Beschluss vom 05.12.2024 -
BVerwG 2 B 22.24ECLI:DE:BVerwG:2024:051224B2B22.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 05.12.2024 - 2 B 22.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:051224B2B22.24.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 22.24
- VG Potsdam - 10.07.2023 - AZ: 2 K 489/23
- OVG Berlin-Brandenburg - 20.03.2024 - AZ: 4 B 3/24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Dezember 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dr. Hissnauer
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20. März 2024 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ihm für das Jahr 2023 Erholungsurlaub im Umfang von 30 Tagen zustand.
2 1. Der Kläger stand zuletzt als Ministerialrat (Besoldungsgruppe B 2 LBesG BB) im Dienst des beklagten Landes. Aufgrund des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze ist er mit Ablauf des Monats Juni 2023 in den Ruhestand eingetreten.
3 Im Januar 2023 stellte der Kläger einen Fehlzeitantrag, der u. a. die Gewährung von Erholungsurlaub für das Jahr 2023 im Umfang von 30 Tagen zum Gegenstand hatte. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. Januar 2023 und der Begründung ab, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erholungsurlaub für das Jahr 2023 nur im Umfang von 15 Tagen zu, weil das Beamtenverhältnis in der ersten Hälfte des Kalenderjahres ende und Erholungsurlaub in diesem Fall nur im Umfang von sechs Zwölfteln gewährt werde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2023 zurück.
4 Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom Juli 2023 festgestellt, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig gewesen ist. Mit Urteil vom März 2024 hat das Berufungsgericht auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erholungsurlaub für das Jahr 2023 im Umfang von 30 Tagen nicht zu. Nach den maßgeblichen Bestimmungen betrage Erholungsurlaub bei Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand sechs Zwölftel, wenn das Beamtenverhältnis in der ersten Hälfte des Kalenderjahres ende, im Übrigen zwölf Zwölftel. Das Beamtenverhältnis des Klägers habe am 30. Juni 2023 und damit in der ersten Hälfte des Kalenderjahres geendet. Der Eintritt in den Ruhestand sei am 1. Juli 2023 erfolgt. Aktives Beamtenverhältnis und Ruhestandsbeamtenverhältnis überschnitten sich nicht.
5 2. Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
6 a) Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
7 Eine die Revisionszulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO begründende "Abweichung" liegt nur vor, wenn zwischen den Gerichten ein grundsätzlicher Meinungsunterschied hinsichtlich der die Rechtsanwendung im Einzelfall bestimmenden Maßstäbe besteht. Die Divergenzrüge setzt deshalb die Darlegung eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines im konkreten Rechtsstreit erheblichen Rechtssatzes voraus. Die bloße Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht. Das Revisionszulassungsrecht kennt - anders als die Vorschriften über die Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) – den Zulassungsgrund ernstlicher Richtigkeitszweifel nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3, vom 14. Dezember 2023 - 2 B 45.22 - juris Rn. 16 und vom 29. Februar 2024 - 2 B 33.23 - juris Rn. 9).
8 Eine Divergenz in dem beschriebenen Sinne legt die Beschwerde nicht dar. Die geltend gemachte Abweichung der Berufungsentscheidung vom Urteil des Senats vom 1. Oktober 2020 - 2 C 9.20 - (BVerwGE 169, 293 Rn. 7 ff.) besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats sind aktives Beamtenverhältnis und Ruhestandsbeamtenverhältnis zeitlich strikt zu trennen und können nicht gleichzeitig bestehen. Der Beamte steht daher (nur noch) während des gesamten letzten Tages des Monats, mit dessen Ablauf er in den Ruhestand eintritt, im aktiven Beamtenverhältnis, nicht darüber hinaus (vgl. BVerwG, Urteil des Senats vom 1. Oktober 2020 - 2 C 9.20 - BVerwGE 169, 293 Rn. 10, 13). Dieser Rechtsprechung hat sich das Berufungsgericht ausdrücklich angeschlossen (UA S. 7) und ausgehend hiervon das Ende des aktiven Beamtenverhältnisses in Abgrenzung zum Eintritt in den Ruhestand des Klägers rechtsfehlerfrei bestimmt.
9 Die Beschwerde leitet demgegenüber in eigener Interpretation der in Bezug genommenen Entscheidung des Senats Rechtssätze her, von denen das Berufungsgericht abgewichen sein soll, indem sie - fehlerhaft - davon ausgeht, das Ruhestandsbeamtenverhältnis dürfe "nicht in die Zeit des aktiven Beamtenverhältnisses hineinreichen", das aktive Beamtenverhältnis aber in das Ruhestandsbeamtenverhältnis. Hiermit wird eine Divergenz i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 30. Juli 2015 - 3 B 42.14 - Buchholz 428.8 § 4 BerRehaG Nr. 2 Rn. 8 und vom 13. August 2018 - 9 BN 1.18 - juris Rn. 5). Abgesehen davon beschränkt sich die Beschwerde auf den Vorwurf der fehlerhaften Anwendung von Rechtssätzen, zeigt aber das Vorhandensein eines prinzipiellen Auffassungsunterschieds über den Bedeutungsgehalt eines Rechtssatzes zwischen Berufungsgericht und Senat nicht auf.
10 b) Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
11 Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Aus der Beschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die Berufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des Berufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 6. Januar 2012 - 2 B 113.11 - juris Rn. 6, vom 6. Oktober 2016 - 2 B 80.15 - juris Rn. 6 und vom 10. Januar 2024 - 2 B 16.23 - juris Rn. 8).
12 Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie formuliert keine von ihr als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage. Selbst wenn man bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung der Beschwerde entnehmen wollte, Klärungsbedarf bestehe hinsichtlich der "zeitlich exakten Zuordnung" zwischen dem Ende des aktiven Beamtenverhältnisses und dem Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand, rechtfertigt dies die Zulassung der Revision nicht. Die dahingehende Frage ist, wie sich aus Vorstehendem ergibt, in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Da das aktive Beamtenverhältnis des Klägers mit Ablauf des 30. Juni 2023 endete, er sich daher mit Beginn des 1. Juli 2023 im Ruhestand befand, stand dem Kläger auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über Erholungsurlaub und Dienstbefreiung der Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter im Land Brandenburg (Erholungsurlaubs- und Dienstbefreiungsverordnung - EUrlDbV) i. d. F. der Bekanntmachung vom 16. September 2009 (GVBl. II S. 618) Erholungsurlaub im Umfang von 15 Arbeitstagen zu.
13 Soweit die Beschwerde geltend macht, das Berufungsgericht habe verkannt, dass der Fehlzeitantrag des Klägers insgesamt 73 Urlaubstage umfasst habe, weshalb dessen vollständige Ablehnung rechtswidrig gewesen sei, wendet sie sich in der Art eines zugelassenen oder zulassungsfreien Rechtsmittels gegen die rechtliche Würdigung durch das Berufungsgericht und setzt dieser ihre eigene Auffassung entgegen, ohne hiermit eine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage aufzuwerfen. Ungeachtet dessen hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und für den Senat bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), im Nachgang einen weiteren Fehlzeitantrag über die Gewährung von insgesamt 58 Tagen Erholungsurlaub gestellt, dem der Beklagte entsprochen hat.
14 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 10.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.