Beschluss vom 01.02.2022 -
BVerwG 4 BN 48.21ECLI:DE:BVerwG:2022:010222B4BN48.21.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 01.02.2022 - 4 BN 48.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2022:010222B4BN48.21.0]
Beschluss
BVerwG 4 BN 48.21
- OVG Koblenz - 19.08.2021 - AZ: 1 C 11536/20.OVG
In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Februar 2022
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt und Dr. Decker
beschlossen:
- Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. August 2021 wird zurückgewiesen.
- Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
- Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
1 Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
2 1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des angefochtenen Beschlusses zu Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zuzulassen. Insoweit verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
3 Nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn das Urteil von einer Entscheidung (u.a.) des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Diese Abweichung setzt einen Widerspruch in einem abstrakten Rechtssatz voraus, also einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 6 B 43.17 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 198 Rn. 4). In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die Entscheidung bezeichnet werden, von der das Urteil abweicht. Der Beschwerde obliegt es, aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einen tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einer revisiblen Rechtsvorschrift zu benennen und darzulegen, dass die Entscheidung der Vorinstanz auf einem abweichenden abstrakten Rechtssatz zu derselben Rechtsvorschrift beruht. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Sie arbeitet schon keinen Rechtssatz heraus, mit welchem das Oberverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Senats zu § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO abgewichen sein könnte, sondern kritisiert in der Sache die Rechtsanwendung durch das Normenkontrollgericht. Hierauf kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 7. Dezember 2021 - 4 BN 18.21 - juris Rn. 6).
4 2. Die Verfahrensrüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bleibt ebenfalls erfolglos. Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Antrag verfahrensfehlerhaft als unzulässig abgewiesen, greift nicht durch.
5 In der Entscheidung durch Prozessurteil statt Sachurteil liegt ein Verfahrensmangel, wenn ihr eine fehlerhafte Anwendung der prozessualen Vorschriften zugrunde liegt. Das ist etwa der Fall, wenn die prozessuale Bedeutung der anzuwendenden Verfahrensbestimmungen fehlerhaft beurteilt wird und Begriffsinhalte oder die zugrunde zu legenden Maßstäbe verkannt werden. Demgegenüber liegt ein Verfahrensmangel nicht vor, wenn das Gericht bei Anwendung der prozessualen Vorschriften eine materiell-rechtliche Vorfrage fehlerhaft beurteilt. Denn auch insoweit ist stets von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz auszugehen, selbst wenn deren Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 - juris Rn. 14, vom 3. August 2017 - 4 BN 11.17 - BRS 85 Nr. 184 S. 1214, vom 10. Juli 2020 - 4 BN 50.19 - BauR 2020, 1767 <1767 f.>, vom 19. November 2020 - 4 BN 14.20 - juris Rn. 8 und vom 19. November 2020 - 9 B 46.19 - Buchholz 424.01 § 34 FlurbG Nr. 6 Rn. 4).
6 Hiernach dringt der Antragsteller mit seiner Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Anforderungen an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO überspannt, nicht durch. Das Oberverwaltungsgericht hat die Möglichkeit, dass der Antragsteller durch den angegriffenen Bebauungsplan in seinem die Antragsbefugnis begründenden Recht auf gerechte Abwägung seiner Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB verletzt wird (BVerwG, Urteil vom 24. September 1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215 <220 ff.>), verneint, weil sich (auch) aus dem "Übernahmevertrag nichtöffentliche Wege" vom 7. Juni 2010, welcher zwischen der Teilnehmergemeinschaft H. und nach Auflösung derselben dem Antragsteller einerseits und der Antragsgegnerin andererseits geschlossen wurde, ein abwägungserheblicher Belang nicht herleiten lasse. Denn der Vertrag regele ausdrücklich, dass die Planungshoheit der Gemeinde (insbesondere Erstellung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen) von der Notwendigkeit der Herstellung eines Einvernehmens nicht berührt sei (UA S. 7 f.). Die Auslegung und rechtliche Würdigung vertraglicher Vereinbarungen ist eine Anwendung des sachlichen Rechts, so dass Fehler, die dem Gericht dabei unterlaufen können, grundsätzlich materielle Mängel sind (BVerwG, Beschluss vom 1. Juni 2015 - 9 B 61.14 - juris Rn. 16). Der Antragsteller legt nicht dar, dass die Vertragsauslegung ihrerseits auf Verfahrensfehlern, etwa auf einem insoweit rügefähigen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO, siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 14. Juni 2021 - 4 B 41.20 - juris Rn. 3 m.w.N.), beruht.
7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG.