Beschluss vom 02.08.2005 -
BVerwG 4 B 41.05ECLI:DE:BVerwG:2005:020805B4B41.05.0
Beschluss
BVerwG 4 B 41.05
- Bayerischer VGH München - 24.03.2005 - AZ: VGH 26 B 03.1776
In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G a t z und die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:
- Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. März 2005 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 17 500 € festgesetzt.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Sache hat weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch können die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO führen.
1. Die Beschwerde misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu, ob einem privilegierten Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB - hier dem vom Kläger geplanten Mastschweinestall - regelmäßig öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB entgegenstehen, wenn das Vorhaben mit Blick auf die von ihm ausgehenden Geruchsemissionen zu einer benachbarten Sport- bzw. Freizeitanlage den Abstand unterschreitet, den die Richtlinie VDI 3471 für die Nutzung "Wohnen im Dorfgebiet" vorsieht. Zu dem damit angesprochenen Fragenkreis des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB wären indes in dem erstrebten Revisionsverfahren keine über den Einzelfall hinausweisenden, die vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung weiter entwickelnden Aussagen zu erwarten.
Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB stehen einem nach § 35 Abs. 1 BauGB bevorzugt zulässigen Außenbereichsvorhaben öffentliche Belange entgegen, wenn es u.a. "schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann". Die Vorschrift verweist auf die Begriffsbestimmung der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG, im Fall von Geruchsimmissionen also auf den Begriff der "erheblichen Belästigungen" für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft. Ist die Schwelle der Erheblichkeit - wie bei Geruchsimmissionen - nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bestimmt, kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist auf Grund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. All dies ist gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 17. Juli 2003 - BVerwG 4 B 55.03 - BRS 66 Nr. 167 = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 166 m.w.N.). Ebenso ist geklärt, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Schweineställen verursachten Gerüche als "brauchbare Orientierungshilfe" auf die Abstandsregelungen der Richtlinie VDI 3471 zurückgegriffen werden darf (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - BVerwG 4 CN 5.01 - NVwZ 2002, 1114 m.w.N.).
Die Beschwerde verkennt nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof von diesen Grundsätzen ausgegangen ist und auch gesehen hat, dass die genannte Richtlinie keine Regelung zum Schutz von Sport- und Freizeitanlagen trifft. Sie kritisiert freilich die Annahme des Gerichts, Freizeitanlagen wie der in Rede stehende Trainingsplatz genössen keinen geringeren bzw. "zumindest annähernd denselben" Schutzanspruch wie eine Wohnnutzung im Dorfgebiet oder im Außenbereich (Berufungsurteil Abdruck Seite 8). Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs sind in erster Linie als Antwort auf die von ihm missbilligte Ansicht des Verwaltungsgerichts zu verstehen, eine Sport- und Freizeitnutzung besitze eine "geringere Schutzwürdigkeit" (Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. April 2003, Abdruck Seite 17). Hingegen hat sich das Berufungsgericht bei der Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhalts nicht von einem allgemein geltenden, zwingend oder regelmäßig zur Unzulässigkeit des Vorhabens führenden Maßstab, sondern letztlich - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - von den Umständen des Einzelfalles leiten lassen. Insbesondere hat es nicht etwa jede Unterschreitung des in der Richtlinie gegenüber der Wohnnutzung im Dorfgebiet oder im Außenbereich vorgeschlagenen Schutzabstandes von 125 m bereits dem Bereich der erheblichen Belästigung zugeordnet. Vielmehr hat es darauf abgehoben, dass dieser Abstand "bei weitem" nicht eingehalten werde. Er beträgt nämlich nach den - mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen - Feststellungen im Berufungsurteil (Abdruck Seite 8) ca. 93 m, gerechnet von der als Emissionsschwerpunkt angenommenen Mitte des Stalls bis zur Grenze des Trainingsplatzes. Ferner verweist der Verwaltungsgerichtshof auf den Umstand, dass der ostwärts gelegene Trainingsplatz wegen der vorherrschenden Westwinde in besonderer Weise den aus dem Stall herrührenden Gerüchen ausgesetzt wäre. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben des Klägers bei der gegebenen kritischen Nähe auf Grund einer Sonderbeurteilung als zulässig erweisen könnte, seien weder ersichtlich noch von den Beteiligten geltend gemacht.
Für das Berufungsurteil tragend ist somit die tatrichterliche Würdigung des konkreten Sachverhalts. Ob diese Würdigung, wie die Beschwerde meint, zu beanstanden ist, und ob beispielsweise eine Sonderbeurteilung angebracht gewesen wäre, ist für die Frage einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht von Bedeutung.
2. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen gleichfalls nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts, mit seiner Bauvoranfrage gehe es ihm nicht mehr wie ursprünglich um die Situierung der einzelnen betrieblichen Anlagen, sondern nur um die Klärung der grundsätzlichen Eignung des Standorts, als - unzulässige - Klageänderung gemäß § 91 VwGO angesehen. Die Beschwerde rügt als Verstoß gegen § 88 VwGO, dass im Berufungsurteil gleichwohl noch über die Bauvoranfrage in ihrer ursprünglichen Fassung vom 13. Juni 2001 befunden worden sei. In der Tat hätte es vom prozessualen Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs aus keiner Entscheidung mehr über die zunächst den Gegenstand der beim Verwaltungsgericht erhobenen Verpflichtungsklage bildende Bauvoranfrage in der Gestalt vom 13. Juni 2001 bedurft. Denn durch die Berufung der Beklagten war lediglich die geänderte Klage Streitgegenstand des zweitinstanzlichen Verfahrens geworden. Der Kläger ist aber durch diese "überschießenden" Ausführungen nicht zusätzlich beschwert, das Berufungsurteil kann also nicht auf einer Verletzung des § 88 VwGO beruhen. Denn auch bei einer Beschränkung auf die geänderte Klage hätte die Berufung der Beklagten nach der insoweit zugrunde zu legenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Erfolg gehabt.
Die weitere Rüge des Klägers, der Verwaltungsgerichtshof habe verfahrensfehlerhaft eine Klageänderung angenommen, ist unbegründet. Die Bauvoranfrage vom 13. Juni 2001 war auf die bebauungsrechtliche Zulässigkeit des vom Kläger geplanten landwirtschaftlichen Vorhabens nach § 35 BauGB gerichtet. Die wichtigste und kritischste Frage war ersichtlich die Zulässigkeit des mit Geruchsemissionen verbundenen Mastschweinestalls. Ob der Errichtung des Stalles der öffentliche Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB entgegensteht, beurteilt sich bei dem hier gegebenen Sachverhalt maßgebend nach dessen konkretem Standort auf dem Baugrundstück, der in der Bauvoranfrage vom 13. Juni 2001 ebenso wie der Standort der anderen baulichen Anlagen auch genau bezeichnet war. Ändert - wie geschehen - der Bauherr die Bauvoranfrage in der Weise, dass der Standort des Stalles - wie auch der anderen Anlagen - auf dem Baugrundstück offen bleibt, so ist auch die maßgebende tatsächliche Beurteilungsgrundlage in wesentlichen Punkten geändert. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof darin eine Änderung des Streitgegenstandes und damit eine Klageänderung gesehen. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist im Übrigen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die Änderung der Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO). Dass der Verwaltungsgerichtshof bei dieser in seinem Ermessen liegenden und deshalb vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilung der Sachdienlichkeit fehlerhaft verfahren wäre, ist nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.