Beschluss vom 05.10.2010 -
BVerwG 1 WB 59.09ECLI:DE:BVerwG:2010:051010B1WB59.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.10.2010 - 1 WB 59.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:051010B1WB59.09.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 59.09

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 5. Oktober 2010 beschlossen:

Das Verfahren wird eingestellt.

Gründe

I

1 Der 1980 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit war - vor dem hier gegenständlichen Antrag auf Laufbahnwechsel - auf zehn Jahre mit Dienstzeitende zum 31. Juli 2010 festgesetzt. Der Antragsteller wurde am 4. Februar 2004 zum Stabsunteroffizier befördert und mit Wirkung vom 1. November 2006 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 eingewiesen. Er gehörte als Fachunteroffizier des allgemeinen Fachdienstes der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 27609 (Materialbewirtschaftung/Nachschubdienst) an.

2 Mit Bewerbungssofortmeldung vom 22. April 2009 beantragte der Antragsteller die Zulassung zur Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes. Mit Bescheid vom 15. Mai 2009 lehnte die Stammdienststelle der Bundeswehr den Antrag ab, weil die erforderliche Restdienstzeit des Antragstellers nicht ausreiche und an einer Weiterverpflichtung über die Regelverpflichtungszeit hinaus aus Gründen der Stärkesteuerung kein dienstliches Interesse bestehe. Hiergegen legte der Antragsteller unter dem 3. Juni 2009 Beschwerde ein, die der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 27. Juli 2009 zurückwies. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nach geltender Erlasslage ein Laufbahnwechsel nur dann in Betracht komme, wenn das vierte Dienstjahr bei Eingang der Bewerbung noch nicht abgeschlossen sei, es sei denn, der Bewerber gehöre einer der sogenannten Mangel-Ausbildungs- und Verwendungsreihen an; diese Voraussetzungen erfülle der Antragsteller nicht. Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schreiben vom 24. August 2009 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 5. Oktober 2009 dem Senat vor.

3 Mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 teilte der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit, dass sich aufgrund von Erlassänderungen die rechtliche Grundlage der Entscheidung über die Zulassung zur Feldwebellaufbahn geändert habe; die Stammdienststelle sei daher angewiesen worden, ihren Bescheid vom 15. Mai 2009 aufzuheben und über das Begehren des Antragstellers neu zu entscheiden. Die Aufhebung des ablehnenden Bescheids erfolgte sodann unter dem 7. Januar 2010. Nach erneuter Prüfung seines Zulassungsantrags wurde der Antragsteller durch Bescheid der Stammdienststelle vom 10. September 2010 mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes zugelassen.

4 Mit Schreiben vom 27. September 2010 erklärte der Antragsteller, dass er das Verfahren über die Zulassung zur Feldwebellaufbahn damit als erledigt ansehe. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - stimmte mit Schreiben vom 4. Oktober 2010 der Erledigungserklärung des Antragstellers zu.

5 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: 928/09 - und die Personalnebenakte des Antragstellers, Abschnitte I bis V, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

6 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).

7 Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die dem Antragsteller erwachsenen notwendigen Auslagen nicht dem Bund aufzuerlegen, weil die Behandlung des Antrags des Antragstellers auf Zulassung zur Feldwebellaufbahn durch die beteiligten Dienststellen - sowohl vor als auch nach der vom Bundesminister der Verteidigung mit Schreiben vom 15. Dezember 2009 mitgeteilten Änderung der Erlasslage - rechtlich nicht zu beanstanden ist.

8 1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre bis zu der Änderung der Erlasslage voraussichtlich erfolglos geblieben, weil der Bescheid der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 15. Mai 2009 und der Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 27. Juli 2009 bis dahin rechtmäßig waren.

9 Ein Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte fachliche oder örtliche Verwendung oder auf Verwendung auf einem bestimmten Dienstposten. Dies gilt auch für die Entscheidung über die Zulassung zu einer Laufbahn oder den Laufbahnwechsel (stRspr, vgl. Beschluss vom 23. Juni 2004 - BVerwG 1 WB 49.03 - m.w.N.). Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Über die Verwendung eines Soldaten entscheidet der zuständige Vorgesetzte, sofern hierfür ein dienstliches Bedürfnis besteht, nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 25. September 2002 - BVerwG 1 WB 30.02 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 30 und vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 1 WB 40.02 - jeweils m.w.N.). Diese Ermessensentscheidung kann vom Wehrdienstgericht nur darauf überprüft werden, ob der Vorgesetzte den Soldaten durch Überschreiten oder Missbrauch dienstlicher Befugnisse in seinen Rechten verletzt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 WBO) bzw. die gesetzlichen Grenzen des ihm insoweit zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 114 VwGO). Die gerichtliche Überprüfung richtet sich auch darauf, ob die vom Bundesministerium der Verteidigung im Wege der Selbstbindung in Verwaltungsvorschriften (wie z.B. Erlassen oder Richtlinien) festgelegten Maßgaben und Verfahrensvorschriften eingehalten sind (vgl. Beschluss vom 27. Februar 2003 - BVerwG 1 WB 57.02 - BVerwGE 118, 25 <27> = Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 2 <insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2003, 212>).

10 Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Zulassung von Fachunteroffizieren aller Laufbahnen zu einer Laufbahn der Feldwebel gemäß § 27 Abs. 1 und 3 SG i.V.m. § 3 Abs. 3, §§ 15, 20 SLV aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 44 SLV in Kapitel 4 Abschnitt II der Bestimmungen für die Beförderungen und für die Einstellung, Übernahme und Zulassung von Soldatinnen und Soldaten (ZDv 20/7) vom 27. März 2002 (Neudruck Januar 2008) näher geregelt. Die Zulassung steht nach § 20 Satz 1 SLV i.V.m. Nr. 429, 434 ZDv 20/7 im pflichtgemäßen Ermessen der Stammdienststelle der Bundeswehr und setzt unter anderem Bedarf und Eignung des Bewerbers voraus. Weitere Maßgaben ergaben sich für den vorliegenden Fall insbesondere aus der Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü H I 1 - für den Laufbahnwechsel von Mannschaften und Fachunteroffizieren in die Feldwebellaufbahnen - Uniformträgerbereich Heer - vom 26. März 2008.

11 Danach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antrag des Antragstellers, ihn in die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes zu übernehmen, zunächst aus Bedarfsgründen abgelehnt wurde.

12 Nach Nr. 3 der Weisung vom 26. März 2008 ist ein Laufbahnwechsel von Fachunteroffizieren im Status eines Soldaten auf Zeit grundsätzlich nur dann möglich, wenn das vierte Dienstjahr bei Eingang der Bewerbung bzw. Bewerbungssofortmeldung noch nicht abgeschlossen ist; von dieser Beschränkung kann aus Bedarfsgründen abgewichen werden, wenn der Bewerber einer der in der Weisung aufgelisteten sogenannten Mangel-Ausbildungs- und Verwendungsreihen (AVR 25014 Fernmeldebetrieb, 25016 Fernmeldeweitverkehr, 25214 Fernmeldeaufklärung Tastfunk, 25215 Fernmeldeaufklärung Sprachen, 25216 Elektronische Aufklärung, 26126 S 6, 26303 Datenverarbeitung, 27922 Elektronik, 28206 Fluggerätemechanik, 28222 Luftfahrzeugavionik und 28223 Luftfahrzeugwaffenelektronik) angehört. Der Antragsteller befand sich bei Eingang seiner Bewerbungssofortmeldung vom 22. April 2009 bei der Stammdienststelle jedoch bereits im neunten Dienstjahr; er gehörte auch keiner der aufgelisteten Mangel-Ausbildungs- und Verwendungsreihen an. Die hierauf gestützte Ablehnung seines Antrags auf Übernahme in die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes entsprach damit der im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Erlasslage. Anhaltspunkte dafür, dass die Weisung vom 26. März 2008 nicht gleichmäßig angewendet und vollzogen wurde, bestehen nicht.

13 Die Regelung der Weisung vom 26. März 2008 ist auch als solche nicht zu beanstanden. Der Senat hat es in ständiger Rechtsprechung gebilligt, dass die zuständigen militärischen Stellen die Laufbahnzulassung von Gesichtspunkten des Bedarfs und der Personalstruktur abhängig machen. Es stellt ein berechtigtes Anliegen der Personalführung dar, den Laufbahnen der Feldwebel nur dann weitere Soldaten zuzuführen, wenn hierfür - auch unter dem Blickwinkel der Herstellung einer günstigen Altersstruktur in der jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungsreihe - ein Bedarf besteht und ihre Verwendung in der neuen Laufbahn sichergestellt ist (vgl. Beschlüsse vom 9. April 1997 - BVerwG 1 WB 116.96 - BVerwGE 113, 76 <78> = Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 15 = NZWehrr 1997, 160 und vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 47.05 - Rn. 24, jeweils m.w.N.). Auch die von der zuständigen militärischen Stelle ermittelte Bedarfslage selbst ist wehrdienstgerichtlich nicht überprüfbar (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 14. Juni 2006 - BVerwG 1 WB 47.05 - Rn. 25 m.w.N.).

14 Nicht zu beanstanden sind schließlich die Gründe, aus denen die - vom Bundesminister der Verteidigung zusätzlich geprüfte - Möglichkeit eines Laufbahnwechsels des Antragstellers in die Feldwebellaufbahn Führungsgrundgebiet I (mit der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 25813 Stabsdienst S 1) abgelehnt wurde. Im Einzelnen wird hierzu auf die Darlegungen in dem Beschwerdebescheid vom 27. Juli 2009 (Seite 3 und 4) verwiesen.

15 2. Auch für die Zeit ab Änderung der Erlasslage entspricht es nicht der Billigkeit, dem Bund Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Denn der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - und die Stammdienststelle der Bundeswehr haben der neuen Situation unverzüglich Rechnung getragen und das Begehren des Antragstellers in korrekter Weise erneut geprüft und beschieden.

16 Die für die Beurteilung der Bewerbung des Antragsstellers maßgeblichen Verwaltungsvorschriften wurden kurze Zeit nach Anhängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung wesentlich verändert. Neben neuen Ergänzenden Bestimmungen des Heeres zum Berufungserlass (BMVg - Fü H I 1 - vom 14. Oktober 2009) und neuen Bestimmungen für die Durchführung der Eignungsfeststellungen und Einplanungen von Laufbahnwechslerinnen und Laufbahnwechslern in eine Feldwebellaufbahn (BMVg - PSZ/PM - vom 2. November 2009) wurde mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung - Fü H I 1 - vom 2. November 2009 auch die oben mehrfach genannte Weisung für den Laufbahnwechsel vom 26. März 2008 mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Unmittelbar nach Bekanntgabe der neuen Erlasse hat der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Stammdienststelle angewiesen, den Bescheid vom 15. Mai 2009 aufzuheben und über das Begehren des Antragstellers neu zu entscheiden. Nach Aufhebung des ablehnenden Bescheids und erneuter Prüfung seiner Bewerbung wurde der Antragsteller schließlich mit Bescheid der Stammdienststelle vom 10. September 2010 mit Wirkung vom 1. Oktober 2010 als Anwärter für die Laufbahn der Feldwebel des allgemeinen Fachdienstes zugelassen.

17 Mit der erneuten Prüfung und Bescheidung der Bewerbung des Antragstellers hat sich der Bund nicht in die Rolle des im Gerichtsverfahren Unterlegenen begeben, sondern lediglich auf sachgerechte Weise der Änderung der Erlasslage Rechnung getragen. Soweit der Antragsteller - über die erfolgte Zulassung zur Feldwebellaufbahn hinaus - Laufbahnnachteile durch Verzögerungen bei möglichen künftigen Beförderungen geltend macht, sind diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.