Beschluss vom 06.02.2025 -
BVerwG 20 F 11.23ECLI:DE:BVerwG:2025:060225B20F11.23.0

Geheimhaltung im Interesse des Bundes

Leitsatz:

Verfügungsbeschränkungen über Akteninhalte, die aus der Third Party Rule als allgemein anerkannter Verhaltensregel der internationalen nachrichtendienstlichen Kooperation folgen, können einen Geheimhaltungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO (Wohl des Bundes oder eines Landes) bilden.

  • Rechtsquellen
    VwGO § 99 Abs. 1 Satz 3
    BArchG § 6 Abs. 1 Satz 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 06.02.2025 - 20 F 11.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:060225B20F11.23.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 11.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 6. Februar 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und Dr. Scheffczyk
beschlossen:

Der Antrag der Klägerin wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Die Klägerin ist Journalistin und Historikerin. Sie begehrt in dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Rechtsstreit auf der Grundlage des Bundesarchivgesetzes Einsicht in Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes - unter anderem - zum Pariser Abrüstungsgipfel, zur Festnahme des Naziverbrechers ... in Argentinien und zu US-amerikanischen Atomversuchen in Argentinien, jeweils im Jahre 1960. Die unter dem 19. November 2020 erhobene Klage zum Bundesverwaltungsgericht wurde im Sachantrag mehrfach - zuletzt mit Schriftsatz vom 26. September 2022 - an übereinstimmende teilweise Erledigungserklärungen angepasst.

2 Mit Beschluss vom 28. April 2023 hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts der Beklagten aufgegeben, bis zum 31. Mai 2023 im Einzelnen bezeichnete Blätter aus den beim Bundesnachrichtendienst unter den Signaturen 43131, 43132, 100470, 100471, 43137, 31881, 2000353, 1261, 1196, 1208 und 12107/9 erfassten Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen. Mit Beschluss vom 1. Juni 2023 wurde die Frist bis einen Monat nach Zugang dieses Beschlusses verlängert.

3 Mit undatiertem, am 3. Juli 2023 eingegangenem Schreiben hat der Beigeladene insgesamt fünf Blatt aus den Unterlagen der Signaturen 43132 und 1261 ungeschwärzt vorgelegt, die unbegründet eingeklagt worden seien, weil sie der Klägerin bereits zuvor offengelegt worden seien. Hinsichtlich aller anderen Unterlagen hat der Beigeladene eine Sperrerklärung abgegeben. Darin sind die Inhalte der in dem Beschluss vom 28. April 2023 bezeichneten Signaturen allgemein umschrieben und hinsichtlich der bezeichneten einzelnen Blätter - nach Gruppen zusammengefasst - verschiedene Geheimhaltungsgründe dargelegt.

4 Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2023 hat die Klägerin beantragt, gemäß § 99 Abs. 2 VwGO festzustellen, dass die Weigerung der Beklagten, auf die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. April und 1. Juni 2023 die darin bezeichneten Unterlagen vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, rechtswidrig ist.

5 Der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat die Akten des Ausgangsverfahrens unter dem 7. September 2023 dem Fachsenat übermittelt. Auf den Beschluss des Fachsenats vom 20. September 2023 hat der Bundesnachrichtendienst die streitgegenständlichen Unterlagen ungeschwärzt in Form von Kopien der Originale (streitgegenständliche Auszüge aus den angeforderten Signaturen mit zusätzlichen Erläuterungen/Anmerkungen) übersandt.

II

6 Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

7 1. Der Senat hat aus Gründen der Praktikabilität die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung ausnahmsweise auf der Grundlage der vorgelegten Kopien der Originalunterlagen überprüft und auf die - vom Bundesnachrichtendienst angebotene - Übersendung der umfangreichen originalen Mikrofilm-/Mikrofiches-Sätze bzw. Papieraktenkonvolute verzichtet. Bei der Überprüfung haben sich keine Anhaltspunkte für Manipulationen oder für die Besorgnis einer Verkürzung der gerichtlichen Kontrolle ergeben.

8 2. Die von dem Beigeladenen geltend gemachten Gründe für die Verweigerung der Aktenvorlage sind gegeben.

9 a) Dies gilt zunächst für die Geheimhaltung von personenbezogenen Daten noch lebender Personen (Nr. II. 2 der Sperrerklärung).

10 aa) Personenbezogene Daten sind im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig (vgl. zum gesamten Folgenden: BVerwG, Beschlüsse vom 22. November 2019 - 20 F 14.17 - juris Rn. 19 bis 22, vom 2. Dezember 2019 - 20 F 6.18 - juris Rn. 14 bis 16 und vom 5. August 20224 - 20 F 13.23 - juris Rn. 15, jeweils m. w. N.).

11 Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht. Dazu gehören auch Informationen über Verbindungen zu anderen namentlich oder mit Deck- bzw. Tarnnamen erwähnten Personen. Das grundrechtlich abgesicherte Interesse betroffener Dritter an einer Geheimhaltung erfasst allerdings zum einen regelmäßig nur die Daten als solche und nicht die gesamten Vorgänge, in denen sie erwähnt werden. Zum anderen greift der Schutz persönlicher Daten nur soweit, als diese Daten tatsächlich (noch) schutzwürdig sind. Daran fehlt es namentlich dann, wenn es sich um Personen der Zeitgeschichte handelt, die in den Unterlagen nur in ohnehin bereits bekannten Zusammenhängen angeführt werden, oder wenn es sich um persönliche Daten handelt, die in allgemein zugänglichen Quellen erwähnt worden sind und diese Quellen - wie etwa Zeitungsberichte oder sonstige Publikationen - in den Unterlagen lediglich wiedergegeben sind, ohne dass dadurch weiterführende Rückschlüsse ermöglicht werden. Ansonsten wird dem Schutz dieser Daten durch ihre Schwärzung hinreichend Rechnung getragen.

12 Der Schutz persönlicher Daten besteht grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten.

13 Der Schutz personenbezogener Daten begründet ferner grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund. Um solche Personen handelt es sich etwa bei den in der Sperrerklärung sogenannten "Nachrichtendienstlichen Verbindungen" (NDV). Ein Weigerungsgrund besteht unter dem Blickwinkel von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO zunächst solange, wie der geschützte Informant noch am Leben ist. Sind seine Lebensdaten nach der Beendigung der Zusammenarbeit und dem Verlust des Kontaktes nicht mehr zu ermitteln, wird vermutet, dass er noch lebt, bis 90 Jahre nach seiner Geburt vergangen sind.

14 bb) Die Überprüfung der insgesamt fünf Blätter aus zwei Signaturen, für die der Geheimhaltungsgrund des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO geltend gemacht wird, anhand der ungeschwärzten Unterlagen hat ergeben, dass die vorstehenden Voraussetzungen zum Schutz personenbezogener Daten vorliegen. Jeder geschwärzten Passage ist eine konkrete Erläuterung beigegeben, die den Geheimhaltungsgrund nachvollziehbar darlegt.

15 b) Soweit der Schutz von noch lebenden, insbesondere aber auch der Schutz von gesichert oder mutmaßlich bereits verstorbenen Informanten geltend gemacht wird (Nr. II. 3. a) der Sperrerklärung), liegt der Geheimhaltungsgrund drohender Nachteile für das Wohl des Bundes (§ 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO) vor.

16 aa) Das Wohl des Bundes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO kann die Geheimhaltung der Identität von Informanten (menschlichen Quellen, nachrichtendienstlichen Verbindungen) rechtfertigen, wenn deren Bekanntgabe die künftige effektive Erfüllung der Aufgaben einer Sicherheitsbehörde des Bundes erschweren würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2023 - 20 F 5.21 - juris Rn. 21 m. w. N.). Denn die Erhaltung der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Sicherheitsbehörden des Bundes sowie ihr Tätigwerden im Rahmen der ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben liegen im öffentlichen Interesse (vgl. zum gesamten Folgenden: BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 26 ff. und vom 22. November 2019 - 20 F 14.17 - juris Rn. 24 ff.).

17 Für die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste des Bundes ist die Vertraulichkeit und der Schutz ihrer Informanten von essentieller Bedeutung. Denn Behörden werden die Informationen, die für eine effektive Erfüllung ihrer Aufgaben unentbehrlich sind, von Dritten in der Regel nur erhalten, wenn sie dem Informanten Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten - zu Lebzeiten oder auch über den Tod hinaus - zusichern. Das Bekanntwerden quellenbezogener Informationen kann die Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Nachrichtendienste über den konkreten Einzelfall hinaus für die Zukunft generell beeinträchtigen. Insbesondere ist die Einhaltung von Vertraulichkeitszusagen als unverzichtbare Voraussetzung für die Anwerbung und Führung von Informanten von besonderer Bedeutung. Bereits der subjektive Eindruck, die Vertraulichkeit sei nicht gesichert, kann aktive Quellen von einer weiteren Zusammenarbeit abhalten und die Gewinnung weiterer Quellen erschweren. Neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, tritt daher das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben sicherzustellen.

18 Beim Informantenschutz ist dabei unter dem Aspekt des Schutzes der Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden nicht schematisch zwischen lebenden und verstorbenen Informanten zu differenzieren. Selbst dann, wenn weder die Enttarnung noch aktiver Informanten droht, noch der Erfolg eines konkret laufenden Vorganges durch die Offenlegung von Informantendaten gefährdet ist, lässt der Tod eines Informanten das Interesse an der Geheimhaltung von dessen persönlichen Daten aus Gründen des Staatswohls grundsätzlich nicht entfallen. Denn das Vertrauen aktiver Informanten in die allgemeine Verlässlichkeit von Vertraulichkeitszusagen kann auch dadurch erschüttert werden, dass unmittelbar nach dem Tode eines Informanten ohne Vorliegen besonderer Umstände dessen Identität preisgegeben wird.

19 Für verstorbene Informanten hat der Senat bei einer ausdrücklich oder stillschweigend über den Tod hinausgehenden Vertraulichkeitszusage eine (strukturierte) Einzelfallprüfung im Rahmen der Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO vorgesehen. Danach ist zunächst zu fragen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine vorzeitige Bekanntgabe des Namens der nachrichtendienstlichen Verbindung rechtfertigen. Dies ist etwa bei der Verstrickung in NS-Verbrechen oder Terroranschläge der Fall. Liegen keine besonderen Umstände vor, ist eine Freigabe der persönlichen Daten des Informanten erst 30 Jahre nach dessen Ableben oder mutmaßlichem Ableben gerechtfertigt. Sind 30 Jahre abgelaufen, ist eine weitere Geheimhaltung grundsätzlich nur zulässig, wenn dafür wiederum besondere Umstände vorliegen. Bei dieser strukturierten Einzelfallprüfung wird dem Allgemeininteresse der Nachrichtendienste an der Einhaltung postmortaler Vertraulichkeitszusagen durch die typische Geheimhaltungsfrist von 30 Jahren Rechnung getragen. Zugleich bleibt Flexibilität für vom Normalfall abweichende Einzelfälle in dem Sinne, dass der Zeitablauf ein bedeutsamer, aber nicht der allein ausschlaggebende Faktor ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 26 ff., vom 18. September 2019 - 20 F 4.18 - NVwZ 2020, 78 Rn. 19 ff. und vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 23 ff. sowie - diese Rechtsprechung bestätigend - BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 13. April 2021 - 3 GS 1.20 - BVerwGE 172, 159 Rn. 24, 27 ff.).

20 bb) Die Überprüfung der insgesamt 68 Blätter aus sieben Signaturen, die Schwärzungen aus Gründen des Quellenschutzes enthalten, anhand der ungeschwärzten Unterlagen hat ergeben, dass die vorstehenden Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO vorliegen. Jeder geschwärzten Passage ist eine Erläuterung beigegeben, die die konkreten Gründe für den Schutz der jeweiligen in- oder ausländischen nachrichtendienstlichen Verbindung plausibel darlegt.

21 c) Auch hinsichtlich der Blätter, für deren teilweise Schwärzung der Schutz nachrichtendienstlicher Methodik geltend gemacht wird (Nr. II. 3. b) der Sperrerklärung), ist der Geheimhaltungsgrund drohender Nachteile für das Wohl des Bundes (§ 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO) gegeben.

22 aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Januar 2020 - 20 F 13.17 - juris Rn. 42 f. und vom 22. März 2024 - 20 F 5.22 - juris Rn. 21, jeweils m. w. N.) kann die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden erschwert und damit dem Wohl des Bundes ein Nachteil bereitet werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen - vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau - Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen. Nachrichtendienstliche Belange in diesem Sinne können zum Schutz der nachrichtendienstlichen Arbeitsweise und Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes die Weigerung rechtfertigen, Akten vollständig, insbesondere ungeschwärzt, vorzulegen. Bei seit langem abgeschlossenen Vorgängen muss erkennbar sein, dass ihre vollständige Offenlegung auch heute noch Rückschlüsse auf die gegenwärtige Arbeitsweise oder die gegenwärtige Aufklärungsarbeit des Bundesnachrichtendienstes zulässt.

23 bb) Die Überprüfung der insgesamt sieben Blätter aus zwei Signaturen, die Schwärzungen aus Gründen des Schutzes nachrichtendienstlicher Methodik enthalten, anhand der ungeschwärzten Unterlagen hat ergeben, dass auch insoweit die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO vorliegen. Die Schwärzungen rechtfertigen sich aus dem Schutz noch heute genutzter Methoden der Abdeckung von nachrichtendienstlichem Personal, zum Teil in Verbindung mit Gesichtspunkten des Quellenschutzes (oben II. 2. b).

24 d) Schließlich sind auch für diejenigen Schwärzungen, die auf die Einhaltung der Third Party Rule bzw. auf die bei dem Bruch einer Vertraulichkeitszusage drohenden Nachteile in der internationalen nachrichtendienstlichen Kooperation gestützt werden (Nr. II. 3. c) der Sperrerklärung unter Verweis auf Nr. II. 1 der Sperrerklärung), von dem Geheimhaltungsgrund des Bundeswohls in § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO gedeckt.

25 aa) Ein Nachteil für das Wohl des Bundes (§ 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO) ist gegeben, wenn die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden, zumal mit Nachrichtendiensten anderer Staaten, erschweren würde.

26 Um außen- und sicherheitspolitisch relevante Erkenntnisse zu gewinnen, ist der Bundesnachrichtendienst in vielen Fällen auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten angewiesen, indem in gemeinsamem Zusammenwirken Informationen von beiderseitigem Interesse beschafft werden oder anderweit gewonnene Erkenntnisse ausgetauscht werden. Die Zusammenarbeit setzt voraus, dass die beteiligten Nachrichtendienste sich wechselseitig darauf verlassen können, dass von ihnen für geheimhaltungsbedürftig angesehene Informationen auch von der anderen Seite geheim gehalten werden. Die künftige Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes kann mithin dadurch beeinträchtigt werden, dass im Falle einer Offenlegung von Informationen die Zusammenarbeit mit Nachrichtendiensten anderer Staaten und damit die künftige eigene Gewinnung von außen- und sicherheitspolitischen Erkenntnissen erschwert würde. Dazu käme es, wenn die vom ausländischen Nachrichtendienst übermittelten Informationen vom Bundesnachrichtendienst unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit gleichwohl an Dritte bekannt gegeben würden (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2018 - 20 F 15.16 - BVerwGE 163, 271 Rn. 38, vom 20. September 2019 - 20 F 12.17 - juris Rn. 38 und vom 23. Februar 2023 - 20 F 5.21 - juris Rn. 17).

27 In diesem Sinne behandelt auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die sog. Third Party Rule als eine allgemein anerkannte Verhaltensregel der internationalen Kooperation im Sicherheits- und Nachrichtendienstbereich und als Auskunftsverweigerungsgrund gegenüber Strafverfolgungsbehörden und Gerichten (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. Oktober 2016 - 2 BvE 2/15 - BVerfGE 143, 101 Rn. 162 ff. und vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 - BVerfGE 154, 152 Rn. 292 ff.). Nach der Third Party Rule dürfen ausgetauschte Informationen ohne Zustimmung des Informationsgebers nicht an Dritte weitergegeben oder für andere Zwecke verwendet werden. Sie ist nicht als ein absolutes Verbot der Weitergabe von Informationen zu verstehen, sondern als ein Verbot mit Zustimmungsvorbehalt; die übermittelnde Stelle behält sich aber in der Sache ein Informationsbeherrschungsrecht vor. Für die unter der Third Party Rule übermittelten Informationen und Unterlagen besteht damit keine einseitige Verfügungsberechtigung des Empfängers.

28 Da es um den Schutz der von einem ausländischen Nachrichtendienst vertraulich übermittelten Informationen und nicht um eine bestimmte Verkörperung dieser Informationen geht, sind von dem Verbot der Offenlegung bzw. Weitergabe nicht nur eventuelle Originaldokumente, sondern alle physischen und elektronischen Dokumente umfasst, die die geschützten Informationen enthalten oder Rückschlüsse auf deren Inhalt zulassen. Dies gilt etwa für Kopien, Auszüge, Inhaltszusammenfassungen, Einfügungen in andere Dokumente, mittelbare Wiedergaben oder Übersetzungen.

29 bb) Nach diesem Maßstab sind die Schwärzungen auf insgesamt 78 Blättern aus neun Signaturen, für die bestehende Vertraulichkeitszusagen an ausländische Nachrichtendienste bzw. eine fehlende eigene Verfügungsberechtigung angeführt wird, nach Durchsicht der ungeschwärzten Unterlagen rechtlich nicht zu beanstanden. Die Schwärzungen betreffen - im Einzelnen blattweise erläutert - Inhalte vertraulicher Informationen ausländischer Geheimdienste sowie Briefings, Kommentare, Zusammenfassungen oder Übersetzungen auf der Basis solcher vertraulicher Informationen. Plausibel dargelegt ist auch, dass diese Informationen den Regeln der Third Party Rule unterliegen und dass der Bundesnachrichtendienst vergeblich um eine Freigabe der Informationen nachgesucht hat.

30 e) Da die Geheimhaltung von Unterlagen, für die der Bundesnachrichtendienst aufgrund der Third Party Rule keine Verfügungsberechtigung besitzt, bereits durch den Geheimhaltungsgrund des Bundeswohls (§ 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO, soeben II. 2. d) gewährleistet ist, kann zu Nr. II. 1 der Sperrerklärung offenbleiben, ob § 6 Abs. 1 Satz 2 BArchG, wonach Unterlagen der Nachrichtendienste dem Bundesarchiv nur anzubieten sind, wenn sie deren Verfügungsberechtigung unterliegen, einen gesetzlichen Geheimhaltungsgrund im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 VwGO darstellt.

31 3. Die - allerdings äußerst knappe - Ausübung des Freigabeermessens nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO (Nr. III der Sperrerklärung) lässt erkennen, dass der Beigeladene außer den journalistisch-publizistischen Informationsinteressen der Klägerin und den vorstehend dargelegten Gründen des Geheimnisschutzes auch die spezifisch prozessualen Gesichtspunkte des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und des öffentlichen Interesses an der Wahrheitsfindung gesehen und in Rechnung gestellt hat. Die Sperrerklärung genügt auch insoweit (noch) den gesetzlichen Anforderungen.

32 4. Einer Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem Fachsenat nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht, weil es sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbständigen Zwischenstreit handelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2017 - 20 F 12.15 - juris Rn. 32 m. w. N.).