Beschluss vom 04.12.2024 -
BVerwG 1 WNB 2.24ECLI:DE:BVerwG:2024:041224B1WNB2.24.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.12.2024 - 1 WNB 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:041224B1WNB2.24.0]

Beschluss

BVerwG 1 WNB 2.24

  • TDG Süd 5. Kammer - 14.03.2024 - AZ: S 5 RL 02/24 und S 5 SL 01/22

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 4. Dezember 2024 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des Truppendienstgerichts Süd vom 14. März 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht prozessordnungsgemäß dargelegt sind bzw. nicht vorliegen.

2 1. Die Verfahrensrügen im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO greifen nicht durch.

3 a) Bei der Geltendmachung einer Verfahrensrüge ist nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO die verletzte Verfahrensvorschrift zu bezeichnen. Ferner ist neben den Tatsachen, aus denen sich der Mangel ergeben soll, insbesondere darzulegen, inwiefern die Entscheidung auf der Verletzung beruhen kann.

4 Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das zur Entscheidung berufene Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z. B. BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2015 - 1 WNB 1.15 - NZWehrr 2016, 85 m. w. N. und vom 9. Mai 2017 - 1 WNB 3.16 - NZWehrr 2017, 216). Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht dieser Pflicht Rechnung trägt. Es ist nicht gehalten, sich in den Gründen seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen zu befassen; insbesondere begründet Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Verfahrensbeteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich auch keine Pflicht eines Gerichts, der von der Partei vertretenen Rechtsauffassung zu folgen.

5 b) Die Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs durch eine fehlerhafte Einordnung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes greift schon deshalb nicht durch, weil damit gar nicht die unterbliebene Befassung mit Sach- oder Rechtsvorbringen des Antragstellers, sondern eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts gerügt wird. Im Übrigen wird auch zur Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Rechtsirrtums nichts ausgeführt. Dafür ist nichts ersichtlich, weil die angegriffene Entscheidung die einer Quasi-Vertrauensperson nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SBG zustehenden Rechte prüft. So wird unter Punkt II 1 der Umfang der Rechte der Vertrauensperson auf Akteneinsicht zum Gegenstand des Antrages erklärt und unter Punkt II 2 c dd zusammenfassend das Fehlen einer Verletzung der Rechte der Vertrauensperson aus § 28 SBG erläutert. Hieraus ergibt sich eindeutig, dass das Truppendienstgericht den vom Antragsteller unterbreiteten und aktenkundigen Sachverhalt zur Kenntnis genommen und die Rechte des Antragstellers als "Quasi-Vertrauensperson" geprüft hat.

6 Die auf das Unterbleiben der Beiziehung der Beschwerde- und Gerichtsakten des Verfahrens S 5 BLc 06/22 des Truppendienstgerichts Süd gerichtete Gehörsrüge genügt den Darlegungsanforderungen nicht, weil nicht ausgeführt wird, in welchem Schriftsatz eine Beiziehung dieser Akten beantragt worden ist und aus welchen Gründen es nach der im Rahmen des Art. 103 Abs. 1 GG maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts die Beziehung dieser Akten für die hier im Streit stehenden Rechte einer Quasi-Vertrauensperson entscheidungserheblich gewesen wäre. Eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben worden. Sie ließe aus den gleichen Gründen die nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO gebotenen Ausführungen vermissen und wäre unzulässig, weil es an der Darlegung fehlt, welcher nach der Rechtsauffassung des Truppendienstgerichts entscheidungserhebliche Tatsache sich aus einer entsprechenden Beweiserhebung ergeben hätte.

7 Die Rüge eines Verfahrensfehlers durch die unterbliebene Verpflichtung des zuständigen Vorgesetzten, nach der WDO zu verfahren, genügt den Darlegungserfordernissen bereits deshalb nicht, weil sie selbst darauf hinweist, dass dies vom Rechtsstandpunkt des Gerichts ausgehend erfolgt sei, also nach Maßgabe dieses Standpunktes nicht erheblich war. Außerdem fehlt es auch an der Erläuterung, welche konkrete Verfahrensvorschrift verletzt sein soll. Dass der Antragsteller den Rechtsstandpunkt des Gerichts für unzutreffend hält, begründet keinen Verfahrensmangel. Die Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung erfüllt keinen Zulassungsgrund (BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2016 - 1 WNB 2.16 - juris Rn. 9).

8 2. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO kommt der Sache nicht zu.

9 a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. für das Revisionsrecht der VwGO BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> sowie für das Rechtsbeschwerderecht der WBO BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 5, jeweils m. w. N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - ggf. erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - juris Rn. 16). Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich auch ohne Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und der vorliegenden Literatur ohne Weiteres beantworten lässt (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 13. Juni 2014 - 1 WNB 1.14 - juris Rn. 4 m. w. N.). Nicht im Rechtsbeschwerdeverfahren klärungsfähig sind Rechtsfragen, die sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten lassen, weil es maßgeblich auf konkrete Umstände des Einzelfalles ankommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - Rn. 5 und vom 3. Mai 2019 - 1 WNB 3.18 - juris Rn. 11 und 13).

10 b) Die vom Antragsteller - bei wohlwollendem Verständnis der von ihm formulierten Rechtsbehauptungen - aufgeworfenen Rechtsfragen,
ob "im Falle einer durchzuführenden Akteneinsicht nach § 28 Abs. 2 SBG das Beteiligungsrecht der VP bereits dann verletzt wird, wenn der Vorgesetzte unvollständige Akten unter Behauptung der Vollständigkeit übergibt, sowie bei nachträglicher Ergänzung der Unterlagen auf besondere Rüge der VP der erfolgte Verstoß auf Beschwerde der VP nach § 17 SBG im Wege der nachträglichen Feststellung zu dokumentieren ist, jedenfalls wenn dazu auch eine Beschwerde des betroffenen Soldaten rechtshängig oder eine Wiederholung im Fall ausbleibender Sachentscheidung des Gerichts zu besorgen ist",
ob "zu den im Rahmen der Akteneinsicht offenzulegenden Verfahrensvorgängen auch Beiakten zu zählen sind betreffend im Verfahren ergangene Verfahrensakten oder Entscheidungen des ermittelnden Disziplinarvorgesetzten und etwa hiergegen gerichtete Beschwerdeverfahren des betroffenen Soldaten",
ob "im Fall einer rechtswidrig verkürzten Akteneinsicht, die erst auf ausdrückliches Verlangen der Vertrauensperson ergänzt wird, die erfolgte Dienstpflichtverletzung der unvollständigen Unterrichtung und unvollständigen Aktenführung im Wege der Fortsetzungsfeststellung festzustellen ist"
und
ob "das Akteneinsichtsrecht der Vertrauensperson im Disziplinarverfahren auch Beiakten umfasst, die aus Anlass einer Verfahrenshandlung des Disziplinarvorgesetzten entstehen, wie etwa eine Beschwerde aus Anlass einer auf das Disziplinarverfahren gestützten rechtswidrigen Widerrufsverfügung für bereits gewährten Urlaub und Zeitausgleich"
rechtfertigen die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht.

11 Es fehlt zunächst durchgängig an der Darlegung der über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung. Alle angeführten Fragen nach der Reichweite des Akteneinsichtsrechts aus § 28 Abs. 3 Satz 2 SBG sind zudem nur nach Maßgabe der - zum Teil auch in den Fragen angeführten - besonderen Umstände konkreter Einzelfälle zu beantworten. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob neben den zum einfachen Disziplinarverfahren unmittelbar gehörenden Verfahrensakten auch Akten anderer, mit diesem sachlich zusammenhängenden Verfahren Unterlagen mit für das einfache Disziplinarverfahren erheblichen Informationen zur Person der Soldatin oder des Soldaten, zum Sachverhalt oder zum festzusetzenden Disziplinarmaß enthalten. Dies hängt nämlich von den im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfen, vom Gegenstand der weiteren Verfahrensakten und der Art des damit vermittelten Sachzusammenhanges ab. Es bedarf im Übrigen nicht der Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens um festzustellen, dass die Rechte der Quasi-Vertrauensperson auf Akteneinsicht jedenfalls dann nicht verletzt sind, wenn sie auf ihre Nachfrage hin neben den bereits zuvor zur Verfügung gestellten Akten auch weitere Schriftstücke rechtzeitig erhält und sich auch hierzu äußern kann. § 28 Abs. 3 SBG verlangt seinem Wortlaut nach nicht, dass alle wesentlichen Informationen und Aktenbestandteile zeitgleich übermittelt werden. Dem Sinn und Zweck des Akteneinsichtsrechts wird genügt, solange auch nach der Einsicht in nachgereichte Unterlagen noch eine Äußerung möglich ist.

12 Unerheblich ist, dass der Antragsteller die entscheidungstragenden Rechtsausführungen des Truppendienstgerichts für prozessual rechtsgrundsätzlich falsch hält. Die Rüge einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts im Einzelfall kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 22b Abs. 2 WBO i. V. m. § 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO nicht rechtfertigen (stRspr, vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - juris Rn. 6).

13 Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.