Beschluss vom 04.03.2016 -
BVerwG 20 F 1.16ECLI:DE:BVerwG:2016:040316B20F1.16.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.03.2016 - 20 F 1.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:040316B20F1.16.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 1.16

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 4. März 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
beschlossen:

Der Antrag des Klägers wird abgelehnt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt im Verfahren der Hauptsache, ihn zum Regierungsinspektoranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf zu ernennen und in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes im Bundesnachrichtendienst einzustellen.

2 Aufgrund einer Bewerbung des Klägers führte der Fachbereich "Personelle Sicherheit" des Bundesnachrichtendienstes die Sicherheitsüberprüfung nach § 10 SÜG in Verbindung mit § 12 Abs. 3 SÜG durch; sein Schlussbericht kam zu dem Ergebnis, ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 5 SÜG stehe entgegen, der Einstellung des Klägers zuzustimmen. Der Bundesnachrichtendienst teilte dem Kläger darauf mit, nicht alle am Verfahren beteiligten Stellen im Bundesnachrichtendienst hätten seiner Einstellung zugestimmt. Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat dem Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache Verwaltungsvorgänge vorgelegt, in denen Unterlagen zur Sicherheitsüberprüfung weitgehend geweißt waren. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Beweisbeschluss der Beklagten aufgegeben, diejenigen Aktenbestandteile vorzulegen, aus denen sich die von ihr gesehenen tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko im Sinne des § 5 SÜG bei einer Tätigkeit des Klägers beim Bundesnachrichtendienst ergäben. Mit Sperrerklärung vom 18. Dezember 2015 hat das beigeladene Bundeskanzleramt die Vorlage der vollständigen und ungeweißten Akte der Sicherheitsüberprüfung verweigert, weil das Bekanntwerden der dort enthaltenen Informationen die Erfüllung der Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes gefährde und ihrer Offenlegung Gründe des Informantenschutzes und des Schutzes personenbezogener Daten Dritter entgegenstünden.

3 Der Kläger hat beantragt, die Rechtswidrigkeit der Weigerung festzustellen, die Akte vollständig vorzulegen.

II

4 Der Antrag ist unbegründet. Die Weigerung, die Akte über die Sicherheitsüberprüfung des Klägers vollständig und ungeweißt vorzulegen, ist rechtmäßig.

5 1. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

6 a) Ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig können insbesondere personenbezogene Daten sein. Bei ihnen besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundrechtlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Antragstellers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht.

7 Soweit Personen einer Behörde Informationen zur Erfüllung von deren Aufgaben geben, tritt neben das grundrechtlich abgesicherte Interesse des Betroffenen, seine persönlichen Daten geheim zu halten, das öffentliche Interesse, die Wahrnehmung der behördlichen Aufgaben sicherzustellen. Sind Behörden - wie dies namentlich auf die Nachrichtendienste zutrifft - bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen, dürfen sie zum Schutz des Informanten dessen Identität geheim halten (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <14>). In diesen Fällen ist es unerheblich, ob der Informant ausdrücklich um Vertraulichkeit gebeten und die Behörde ihm Vertraulichkeit zugesichert hat. Der Schutz des Informanten ist auch nicht von der begründeten Befürchtung abhängig, dass der Informant sich im Fall einer Offenlegung möglichen Repressalien ausgesetzt sieht (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2010 - 20 F 11.10 - BVerwGE 137, 318 Rn. 10 und vom 17. Januar 2012 - 20 F 4.11 - juris Rn. 13). Entscheidend ist vielmehr, wie sich der Bruch der Vertraulichkeit auf die Bereitschaft anderer potentieller Informanten auswirkt, der Behörde Informationen zu liefern. Behörden werden die Informationen, die für eine effektive Erfüllung ihrer Aufgaben unentbehrlich sind, von Dritten in der Regel nur erhalten, wenn sie dem Informanten Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten zusichern. Der Bruch einer zugesagten oder berechtigterweise erwarteten lebenslangen Vertraulichkeit gegenüber dem Informanten wäre generell geeignet, die Aufgabenwahrnehmung der Behörde zu beeinträchtigen, indem die künftige Gewinnung von Informationen erschwert würde (BVerwG, Beschlüsse vom 19. April 2010 - 20 F 13.09 - BVerwGE 136, 345 Rn. 17 und vom 21. Januar 2014 - 20 F 1.13 - juris Rn. 23).

8 Nicht jede öffentliche Aufgabe rechtfertigt indes die Annahme, Informationen Dritter seien zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe unerlässlich. Die Aufgabe, auf welche die behördlichen Ermittlungen ausgerichtet sind, muss vielmehr dem Schutz gewichtiger Rechtsgüter dienen (BVerwG, Urteil vom 30. April 1965 - 7 C 83.63 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 7 S. 11). Der Geheimhaltungsgrund des Informantenschutzes setzt im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine öffentliche Aufgabe voraus, deren Erfüllung durch die Preisgabe der Identität des Dritten ernstlich gefährdet oder erheblich erschwert würde (BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2003 - 2 C 10.02 - BVerwGE 118, 10 <13 f.>). Es müssen gewichtige öffentliche Belange berührt sein, aus denen sich ein Geheimhaltungsbedürfnis in Form des Informantenschutzes ergibt (BVerwG, Urteil vom 3. September 1991 - 1 C 48.88 - BVerwGE 89, 14 <19>).

9 Bei der Überprüfung von Personen, die mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit betraut werden sollen, handelt es sich um eine öffentliche Aufgabe zum Schutz gewichtiger Rechtsgüter. Dies gilt gerade bei der Überprüfung von Personen, die - wie der Kläger - im Bundesnachrichtendienst eingesetzt werden sollen. Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes ist es, zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen zu sammeln und auszuwerten (§ 1 BNDG). Diese Aufgabe erfordert die Geheimhaltung gewonnener nachrichtendienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung. Spiegelbildlich damit stellt es ein gewichtiges öffentliches Interesse dar, mit derartigen Aufgaben nur Personen zu betrauen, die über die erforderliche Zuverlässigkeit im Umgang mit sicherheitsempfindlichen Vorgängen verfügen. Je nach den Umständen des Einzelfalls wird die zuständige Behörde daher zur Beurteilung der Zuverlässigkeit auch auf Angaben Dritter angewiesen sein. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber mit § 12 Abs. 3 SÜG Rechnung getragen, der vorsieht, dass hier der Bundesnachrichtendienst selbst (§ 3 Abs. 3 Satz 1 SÜG) im Zuge der Ermittlungen vom Betroffenen benannte Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen befragt. Eine notwendige Anhörung des Betroffenen hat in einer Weise zu erfolgen, die den Quellenschutz gewährleistet und den schutzwürdigen Interessen von Personen Rechnung trägt, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung befragt wurden (§ 6 Abs. 1 Satz 3 SÜG). Wird die Zulassung zu einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit abgelehnt, ist nur dies dem Betroffenen mitzuteilen (§ 14 Abs. 4 SÜG). Diese einfachgesetzliche Konkretisierung der Ermittlungsbefugnisse vermag den Geheimhaltungsgrund des Informantenschutzes zwar allein nicht zu begründen, belegt aber, dass in bestimmten Fallkonstellationen - wie hier - Angaben Dritter für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der mit der Sicherheitsüberprüfung betrauten Behörde unerlässlich sind und es daher des Informantenschutzes bedarf, weil andernfalls die gewünschte Mitwirkung oder jedenfalls offene Angaben unterblieben.

10 b) Der Fachsenat hat sich durch Einsichtnahme in die vollständige und ungeweißte Akte davon überzeugt, dass das beigeladene Bundeskanzleramt unter Hinweis auf den Schutz von persönlichen Daten Dritter und auf den Informantenschutz nur solche Teile der Unterlagen geweißt hat, aus denen sich entweder unmittelbar die Person eines Informanten ergibt oder die Rückschlüsse auf eine bestimmte Person zulassen. Das trifft auf die Aussagen der Referenz- und Auskunftspersonen und deren inhaltlicher Wiedergabe in dem zusammenfassenden Abschlussbericht insgesamt zu, weil sich die Aussagen ihrem wesentlichen Inhalt nach unschwer einer bestimmten Person konkret zuordnen lassen.

11 c) Das beigeladene Bundeskanzleramt hat sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Es hat das ihm durch § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eröffnete Ermessen erkannt und geprüft, ob überwiegende Interessen an der unbeschränkten Offenlegung der Akte trotz ihres geheimen Inhalts gegeben sind. Das Ergebnis dieser Prüfung war indes in einer Weise vorgezeichnet, dass weitere Erwägungen entbehrlich waren. Die in Rede stehenden Unterlagen sind aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses geheim zu halten. Mit Blick auf ihre Eigenart ist offensichtlich, dass eine auch nur teilweise Offenlegung ausgeschlossen ist.

12 2. Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem Fachsenat nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht; denn es handelt sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbstständigen Zwischenstreit. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der verweigerten Aktenvorlage hat keine eigenständige Bedeutung, sondern erschöpft sich in ihrer Auswirkung auf das Hauptsacheverfahren. Kostenrechtlich bildet das Verfahren vor dem Fachsenat- anders als ein Beschwerdeverfahren nach § 99 Abs. 2 Satz 12 VwGO - mit dem Hauptsacheverfahren deshalb einen Rechtszug im Sinne des § 35 GKG und § 19 Abs. 1 RVG; die dortige Kostenentscheidung umfasst auch etwaige Kosten des Zwischenverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 20 F 15.10 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 62).