Beschluss vom 05.08.2024 -
BVerwG 20 F 2.24ECLI:DE:BVerwG:2024:050824B20F2.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.08.2024 - 20 F 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:050824B20F2.24.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 2.24

  • OVG Weimar - 13.02.2024 - AZ: 10 SOV 663/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 5. August 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt und Dr. Henke
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Fachsenats des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2024 geändert. Die Sperrerklärung des Beklagten vom 15. Juni 2017 ist rechtswidrig, sowie sie die Zeilen 1, 2, 8, 11 und 13 in der rechten Spalte des zweispaltigen Textes unterhalb des obersten grauen Querbalkens auf Blatt 17 des Verwaltungsvorgangs betrifft. Im Übrigen wird der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung abgelehnt. Ihre weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt in der diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsache, den Beklagten zu verpflichten, ihr weitere Auskunft über zu ihr beim Beklagten gespeicherte personenbezogene Daten zu erteilen.

2 Im Hauptsacheverfahren hat der Kammervorsitzende des Verwaltungsgerichts den Beklagten aufgefordert, die Akten zu übersenden. Daraufhin hat der Beklagte einen teilweise geschwärzten Teil der Akten vorgelegt, die Vorlage der vollständigen, ungeschwärzten Akten hingegen unter Vorlage einer Sperrerklärung vom 15. Juni 2017 verweigert.

3 Nachdem die Klägerin einen ersten Antrag auf Durchführung eines "In-Camera"-Verfahrens gestellt und wieder zurückgenommen hatte, hat der Fachsenat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 3. Januar 2018 das Zwischenverfahren eingestellt.

4 Das Verwaltungsgericht hat das Hauptsacheverfahren mit Beschluss vom 27. September 2021 auf die Einzelrichterin übertragen. Diese hat das Verfahren auf den zweiten Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 21. Oktober 2021 erneut zur Durchführung eines "In-Camera"-Verfahrens an den Fachsenat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts abgegeben.

5 Dieser hat mit Beschluss vom 13. Februar 2024 den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung abgelehnt.

6 Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

7 Die zulässige Beschwerde ist in geringem Umfang begründet.

8 1. Der Zulässigkeit des Antrags der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung steht nicht entgegen, dass die für das Hauptsacheverfahren nach Erlass der Sperrerklärung zuständig gewordene Einzelrichterin von einem für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 99 Abs. 2 VwGO grundsätzlich erforderlichen förmlichen Beweisbeschluss hinsichtlich der angeforderten, gesperrten Aktenbestandteile (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 2020 - 20 F 4.20 - juris Rn. 9) abgesehen hat. Denn eine förmliche Verlautbarung der Entscheidungserheblichkeit ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei rechtserheblich sind, weil die Entscheidung in der Hauptsache - worauf im Vorlagebeschluss der Einzelrichterin vom 21. Oktober 2021 zutreffend abgestellt worden ist - von der allein anhand des Inhalts der umstrittenen Akten zu beantwortenden Frage abhängt, ob die Akten bzw. Aktenteile geheimhaltungsbedürftig sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. August 2023 - 20 F 8.23 - juris Rn. 6 m. w. N.).

9 2. Der Antrag ist auch teilweise begründet, weil die Sperrerklärung vom 15. Juni 2017 im tenorierten Umfang rechtswidrig ist.

10 a) Für die darin geltend gemachten Weigerungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 und 3 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 und 3 VwGO) gelten folgende Maßstäbe:

11 Ein Nachteil für das Wohl des Landes im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 1 VwGO ist gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Eine entsprechende Erschwernis kann sich daraus ergeben, dass bei einer umfangreichen Zusammenschau offengelegter Unterlagen Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen möglich werden. Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Arbeitstitel, Verfügungen, namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen, Querverweise, Hervorhebungen und Unterstreichungen sowie Vermerke zur Aktenverwaltung, Schriftverkehr mit anderen Behörden, Gesprächsdokumentationen, Verfügungsbögen und Deckblattberichte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 2024 - 20 F 6.23 - juris Rn. 7 m. w. N.).

12 Personenbezogene Daten im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen. Vielmehr können auch Äußerungen und Angaben zur Sache geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht. Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden. Ihre personenbezogenen Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass diese Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch im Fall von Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (BVerwG, Beschluss vom 7. März 2024 - 20 F 6.23 - juris Rn. 8 m. w. N.). An der Schutzwürdigkeit personenbezogener Angaben kann es fehlen, wenn die Daten dem betreffenden Kläger ersichtlich ohnehin in den jeweiligen Zusammenhängen bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2015 - 20 F 2.14 - juris Rn. 13).

13 b) Ausgehend davon ist die Sperrerklärung im Hinblick auf einige wenige Aktenbestandteile rechtswidrig.

14 aa) Eine Einsicht in die ungeschwärzte Fassung des Verwaltungsvorgangs durch den Senat hat ergeben, dass die geltend gemachten Weigerungsgründe für die Zeilen 1, 2, 8, 11 und 13 in der rechten Spalte des zweispaltigen Textes unterhalb des obersten grauen Querbalkens auf Blatt 17 des Verwaltungsvorgangs nicht vorliegen. Denn auf Blatt 20 und 32 des Verwaltungsvorgangs wurde offengelegt, dass die Speicherung von Daten der Klägerin ihre Teilnahme an der betreffenden Veranstaltung umfasst.

15 bb) Für die weiteren gesperrten Aktenbestandteile bestehen hingegen die geltend gemachten Weigerungsgründe. Weitere bloße Teilschwärzungen in Bezug auf entnommene Aktenbestandteile kommen nicht in Betracht, weil sie nur zu inhaltsleeren und nichtssagenden Restbeständen führen würden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 2019 - 20 F 1.19 - juris Rn. 12 m. w. N.). Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten und elektronischen Dokumente nicht erkennen lassen dürfen (§ 99 Abs. 2 Satz 14 i. V. m. Satz 10 Halbs. 2 VwGO).

16 Soweit ein Weigerungsgrund vorliegt, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat in seiner Sperrerklärung eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und die widerstreitenden Interessen der Beteiligten abwägende Ermessensentscheidung getroffen, die den rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2010 - 20 F 11.09 - NJW 2010, 2295 Rn. 12 m. w. N.) genügt.

17 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.