Beschluss vom 07.03.2003 -
BVerwG 6 B 16.03ECLI:DE:BVerwG:2003:070303B6B16.03.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 07.03.2003 - 6 B 16.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:070303B6B16.03.0]
Beschluss
BVerwG 6 B 16.03
- VGH Baden-Württemberg - 08.10.2002 - AZ: VGH 9 S 530/01
In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. B a r d e n h e w e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. H a h n und Dr. G r a u l i c h
beschlossen:
- Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 8. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 32 840 € festgesetzt.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann. Wird wie hier die Nichtzulassung der Revision mit der Beschwerde angefochten, muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung dargelegt oder die Entscheidung, von der das Berufungsurteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Prüfung des beschließenden Senats ist demgemäß auf fristgerecht geltend gemachte Beschwerdegründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO beschränkt.
Der von der Beschwerde allein geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Bewilligung von Ruhegeld und macht geltend, (dauernd) berufsunfähig im Sinne der als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Satzung der Beklagten zu sein. Sie leidet vor allem an dem sog. "Ehlers-Danlos-Syndrom" sowie einem "Myoadenylat-Desaminase-Mangel". Die Beklagte hat ärztliche Gutachten eines Neurologen und eines Orthopäden angefordert, das Verwaltungsgericht hat Gutachten aus neurologischer, psychiatrischer und orthopädischer Sicht eingeholt und sodann die Klage abgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat die Klägerin "Hilfsbeweisanträge" gestellt, die auf eine "zusammenfassende Begutachtung der im Verwaltungs- und Verwaltungsprozessverfahren eingeholten Gutachten" sowie eine "Gesamtbeurteilung aller bei ihr vorhandenen Erkrankungen" durch Einholung von Sachverständigengutachten zielten. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, die Klägerin sei nicht berufsunfähig im Sinne der Satzung. Er hat sich auf die im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten bezogen und ausgeführt, ihrer Aussagekraft stehe nicht entgegen, dass die Gutachter (nur) für ihr jeweiliges Fachgebiet Stellung genommen hätten. Denn sie hätten bei ihrer fachlichen Beurteilung "das gesamte von ihr (der Klägerin) sehr ausführlich geschilderte ... Krankheitsbild gewürdigt". Den Hilfsbeweisanträgen sei nicht zu entsprechen gewesen, "da die vorliegenden Gutachten die entscheidungserheblichen Fragen beantworten".
Die Klägerin rügt mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, dass das angefochtene Urteil das Gebot des rechtlichen Gehörs verletze (Art. 103 Abs. 1 GG), da es den Hilfsbeweisanträgen ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei, und die von Amts wegen gebotene Aufklärung unterlassen habe (§ 86 Abs. 1 VwGO).
Die gerügten Verfahrensverstöße liegen nicht vor.
Die Ablehnung einer beantragten Beweiserhebung verletzt nämlich den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nur dann, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfGE 50, 32 <36>). Das ist nicht der Fall. Die im Urteil erfolgte Ablehnung der "Hilfsbeweisanträge" ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hatte keinen Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO gestellt, der nur durch einen zu begründenden Gerichtsbeschluss hätte abgelehnt werden können. Nur unbedingt gestellte Beweisanträge fallen in den Anwendungsbereich des § 86 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 26. Juni 1968 - BVerwG 5 C 111.67 - BVerwGE 30, 57 <58>; Beschluss vom 24. September 1997 - BVerwG 3 B 116.97 -). Der Verwaltungsgerichtshof hat das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Das ergibt sich daraus, dass er in den Entscheidungsgründen auf die Frage eingegangen ist, ob ein zusammenfassendes Gutachten oder eine Gesamtbeurteilung einzuholen ist (UA S. 12). Seine Ausführungen lassen den Grund erkennen, aus dem er den Anträgen der Klägerin nicht gefolgt ist.
Auch der von der Klägerin zur weiteren Rechtfertigung ihrer Gehörsrüge erhobene Vorwurf unzureichender Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist unberechtigt. Die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens steht gemäß § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Gerichts (z.B. Urteil vom 23. Mai 1989 - BVerwG 7 C 2.87 - BVerwGE 82, 77 <90>). Besondere Umstände, die das Ermessen des Verwaltungsgerichtshofs hätten einschränken können (vgl. dazu Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <41, 45>), lagen nicht vor. Zur Überzeugung des Berufungsgerichts wiesen die bereits erstatteten Gutachten keine Mängel auf und würdigten das "gesamte ... Krankheitsbild". Unter diesen Umständen brauchte das Berufungsgericht den "Hilfsbeweisanträgen" nicht nachzugehen. Wenn das Gericht, wie hier, von der Richtigkeit der in vorliegenden Gutachten verwerteten Tatsachen und den Schlussfolgerungen der Gutachter überzeugt ist, braucht es grundsätzlich keine weiteren Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Annahme des Berufungsgerichts, dass es nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedurfte, erweist sich darüber hinaus auch als sachlich zutreffend. Durch die vom Verwaltungsgericht eingeholten drei Gutachten vom 5. April 2000, 12. Juli 2000 und 13. Oktober 2000 ist der entscheidungserhebliche Sachverhalt erschöpfend aufgeklärt worden. Die Gutachter der neurologischen Klinik des Rehabilitationskrankenhauses Ulm haben sich in ihrem Gutachten vom 5. April 2000 vornehmlich mit den Auswirkungen des bei der Klägerin diagnostizierten "Myoadenylat-Desaminase-Mangels" befasst und konnten dabei eine schwere Form einer metabolischen Muskelerkrankung nicht feststellen. Dementsprechend haben sie aus neurologischer Sicht eine Berufsunfähigkeit der Klägerin verneint. Sie haben jedoch mit Blick auf das bei der Klägerin zusätzlich diagnostizierte "Ehlers-Danlos-Syndrom" und zur weiteren Abklärung der von der Klägerin angegebenen Beschwerden die Einholung eines ergänzenden fachorthopädischen Gutachtens für notwendig gehalten. Der Orthopäde Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 13. Oktober 2000 ausgeführt, dass das Krankheitsbild "Ehlers-Danlos-Syndrom" zwar schwerwiegende Folgen haben könne, dass solche Folgen bei der Klägerin aber nicht eingetreten seien. Die bei der Klägerin auf orthopädischem Gebiet bestehenden krankhaften Veränderungen seien geringfügig. Prof. Dr. W. hat zudem die Ergebnisse des neurologischen Gutachtens vom 5. April 2000 in seine Beurteilung einbezogen und sie durch seine eigenen Untersuchungen bestätigt gefunden. Ferner hat er auf das psychiatrische Gutachten der Universitätsklinik Freiburg vom 12. Juli 2000 Bezug genommen, nach dem sich bei der Klägerin auf psychosomatisch-psychiatrischem Gebiet keine Auffälligkeiten ergeben hatten. Zusammenfassend ist er ohne weitere Einschränkungen zu dem Ergebnis gelangt, die Klägerin sei weiterhin zur Ausübung des Arztberufs imstande, sofern sie dabei keine Tätigkeiten verrichten müsse, die mit besonderen körperlichen Belastungen verbunden seien. Die von der Klägerin vermisste zusammenfassende Beurteilung aller bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen findet sich mithin in dem Gutachten Prof. Dr. W. vom 13. Oktober 2000. Dass dieser Gutachter für eine solche Beurteilung nicht ausreichend kompetent gewesen sei, wird von der Klägerin nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2 GKG.