüterfeldwebel eingesetzt. Von Juni 2009 bis Mai 2010 absolvierte er bei der ZAW Betreuungsstelle Münster einen Lehrgang zum Meister für ....
2 Die letzte planmäßige Beurteilung vom 12. Mai 2010 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt mit „6,20“. Es heißt zur Leistungsentwicklung unter anderem, Oberfeldwebel ... habe im Beurteilungszeitraum sein sehr gutes Leistungsniveau weiter ausbauen können. Fachlich versiert und sattelfest setze er im täglichen Dienst sein Wissen erfolgreich in der Praxis ein, was ihn zu einem überaus wertvollen Mitarbeiter der S 4-Abteilung des Bataillons, aber auch innerhalb der Kompanie mache. Aufgrund seines Potentials, welches noch längst nicht ausgeschöpft sei, sei eine weitere Leistungssteigerung nach erfolgreicher Beendigung seiner beruflichen Fortbildungsstufe in jedem Fall zu erwarten.
3 Im Persönlichkeitsprofil wurde die funktionale Kompetenz als „bestimmendes Merkmal“ und „stärker ausgeprägt“ bewertet. Gleichfalls „stärker ausgeprägt“ sei die Kompetenz in Menschenführung, während die funktionale und die soziale Kompetenz „ausgeprägt“ seien. Erläuternd wird der Soldat im Wesentlichen als ruhiger, verantwortungsbewusster und stets freundlich auftretender Portepeeunteroffizier beschrieben, der seinen täglichen Dienst sehr selbständig, an den Bedürfnissen der Truppe orientiert auch weit über die normale Dienstzeit hinaus versehe. Sein gefestigter Charakter und seine zielstrebige Grundeinstellung, aber auch sein fundiertes Fachwissen und seine hohe Flexibilität rundeten seine hervorragende Dienstauffassung ab, wodurch er auch in Stresssituationen und unter Zeitdruck die ihm übertragenen Aufträge und Aufgaben stets gewissenhaft und zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten ausführen könne. Für seinen Aufgabenbereich und die Konsequenzen seines Handelns übernehme er stets die volle Verantwortung. Innerhalb der Kompanie und der S4-Abteilung sei Oberfeldwebel ... aufgrund seiner aufgeschlossenen und unaufdringlichen Art und seines hilfsbereiten Wesens voll anerkannt und integriert. Nach seinem Leistungsbild sei er weiter förderungswürdig und zum Berufssoldaten geeignet.
4 Der Kompaniechef sah ihn für Stabsverwendungen „besonders gut geeignet“. „Gut geeignet“ sei er für Führungs- und Lehrverwendungen und „geeignet“ für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung.
5 Der nächsthöhere Vorgesetzte erklärte sich mit der Beurteilung einverstanden und beschrieb den Soldaten ebenfalls als ruhigen, freundlich auftretenden und fachlich versierten und auch unter Stress leistungsfähigen Portepeeunteroffizier, der in einem Arbeits- und Verantwortungsbereich überzeugt habe, welcher viel Eigenständigkeit, Übersicht und die Fähigkeit zu vorausschauendem Handeln erfordere. Im Vergleich zu anderen Unteroffizieren des Verbandes finde sich Oberfeldwebel ... in der vorderen Hälfte. Er sei zum Berufssoldaten gut geeignet und habe eine Entwicklungsprognose bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.
6 Die Sonderbeurteilung vom 21. Mai 2012 bewertete die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten im Durchschnitt erneut mit „6,20“. Oberfeldwebel ... habe sein Leistungsniveau halten können und überzeuge durch eine unkomplizierte und sehr positive Zusammenarbeit. In der S 4-Abteilung sei er einer der Leistungsträger. Hervorzuheben sei sein Einsatz bei Fachausbildungen, insbesondere im Bereich des Gefahrgutwesens und der Ladungssicherung. Eine weitere Leistungssteigerung sei möglich.
7 Im Persönlichkeitsprofil wurde die soziale Kompetenz als „bestimmendes Merkmal“ und „stärker ausgeprägt“ bewertet. Gleichfalls „stärker ausgeprägt“ sei die funktionale Kompetenz, während die geistige Kompetenz und die Kompetenz in Menschenführung „ausgeprägt“, die „konzeptionelle Kompetenz“ dagegen „weniger ausgeprägt“ sei. Der Soldat wird erläuternd als ruhiger, zuvorkommender und verantwortungsvoller Portepeeunteroffizier mit kameradschaftlichem Verhalten charakterisiert, der seinen Dienst selbständig und eigenverantwortlich in vorbildlicher Weise auch deutlich über die Rahmendienstzeiten hinaus erledige. Mehrere Aufträge gleichzeitig und unter Zeitdruck seien durch ihn stets zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt worden. Wegen privater Probleme habe er seinen Dienst nie vernachlässigt. Zum Berufssoldaten sei er geeignet. Er wende die Grundsätze der modernen Menschenführung an.
8 Der Kompaniechef hielt ihn für Stabsverwendungen für „besonders gut geeignet“. „Gut geeignet“ sei er für Führungsverwendungen und „geeignet“ für Lehrverwendungen.
9 Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss sich der Beurteilung und den Verwendungshinweisen des Kompaniechefs an. Er betonte die hohe Weiterbildungsbereitschaft des Soldaten und sein sehr hohes fachliches Niveau insbesondere im Bereich des Transportwesens, des Gefahrgutwesens und der Ladungssicherung, weswegen Oberfeldwebel ... bataillonsweit als Ausbilder unterstützen könne. Er sei bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive zu fördern.
10 In der Berufungshauptverhandlung hat der Disziplinarvorgesetzte, Hauptmann P., als Leumundszeuge ausgeführt, er sei von den Vorwürfen gegen den Soldaten überrascht gewesen und habe mit seinem Vorgänger und der Vertrauensperson über die weitere Verwendung des Soldaten in der bisherigen Funktion gesprochen. Er habe dann aber entschieden, ihn nicht umzusetzen und seine Arbeit eine zeitlang genauer zu überprüfen. Der Soldat habe auch nach seiner Rückkehr von dem Lehrgang weiter gute Arbeit geleistet und sei disziplinar in keiner Weise aufgefallen. Seine Leistungen seien auch in der Folgezeit auf dem gleichen Niveau geblieben. Eine Leistungssteigerung sei nicht feststellbar. Wäre das gerichtliche Disziplinarverfahren nicht gewesen, wäre nach seiner Einschätzung eine Beförderung des Soldaten zum Hauptfeldwebel erfolgt. Im Kameradenkreise seien die Vorfälle nicht bekannt geworden. Auch nach dem Urteil des Truppendienstgerichts habe er den Soldaten in seiner Funktion nicht für untragbar gehalten.
11 Der Soldat ist Träger der Einsatzmedaille KFOR und der Schützenschnur III.
12 Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 4. Februar 2013 verweist auf eine förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung vom 17. Dezember 2002 und die durch das Amtsgericht ... verhängte Geldstrafe in Höhe von 2 400 € wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 28. Januar 2013 enthält ebenfalls die Eintragung der am 25. Oktober 2010 durch das Amtsgericht ... durch rechtskräftigen Strafbefehl verhängten Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 30 € wegen unerlaubten Erwerbs von explosionsgefährlichen Stoffen nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG. Zugrunde lag dem, dass der Soldat am 18. Januar 2010 mit seinem PKW auf der Bundesautobahn 5 durch die Polizei angehalten worden war. Anlässlich dieser Polizeikontrolle fand ein Polizeibeamter hinter dem Fahrersitz Übungshandgranatenladungen und einen Bodenleuchtspurzünder und stellte diese sicher. Eine vom Soldaten freiwillig abgegebene Blutprobe ergab den vom Soldaten bereits zuvor eingeräumten Konsum eines Cannabisproduktes. Durch das Hessische Landeskriminalamt wurde unter dem 12. August 2010 ein kriminaltechnisches Gutachten zu den sichergestellten Gegenständen erstellt.
13 Zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der geschiedene und kinderlose Soldat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, er zahle auch zur Zeit noch einen Autokredit in monatlichen Raten von 178 €, die Geldstrafe mit monatlich 80 € und weitere 200 € monatlich wegen in der Ehe entstandener Verbindlichkeiten ab, für die ihm sein Vater einen Kredit gewährt habe. Außerdem habe er zwischenzeitlich einen weiteren Kredit wegen der Verfahrenskosten aufgenommen, den er mit monatlich 220 € tilge. Für seine Mietwohnung fielen monatlich 600 € an.
II
14 1. Das Verfahren ist nach Anhörung des Soldaten mit Verfügung des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos IV - Süddeutschland - vom 21. Juni 2011 eingeleitet worden. Zuvor war die Vertrauensperson angehört und ihre Stellungnahme dem Soldaten eröffnet worden.
15
Nach Gewährung des Schlussgehörs am 8. August 2011 hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 13. September 2011 folgenden Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„1. Der Soldat nahm zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Mai 2009 in der ...kaserne in St. zehn EA Zünderoberteile UEB-HGRL DM4BA2 (Handgranatenübungsladungen) sowie einen EA Anzünder DM 1474 für Leuchtkörper-Boden der Bundeswehr an sich und übte bis zum 18. Januar 2010 durch Aufbewahrung in seinem Pkw Mitsubishi Colt, amtliches Kennzeichen ..., die tatsächliche Gewalt über diese Gegenstände aus, obwohl er wusste, dass das Aneignen von Munition und Munitionsteilen gemäß ZDv 3/12 Ziffer 407 verboten ist und er hierzu nicht berechtigt war.
2. Der Soldat konsumierte am 17. Januar 2010 gegen 18.00 Uhr - außerhalb dienstlicher Anlagen und Unterkünfte - THC in Form eines Joints, obwohl er aufgrund seiner Belehrung vom 12. November 1999 wusste, zumindest jedoch hätte wissen können und müssen, dass Soldaten jeglicher Konsum von Betäubungsmitteln gemäß ZDv 10/5 Nummer 404 verboten ist."
Durch sein Verhalten hat der Soldat vorsätzlich - wenigstens aber fahrlässig - die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt,
- der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (Anschuldigungspunkt 2),
- der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (Anschuldigungspunkt 1),
- sich außer Dienst und außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (Anschuldigungspunkt 2),
wobei er als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gegeben hat.“
16 2. Die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat mit Urteil vom 13. März 2012 den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 6 herabgesetzt.
17 Dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 25. Oktober 2010 liege die Feststellung zugrunde, im PKW des Soldaten seien anlässlich einer Polizeikontrolle zehn Handgranatenübungsladungen aus Beständen der Bundeswehr aufgefunden worden. Diese seien funktions- und verwendungsfähig und allein für militärische Zwecke bestimmt gewesen. Er habe keine Erlaubnis gehabt, sie in seinem privaten PKW zu transportieren und dies auch gewusst. Daher sei er wegen eines Vergehens gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3, § 27 SprengG zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Nach der geständigen Einlassung des Soldaten seien ihm am Vormittag des 15. Mai 2009 von zwei Mannschaftssoldaten die Handgranatenübungsladungen und ein Anzünder für Leuchtkörper-Boden übergeben worden. An diesem Tag habe er auch seinen privaten Umzug durchführen müssen. Am Morgen hätte ihn seine Ehefrau telefonisch daran erinnert. Da er nach Dienstschluss seinen Urlaub und anschließend einen mehrmonatigen Lehrgang habe antreten wollen, habe er die Munitionsbestände, für die er verantwortlich gewesen sei, bereits an seinen Stellvertreter übergeben gehabt. Er habe aber noch über den Schlüssel für die sogenannte Packmittelstation verfügt. Dort habe sich eine Kiste befunden, in der Munition bis zu ihrer vorschriftsmäßigen Verbringung in das Munitionslager aufbewahrt wurde. Dorthin habe er die Munitionsbestandteile verbringen wollen und sie zum Transport dorthin hinter den Beifahrersitz seines Privat-PKWs gelegt. Dies habe er dann aber vergessen und sei direkt nachhause zu seinem Umzug gefahren. Die Munitionsbestandteile seien dort bis zu ihrer Sicherstellung durch die Polizei am 18. Januar 2010 verblieben. Der Vortrag des Soldaten, er habe über den gesamten Zeitraum monatelang vergessen, sich um die Munition in seinem Fahrzeug zu kümmern, sei wenig glaubwürdig. Jedes Mal, wenn der Soldat in seinem dreitürigen Fahrzeug den Beifahrersitz nach vorne geklappt habe, habe er die dort auf dem Boden liegende Munition sehen müssen, was von ihm in jedem Fall eine neue Entscheidung abgefordert habe, sich um den ordnungsgemäßen Verbleib zu kümmern. Diese Entscheidung habe der Soldat jedenfalls mehrfach mit falschem Resultat gefällt, wodurch eine erhebliche Gefährdungssituation aufrecht erhalten geblieben sei. Dies begründe Vorsatz. Der Soldat habe in der Hauptverhandlung auch gestanden, auf das Angebot eines Cousins hin einen Marihuanajoint konsumiert zu haben. Er habe auch eingeräumt, über das Betäubungsmittelverbot gemäß Nr. 404 der ZDv 10/5 belehrt worden zu sein.
18 Der Soldat habe damit vorsätzlich ein Dienstvergehen begangen. Er habe durch das Unterlassen der ordnungsgemäßen Rückgabe der Munition gegen die Pflichten verstoßen, treu zu dienen (§ 7 SG), Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und unverzüglich auszuführen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG) sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat fordere (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG). Durch den Marihuanakonsum habe er gegen die Pflichten verstoßen, treu zu dienen (§ 7 SG) und sich außerhalb dienstlicher Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung fordern, nicht ernsthaft beeinträchtige (§ 17 Abs. 2 Satz 2 SG).
19 Das Dienstvergehen wiege schwer. Die Bundeswehr sei wegen der Unmöglichkeit einer lückenlosen Kontrolle besonders auf Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Soldaten beim Umgang mit öffentlichem Gut angewiesen. Das Versagen eines Berufssoldaten insbesondere in Vorgesetztenstellung in diesem Bereich zerstöre sein dienstliches Ansehen tiefgreifend und disqualifiziere ihn als Vorgesetzten. Hier sei zu berücksichtigen, dass der Soldat für die ordnungsgemäße Verwahrung der Munition bis zum Juni 2009 verantwortlich gewesen sei. Eine Verpflichtung zum Handeln ergebe sich aus vorangegangenem gefährlichen Tun, weil er ihm bekannte Vorschriften missachtet, so einen nicht ordnungsgemäßen Zustand geschaffen, aber gleichwohl keinen Anlass zur Abhilfe gesehen habe. Ein Handeln wäre ihm auch zumutbar gewesen. Von der Munition sei eine Gefährdung für Leib und Leben von Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert ausgegangen. Zu Gunsten des Soldaten sei die fehlende Zueignungsabsicht zu berücksichtigen. Die Unterlassung beruhe auf Schlampigkeit. Er habe in einer ihm ausdrücklich obliegenden Kontrollfunktion versagt. Schwer nachvollziehbar sei, dass die Vorgesetzten das Vertrauen in den Soldaten nicht verloren hätten. Objektiv gebe es erhebliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit. Diese würden durch den Betäubungsmittelkonsum verstärkt. Auch damit habe er gegen elementare Pflichten verstoßen und durch die psychischen und physischen Folgewirkungen des Betäubungsmittelkonsums eine erhebliche Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Truppe und die militärische Ordnung begründet. Über das Verbot des Drogenkonsums sei der Soldat auch eingehend belehrt worden. Aus generalpräventiven Gründen sei eine strenge Ahndung geboten. Auch hier sei regelmäßig eine Dienstgradherabsetzung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Zu Gunsten des Soldaten sei die Einmaligkeit des Konsums und das Fehlen einer Wiederholungsgefahr anzuführen. Die Auswirkungen des Dienstvergehens hielten sich in Grenzen. Für den Soldaten sprächen seine guten dienstlichen Leistungen und eine Nachbewährung sowie das Geständnis, Einsicht und Reue. Hiernach sei es insgesamt nicht vertretbar, den Soldaten in einem Dienstgrad als Portepeeunteroffizier zu belassen, er sei daher in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Besoldungsgruppe A 6 herunterzusetzen.
20 3. Gegen das ihm am 28. März 2012 zugestellte Urteil hat der Soldat am 23. April 2012 in vollem Umfang Berufung eingelegt.
21 Das Truppendienstgericht spreche der Einlassung des Soldaten, er habe die Munition in seinem Wagen monatelang vergessen, zu Unrecht die Glaubwürdigkeit ab. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die Kammer von einem Bemerkenmüssen der Munition bei jedem Nachvorneklappen des Beifahrersitzes ausgehe. Es sei eine bloße Mutmaßung, dass der Soldat regelmäßig neu die Entscheidung, die Munition nicht ordnungsgemäß abzugeben, getroffen habe. Die Kammer hätte nach dem Zweifelsgrundsatz von seiner Einlassung ausgehen müssen. Ob er vorsätzlich gehandelt hat, sei nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Die Kammer hätte zum Anschuldigungspunkt 1 nur von Fahrlässigkeit ausgehen dürfen. Auf Spekulationen zum Vorsatz beruhten auch die Bemessungserwägungen des Urteils. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Vorgesetzten des Soldaten ihm auch nach dem Bekanntwerden des Vorfalles weiter vertraut hätten. Dieses Vertrauen habe der Soldat durch die Nachbewährung auch gerechtfertigt. Zum Anschuldigungspunkt 2 habe das Truppendienstgericht das Gefährdungspotential eines nur einmaligen Cannabiskonsums fehlerhaft bewertet. Der Normgeber der Fahrerlaubnisverordnung bewerte dies anders. Dass der Soldat eingehend über das Verbot des Drogenmissbrauchs, seine Gründe und die Konsequenzen eines Verstoßes belehrt worden war, sei unzureichend aufgeklärt worden. Der Soldat habe sich nicht daran erinnern können, ob es sich um eine „08/15-Belehrung“ gehandelt habe oder diese intensiv gewesen sei. Bei der Bemessung seien das Geständnis, die vom Soldaten als Umstände der Tatbegehung angeführten Aspekte und die Nachbewährung nicht angemessen berücksichtigt worden.
III
22 Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Berufung ist begründet.
23 Das Rechtsmittel ist durch den Soldaten in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbotes (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.
24 1. Den Sachverhalt, der Gegenstand der Urteilsfindung ist, bestimmt die Anschuldigungsschrift vom 13. September 2011 auch hinsichtlich des Schuldvorwurfes mit der im Interesse einer effektiven Verteidigung gegen den Vorwurf gebotenen Klarheit (vgl. zu den Anforderungen: Beschluss vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 WD 4.08 - BVerwGE 133, 129 <131 ff> = Buchholz 450.2 § 99 WDO 2002 Nr. 2 S. 2 ff.). Hiernach sind hinsichtlich beider Anschuldigungspunkte insbesondere sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit von den Vorwürfen erfasst.
25 2. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Berufungshauptverhandlung folgender Sachverhalt fest:
26
a) aa) Der Soldat hat am 15. Mai 2009 in der ...kaserne in St. zehn Handgranatenübungsladungen und einen Anzünder für Leuchtkörper-Boden an sich genommen, in seinen privaten PKW gelegt und dort bis zum 18. Mai 2010 mit sich geführt.
Dies entspricht nicht nur seiner Einlassung in der Berufungshauptverhandlung. Der Zeuge Polizeioberkommissar Sch. hat dem Senat detailreich und plastisch und daher auch glaubhaft die Auffindung der fraglichen Gegenstände im PKW des Soldaten anlässlich einer Kontrolle an der Bundesautobahn 5 geschildert und damit die Darstellung des Soldaten in einem wesentlichen Punkt bestätigt.
27 Nach dem in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Gutachten des Hessischen Landeskriminalamtes vom 12. August 2010 handelt es sich bei den zehn Handgranatenübungsladungen um pyrotechnische Gegenstände ohne Zulassung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, die ausschließlich für militärische Zwecke zu verwenden seien. Der Anzünder enthalte hiernach dagegen keine Explosivstoffe.
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Ziffer 407 der ZDv 3/12 hat folgenden Wortlaut:
„Leitende sind für den ordnungsgemäßen Ablauf des Schießens und für das Einhalten der Sicherheitsbestimmungen auf dem Schießstand verantwortlich. Der Aufenthaltsort ist so zu wählen, dass das Schießen übersehen und das Leitungs- und Sicherheitspersonal überwacht werden kann.
Leitende müssen mindestens im Dienstgrad eines Unteroffiziers mit Portepee sein. Im Geschäftsbereich des BWB und bei der Absicherung BMVg/ dem Absicherungsdienst BMVg können entsprechend vergleichbare, befähigte Beamtinnen oder Beamte und Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer als Leitende eingesetzt werden.
Vor Beginn des Schießens müssen sie
- alle am Schießen Beteiligten in die Örtlichkeiten, die besonderen Nutzungsbestimmungen und in den Ablauf sowie die Schießübung einweisen;
- das Leitungs- , Funktions-, Sicherheits-, Sanitätspersonal und die vorgesehene Ablösung in seine Aufgaben einweisen und belehren;
- die Belehrung hat folgenden Wortlaut:
‚Ein schuldhafter Verstoß gegen die Vorschriften und Befehle, insbesondere auch falsches Anzeigen, Ansagen oder Eintragen in die Schießunterlagen sowie das Aneignen von Munition und Munitionsteilen kann - bei Eintritt einer schwer wiegenden Folge - als Ungehorsam oder als unwahre dienstliche Meldung, das Fälschen der Schießkladde (oder Schießliste) als Urkundenfälschung mit Freiheitsstrafe geahndet werden;‘
- den Aufbau für das Schießen überprüfen und die Wartelinie festlegen;
- den Zustand der Schießanlage, der Waffen, des Gerätes und der Munition prüfen und Mängel abstellen lassen;
- die Übernahme der Munition nach Anzahl, Art und Sorte gemäß Anforderung und Zuweisung an den Munitionsausgeber bzw. die Munitionsausgeberin überwachen;
- sich die Sicherheit der Waffen melden lassen und die Schießenden nach Munition oder Munitionsteilen befragen;
- befehlen, den Gehörschutz zu tragen (Nr. 1505), über das richtige Tragen des Gehörschutzes belehren und es praktisch vorführen lassen sowie die Aufsichten beim Schützen und die Aufsichtsführenden in der Anzeigerdeckung auf ihre Pflichten zur Kontrolle des richtigen Sitzes des Gehörschutzes der Schießenden vor der Schussabgabe hinweisen;
- die zusätzlichen Maßnahmen für das Schießen bei Nacht anordnen und überwachen; in der Schießkladde die Anzahl der Patronen und die Belehrung des Personals zu bescheinigen;
- den Beginn des Schießens erst dann befehlen, wenn der Führer bzw. die Führerin in der Anzeigerdeckung die Sicherheit gemeldet und das eingeteilte Personal seine Tätigkeit aufgenommen hat;
Während des Schießens haben sie
- die Tätigkeiten des eingeteilten Personals zu überwachen;
- das Beziehen und Räumen der Stellungen und die Feuereröffnung zu befehlen;
- die Trefferaufnahme zu veranlassen,
- rechtzeitig das Leitungs-, Funktions- und Sicherheitspersonal ablösen zu lassen sowie entsprechende Eintragungen in der Schießkladde zu bescheinigen (das Schießen einer Schulschießübung durch das Leitungs- und Sicherheitspersonal erfordert keine Ablösung im Sinne dieser Dienstvorschrift; verlässt das im Anfangsstempel namentlich erfasste Personal den Schießstand, ist dies als Ablösung in der Schießkladde zu vermerken) und
- Unterbrechungen und das Ende des Schießens zu befehlen.
Hinweis für Leitende
Wurde bei einer Schulschießübung kein Treffer erzielt oder die Bedingung nicht erfüllt, entscheidet der bzw. die Leitende, ob die Übung wiederholt wird.
Ziel einer jeden Schulschießübung ist es, dass möglichst alle Schützen die Bedingungen erfüllen.
Nach dem Schießen hat der bzw. die Leitende
- sich die Sicherheit der beim Schießen verwendeten Waffen melden zu lassen,
- alle Schießenden nach Munition oder Munitionsteilen zu befragen,
- die Eintragungen in der Schießkladde und die Munitionsabrechnung zu prüfen,
- die Eintragungen in der Schießkladde abzuschließen,
- sich zu überzeugen, dass der Schießstand aufgeräumt und sauber ist und
- diesen dem Schießstandwart zu übergeben.“
29 bb) Der Soldat wusste entsprechend seiner eigenen Bekundungen in der Berufungshauptverhandlung, dass es sich um Munitionsbestandteile handelte, die er nicht in einem privaten PKW befördern und aus dem militärischen Bereich verbringen durfte, als er diese in seinen PKW legte, um sie in den Packmittelschuppen zu verbringen .
30 Der Senat glaubt dem Soldaten seine Einlassung, nach der er das Vorhandensein der fraglichen Gegenstände in seinem PKW vergessen hatte, nachdem er den Packmittelschuppen passiert und den militärischen Bereich verlassen hatte. Ihm ist auch nicht zu widerlegen, dass er nach diesem Zeitpunkt nicht wieder an die Handgranatenübungsladungen und den Zünder dachte, bis sie bei der Polizeikontrolle entdeckt wurden. Dem steht auch das zum Teil widersprüchliche Aussageverhalten des Soldaten nicht entgegen, der bei seiner ersten Vernehmung noch angegeben hatte, die Gegenstände am Tage vor der Polizeikontrolle noch gesehen und ihre Rückführung in eine vorschriftsmäßige Aufbewahrung geplant zu haben. Soweit er dies in der Berufungshauptverhandlung in Abrede gestellt und mit der Absicht erklärt hat, sich damit geschützt haben zu wollen, ist dies plausibel.
31 Dass der Soldat nach dem Verlassen der ...kaserne in St. und dem Passieren des Packmittelschuppens die fraglichen Munitionsbestandteile beim Zurückklappen des Vordersitzes mehrfach gesehen hat, wie das Truppendienstgericht annahm, lässt sich nicht mit hinreichender Überzeugungsgewissheit feststellen. Denn es ist nicht nachweisbar, dass der Soldat, der dies auch in der Berufungshauptverhandlung bestritten hat, in der fraglichen Zeit den Vordersitz nach vorn geklappt und den Raum hinter und unter dem Fahrersitz in Augenschein genommen hat. Zudem handelte es sich um kleine Gegenstände, die nicht auf den ersten Blick ins Auge fallen. Der Zeuge Polizeioberkommissar Sch. hat zudem bestätigte, dass sich der Innenraum des Wagens nicht in „top-gepflegtem Zustand“ befunden habe. Da es mithin möglich ist, dass der Soldat die Munitionsbestandteile in dem von der Anschuldigung erfassten Zeitraum nicht gesehen hat, legt der Senat nach dem Zweifelsgrundsatz seiner Würdigung die Einlassung des Soldaten zugrunde.
32 Gleichwohl geht der Senat davon aus, dass der Soldat das Vorhandensein von unter das Sprengstoffgesetz fallenden Gegenständen in seinem PKW hätte wissen können und müssen. Wer unter das Sprengstoffgesetz fallende Gegenstände in seinen PKW legt, schafft damit eine abstrakt gefährliche Situation, die ihn verpflichtet, die Sorge für ihre ordnungsgemäße Verbringung und Aufbewahrung nicht aus den Augen zu verlieren.
33 b) Entsprechend der geständigen Einlassung des Soldaten hat dieser am 17. Januar 2010 gegen 18.00 Uhr außerhalb dienstlicher Anlagen und Unterkünfte mit seinem Wissen und Wollen einen Marihuanajoint konsumiert. Diese Einlassung wird bestätigt durch das Ergebnis des in der Berufungshauptverhandlung mit Einverständnis der Beteiligten verlesenen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Klinikums der ... - Universität in F. vom 4. Februar 2010. Hiernach erbrachte die Untersuchung seiner freiwillig abgegebenen Blutprobe eine positive Reaktion auf Cannabinoide. Rauschwirksame Bestandteile waren nicht mehr nachweisbar und die Konzentration des rauschunwirksamen Stoffwechselproduktes THC-Carbonsäure lag in einem niedrigen Bereich, was für eine längerfristig zurückliegende und nicht mehr aktuelle Aufnahme spricht. Die Fahrtüchtigkeit des Soldaten war im engeren zeitlichen Zusammenhang mit der Probeentnahme nicht beeinträchtigt.
34 Der Soldat war am 12. November 1999 - wie er in der Berufungshauptverhandlung auf Vorhalt eingeräumt hat - gemäß ZDv 10/5 „Leben in der militärischen Gemeinschaft“ Nr. 404 Abs. 4 über den Missbrauch von Betäubungsmitteln belehrt worden.
35
Die Nr. 404 der ZDv 10/5 hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
„Der Missbrauch von Betäubungsmitteln stellt eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit dar und kann die psychische und physische Einsatzbereitschaft der betroffenen Soldatinnen und Soldaten beeinträchtigen.
Bereits der erstmalige und geringfügige Konsum ‚weicher‘ Drogen wie Haschisch oder Marihuana kann nicht vorhersehbare Wirkungen haben. Selbst nach einem symptomfreien Intervall von mehreren Tagen kann es zu einem Wiederaufflammen des Rausches kommen. In diesem Zustand sind unkontrollierte Reaktionen nicht auszuschließen.
Auch aufputschende und scheinbar leistungsfördernde Drogen wie z.B. Ecstasy bergen ein erhebliches Gefährdungspotential für die Gesundheit und können zu gravierenden Persönlichkeitsveränderungen führen.
Daher ist der unbefugte Besitz und/oder Konsum von Betäubungsmitteln für Soldaten im und außer Dienst verboten. (...).“
36 3. Damit hat der Soldat zum Teil vorsätzlich, zum Teil fahrlässig ein Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 SG begangen.
37
a) Die Aufbewahrung der Handgranatenübungsladungen im privaten PKW des Soldaten verletzt § 7 SG unter dem Teilaspekt der Loyalität zur Rechtsordnung, weil hierdurch eine Straftat nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 27 Abs. 1 SprengG begangen ist. Das Behördengutachten des Hessischen Landeskriminalamtes bewertet die Handgranatenübungsladungen mit überzeugender Begründung als „pyrotechnische Gegenstände“. Hierbei handelt es sich nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 SprengG um Gegenstände, die Vergnügungs- oder technischen Zwecken dienen und in denen explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische enthalten sind, die dazu bestimmt sind, unter Ausnutzung der in diesen enthaltenen Energie Licht-, Schall-, Rauch-, Nebel-, Heiz-, Druck- oder Bewegungswirkungen zu erzeugen. Die hiernach enthaltenen explosionsgefährlichen Stoffe sind damit unter § 40 Abs. 1 SprengG zu subsumieren. Dass der Soldat die damit gemäß § 27 SprengG erforderliche Genehmigung für den Umgang gehabt haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dass er mit entsprechenden Stoffen dienstlich umgehen darf, erlaubt ihm ihre Verbringung in den außerdienstlichen Bereich nicht.
Im Hinblick auf die Zünder für Leuchtkörper ist die Pflicht zum treuen Dienen deshalb verletzt, weil sie auch den sorgfältigen Umgang mit Munitionsbestandteilen und eine Pflicht, alles zu unterlassen, was zu einer Gefährdung der Öffentlichkeit durch diese Gegenstände führen kann, einschließt. Die Verbringung von Zündern in einen außerdienstlichen Bereich begründet, schon wegen der Gefahr eines Missbrauches zu kriminellen Zwecken, sollten die Gegenstände aus dem privaten PKW des Soldaten entwendet werden, eine solche Gefährdung.
38 Damit ist zugleich § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verletzt. Denn ein Verstoß eines Munitionsfeldwebels gegen das Sprengstoffgesetz oder gegen die Sorgfaltspflichten im Umgang mit Munitionsbestandteilen weckt Zweifel an seiner dienstlichen Zuverlässigkeit und ist deshalb auch geeignet, seine Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit zu mindern.
39 Vom Vorwurf des Ungehorsams gegenüber einem Befehl (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 SG) ist der Soldat aber freizustellen. Hinreichend konkret angeschuldigt ist allein der Ungehorsam gegenüber einem Befehl aus der Ziffer 407 der ZDv 3/12. Es kann dahinstehen, ob diese überhaupt einen Befehl enthält, denn sie richtet sich an Leitende eines Schießens und verlangt die Belehrung über das Verbot, Munitionsbestandteile an sich zu nehmen. Damit mag sie eine Pflicht, Munitionsbestandteile nicht an sich zu nehmen, voraussetzen, begründet sie aber nicht. Zudem hat der Soldat hier auch nicht als Leitender eines Schießens versagt.
40 Diese Pflichten wurden im militärischen Bereich zunächst vorsätzlich, dann aber, wie ausgeführt, fahrlässig verletzt.
41 b) Der Konsum eines Cannabisproduktes verletzt vorsätzlich § 7 SG unter dem Teilaspekt der Loyalität zur Rechtsordnung. Cannabisprodukte stellen Betäubungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 BTMG und der Anlage III hierzu dar, so dass der Konsum eines „joints“ den Tatbestand des § 29 Abs.1 Nr. 1 („sich in sonstiger Weise verschafft“) und 3 („besitzt“) BTMG erfüllt. Dass hier nur eine geringe Menge des Betäubungsmittels in Rede steht, führt zwar dazu, dass das Strafgericht von einer Bestrafung nach § 29 Abs. 5 BTMG absehen kann. Das Absehen von Kriminalstrafe bedeutet aber nicht, dass die Tat in Einklang mit der Rechtsordnung steht.
42 Unabhängig von der Frage nach konkreten gesundheitlichen Auswirkungen stellt bereits der einmalige Genuss eines Cannabisproduktes eine Verletzung der Kernpflicht zum treuen Dienen dar (Urteile vom 13. Dezember 1990 - 2 WD 25.90 - BVerwGE 93, 3 <6> und vom 10. August 1994 - BVerwG 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148 <152> m.w.N. sowie vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 WD 34.10 juris Rn. 92). Denn die Einsatzbereitschaft des Soldaten wird auf jeden Fall in Frage gestellt, und zwar nicht nur während der Wirkung des einzelnen Rausches, da ein Soldat auch außerhalb der Dienststunden jederzeit mit seinem Einsatz rechnen muss, sondern auch deshalb, weil der Konsum der Cannabis-Droge wegen seiner nicht vorhersehbaren und damit nicht berechenbaren Auswirkungen anders und schwerer zu bewerten ist als beispielsweise ein Rausch, der auf den übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen ist.
43 Jeder Verstoß eines Soldaten gegen eine gesetzliche Dienstpflicht, die dem § 17 SG vorangestellt ist, enthält (zugleich) einen - ebenfalls vorsätzlichen - Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 2 SG, wenn dem festgestellten Verhalten unabhängig von den anderen Pflichtenverstößen die Eignung zur Ansehensminderung innewohnt. Die Achtungs- und die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten können durch sein Verhalten schon dann Schaden nehmen, wenn dieses Zweifel an seiner Zuverlässigkeit weckt oder seine Eignung für die jeweilige Verwendung in Frage stellt. Für die Feststellung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift kommt es nicht darauf an, ob eine Ansehensschädigung im konkreten Fall tatsächlich eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass das Verhalten des Soldaten geeignet war, eine ansehensschädigende Wirkung auszulösen (vgl. Urteil vom 10. August 1994 - BVerwG 2 WD 24.94 - BVerwGE 103, 148 <150>). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt (vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 1990 - BVerwG 2 WD 25.90 - BVerwGE 93, 3 <7>).
44 4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten („Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der Bundeswehr“, vgl. dazu Urteil vom 11. Juni 2008 - BVerwG 2 WD 11.07 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.N.). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des früheren Soldaten zu berücksichtigen.
45 aa) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen insgesamt nicht leicht.
46 Gewicht verleiht dem Dienstvergehen vor allem die Verletzung der Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG). Sie gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung. Der besondere Unrechtsgehalt des Dienstvergehens ergibt sich auch daraus, dass der Soldat gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, vor allem der Beachtung der Strafgesetze, verstoßen und kriminelles Unrecht begangen hat. Dieses Versagen betrifft den Kernbereich seiner Aufgaben. Für den Umgang mit gefährlichen Stoffen wird ein Munitionsfeldwebel besonders geschult. Es steht hier mithin ein Versagen eines besonders sachkundigen Soldaten in einer seiner zentralen Pflichten in Rede. Gerade im Bereich des sorgfältigen Umganges mit explosionsgefährlichen Stoffen droht die Gefahr von Unfällen mit gravierenden Folgen. Hier muss sich der Dienstherr daher in besonderer Weise auf die Zuverlässigkeit der Bediensteten verlassen können. Diesem Vertrauen wird nicht gerecht, wer Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz begeht und Betäubungsmittel konsumiert.
47 Aber auch die Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes (§ 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG) wiegt nicht leicht. Die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der reibungslose Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (stRspr. z.B. Urteile vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - juris Rn. 27 m.w.N. und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29). Dies war hier der Fall.
48 Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden hier des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (vgl. Urteile vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 WD 7.08 - m.w.N., vom 13. Januar 2011 - BVerwG 2 WD 20.09 - Rn. 28 und vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - Rn. 30).
49 Bestimmend für Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sind schließlich auch die weiteren Tatumstände: Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass es sich bei der Pflichtverletzung nach dem Anschuldigungspunkt 1 um ein sich über ein halbes Jahr hinziehendes Dauerdelikt handelt, das ein erhebliches Maß an Sorglosigkeit im Umgang mit den Dienstpflichten offenbart. Zum anderen ist aber auch einzustellen, dass dieses Fehlverhalten Übungshandgranatenladungen betraf, die die Öffentlichkeit weit geringer gefährden, als dies bei echter Munition der Fall gewesen wäre.
50 bb) Das Dienstvergehen hatte keine nachteiligen Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, da der Soldat nicht umgesetzt oder versetzt worden ist. Sein Fehlverhalten ist im Kameradenkreis auch nicht bekannt geworden.
51 Jedoch hatte das Versagen des Soldaten im Umgang mit Munitionsbestandteilen eine sich über einen langen Zeitraum erstreckende abstrakte Gefährdung der Öffentlichkeit zur Folge. Da die Detonation einer Übungshandgranate nur den Knall einer echten Handgranate simulieren soll, wären die möglichen Schäden für Leib und Leben von Menschen und für Sachen von bedeutendem Wert zwar erheblich geringer als im Falle der Detonation einer echten Handgranate. Jedoch hätte durch eine versehentliche Detonation der Übungsladungen im PKW des Soldaten ein Verkehrsunfall mit gravierenden Folgen für ihn, etwaige Mitfahrer und andere Verkehrsteilnehmer ausgelöst werden können. Wären die fraglichen Munitionsbestandteile durch einen Aufbruch oder Diebstahl des PKW in die Hände von Kriminellen geraten, hätten sie zudem für Straftaten missbraucht werden können.
52 cc) Die Beweggründe des Soldaten sprechen gegen ihn. Er hat seine Sorgfaltspflichten im Umgang mit Munitionsbestandteilen aus Bequemlichkeit vernachlässigt. Der Versuch, private Probleme mittels Drogenkonsums zu verdrängen, offenbart zudem eine nicht altersangemessene Unreife.
53 dd) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er für den größten Teil des hier in Rede stehenden Zeitraumes fahrlässig und nur zum Teil auch vorsätzlich gehandelt hat.
54 Es kann dahin stehen, ob die Blutalkoholkonzentration des Soldaten infolge des Bierkonsums vor dem Konsum des Marihuanajoints eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit entsprechend § 21 StGB indiziert. Ist ein Soldat für Art und Umfang seines Alkoholkonsum selbst verantwortlich, führt eine dadurch verminderte Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit nicht zu einer Milderung der Disziplinarmaßnahme (stRspr, vgl. Urteile vom 28. Oktober 2003 - BVerwG 2 WD 10.03 - DokBer 2004, 193 = Blutalkohol 2005, 179, vom 24. November 2005 - BVerwG 2 WD 32.04 - NZWehrr 2006, 127, vom 2. April 2008 - BVerwG 2 WD 13.07 - Rn. 36 f. und vom 7. Februar 2013 -BVerwG 2 WD 36.12 - Rn. 46). Es gibt hier keinen Hinweis darauf, dass der Soldat für Art und Umfang seines Alkoholkonsums vor der Tat nicht selbst verantwortlich gewesen wäre.
55
Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten, liegen nicht vor:
Sie wären nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w. N.) nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet war, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht vorausgesetzt werden konnte. Dazu hat der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung verschiedene - nicht abschließende - Fallgruppen entwickelt, z.B. ein Handeln unter schockartig ausgelöstem psychischen Zwang oder unter Umständen, die es als unbedachte, im Grunde persönlichkeitsfremde Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten erscheinen lassen, sowie ein Handeln in einer körperlichen oder seelischen Ausnahmesituation.
Eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat liegt hinsichtlich des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz nicht vor, weil es sich um ein Dauerdelikt handelt. Schon nach der Darstellung des Soldaten war auch der Betäubungsmittelkonsum als mehraktiges Geschehen keine spontane Kurzschlussreaktion. Eine seelische Ausnahmesituation begründete die Belastung durch die Ehekrise und die Scheidung nicht.
56
ee) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien „Persönlichkeit“ und „bisherige Führung“ sprechen die konstant guten Leistungen des Soldaten für ihn. Mangels einer Leistungssteigerung geht der Senat aber nicht von einer zusätzlichen Nachbewährung aus.
Für den Soldaten sprechen aber auch sein Geständnis und die damit zum Ausdruck gebrachte Unrechtseinsicht.
Angesichts der in den Beurteilungen und den Bekundungen des Leumundszeugen herausgestellten sonstigen Zuverlässigkeit des Soldaten bei der Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten als Munitionsfeldwebel hält der Senat dem Soldaten zugute, dass die Taten ihm persönlichkeitsfremd waren.
Für ihn spricht auch die fehlende disziplinäre und strafrechtliche Vorbelastung, auch wenn diesem Umstand kein großes Gewicht zukommt, da der Soldat hiermit nur die Mindesterwartungen seines Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt, aber keine Leistung erbringt, die ihn aus dem Kreis der Kameraden heraushebt.
57 ff) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts die Verhängung eines längeren Beförderungsverbotes erforderlich und angemessen.
58 Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:
59 aaa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“. Für beide Pflichtverletzungen ist dies hier ein Beförderungsverbot.
60 Bei einer fahrlässigen Verletzung von Sorgfaltspflichten im Umgang mit Munition ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ein Beförderungsverbot (vgl. Urteile vom 6. Juni 1991 - BVerwG 2 WD 27.90 - BVerwGE 93, 100 ff. und vom 9. Februar 1993 - BVerwG 2 WD 24.92 - BVerwGE 93, 352). Es kann hier dahinstehen, ob für vorsätzliche Verletzungen solcher Pflichten durch einen Munitionsfeldwebel eine strengere Sanktion geboten wäre. Denn hier überwiegt der Zeitraum, in dem der Soldat nur fahrlässig versagt hat, so deutlich, dass das zum Teil vorsätzliche Versagen ganz untergeordnete Bedeutung hat.
61 Für Fälle des strafbaren Erwerbs, Besitzes, Konsums sowie der strafbaren Weitergabe von Betäubungsmitteln im oder außer Dienst ist bei aktiven Soldaten Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine Dienstgradherabsetzung (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2010 - BVerwG 2 WD 44.09 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 31 Rn. 43 m.w.N. und zuletzt Urteil vom 28. Juni 2012 - BVerwG 2 WD 34.10 - Rn. 108). Ein schwerer Fall, insbesondere in der Form des Dauerkonsums, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln oder der Verstrickung von Kameraden in das Vergehen, liegt hier nicht vor.
62 bbb) Auf der zweiten Stufe ist dann zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.
63 Hiernach erreichen die gegen den Soldaten sprechenden und noch nicht für die Begründung des Ausgangspunktes der Zumessungserwägungen herangezogenen Zumessungskriterien - seine Vorgesetztenstellung, das auch hinsichtlich des Versagens im Umgang mit Munition zum Teil vorsätzliche Handeln, die Dauer der Gefährdung der Öffentlichkeit durch den Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz - noch kein Gewicht, das eine schärfere Sanktion verlangen würde. Sie schließen aber auch aus, wegen der für den Soldaten sprechenden Aspekte - insbesondere wegen seines Leistungsbildes, der Unrechtseinsicht und der Persönlichkeitsfremdheit der Tat - zu einer milderen Sanktionsart überzugehen. Insgesamt ist ein Beförderungsverbot im oberen Bereich, aber noch deutlich unterhalb der gesetzlichen Höchstgrenze angemessen und ausreichend.
64 Da die Dauer des Beförderungsverbotes über die Restdienstzeit des Soldaten hinausreicht, kommt nach § 58 Abs. 4 Satz 2 WDO die Verbindung mit einer Bezügekürzung in Betracht. Der Senat hat hiervon abgesehen, weil dem Soldaten wegen des laufenden Verfahrens bereits eine Beförderung zum Hauptfeldwebel entgangen ist. Diese wäre nach der Auskunft der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 20. Juli 2011 nach der „Beförderungsliste gemäß Punktestand“ zum Mai 2011 möglich gewesen und sie wäre nach der Bekundung des Leumundszeugen im Hinblick auf den Leistungsstand des Soldaten auch erfolgt, wenn es nicht zu dem Disziplinarverfahren gekommen wäre. Die unterbliebene Beförderung stellt eine auch wirtschaftlich bedeutsame Konkretisierung der pflichtenmahnenden Wirkung des Verfahrens als solchen dar, die es erlaubt, von einer zusätzlichen Bezügekürzung hier abzusehen.
65 5. Da das auf eine Milderung der Maßnahme gerichtete Rechtsmittel des Soldaten in vollem Umfang Erfolg hatte, sind die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 139 Abs. 1 Satz 1 WDO dem Bund aufzuerlegen. Die Kosten des ersten Rechtszuges trägt der Soldat dagegen gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 WDO in voller Höhe, weil keine Billigkeitsgründe für eine Entlastung hiervon sprechen. Es entspricht aber gemäß § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO der Billigkeit, den Soldaten von den ihm im erfolgreich betriebenen Berufungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu entlasten.