Verfahrensinformation

Die Kläger - im Schichtdienst der beklagten Städte Cottbus, Oranienburg und Potsdam beschäftigte Feuerwehrbeamte - begehren Geldausgleich für freiwillig geleistete Mehrarbeit. Sie sind damit vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 32.15 u.a. -) erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat die geleistete Mehrarbeit als rechtswidrig beurteilt, weil das Land Brandenburg die entsprechende Öffnungsklausel (Art. 22 Unterabs. 1 der EU-Arbeitszeitrichtlinie) nicht rechtmäßig in das mitgliedstaatliche Recht umgesetzt habe.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen zur Klärung der Frage zugelassen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche „Opt-out-Regelung“ für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe der EU-Arbeitszeitrichtlinie zu stellen sind.


Pressemitteilung Nr. 53/2017 vom 21.07.2017

Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit von Feuerwehrbeamten in den Städten Potsdam, Oranienburg und Cottbus

Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können hierfür von ihren Dienstherrn - den beklagten Städten - Freizeitausgleich verlangen. Kann der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so besteht ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.


Das Bundesverwaltungsgericht hatte über Ausgleichsansprüche von kommunalen Feuerwehrbeamten im Land Brandenburg im Wesentlichen im Zeitraum zwischen 2007 und 2013 zu entscheiden. Während dieser Zeit verrichteten die Beamten auf eigenen Antrag Schichtdienst mit bis zu 56 Wochenstunden. 2010 und später machten sie geltend, die Dienstzeit, die über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden hinausgehe, sei infolge fehlerhafter Anwendung und Umsetzung von Unionsrecht als unionsrechtswidrige Zuvielarbeit finanziell abzugelten. Damit hatten sie in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg.


Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revisionen der beklagten Städte die auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch gestützten Klagen der Feuerwehrbeamten für die Zeiträume abgewiesen, die vor der erstmaligen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit durch die Beamten lagen. Für die Zeiträume nach der Geltendmachung des Ausgleichs für die Zuvielarbeit hat das Bundesverwaltungsgericht jeweils das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.


Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: Dem Grunde nach ist ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung („Opt-Out“) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) ist zwar vom brandenburgischen Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts - hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 - ist aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit haben sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzen offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot hat der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.


Auch auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr aber nur die unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wird. Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich - anders als beamtenrechtliche Besoldungs- oder Versorgungsansprüche - nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung. Für Ansprüche wegen rechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden.


Ab dem Monat nach einer berechtigten Rüge des Beamten hat der Dienstherr, kompensiert er die rechtswidrige Zuvielarbeit nicht mit Freizeitausgleich, diese Zuvielarbeit nach den Grundsätzen über die Mehrarbeitsvergütung auszugleichen. Der finanzielle Ausgleich erfolgt dabei nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden.


BVerwG 2 C 31.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 31.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1376/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 32.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 19.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 2562/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 33.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 20.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1372/11 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 34.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 23.15 - Beschluss vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 2814/13 - Beschluss vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 35.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 22.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1956/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 36.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 32.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Cottbus, 5 K 914/11 - Urteil vom 28. Februar 2013 -

BVerwG 2 C 37.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 21.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 838/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 38.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 26.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1241/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 39.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 29.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1292/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 40.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 30.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1367/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 41.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 28.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1267/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -

BVerwG 2 C 42.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 24.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1357/12 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 43.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 25.15 - Urteil vom 01. Juli 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1286/11 - Urteil vom 11. September 2013 -

BVerwG 2 C 44.16 - Urteil vom 20. Juli 2017

Vorinstanzen:

OVG Berlin-Brandenburg, 6 B 27.15 - Urteil vom 18. Juni 2015 -

VG Potsdam, 2 K 1399/12 - Urteil vom 16. Oktober 2013 -


Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 100.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B100.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 100.15

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1286/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 25.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 43.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 81.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B81.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 81.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1376/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 31.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 31.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 82.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B82.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 82.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 2562/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 19.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 32.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 84.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B84.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 84.15

  • VG Cottbus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 36.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 86.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B86.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 86.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1241/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 26.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 38.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 87.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B87.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 87.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1292/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 29.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 39.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 88.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B88.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 88.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1367/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 30.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 40.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 89.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B89.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 89.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1267/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 28.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 41.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 90.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B90.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 90.15

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1399/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 27.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 18. Juni 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 44.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 93.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B93.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 93.15

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1372/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 20.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 33.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 94.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B94.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 94.15

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 2814/13
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 23.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 34.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 96.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B96.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 96.15

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1956/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 22.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 35.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 97.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B97.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 97.15

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 838/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 21.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 37.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Beschluss vom 27.09.2016 -
BVerwG 2 B 99.15ECLI:DE:BVerwG:2016:270916B2B99.15.0

Beschluss

BVerwG 2 B 99.15

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1357/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 24.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. September 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg über die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 1. Juli 2015 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung in der Hauptsache vorbehalten.

Gründe

1 Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Revisionsverfahren erscheint geeignet, zur Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage beizutragen, welche Anforderungen an eine mitgliedstaatliche "Opt-out"-Regelung für freiwillige Mehrarbeit (Schichtarbeit) im Feuerwehrdienst über eine Arbeitszeit von 48 Wochenstunden hinaus nach Maßgabe von Art. 22 Unterabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Arbeitszeitrichtlinie) zu stellen sind.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 42.16 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004, BGBl. I S. 3091, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2207) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 31.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C31.16.0

Finanzielle Abgeltung unionsrechtswidriger Zuvielarbeit von Feuerwehrbeamten

Leitsätze:

1. Die brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen der Jahre 2007 (AZV Feu) und 2009 (BbgAZVPFJ) verletzen offenkundig das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/88/EG) geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

2. Zuvielarbeit liegt vor, wenn der Beamte freiwillig Dienst über die nach Maßgabe der RL 2003/88/EG und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus leistet. Mehrarbeit i.S.d. öffentlichen Dienstrechts dagegen darf die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden innerhalb eines Siebentageszeitraums außerhalb der im Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nicht überschreiten.

3. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch ist gegen eine beklagte Kommune dem Grunde nach gegeben, wenn diese die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Arbeitszeitvorschriften anwendet, obwohl für sie klar erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das unionsrechtliche Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

4. Auf der Grundlage des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs hat der Dienstherr nur die rechtswidrige Zuvielarbeit auszugleichen, die ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet wurde (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1). Primär erfolgt der Ausgleich durch Freizeit, sekundär durch Geld. Der Geldausgleich ist nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten, aber rechtswidrigen Zuvielarbeit, sondern nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden gemäß den Grundsätzen der Mehrarbeitsvergütung zu berechnen.

  • Rechtsquellen
    RL 2003/88/EG Art. 2, 6, 16, 17, 18, 19, 22
    EUV Art. 6
    GrCh Art. 31 Abs. 2
    ArbZG § 7 Abs. 7 Satz 2
    AZV Bund § 13
    LBG Bbg 2009 § 76
    BbgAZVPFJ 2014 § 21 Abs. 4
    BbgAZVPFJ 2009 § 21 Abs. 4
    AZV Feu Bbg 2007 § 4 Abs. 3

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1376/12
    OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 31.15

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 20.07.2017 - 2 C 31.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C31.16.0]

Urteil

BVerwG 2 C 31.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1376/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 31.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Februar 2012 bis 31. Dezember 2012) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im Januar 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab Januar 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den genannten Zeitraum 16 830,81 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Dezember 2012 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2009, in dem die Ansprüche nicht verjährt sind, liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Februar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C 397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Januar 2012 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Februar 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2009 und 2012 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Januar 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von Februar 2012 bis Dezember 2012 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom Februar 2012 bis Dezember 2012 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 32.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C32.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 32.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 2562/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 19.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Mai 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Juni 2012 bis 16. Oktober 2013) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im Mai 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm ab Juli 2007 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab Januar 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. Oktober 2013 einen Betrag von 21 784,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Mai 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 16. Oktober 2013 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2009 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Juni 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Mai 2012 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Juni 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2009 und 2013 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Mai 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 16. Oktober 2013 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 16. Oktober 2013 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 33.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C33.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 33.16

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1372/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 20.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. November 2010 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2012) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheide vom 25. September 2007 und 18. Dezember 2007. Den an sie im November 2010 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2012 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete und noch nicht als Mehrarbeit vergütete Arbeit Entschädigung in Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den genannten Zeitraum 16 774,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 30. November 2010 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2012 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2008, in dem die Ansprüche nicht verjährt sind, liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Dezember 2010 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom September 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger den Ausgleichsanspruch erst im November 2010 geltend gemacht hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Dezember 2010 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten noch streitigen Zeit zwischen 2008 und 2012 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im November 2010 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Dezember 2012 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum von Dezember 2010 bis Dezember 2012 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 34.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C34.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 34.16

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 2814/13
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 23.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheide vom 25. September 2007 und 18. Dezember 2007. Den an sie im Dezember 2010 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2007 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2011 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete und noch nicht als Mehrarbeit vergütete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für die Zeit 2008 bis 2011 einen Betrag von insgesamt 11 609,01 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte auf die Berufung des Klägers verurteilt, diesem für das Jahr 2007 weitere 3 920,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen. Auch für das Jahr 2007 sei der Ausgleichsanspruch des Klägers nicht verjährt.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2007 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Januar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E 5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger den Ausgleichsanspruch erst im Dezember 2010 geltend gemacht hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Januar 2011 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2007 und 2011 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Dezember 2010 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2011 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2011 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 35.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C35.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 35.16

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1956/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 22.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 25. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2012) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheide vom 25. September 2007 und 18. Dezember 2007. Den an sie im 25. Dezember 2010 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm ab Dezember 2010 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung der Klage im Übrigen verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 25. Dezember 2010 bis zum 31. Dezember 2012 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete und noch nicht als Mehrarbeit vergütete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den genannten Zeitraum 9 521,93 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 25. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2010 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Januar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom September 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger den Ausgleichanspruch erst im Dezember 2010 geltend gemacht hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Januar 2011 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2010 und 2012 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Dezember 2010 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2012 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2012 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 36.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C36.16.0

Finanzielle Abgeltung unionsrechtswidriger Zuvielarbeit von Feuerwehrbeamten; Dienstvereinbarung mit dem Personalrat

Leitsätze:

1. Es bleibt offen, ob unter "Tarifvertrag" und "Vereinbarung zwischen Sozialpartnern" i.S.v. Art. 18 Unterabs. 1 und Art. 19 der RL 2003/88/EG, durch die abweichende Regelungen des Bezugszeitraums der unionsrechtlich erlaubten wöchentlichen Höchstarbeitszeit getroffen werden können, allein entsprechende Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien - in Abgrenzung zu solchen mit Betriebs- und Personalräten - zu verstehen sind.

2. Die in § 21 BbgAZVPFJ 2009 getroffene (auf § 76 Abs. 2 Satz 1 LBG BB beruhende) Regelung des Bezugszeitraums für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes, die in Schichten Dienst leisten, steht als abschließende Regelung i.S.v. § 62 Abs. 6 Satz 2 PersVG BB einer abweichenden Regelung durch eine Dienstvereinbarung eines (kommunalen) Dienstherrn mit einem bei diesem gebildeten Personalrat entgegen.

3. Im Übrigen (Rn. 9 bis 49, Rn. 55 bis 67, Rn. 69) Parallelentscheidung zu dem mit Leitsätzen versehenen Urteil vom selben Tag - BVerwG 2 C 31.16 -.

  • Rechtsquellen
    RL 2003/88/EG Art. 2, 6, 16, 17, 18, 19, 22
    EUV Art. 6
    GrCh Art. 31 Abs. 2
    ArbZG § 7 Abs. 7 Satz 2
    AZV Bund § 13
    LBG Bbg 2009 § 76
    BbgAZVPFJ 2014 § 21 Abs. 4
    BbgAZVPFJ 2009 § 21 Abs. 4
    AZV Feu Bbg 2007 § 4 Abs. 3
    PersVG BB § 62 Abs. 6 Satz 1 und 2, § 70 Abs. 1 Satz 1

  • VG Cottbus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
    OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 20.07.2017 - 2 C 36.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C36.16.0]

Urteil

BVerwG 2 C 36.16

  • VG Cottbus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 28. Februar 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte für die Zeit ab Oktober 2007. Den an sie im Dezember 2010 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem 1. Oktober 2007 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, beschied die Beklagte nicht.

3 Auf die vom Kläger daraufhin im Dezember 2011 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen verurteilt, dem Kläger für die im Zeitraum von Oktober 2007 bis Dezember 2011 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit 15 987,15 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten auf die Anschlussberufung des Klägers neu gefasst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für die von im Zeitraum von Oktober 2007 bis Dezember 2011 geleistete Zuvielarbeit einen Betrag von 16 147,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 28. Februar 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2011 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab Oktober 2007 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Januar 2011 der Fall (5.). Auch aus den Dienstvereinbarungen der Beklagten mit dem Personalrat ihrer Stadtverwaltung über die Umsetzung der Arbeitszeitverordnungen Feuerwehr (AZV Feu 2007 und BbgAZVPFJ 2009) können die Beteiligten nichts anderes herleiten, weil sie für den hier maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2011 gegen die §§ 70 und 62 Abs. 6 PersVG BB verstoßen (6.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (7.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (8.). Für den Geldausgleich der Zuvielarbeit sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (9.). Das Berufungsgericht hat dem Kläger allein einen Anspruch auf Geldausgleich für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit zugesprochen, nicht aber einen solchen für Mehrarbeit (10.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (11.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom September 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Dezember 2010 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Januar 2011 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Die Frage, ob die von der Beklagten mit dem Personalrat ihrer Stadtverwaltung ab den Jahren 2007 jährlich geschlossenen Dienstvereinbarungen über die Umsetzung der Arbeitszeitverordnung Feuerwehr (AZV Feu 2007 und BbgAZVPFJ 2009) im Hinblick auf den dort geregelten einjährigen Bezugszeitraum für die Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unionsrechtskonform gewesen sind, ist von dem Senat nicht abschließend zu beantworten.

51 Zwar erlauben die Abweichungskompetenzen nach Art. 18 Unterabs. 1 und Art. 19 RL 2003/88/EG die Regelung eines einjährigen Bezugszeitraums im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler oder regionaler Ebene, oder bei zwischen den Sozialpartnern getroffenen Abmachungen, im Wege von Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern auf niedrigerer Ebene. Unionsrechtlich werden die Begriffe "Tarifvertrag" und "Vereinbarung zwischen Sozialpartnern" nicht näher definiert. Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten zu bestimmen sind (ABl. EU 2017 C 165/01 vom 24. Mai 2017 S. 49), ohne dass es genügt, ein entsprechendes Dokument lediglich als "Tarifvertrag" oder "Vereinbarung" zu bezeichnen. In der deutschen arbeitsrechtlichen Literatur werden als "Sozialpartner" im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie in Abgrenzung zu den Betriebsparteien allein die Tarifvertragsparteien verstanden (etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum Europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 18 RL 2003/88/EG Rn. 5; Ulber, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, 2015, § 6 Rn. 273 f., 277). Dafür könnte das vom Gerichtshof der Europäischen Union betonte hohe Schutzniveau des unionsrechtlichen Arbeitszeitschutzes sprechen, dass eine restriktive Auslegung abweichender Bestimmungen als Ausnahmen von der Unionsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier die Art. 18 und 19 RL 2003/88/EG - gebietet (vgl. EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02 ,Jaeger - Slg. 2003, I-8389 = juris Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010 I-10273 = juris Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16 Hälvä NZA 2017, 1113 Rn. 31). Es liegt danach nicht fern, nach Art. 18 f. RL 2003/88/EG statthafte Abweichungen allein in die Kompetenz von Sozialpartnern im oben geschilderten Sinne zu legen. Dies schlösse unionsrechtskonforme Abweichungen von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zwischen dem Dienstherrn und dem bei diesem gebildeten Personalrat aus. Da die Beteiligten aus der hier geschlossenen Dienstvereinbarung für den streitgegenständlichen Zeitraum ab Januar 2011 nach Landesrecht keine Ansprüche herleiten können, enthält sich der Senat insoweit einer abschließenden Beurteilung.

52 Denn gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 PersVG BB vom 15. September 1993 (GVBl. I 1993, 358) sind Dienstvereinbarungen zu personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Angelegenheiten nur zulässig, soweit sie nicht Einzelangelegenheiten sind oder gesetzliche oder tarifrechtliche Regelungen, insbesondere § 62 Abs. 6 PersVG BB nicht entgegenstehen. Nach § 62 Abs. 6 Satz 1 PersVG BB entfällt die Mitbestimmung des Personalrats beim Erlass von Rechtsvorschriften, bei allgemeinen Regelungen beamtenrechtlicher Verhältnisse, soweit die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Berufsverbände nach § 53 BeamtStG i.V.m. § 131 LBG BB zu beteiligen sind und bei Organisationsentscheidungen der Ministerien, die auf deren verfassungsmäßigen Rechten beruhen. Nach § 62 Abs. 6 Satz 2 PersVG BB entfällt die Mitbestimmung auch, wenn ein Gesetz oder Tarifvertrag die Angelegenheit abschließend regelt. Eine Regelung durch Verordnung aufgrund Gesetzes ist einer Regelung durch Gesetz oder Tarifvertrag gleich zu behandeln.

53 Der Bezugszeitraum für die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes, die in Schichten Dienst leisten, ist aufgrund von § 76 Abs. 1 Satz 1 LBG BB in § 21 BbgAZVPFJ 2009 geregelt. Diese Regelung ist abschließend i.S.v. § 62 Abs. 6 Satz 2 PersVG BB, soweit es um Arbeitszeiten ab 2011 geht.

54 Die Dienstvereinbarung der Beklagten vom 27. Juli 2010, die ab 2011 gelten sollte, verstieß gegen §§ 70 und 62 Abs. 6 PersVG BB. Damit können die Beteiligten aus der Dienstvereinbarung - unabhängig davon, ob sie gegen Unionsrecht verstößt - für Ausgleichsansprüche wegen Zuvielarbeit für die Zeit ab Januar 2011 nichts herleiten.

55 7. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

56 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

57 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

58 8. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

59 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

60 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2007 und 2011 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

61 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

62 9. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Dezember 2010 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2011 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

63 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

64 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

65 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

66 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

67 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

68 10. Nach den für den Senat revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Berufungsurteils ist dem Kläger allein Geldausgleich für von ihm unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit zugesprochen worden. Mehrarbeitsvergütung gemäß § 76 Abs. 2 S. 3 LBG BB ist dem Kläger hingegen nicht gewährt worden (vgl. zur Abgrenzung von Zuviel- und Mehrarbeiten oben und II 9.). Bereits im zweiten Eingangssatz des Tatbestands des Berufungsurteils heißt es, dass der Kläger zuletzt einen Geldausgleich für geleistete Zuvielarbeit begehrt. In den Entscheidungsgründen wird im Obersatz der Begründetheitsprüfung ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf den ihm vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Geldausgleich für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit zusteht. Auch in der Folge der Ausführungen des Berufungsurteils (vgl. etwa UA S. 8 und 14) wird von Zuvielarbeit und auszugleichender Zuvielarbeit gesprochen. Einzuräumen ist dem Kläger zwar, dass das Berufungsgericht neben dem Begriff der Zuvielarbeit wohl synonym auch den Begriff der "freiwilligen Mehrarbeit" verwendet, etwa bei der Auslegung von Art. 22 RL 2003/88/EG (UA S. 10). Eine Entscheidung über etwa im Fall des Klägers angeordnete Mehrarbeit der Beklagten nach § 76 Abs. 2 LBG BB hat das Berufungsgericht im hier angefochtenen Urteil aber nicht getroffen. Denn es hat weder die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür mitgeteilt noch hat es sich in den Entscheidungsgründen zu einem etwaigen Anspruch auf Mehrarbeit gemäß § 76 Abs. 2 LBG BB verhalten. Angesichts des im Tatbestand des Berufungsurteils sinngemäß wiedergegebenen Klägerantrags - "die Beklagte zu verurteilen, für die vom Kläger im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2011 geleistete Mehrarbeit über die 48. wöchentliche Dienststunde hinaus an den Kläger 16 147,20 € ... zu zahlen", wird das Oberverwaltungsgericht im zurückverwiesenen Verfahren zu prüfen haben, ob dem Kläger ggf. Vergütungsansprüche wegen geleisteter Mehrarbeit zustehen. Mit dem vorliegenden Urteil verneint der Senat abschließend allein vom Kläger geltend gemachte und vom Berufungsgericht ausgeurteilte Ansprüche aus Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2010.

69 11. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2011 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 37.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C37.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 37.16

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 838/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 21.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Februar 2011 bis 30. September 2013) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheide vom 25. September 2007 und 18. Dezember 2007. Den auf den 28. Dezember 2010 datierten und am 3. Januar 2011 eingegangenen Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2004 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum von Januar 2008 bis September 2013 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete und noch nicht durch Mehrarbeit vergütete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den genannten Zeitraum 25 403,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2011 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis zum 30. September 2013 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2008 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Februar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger den Ausgleichanspruch erst im Januar 2011 geltend gemacht hat (Eingang des auf den 28. Dezember 2010 datierten Schreibens bei der Beklagten am 3. Januar 2011), stehen ihm Ansprüche erst ab Februar 2011 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten noch streitigen Zeit zwischen 2010 und 2013 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Januar 2011 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von Februar 2011 bis September 2013 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum von Februar 2011 bis September 2013 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 38.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C38.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 38.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1241/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 26.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 7. Juni 2009 bis 31. März 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. April 2012 bis 16. Oktober 2013) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im März 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab dem 7. Juni 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Zeitraum vom 7. Juni 2009 bis zum 16. Oktober 2013 einen Betrag von 19 873,29 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 7. Juni 2009 bis 31. März 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 16. Oktober 2013 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab Juni 2009 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab April 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C 397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E 5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger den Ausgleichsanspruch erst im März 2012 geltend gemacht hat, stehen ihm Ansprüche erst ab April 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten noch streitigen Zeit zwischen 2009 und 2013 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im März 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 16. Oktober 2013 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis zum 16. Oktober 2013 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 39.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C39.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 39.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1292/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 29.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Februar 2012 bis 16. Oktober 2013) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im Januar 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab Januar 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. Oktober 2013 einen Betrag von 21 784,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2009 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Februar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Januar 2012 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Februar 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten noch streitigen Zeit zwischen 2009 und 2013 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Januar 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 40.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C40.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 40.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1367/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 30.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Februar 2012 bis 16. Oktober 2013) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im Januar 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab Januar 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. Oktober 2013 einen Betrag von 16 510,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2009 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Februar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Januar 2012 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Februar 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2009 und 2013 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Januar 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis 16. Oktober 2013 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 41.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C41.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 41.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1267/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 28.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Februar 2012 bis 16. Oktober 2013) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im Januar 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab Januar 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 16. Oktober 2013 einen Betrag von 21 784,36 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2009 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Februar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 10. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Januar 2012 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Februar 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten noch streitigen Zeit zwischen 2009 und 2013 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Januar 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 16. Oktober 2013 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 42.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C42.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 42.16

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1357/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 24.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2012) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheide vom 25. September 2007 und 18. Dezember 2007. Den an sie im Dezember 2010 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2004 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete und noch nicht als Mehrarbeit vergütete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den genannten Zeitraum 22 998,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2008 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Januar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom September 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Dezember 2010 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Januar 2011 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2008 und 2012 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Dezember 2010 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 43.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C43.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 43.16

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1286/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 25.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2012) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im September 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheide vom 25. September 2007 und 18. Dezember 2007. Den an sie im Dezember 2010 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Ablehnung des Antrags im Übrigen und teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete und noch nicht als Mehrarbeit vergütete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den genannten Zeitraum 16 774,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 11. September 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2010 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2008 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab Januar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom September 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Dezember 2010 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab Januar 2011 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2008 und 2012 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Dezember 2010 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2012 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Urteil vom 20.07.2017 -
BVerwG 2 C 44.16ECLI:DE:BVerwG:2017:200717U2C44.16.0

Urteil

BVerwG 2 C 44.16

  • VG Potsdam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1399/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 27.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr ein Geldausgleich für nicht anderweitig abgegoltene Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 29. Februar 2012 geltend gemacht wird. Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
  2. Im Übrigen (hinsichtlich des Zeitraums vom 1. März 2012 bis 31. Dezember 2012) wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum bei der beklagten Stadt als Feuerwehrbeamter im 24-Stunden-Schichtdienst tätig war, begehrt finanziellen Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit.

2 Der von dem Kläger im Oktober 2007 beantragten Erhöhung seiner durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 56 Stunden entsprach die Beklagte durch Bescheid vom 26. Oktober 2007. Den an sie im Februar 2012 gerichteten Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich, hilfsweise auf Geldausgleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stunden pro Woche hinaus verrichteten Dienstzeiten, lehnte die Beklagte ab. Das Vorverfahren blieb erfolglos.

3 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, dem Kläger für die im Zeitraum ab Januar 2009 über 48 Stunden pro Woche hinausgehend geleistete Arbeit Geldausgleich nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es die Beklagte verurteilt hat, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2012 einen Betrag von 17 494,65 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe der zugesprochene Geldausgleich infolge des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs wegen Verletzung der Arbeitszeitrichtlinie zu. Eine freiwillige Zuvielarbeit bei Überschreitung der unionsrechtlich höchstzulässigen Bezugszeiträume sei auch aufgrund von Ausnahmevorschriften nicht vorgesehen.

4 Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 und des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

5 Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision der Beklagten.

II

7 Die Revision ist teilweise begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Soweit die Sache nicht vom Senat selbst entschieden werden kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), ist sie an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht. Deshalb ist die Klage abzuweisen, soweit mit ihr finanzieller Ausgleich für nicht anderweitig abgegoltene unionsrechtswidrige Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 29. Februar 2012 geltend gemacht wird. Ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für den verbleibenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 31. Dezember 2012 aus anderen Gründen im Ergebnis ganz oder teilweise als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der Senat mangels hierfür ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht entscheiden.

8 In dem Zeitraum ab 2009 liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die Beklagte, die das vom Land Brandenburg erlassene Recht lediglich anwendet, dem Grunde nach vor (1.). Unionsrecht kann in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnungen umgesetzt werden (2.). § 4 Abs. 3 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren und den Leitstellen der Landkreise im Land Brandenburg vom 3. August 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdienstes des Landes Brandenburg vom 16. September 2009 (BbgAZVPFJ, GVBl. II S. 686) setzen Art. 22 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft um. Sie verletzen offenkundig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Verbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten (3.). Die Anwendung dieses mit Unionsrecht unvereinbaren Landesrechts ist der beklagten Stadt als Dienstherrin der Feuerwehrbeamten anzulasten. Durch die Anwendung des den Vorgaben des Unionsrechts nicht genügenden innerstaatlichen Rechts ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch auch gegenüber der Kommune als Dienstherrin begründet (4.). Der Dienstherr muss aber lediglich die rechtswidrige Zuvielarbeit ausgleichen, die der Berechtigte ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat geleistet hat. Dies ist im Fall des Klägers erst für die Zeit ab März 2012 der Fall (5.). Der noch nicht verfallene Ausgleichsanspruch ist primär auf Ausgleich in Freizeit ausgerichtet. Da diese Form des Ausgleichs aus vom Kläger nicht zu vertretenden Gründen ausscheidet, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen solchen auf finanziellen Ausgleich (6.). Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet hat, bestimmt sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Normgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum (7.). Für den Geldausgleich sind die Sätze der Mehrarbeitsvergütung für Beamte maßgeblich. Der finanzielle Ausgleich erfolgt danach nicht pauschal nach der Differenz zwischen der Höchstarbeitszeit und der genehmigten Zuvielarbeit. Er richtet sich vielmehr nach den vom Beamten konkret geleisteten Dienststunden (8.). Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren nach Art. 267 AEUV ist nicht veranlasst (9.).

9 1. Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs gegen die beklagte Stadt, die nicht für die Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie durch den Erlass von Rechtsnormen zuständig ist, sind im Zeitraum ab dem Jahr 2009 dem Grunde nach gegeben. Denn die Beklagte hat die zur Umsetzung von Art. 22 RL 2003/88/EG erlassenen Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg angewendet, obwohl für sie erkennbar war, dass diese Umsetzung im Hinblick auf das Nachteilsverbot unzureichend gewesen ist.

10 Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt (a), zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (b) und der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit nach Maßgabe der Erfordernisse der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet. Diese Vorschrift verleiht dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der wortgleichen Vorgängerbestimmung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Arbeitszeitrecht der Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche Rang wie den Verträgen zuerkannt ist (stRspr, zuletzt EuGH, Urteile vom 30. Juni 2016 - C-178/15, Sobczyszyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. November 2015 - C-219/14, Greenfield - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Arbeitnehmer keine weitergehenden Schutzrechte herleiten (zum einheitlichen Arbeitnehmerbegriff von Richtlinie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fenoll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wonach jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer u.a. das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit hat, gewährleistet aufgrund der Unbestimmtheit seines Wortlauts keine weitergehenden Individualrechte.

12 Gemäß der Ausnahmevorschrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mitgliedstaaten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden pro Siebentageszeitraum normiert wird, unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Ein solches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur möglich, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür gesorgt wird, dass kein Arbeitgeber von dem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn, der Arbeitnehmer ist freiwillig dazu bereit, und dass ihm im Weigerungsfall keine Nachteile entstehen.

13 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur derzeitigen Arbeitsschutzrichtlinie RL 2003/88/EG, ebenso wie zu der Vorgängerrichtlinie RL 1993/104/EG, sind abweichende Bestimmungen als Ausnahmen von der Gemeinschaftsregelung über die Arbeitszeitgestaltung - wie hier Art. 22 der Richtlinie - so auszulegen, dass ihr Anwendungsbereich auf das zur Wahrung der Interessen, deren Schutz sie ermöglichen, unbedingt Erforderliche begrenzt wird (EuGH, Urteile vom 9. September 2003 - C-151/02, Jaeger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31; ebenso Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vorgaben in den Rechtsverordnungen des Landes Brandenburg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar formell wirksam (siehe unten 2.), aber inhaltlich infolge Nichtbeachtung des Nachteilsverbots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur unvollständig und damit fehlerhaft umgesetzt (siehe unten 3.). Dies verletzt den Kläger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG gewährten Rechten. Die beklagte Stadt hat diese im Hinblick auf das Nachteilsverbot unionsrechtswidrigen Vorschriften angewandt und damit ihrerseits den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Klägers ausgelöst (siehe unten 4.).

15 b) Zwischen dem Verstoß gegen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Schaden, der dem Kläger durch die unionsrechtswidrig erbrachte Zuvielarbeit entstanden ist, besteht auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang. Unerheblich ist, dass diese Zuvielarbeit des Klägers und der damit verbundene Verlust an Freizeit und Erholungszeit nach nationalem Recht keinen Schaden im Sinne des zivilrechtlichen Schadensersatzrechts darstellen. Maßgeblich ist insoweit allein auf das Unionsrecht abzustellen, das hierin einen Schaden sieht (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 sowie Tenor 1 und 4; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Darüber hinaus ist der Verstoß gegen das Unionsrecht auch hinreichend qualifiziert, um den unionsrechtlichen Haftungsanspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das der Fall, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt (EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Januar 2007 - C-278/05, Robins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 sowie Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht zulasten des Klägers liegt im Hinblick auf das von der Beklagten zu beachtende Nachteilsverbot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (siehe 3.a).

17 Für den Zeitraum ab dem Jahr 2009 sind zugleich grundsätzlich die Voraussetzungen des dienstrechtlichen Ausgleichsanspruchs aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gegeben (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26). Die beiden Ansprüche sind hinsichtlich der Verjährung sowie der Rechtsfolgen gleichgerichtet (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 - eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, sind am Maßstab des Unionsrechts zu messen, soweit die Richtlinie den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 22. Oktober 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerfGE 73, 339 <387>, vom 7. Juni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerfGE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerfGE 121, 1 <15>, vom 14. Oktober 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerfGE 122, 1 <20> und vom 21. September 2016 - 2 BvL 1/15 - juris Rn. 32). Den Mitgliedstaaten steht es unter den in Art. 22 RL 2003/88/EG genannten Voraussetzungen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässigen Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer abzuweichen. Dafür müssen sie Rechtsnormen erlassen (EuGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richtlinie garantierten allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewährleisten und die darüber hinaus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG genannten Kriterien genügen. Für die Transformation von Unionsrecht in innerstaatliches Recht kommen sowohl formelle Gesetze als auch Rechtsverordnungen in Betracht (vgl. nur Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schroeder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 jeweils m.w.N.). Damit richtet sich die Unionsrechtskonformität der fraglichen Rechtsverordnungen insoweit allein danach, ob diese nach innerstaatlichem Recht eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage haben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - ebenso wie seine inhaltsgleiche Vorgängernorm in § 143 und § 134 Landesbeamtengesetz Brandenburg vom 8. Oktober 1999 (GVBl. I S. 446) - ermächtigt die zuständigen Mitglieder der Landesregierung ausdrücklich, die Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in einer Rechtsverordnung zu regeln. Damit ist sowohl dem unionsrechtlichen Rechtsnormvorbehalt als auch dem innerstaatlichen Gesetzesvorbehalt Genüge getan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und seine Nachfolgervorschrift, der wortlautidentisch bis zum 31. Juli 2014 geltende § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009, bestimmen, dass auf Antrag des Beamten über den Rahmen von 48 Wochenstunden hinaus Schichtdienst bis zu 56 Stunden unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes als durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bewilligt werden kann. Die Bewilligung kann aus dienstlichen Gründen zum Ablauf eines Kalenderjahrs mit einer Frist von drei Monaten widerrufen werden. Der Beamte ist auf die Widerrufsmöglichkeit schriftlich hinzuweisen. Er kann seinen Antrag zum Ablauf eines Kalenderjahres mit einer Frist von drei Monaten widerrufen.

20 a) Sowohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 setzen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hinreichend um. Danach hat ein Mitgliedstaat, der von dieser Ausnahmevorschrift Gebrauch machen möchte, mit den erforderlichen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, einer über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von durchschnittlich 48 Wochenstunden (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hinausgehenden Arbeit nachzugehen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mitgliedstaatliches "Opt-out" damit unter den Vorbehalt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, aus den in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen "auszutreten" oder "hinauszuoptieren" (Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Rechtsvorschrift. Ihr kann vielmehr durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist jedoch erforderlich, dass die Rechtslage hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese ggf. vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteile vom 9. September 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vorgabe, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG normierte Nachteilsverbot in innerstaatliches Recht umzusetzen, werden weder § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 gerecht. In beiden Vorschriften fehlt ein Hinweis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG geregelte Nachteilsverbot. Dadurch wird dessen praktische Wirksamkeit geschwächt, weil der Arbeitnehmer nicht hinreichend klar erkennen kann, dass er sich, nach der Erklärung seinerseits an der Höchstarbeitszeit gemäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG festhalten zu wollen, etwa gegen nachteilige Dienstplangestaltungen mit Erfolg zur Wehr setzen kann (Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nachteilsverbot, das mit Blick auf den Schutzcharakter der Arbeitszeitrichtlinie wesentliche Bedeutung hat, kommt auch nicht in sonstigen im Bereich des Landes Brandenburg geltenden veröffentlichten Rechtsvorschriften, wie insbesondere den Beamtengesetzen, in die der insoweit begünstigte Arbeitnehmer etwa Einsicht nehmen könnte, mit hinreichender Bestimmtheit, Klarheit und Transparenz zum Ausdruck. Das gilt insbesondere für die - lediglich als Generalklausel formulierte - beamtenrechtliche Fürsorgepflicht gemäß § 45 BeamtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zudem wäre, selbst wenn man unterstellt, dass solche Rechtsvorschriften vorhanden sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden brandenburgischen Arbeitszeitverordnungen hinzuweisen. Daran fehlt es ebenfalls. Anderenfalls wäre der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG begünstigte Arbeitnehmer, der typischerweise gerade über keine vertieften juristischen Kenntnisse verfügt, nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage, die erforderliche inhaltliche Verknüpfung zwischen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG umsetzenden nationalen Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und dem an anderer Stelle normierten Nachteilsverbot herzustellen. So wäre etwa der begünstigte (beamtete) Arbeitnehmer nicht mit der gebotenen Gewähr in der Lage zu erkennen, dass seine - aus dienstlichen Gründen mögliche - Umsetzung oder auch nur eine ihm nachteilige Dienstplanänderung dem Nachteilsverbot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG unterfällt, wenn sie deshalb erfolgt, weil er nicht bereit ist, über die wöchentliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Stunden hinaus zu arbeiten (siehe so auch Europäische Kommission, Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Deshalb greifen die Arbeitszeitverordnungen sowohl des Bundes und mehrerer anderer Bundesländer, die von der Öffnungsklausel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Gebrauch gemacht haben, das Nachteilsverbot gerade ausdrücklich auf (vgl. etwa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzVBY vom 5. Januar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZVO vom 30. Dezember 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZVO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZVOFeu NW vom 1. September 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 SächsAZVO vom 28. Januar 2008, GVBl. S. 198). Hervorzuheben ist, dass auch das Recht des Landes Brandenburg nunmehr - mit Wirkung ab dem 1. August 2014 - das Nachteilsverbot in § 21 Abs. 4 Satz 2 BbgAZVPFJ vom 10. Juli 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) ausdrücklich nennt. Daran fehlt es - für den hier streitgegenständlichen Zeitraum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009.

26 b) Steht damit die unvollständige Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 BbgAZVPFJ 2009 eindeutig und klar fest, kommt es auf die weitere Frage, ob diese Bestimmungen der beiden genannten Rechtsverordnungen darüber hinaus auch den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG offenkundig nicht gerecht werden, vorliegend nicht entscheidungserheblich an. Der Senat hält diese Frage für offen.

27 aa) Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs "im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des "Opt-out" bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte - in der Richtlinie genannte - kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum" die Rede ist.

28 Die innerstaatliche Rechtsprechung zu dieser Frage ist uneinheitlich (bejahend: OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 - OVG 6 B 19.15 - juris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - juris Rn. 25; verneinend: VG München, Urteil vom 18. Oktober 2016 - M 5 K 14.5855 - juris Rn. 32; VG Aachen, Urteil vom 28. Januar 2016 - 1 K 2244/14 - juris Rn. 32).

29 Einerseits gibt es Argumente, die dafür sprechen, ein mitgliedstaatliches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur unter Festlegung eines Bezugszeitraums zuzulassen. Der Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könnte in deutscher Sprachfassung darauf hindeuten, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, einen (bis zu viermonatigen) Bezugszeitraum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu regeln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG bestimmt, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt ist, Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Weiteren vor, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass "der Arbeitgeber die zuständigen Behörden [...] darüber unterrichtet, welche Arbeitnehmer sich dazu bereit erklärt haben, im Durchschnitt des in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten".

30 Auch aus der Normsystematik lassen sich Gründe für die Notwendigkeit, einen Bezugszeitraum nach Maßgabe von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Falle des "Opt-out" zu regeln, herleiten. Systematisch spricht der Zusammenhang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Erfordernis eines Bezugszeitraums. Zu den unabhängig vom Einverständnis des Arbeitnehmers zu regelnden Vorgaben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gehört, dass der Mitgliedstaat dafür sorgt, dass ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, nur durchschnittlich 48 Wochenstunden zu arbeiten. Dafür wäre die Regelung jedenfalls eines Bezugszeitraums hilfreich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten eine Grenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit regeln, um so zum Arbeits- und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer beizutragen (EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein solcher Schutz würde ohne die Festlegung eines Bezugszeitraums für den Durchschnitt der Wochenarbeitszeit erschwert. Der durch die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit bezweckte Schutz ist umso intensiver, je kürzer der für den Durchschnitt maßgebliche Bezugszeitraum ist. Besonders intensiv ist er, wenn der Bezugszeitraum nur eine Woche beträgt, weil es dann unmöglich ist, eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit einer Woche durch geringere Arbeitszeiten anderer Wochen "wegzurechnen". Ein maximaler Schutz in diesem Sinne wäre mithin dadurch zu erreichen, dass bei Fehlen einer Regelung des Bezugszeitraums der konkrete Siebentageszeitraum maßgeblich ist. Diese Rechtsfolge tritt bei Fehlen einer Bezugszeitraumregelung ein, solange Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG Anwendung findet (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zulassung einer ohne Bezugszeitraum möglichen und damit unlimitierten Höchstarbeitszeit könnte zudem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh widersprechen, der bestimmt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat (vgl. Stärker, Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch ein rechtmäßiges "Opt-out" gemäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Erfordernis der wöchentlichen Höchstarbeitszeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG befreit, aber nicht von den täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ruhepausen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Beschränkungen der Nachtarbeit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dispensiert. Deshalb ist die Feststellung der Kommission in ihren aktuellen Anwendungshinweisen zu Auslegungsfragen der Arbeitszeitrichtlinie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zutreffend, dass, berücksichtigt man nur den Zeitraum der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit, die in der Richtlinie vorgeschriebenen Mindestzeiträume der täglichen und wöchentlichen Ruhezeit von den insgesamt 168 Stunden (24 Stunden x 7 Tage) einer Woche bereits durchschnittlich 90 Ruhestunden bedeuten (6 Tage x 11 Stunden tägliche Ruhezeit + 24 Stunden wöchentliche Ruhezeit). Demzufolge dürfte unter Berücksichtigung von Ruhezeiten, Ruhepausen und der möglichen strengeren Beschränkungen im Fall von Nachtarbeit die Arbeitszeit auch im Falle einer rechtmäßigen Ausnahmeregelung nach Art. 22 RL 2003/88/EG einen Durchschnitt von 78 Stunden pro Woche nicht überschreiten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 Andererseits wirft die konkrete Bestimmung eines Bezugszeitraums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG eine Vielzahl von bislang ungeklärten unionsrechtlichen Fragen auf. So ist zunächst unklar, ob es zur abstrakt-generellen Regelung der Möglichkeit einer "Opt-out"-Vereinbarung eines besonderen Bezugszeitraums bedarf. Der Hinweis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) genannten Bezugszeitraum könnte nämlich auch darauf hindeuten, dass damit der längste vom Mitgliedstaat festzulegende Bezugszeitraum gemeint ist. Dafür könnte auch nach der deutschen Sprachfassung des Richtlinientextes sprechen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Artikel 16 Buchstabe b) genannten Zeitraum" die Rede ist und nicht von dem "nach Artikel 16 Buchstabe b) festgesetzten Bezugszeitraum".

34 Des Weiteren stellen sich normsystematische Fragen nach dem Verhältnis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG verweist wörtlich betrachtet allein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG genannten Zeitraum, sodass fraglich ist, ob er auch die Festsetzungen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richtlinie erfasst, in denen - jeweils unter besonderen Voraussetzungen - andere Bezugszeiträume benannt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Verhältnis zu Art. 16 RL 2003/88/EG unter bestimmten Voraussetzungen längere Bezugszeiträume von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Monaten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) eröffnen.

35 Die Formulierung der verschiedenen Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie ist je nach Sprachfassung und auch innerhalb einzelner Sprachfassungen nach den Ausführungen der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott im Verfahren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen aber die Bestimmungen des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Rechtstextes der Union voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (EuGH, Urteile vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ERGO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Osso - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung und damit einer einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts schließt es danach aus, eine Vorschrift in einer ihrer Fassungen isoliert zu betrachten, sondern gebietet es, sie anhand des wirklichen Willens ihres Normgebers und des von ihm verfolgten Zwecks namentlich im Licht ihrer Fassungen in allen Sprachen der Union auszulegen. Eine abweichende Sprachfassung kann deshalb nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben (EuG-Rechtsmittelkammer, Urteil vom 8. November 2012 - T-268/11 P - juris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Uneinheitlichkeit in den verschiedenen Sprachfassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hinzuweisen. Die Fassungen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG weisen in englischer, französischer und deutscher Fassung jeweils kleine Besonderheiten auf, die bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen sein könnten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lautet in englischer Fassung: "for the application of Article 6 (maximum weekly working time), a reference period not exceeding four months", also um einen Bezugszeitraum, der vier Monate nicht überschreiten darf, während es in französischer und deutscher Fassung im Gleichklang um einen Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten ("une periode de reference ne depassant pas quatre mois") geht. Weiter heißt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in englischer Fassung "duration of the working time", während sich die französische und deutsche Fassung des Normtextes jeweils mit den Worten "la duree du temps de travail" oder mit dem Wort "Arbeitszeit" begnügt. Die englische Fassung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG darüber hinaus nur von Tarifverträgen (collective agreements) und Vereinbarungen zwischen beiden Seiten der Industrie (the two sides of industry) während im französischen und deutschen Text der Richtlinie an dieser Stelle von "conventions collectives"/"Tarifverträgen" und "accords conclus entre partenaires sociaux"/"Sozialpartnern" gesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) ausdrücklich darauf hinweist, dass die Richtlinie weder den Begriff "Tarifvertrag" definiert noch näher erläutert, was "Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern auf nationaler und regionaler Ebene" sind, mit der Folge, dass diese Begriffe durch nationale Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten näher zu bestimmen seien (ABl. EU Nr. C 165/49). Schließlich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG aufmerksam zu machen. Dort heißt es in der englischen Fassung am Ende "unless he has first obtained the worker’s agreement to perform such work”, während es nach der französischen und deutschen Textfassung ausreicht, dass sich der Arbeitnehmer bereit erklärt hat, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten.

37 All diese sprachlichen Unebenheiten lassen sich normsystematisch und teleologisch zwar unter Rückführung darauf vereinheitlichen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in den Vorschriften der Arbeitszeitrichtlinie über die Mindestruhezeiten und die Höchstarbeitszeiten "besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft" sieht. Diese Regeln müssen jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen (vgl. z.B. EuGH, Urteile vom 7. September 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Oktober 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Deshalb begrenzt der Gerichtshof die den Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mögliche Abweichungsmöglichkeit u.a. von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit für Fälle, in denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Merkmale der ausgeübten Tätigkeit nicht gemessen und oder nicht im Voraus festgelegt wird oder von den Arbeitnehmern selbst festgelegt werden kann, auf das zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer "unbedingt Erforderliche" (EuGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - C-175/16, Hälvä - juris Rn. 31).

38 Daraus aber den für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erforderlichen weiteren Schluss zu ziehen, ein Mitgliedstaat verstoße hinreichend qualifiziert und damit offenkundig gegen eine unionsrechtliche Norm, wenn er eine "Opt-out"-Entscheidung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, ohne zugleich einen Bezugszeitraum im Sinne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG festzulegen, ist dem Senat mangels des erforderlichen Maßes an Klarheit und Genauigkeit der als verletzt geltenden Vorschrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht möglich.

39 bb) Ebenso verhält es sich mit der weiteren Frage der Freiwilligkeit der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - C-397/01 u.a., Pfeiffer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) notwendig individuellen Bereitschaftserklärung eines Arbeitnehmers. Hier geht es um den schriftlichen Antrag des Klägers vom 25. Oktober 2007, Zuvielarbeit im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leisten zu dürfen. Während die Freiwilligkeit und Individualität der Bereitschaftserklärung des Klägers unzweifelhaft sind, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Unionsrecht im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit dieser Erklärung oder dieses Antrags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009. Der Richtlinientext enthält keine ausdrückliche Regelung über das "ob" und das "wie" eines die Bereitschaftserklärung betreffenden Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Möglichkeit und Modalitäten eines Widerrufs ist nicht ersichtlich. Der EFTA-Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 2015 - E-5/15 - (juris) nur entschieden, dass der generelle Widerrufsauschluss einer einmal wirksam gegebenen Bereitschaftserklärung im Einzelfall eine Verletzung der Richtlinie begründen kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 vorgesehene Widerrufsmöglichkeit mit einer Frist von drei Monaten zum Ablauf des Kalenderjahres den Anforderungen an die jederzeitige Freiwilligkeit der Bereitschaft zur Zuvielarbeit genügt, kann hier unentschieden bleiben. Dafür könnte die Tatsache sprechen, dass der Richtlinientext für die Frage des Widerrufs und der Widerrufsfrist einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Dagegen ließe sich indes normsystematisch und am Zweck des Arbeitszeitschutzes orientiert für einen möglichen Gleichlauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG maximalen Bezugszeitraums von vier Monaten und der Frist für den Widerruf einer Bereitschaftserklärung zur Zuvielarbeit argumentieren (so etwa Gallner, in: Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tatsache, dass der bundesdeutsche Gesetzgeber in Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Widerrufsfrist für nicht beamtete Arbeitnehmer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fassung vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3002) generell auf sechs Monate ohne Begrenzung auf das Jahresende bestimmt hat (vgl. dazu näher Wank, in: Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könnte gegen eine maximal 15 Monate laufende Widerrufsfrist - Widerruf am 1. Oktober, Fristablauf am 31. Dezember des Folgejahres - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 eingewandt werden. Dies zeigt: Auch die Frage, ob die Vorgaben des streitgegenständlichen brandenburgischen Landesrechts zur Arbeitszeit für Feuerwehrbeamte in der Zeit zwischen 2007 (Inkrafttreten von § 4 AZV Feu 2007 im August 2007) und 2014 (Inkrafttreten von § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2014 im August 2014) den Anforderungen der Freiwilligkeit für die Dauer der Bereitschaft zur Zuvielarbeit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG genügen, lässt sich aufgrund einer Normauslegung nach Wortlaut, Systematik und Zweck nicht hinreichend eindeutig und klar beantworten.

41 cc) Die Textanalyse schließt es nach alledem aus, hinsichtlich der Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fragen der Notwendigkeit von Bezugszeiträumen und den Anforderungen an die Freiwilligkeit für den Widerruf von Einverständniserklärungen zur Zuvielarbeit hinsichtlich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 von einem "hinreichend qualifizierten Verstoß" gegen das Unionsrecht im Sinn des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs auszugehen.

42 4. Ungeachtet der evident unzureichenden Umsetzung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Regelung der Arbeitszeit von kommunalen Feuerwehrbeamten zuständigen Landesgesetzgeber ist die beklagte Stadt hier als Normanwender aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten gewesen, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes Landesrecht unangewendet zu lassen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 klar und eindeutig die Vorgabe gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG verletzen, weil es diesen Rechtsverordnungen an einer Vorschrift fehlt, die gewährleistet, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, Zuvielarbeit zu leisten. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber zur Anwendung des Unionsrechts verpflichtet (EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Danach hat die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Dienstherrin des Klägers durch Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs der EU-Arbeitszeitrichtlinie hinreichend qualifiziert gegen das Unionsrecht verstoßen. Dass sie innerstaatlich die Rechtsverordnungen des Landes im Rahmen ihrer Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung zu befolgen hatte, ändert daran nichts.

43 5. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen rechtswidriger Zuvielarbeit setzt - wie der nationale dienstrechtliche Ausgleichsanspruch - voraus, dass er vom Beamten oder Soldaten zuvor zumindest in Form einer Rüge geltend gemacht worden ist. Auszugleichen ist die rechtswidrige Zuvielarbeit, die ab dem auf die erstmalige schriftliche Geltendmachung folgenden Monat geleistet worden ist (stRspr, BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Kläger erst im Februar 2012 den Antrag gestellt hat, stehen ihm Ansprüche erst ab März 2012 zu.

44 a) Besoldungsansprüche von Beamten und Soldaten ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), eines Antrages oder einer Rüge bedarf es daher nicht. Entsprechendes gilt für Versorgungsbezüge (z.B. § 3 Abs. 1 BeamtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechtsgrund der Alimentierung von Ruhestandsbeamten ist zwar der Versorgungsfestsetzungsbescheid, auch dieser ergeht indes von Amts wegen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und bedarf daher weder eines Antrags noch einer Hinweispflicht (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 34).

45 Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, bedürfen dagegen einer vorherigen Geltendmachung (BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerfGE 81, 363 <384 f.>; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - juris Rn. 16). Denn hier ist eine vorgängige behördliche Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich.

46 Für Ansprüche wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit gilt dies in besonderer Weise. Diese sind nicht primär auf die Zahlung eines finanziellen Ausgleichs gerichtet, sondern auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands. Durch den Hinweis des Beamten oder Soldaten ist daher zunächst eine Prüfung seines Dienstherrn veranlasst, ob eine Änderung der Arbeitszeitgestaltung erforderlich ist und ob eine rechtswidrige Zuvielarbeit - etwa durch Anpassung der maßgeblichen Dienstpläne - vermieden oder durch die Gewährung von Freizeitausgleich kompensiert werden kann. Ohne entsprechende Rüge muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der aktuellen Arbeitszeitregelung beanstanden. Auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Ausgleichspflicht hat der Dienstherr ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit unvorhersehbaren Zahlungsbegehren konfrontiert zu werden (BVerwG, Urteile vom 21. September 2006 - 2 C 7.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Beamte wird durch das Erfordernis der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber seinem Dienstherrn auch nicht unzumutbar belastet. Denn an die Rüge des Berechtigten sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn sich aus der Äußerung ergibt, dass der Beamte oder Soldat die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt hält. Weder ist ein Antrag im rechtstechnischen Sinne erforderlich noch muss Freizeitausgleich, hilfsweise finanzieller Ausgleich, beantragt oder der finanzielle Ausgleich konkret berechnet werden (BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die Anwendung des Grundsatzes der schriftlichen Geltendmachung auch auf den nicht normativ geregelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist mit Unionsrecht vereinbar (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Voraussetzung für die Vereinbarkeit des genannten Grundsatzes mit Unionsrecht ist, dass den Anforderungen des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes Rechnung getragen ist (EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. September 2015 - C-20/13, Unland - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den nationalen Gerichten obliegende Prüfung ergibt, dass die Voraussetzungen der beiden unionsrechtlichen Vorgaben in Bezug auf das Gebot der schriftlichen Geltendmachung erfüllt sind. Dem Gebot, dass die Modalitäten zur Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzgrundsatz), ist Rechnung getragen. Auch der - neben dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch bestehende, richterrechtlich entwickelte - Ausgleichsanspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ist nur gegeben, wenn der Berechtigte diesen gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht (BVerwG, Urteile vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung ist im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Berechtigten und die Behörde schützt, mit diesen Vorgaben des Unionsrechts vereinbar (EuGH, Urteile vom 30. Juni 2011 - C-262/09, Meilicke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. September 2015 - C- 20/13, Unland - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zudem sind, wie dargelegt, die Anforderungen an die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs gering. Denn der Berechtigte muss gegenüber dem Dienstherrn lediglich schriftlich zum Ausdruck bringen, er halte die wöchentliche Arbeitszeit für zu hoch festgesetzt.

50 6. Der primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtete Anspruch des Klägers wandelt sich infolge Ablaufs des möglichen Ausgleichszeitraums in einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, der weder verfallen noch aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

51 Der Haftungsanspruch wegen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit ist primär auf Ausgleich in Freizeit gerichtet. Zweck der Begrenzung der Höchstarbeitszeit pro Siebentageszeitraum, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, ist nicht durch eine Geldzahlung, sondern durch die Freistellung von der Pflicht zur Dienstleistung zu erreichen.

52 Scheidet aber die Gewährung von Freizeit zum Ausgleich der unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen aus, so gebietet es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die entstandenen Ansprüche nicht untergehen, sondern sich in solche auf finanziellen Ausgleich umwandeln (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Danach sind hier finanzielle Ausgleichsansprüche des Klägers nicht ausgeschlossen, weil die über die Jahre hinweg angespannte Personalsituation bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten, in der der Kläger Dienst zu leisten hatte, ebenso wie der zwischenzeitliche Zeitablauf der Gewährung von Freizeit zur Abgeltung der entstandenen Ansprüche entgegenstanden.

53 7. Ob der Kläger unionsrechtswidrig zu viel gearbeitet hat, bestimmt sich hier nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum im Sinne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Ebenso wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wendet sich auch Art. 16 dieser Richtlinie ("Die Mitgliedstaaten können ... vorsehen") an den Mitgliedstaat. Dieser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG abweichenden Festlegung des Bezugszeitraums ("bis zu vier Monaten") berechtigt, aber nicht verpflichtet. Ob und inwieweit der Mitgliedstaat diese Ermächtigung zu der für den Arbeitnehmer ungünstigen Ausdehnung des Bezugszeitraums auf bis zu vier Monaten ausnutzt, ist Sache der jeweils zuständigen gesetzgebenden Organe des Mitgliedstaates, weil nur sie die zur Umsetzung einer Richtlinie erforderlichen Rechtsnomen erlassen können. Die Ausübung der Ermächtigung ist jedenfalls nicht den das Recht anwendenden nationalen Gerichten in dem Sinne überantwortet, dass diese den Bezugszeitraum nach dem Aspekt der "Sachgerechtigkeit" festlegen können. Um die ihm eingeräumte Befugnis in Anspruch zu nehmen, muss der Mitgliedstaat auch die Entscheidung treffen, sich auf diese Ermächtigung zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit muss diese Entscheidung des Mitgliedstaates bestimmt und klar sein (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-227/09, Accardo - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVerwG, Urteil vom 15. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeitraum bis zum 1. August 2014 und damit in der hier zwischen den Beteiligten streitigen Zeit zwischen 2009 und 2012 hatte das Land den Bezugszeitraum für die vom Kläger freiwillig erbrachte unionsrechtswidrige Zuvielarbeit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 auf ein Jahr - anstatt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zulässig eröffnet - auf bis zu maximal vier Monaten erstreckt.

56 Auch die sonstigen Bestimmungen der RL 2003/88/EG, die zu einer Verlängerung des Bezugszeitraums führen können - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Monate bei Festlegungen in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern -, greifen nicht zu Gunsten der Beklagten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG setzen jeweils voraus, dass der Mitgliedstaat Regelungen im Sinne von Art. 16 RL 2003/88/EG erlassen hat, die den Anforderungen an die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht im Sinne von Art. 288 Abs. 3 AEUV genügen. Daran fehlt es aber ebenso wie an der Ausnutzung der genannten Befugnisse ("sind ... zulässig" und "kann abgewichen werden") durch den Erlass einer für die Umsetzung erforderlichen Rechtsnorm des innerstaatlichen Normgebers.

57 8. Die Berechnung der vom Kläger für die Zeit ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung - hier: Geltendmachung im Februar 2012 - der im Einzelnen erbrachten unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit ist konkret und nicht - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - pauschal zu ermitteln. Die konkrete Ermittlung der vom Kläger für den Zeitraum von März 2012 bis Dezember 2012 tatsächlich geleisteten Zuvielarbeit ist die weitere Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens. Dabei folgt schon aus dem Unionsrecht gemäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG gewährten Zeiten des bezahlten Jahresurlaubs sowie die Krankheitszeiten bei der Berechnung des Durchschnitts der wöchentlichen Höchstarbeitszeit unberücksichtigt bleiben oder neutral sind. Diese Vorgabe des Unionsrechts verlangt, dass ungeachtet der Frage der Umsetzung in innerstaatliches Recht durch eine Rechtsnorm die betreffenden Tage bei der Berechnung mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit anzusetzen sind.

58 Die Arbeitszeitrichtlinie nimmt zwar lediglich auf den unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaub von vier Wochen Bezug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der darüber hinausgehende, im nationalen Recht begründete Mehrurlaub ist indes mit der Soll-Arbeitszeit anzusetzen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Dies umfasst auch die Einräumung eines über den unionsrechtlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruchs. Da der Kläger am Urlaubstag von der Pflicht zur Dienstleistung befreit ist und auch der Mehrurlaub der Erholung des Klägers dient, können diese Tage nicht als Ausgleich für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum herangezogen werden (vgl. ebenso schon BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Feiertage, die auf Wochentage fallen, sind mit der jeweiligen Soll-Arbeitszeit einzubeziehen und damit grundsätzlich zu neutralisieren. Soweit der Kläger an diesen Tagen nicht zur Dienstleistung verpflichtet war, können solche Tage nicht zum Ausgleich einer etwaigen Überschreitung der Höchstarbeitszeit herangezogen werden. Demgegenüber sind Zeiten, in denen dem Kläger auf Grundlage des Dienstzeitausgleichserlasses ein zeitlicher Ausgleich gewährt wurde, keine Arbeitszeit im Sinne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Arbeitszeit zählen unionsrechtlich sämtliche Zeiten, die vom betreffenden Feuerwehrbeamten im Rahmen von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit in der Dienststelle abgeleistet worden sind, unabhängig davon, welche Arbeitsleistung er während dieses Dienstes tatsächlich erbracht hat (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2000 - C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Deshalb wird auch die genaue Bestimmung der Zahl der auszugleichenden Stunden Aufgabe des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens sein. Nach dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz muss danach vorliegend jede Stunde, die der Kläger innerhalb eines Siebentageszeitraumes über 48 Stunden hinaus gearbeitet hat, ausgeglichen werden, weil die Voraussetzungen für das von der Beklagten geltend gemachte "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie gezeigt - nicht vorlagen. Auch dies spricht nur für einen Ausgleich von tatsächlich und konkret erbrachter Zuvielarbeit.

61 Der Geldausgleich für die vom Kläger unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit orientiert sich an den jeweils geltenden Stundensätzen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deutlich, dass es um die konkret stundenbezogene Abrechnung der Zuvielarbeit geht und nicht um deren pauschale Zugrundelegung. Zwar unterscheiden sich rechtmäßige Mehrarbeit und unionsrechtswidrige Zuvielarbeit tatbestandlich. Rechtmäßige Mehrarbeit bedarf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der Anordnung oder Genehmigung, die nur verfügt oder erteilt werden darf, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Des Weiteren darf angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit die unionsrechtliche Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden im Siebentageszeitraum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht überschreiten (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 - 2 C 32.10 - BVerwGE 140, 351 Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen liegt Mehrarbeit im dienstrechtlichen Sinn vor, die zeitausgleichs- oder vergütungsfähig ist. Dagegen handelt es sich bei rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit im öffentlichen Dienstrecht um die Dienstzeit, die der Beamte über die unionsrechtlich nach Maßgabe der Arbeitszeitrichtlinie und ihrer Ausnahmebestimmungen höchstens zulässige wöchentliche Arbeitszeit hinaus erbringt. Sie ist ihm stets voll auszugleichen, primär durch Freizeitausgleich, sofern dies nicht mehr möglich ist, sekundär durch Geldausgleich. Dennoch geht es in beiden Fällen um den Ausgleich für eine überobligationsmäßige Heranziehung des Beamten (BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), sodass für den Geldausgleich auch in Fällen unionsrechtswidriger Zuvielarbeit in der Rechtsfolge die Stundensätze der Mehrarbeitsvergütungsverordnung herangezogen werden können.

62 Auf die Vorschriften über die Besoldung kann hingegen nicht zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 39). Denn die Besoldung ist kein Entgelt im Sinne einer Entlohnung für konkrete Dienste (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerfGE 44, 249 <264>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>), sondern die Gegenleistung des Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit vollem persönlichen Einsatz der Erfüllung seiner Dienstpflichten widmet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerfGE 21, 329 <345>, vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerfGE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Entlohnung von Arbeitsstunden, sondern auf die Sicherstellung einer amtsangemessenen Lebensführung gerichtet.

63 9. Nach alledem hat für den Senat keine Veranlassung bestanden, das Verfahren auszusetzen, um eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Union nach Art. 267 AEUV einzuholen. Dem Kläger steht für den Zeitraum von März 2012 bis Dezember 2012 stundenbezogener Geldausgleich zu, für den die Beklagte nach Maßgabe der Grundsätze des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs einzutreten hat, weil sie bei der vom Kläger konkret erbrachten Zuvielarbeit den Anwendungsvorrang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 BbgAZVPFJ 2009 offenkundig verletzten Nachteilsverbots gemäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht beachtet hat. Auf weitere Fragen des Unionsrechts hat es deshalb nicht mehr entscheidungserheblich ankommen können.

Beschluss vom 13.02.2018 -
BVerwG 2 C 61.17ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C61.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.02.2018 - 2 C 61.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C61.17.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 61.17

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1372/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 20.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Februar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

2 Mit dem Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 - BVerwG 2 C 33.16 - hat der Senat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache, soweit sie nicht vom Senat selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht.

3 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO macht der Kläger geltend, das Revisionsurteil verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Senats wendet, hat er eine solche Gehörsverletzung bereits nicht dargelegt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unbegründet.

4 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, garantiert den Beteiligten in einem gerichtlichen Verfahren unter anderem die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerfGE 1, 418 <429>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <147>). Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>).

5 Die Anhörungsrüge beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die im Revisionsverfahren von dem Kläger vorgetragene Rechtsauffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Spezifische Beanstandungen, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs im geschilderten Sinne stützen könnten, werden entweder nicht hinreichend dargelegt oder ergeben sich daraus nicht.

6 Der Einwand des Klägers geht fehl, der Senat habe das rechtliche Gehör verletzt, weil er die Beteiligten insbesondere nicht schriftlich rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass unionsrechtswidrige Zuvielarbeit nur im Hinblick auf diejenige Zuvielarbeit zu zahlen sei, die ab Beginn des auf die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs folgenden Monats geleistet worden sei. Der vom Senatsvorsitzenden in der mündlichen Verhandlung dazu gegebene Hinweis hat aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach den oben dargelegten Maßstäben zur Gewährung rechtlichen Gehörs keiner Vertiefung bedurft. Denn der Senat hat bereits lange vor Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren - BVerwG 2 C 33.16 - (Beschluss vom 27. September 2015) durch Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381 Rn. 26 f. <ebenfalls betr. Zuvielarbeit>) entschieden, dass Ausgleichsansprüche für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auf die ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung geleisteten Zuvielarbeit begrenzt sind; er hat diese Rechtsprechung in der Folgezeit fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zuvielarbeit>, vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Ausgleich für Zeiten des Bereitschaftsdienstes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Ausgleichsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung>). Aufgrund dessen musste jeder Verfahrensbeteiligte in seine rechtlichen Überlegungen einbeziehen, dass der streitgegenständliche Anspruch (teilweise) an diesem Erfordernis scheitern könnte.

7 Diese ständige Senatsrechtsprechung hat den Beteiligten des Verfahrens auch bekannt gewesen sein müssen. Die rechtzeitige Kenntnis dieser Rechtsprechung beim Bevollmächtigten des Klägers ist nach Aktenlage nachweisbar. Denn bereits das Verwaltungsgericht (Urteil vom 11. September 2013 - VG 2 K 1372/11 - Umdruck Bl. 7, 14) und das Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 1. Juli 2015 - OVG 6 B 20.15 - Umdruck Bl. 5, 11, 12) haben das hier einschlägige Senatsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381) im vorinstanzlichen Verfahren zitiert. In der Revisionserwiderung - Schriftsatz vom 20. Februar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Bevollmächtigte des Klägers dies ebenfalls getan. Damit ist belegt, dass er lange vor der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017 positive Kenntnis von der Senatsrechtsprechung zum Ausgleich unionsrechtswidriger Zuvielarbeit erst ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch den Beamten gehabt hat. Die gerügte Gehörsverletzung ist damit von vornherein ausgeschlossen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 13.02.2018 -
BVerwG 2 C 62.17ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C62.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.02.2018 - 2 C 62.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C62.17.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 62.17

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1956/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 22.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Februar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

2 Mit dem Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 - BVerwG 2 C 35.16 - hat der Senat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache, soweit sie nicht vom Senat selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht.

3 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO macht der Kläger geltend, das Revisionsurteil verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Senats wendet, hat er eine solche Gehörsverletzung bereits nicht dargelegt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unbegründet.

4 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, garantiert den Beteiligten in einem gerichtlichen Verfahren unter anderem die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerfGE 1, 418 <429>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <147>). Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>).

5 Die Anhörungsrüge beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die im Revisionsverfahren von dem Kläger vorgetragene Rechtsauffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Spezifische Beanstandungen, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs im geschilderten Sinne stützen könnten, werden entweder nicht hinreichend dargelegt oder ergeben sich daraus nicht.

6 Der Einwand des Klägers geht fehl, der Senat habe das rechtliche Gehör verletzt, weil er die Beteiligten insbesondere nicht schriftlich rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass unionsrechtswidrige Zuvielarbeit nur im Hinblick auf diejenige Zuvielarbeit zu zahlen sei, die ab Beginn des auf die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs folgenden Monats geleistet worden sei. Der vom Senatsvorsitzenden in der mündlichen Verhandlung dazu gegebene Hinweis hat aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach den oben dargelegten Maßstäben zur Gewährung rechtlichen Gehörs keiner Vertiefung bedurft. Denn der Senat hat bereits lange vor Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren - BVerwG 2 C 35.16 - (Beschluss vom 27. September 2015) - durch Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381 Rn. 26 f. <ebenfalls betr. Zuvielarbeit>) entschieden, dass Ausgleichsansprüche für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auf die ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung geleisteten Zuvielarbeit begrenzt sind; er hat diese Rechtsprechung in der Folgezeit fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zuvielarbeit>, vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Ausgleich für Zeiten des Bereitschaftsdienstes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Ausgleichsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung>). Aufgrund dessen musste jeder Verfahrensbeteiligte in seine rechtlichen Überlegungen einbeziehen, dass der streitgegenständliche Anspruch (teilweise) an diesem Erfordernis scheitern könnte.

7 Diese ständige Senatsrechtsprechung hat den Beteiligten des Verfahrens auch bekannt gewesen sein müssen. Die rechtzeitige Kenntnis dieser Rechtsprechung beim Bevollmächtigten des Klägers ist nach Aktenlage nachweisbar. Denn bereits das Verwaltungsgericht (Urteil vom 11. September 2013 - VG 2 K 1956/12 - Umdruck Bl. 7, 14) und das Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 1. Juli 2015 - OVG 6 B 22.15 - Umdruck Bl. 5, 11) haben das hier einschlägige Senatsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381) im vorinstanzlichen Verfahren zitiert. In der Revisionserwiderung - Schriftsatz vom 20. Februar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Bevollmächtigte des Klägers dies ebenfalls getan. Damit ist belegt, dass er lange vor der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017 positive Kenntnis von der Senatsrechtsprechung zum Ausgleich unionsrechtswidriger Zuvielarbeit erst ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch den Beamten gehabt hat. Die gerügte Gehörsverletzung ist damit von vornherein ausgeschlossen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 13.02.2018 -
BVerwG 2 C 63.17ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C63.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.02.2018 - 2 C 63.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C63.17.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 63.17

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1357/12
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 24.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Februar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B. wird abgelehnt.
  2. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B. wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen (zu 2.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

2 2. Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

3 Mit dem Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 - BVerwG 2 C 42.16 - hat der Senat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache, soweit sie nicht vom Senat selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht.

4 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO macht der Kläger geltend, das Revisionsurteil verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Senats wendet, hat er eine solche Gehörsverletzung bereits nicht dargelegt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unbegründet.

5 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, garantiert den Beteiligten in einem gerichtlichen Verfahren unter anderem die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerfGE 1, 418 <429>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <147>). Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>).

6 Die Anhörungsrüge beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die im Revisionsverfahren von dem Kläger vorgetragene Rechtsauffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Spezifische Beanstandungen, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs im geschilderten Sinne stützen könnten, werden entweder nicht hinreichend dargelegt oder ergeben sich daraus nicht.

7 Der Einwand des Klägers geht fehl, der Senat habe das rechtliche Gehör verletzt, weil er die Beteiligten insbesondere nicht schriftlich rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass unionsrechtswidrige Zuvielarbeit nur im Hinblick auf diejenige Zuvielarbeit zu zahlen sei, die ab Beginn des auf die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs folgenden Monats geleistet worden sei. Der vom Senatsvorsitzenden in der mündlichen Verhandlung dazu gegebene Hinweis hat aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach den oben dargelegten Maßstäben zur Gewährung rechtlichen Gehörs keiner Vertiefung bedurft. Denn der Senat hat bereits lange vor Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren - BVerwG 2 C 42.16 (Beschluss vom 27. September 2015) - durch Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381 Rn. 26 f. <ebenfalls betr. Zuvielarbeit>) entschieden, dass Ausgleichsansprüche für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auf die ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung geleisteten Zuvielarbeit begrenzt sind; er hat diese Rechtsprechung in der Folgezeit fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zuvielarbeit>, vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Ausgleich für Zeiten des Bereitschaftsdienstes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Ausgleichsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung>). Aufgrund dessen musste jeder Verfahrensbeteiligte in seine rechtlichen Überlegungen einbeziehen, dass der streitgegenständliche Anspruch (teilweise) an diesem Erfordernis scheitern könnte.

8 Diese ständige Senatsrechtsprechung hat den Beteiligten des Verfahrens auch bekannt gewesen sein müssen. Die rechtzeitige Kenntnis dieser Rechtsprechung beim Bevollmächtigten des Klägers ist nach Aktenlage nachweisbar. Denn bereits das Verwaltungsgericht (Urteil vom 11. September 2013 - VG 2 K 1357/12 - Umdruck Bl. 7, 14) und das Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 1. Juli 2015 - OVG 6 B 24.15 - Umdruck Bl. 5, 11) haben das hier einschlägige Senatsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381) im vorinstanzlichen Verfahren zitiert. In der Revisionserwiderung - Schriftsatz vom 20. Februar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Bevollmächtigte des Klägers dies ebenfalls getan. Damit ist belegt, dass er lange vor der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017 positive Kenntnis von der Senatsrechtsprechung zum Ausgleich unionsrechtswidriger Zuvielarbeit erst ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch den Beamten gehabt hat. Die gerügte Gehörsverletzung ist damit von vornherein ausgeschlossen.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 13.02.2018 -
BVerwG 2 C 64.17ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C64.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.02.2018 - 2 C 64.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:130218B2C64.17.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 64.17

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1286/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 25.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Februar 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.

2 Mit dem Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 - BVerwG 2 C 43.16 - hat der Senat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache, soweit sie nicht vom Senat selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht.

3 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO macht der Kläger geltend, das Revisionsurteil verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Senats wendet, hat er eine solche Gehörsverletzung bereits nicht dargelegt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unbegründet.

4 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, garantiert den Beteiligten in einem gerichtlichen Verfahren unter anderem die Gelegenheit, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. September 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerfGE 1, 418 <429>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt zwar grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <147>). Es kommt jedoch im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>).

5 Die Anhörungsrüge beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die im Revisionsverfahren von dem Kläger vorgetragene Rechtsauffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Spezifische Beanstandungen, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs im geschilderten Sinne stützen könnten, werden entweder nicht hinreichend dargelegt oder ergeben sich daraus nicht.

6 Der Einwand des Klägers geht fehl, der Senat habe das rechtliche Gehör verletzt, weil er die Beteiligten insbesondere nicht schriftlich rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass unionsrechtswidrige Zuvielarbeit nur im Hinblick auf diejenige Zuvielarbeit zu zahlen sei, die ab Beginn des auf die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs folgenden Monats geleistet worden sei. Der vom Senatsvorsitzenden in der mündlichen Verhandlung dazu gegebene Hinweis hat aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach den oben dargelegten Maßstäben zur Gewährung rechtlichen Gehörs keiner Vertiefung bedurft. Denn der Senat hat bereits lange vor Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren - BVerwG 2 C 43.16 (Beschluss vom 27. September 2015) - durch Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381 Rn. 26 f. <ebenfalls betr. Zuvielarbeit>) entschieden, dass Ausgleichsansprüche für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auf die ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung geleisteten Zuvielarbeit begrenzt sind; er hat diese Rechtsprechung in der Folgezeit fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zuvielarbeit>, vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Ausgleich für Zeiten des Bereitschaftsdienstes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Ausgleichsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung>). Aufgrund dessen musste jeder Verfahrensbeteiligte in seine rechtlichen Überlegungen einbeziehen, dass der streitgegenständliche Anspruch (teilweise) an diesem Erfordernis scheitern könnte.

7 Diese ständige Senatsrechtsprechung hat den Beteiligten des Verfahrens auch bekannt gewesen sein müssen. Die rechtzeitige Kenntnis dieser Rechtsprechung beim Bevollmächtigten des Klägers ist nach Aktenlage nachweisbar. Denn bereits das Verwaltungsgericht (Urteil vom 11. September 2013 - VG 2 K 1286/11 - Umdruck Bl. 7, 14) und das Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 1. Juli 2015 - OVG 6 B 25.15 - Umdruck Bl. 5, 11, 12) haben das hier einschlägige Senatsurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381) im vorinstanzlichen Verfahren zitiert. In der Revisionserwiderung - Schriftsatz vom 20. Februar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Bevollmächtigte des Klägers dies ebenfalls getan. Damit ist belegt, dass er lange vor der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017 positive Kenntnis von der Senatsrechtsprechung zum Ausgleich unionsrechtswidriger Zuvielarbeit erst ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung durch den Beamten gehabt hat. Die gerügte Gehörsverletzung ist damit von vornherein ausgeschlossen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 01.03.2018 -
BVerwG 2 C 59.17ECLI:DE:BVerwG:2018:010318B2C59.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.03.2018 - 2 C 59.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:010318B2C59.17.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 59.17

  • VG Potsdam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 2814/13
  • OVG Berlin-Brandenburg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 23.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. März 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 20. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 Die fristgerecht erhobene Anhörungsrüge ist unbegründet.

2 Mit dem Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 - BVerwG 2 C 34.16 - hat der Senat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache, soweit sie nicht vom Senat selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht.

3 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO macht der Kläger geltend, das Revisionsurteil verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit sich der Kläger gegen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des Senats wendet, hat er eine solche Gehörsverletzung bereits nicht dargelegt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unbegründet.

4 Die Anhörungsrüge beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die im Revisionsverfahren von dem Kläger vorgetragene Rechtsauffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Spezifische Beanstandungen, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs im geschilderten Sinne stützen könnten, werden entweder nicht hinreichend dargelegt oder ergeben sich daraus nicht.

5 Der Einwand des Klägers geht fehl, der Senat habe das rechtliche Gehör verletzt, weil er als erstmalige Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs für Zuvielarbeit den klägerischen Leistungswiderspruch vom Dezember 2010 zugrunde legt. Zwar habe der Kläger den Anspruch gegenüber der Beklagten auch am 25. Oktober 2010 (gemeint ist nach der beigefügten Anlage 4: "25. Dezember 2010") geltend gemacht, erstmalig sei dies nach dem Inhalt der Behördenakte aber bereits 2007 im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten geschehen. Dieser Vortrag hat vorliegend indes revisionsrechtlich von vornherein nicht entscheidungserheblich werden können. Denn für eine frühere Geltendmachung des Ausgleichs für Zuvielarbeit - d.h. für eine Geltendmachung vor Dezember 2010 - finden sich im Berufungsurteil keine Anhaltspunkte. Nach dem Sachverhalt, den das Oberverwaltungsgericht festgestellt hat, hat der Kläger dort vielmehr allein einen Geldausgleich für geleistete Zuvielarbeit begehrt, den er "mit so bezeichnetem Leistungswiderspruch vom 25. Dezember 2010 beantragte" (so der Tatbestand des Berufungsurteils, Umdruck Bl. 2). An diese tatsächliche Feststellung des Oberverwaltungsgerichts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil der Kläger dagegen im Revisionsverfahren keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 2 B 83.15 - Buchholz 316 § 60 VwVfG Nr. 11 Rn. 15 sowie Urteil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 - Buchholz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 14).

6 Aufgabe des Revisionsgerichts ist es allein, die Anwendung der einschlägigen revisiblen Rechtsnormen auf den von der Vorinstanz festgestellten Lebenssachverhalt zu überprüfen. Zu diesem Lebenssachverhalt und damit zu den revisionsrechtlich bindenden tatsächlichen Feststellungen gehört der Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung oder Geltendmachung.

7 Soweit der Kläger in der Begründung der Anhörungsrüge zusätzlich darauf verweist, dass der wesentliche Kern des Rechtsstreits in der Tatsache liege, dass erst zwei Monate nach dem Berufungsurteil des vorliegenden Verfahrens - unter Aufgabe der "bis dato geltenden Rechtsprechung" - mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - (Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f.) die Rechtsprechung zur notwendigen vorherigen Geltendmachung des Ausgleichs unionsrechtswidriger Zuvielarbeit durch den Beamten entwickelt worden sei, trifft dies nicht zu: Der Senat hat bereits lange vor dem vom Kläger in Bezug genommenen Urteil vom 17. September 2015, nämlich durch Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381 Rn. 26 f. <ebenfalls betr. Zuvielarbeit>), entschieden, dass Ausgleichsansprüche für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auf die ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung geleisteten Zuvielarbeit begrenzt sind; er hat diese Rechtsprechung in der Folgezeit stetig fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zuvielarbeit>, vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Ausgleich für Zeiten des Bereitschaftsdienstes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Ausgleichsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung>). Aufgrund dessen musste jeder Verfahrensbeteiligte zu jedem Zeitpunkt des vorliegenden Revisionsverfahrens in seine rechtlichen Überlegungen einbeziehen, dass der streitgegenständliche Anspruch (teilweise) an diesem Erfordernis scheitern könnte, das auch Gegenstand des Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2017 vor dem Senat war. Daher ist die geltend gemachte Gehörsverletzung von vornherein ausgeschlossen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 08.03.2018 -
BVerwG 2 C 37.17ECLI:DE:BVerwG:2018:080318B2C37.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.03.2018 - 2 C 37.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:080318B2C37.17.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 37.17

  • VG Cottbus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dollinger
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 20. Juli 2017 werden zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der Anhörungsrüge.

Gründe

1 1. Die innerhalb der gesetzlichen Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO erhobene Anhörungsrüge ist zulässig, sodass es der vom Kläger beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO nicht bedarf. Die Anhörungsrüge ist aber unbegründet.

2 Mit dem Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 - 2 C 36.16 - hat der Senat das angefochtene Berufungsurteil aufgehoben und die Sache, soweit sie vom Senat nicht selbst entschieden werden konnte (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die Annahmen des Oberverwaltungsgerichts, der unionsrechtliche Haftungsanspruch wegen Zuvielarbeit setze keine erstmalige Geltendmachung durch den Betroffenen voraus und verlange nicht den Nachweis der über die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hinaus konkret geleisteten Dienststunden, verletzen revisibles Recht.

3 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO macht der Kläger geltend, das Revisionsurteil verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Soweit sich der Kläger dabei inhaltlich gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Senats wendet, hat sie eine solche Gehörsverletzung jedoch bereits nicht dargelegt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 VwGO). Im Übrigen ist die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unbegründet.

4 Die Anhörungsrüge beschränkt sich im Wesentlichen darauf zu beanstanden, dass der Senat sich die bereits im Revisionsverfahren von dem Kläger vorgetragene Rechtsauffassung nicht zu Eigen gemacht hat. Spezifische Beanstandungen, die eine Verletzung rechtlichen Gehörs im geschilderten Sinne stützen könnten, werden entweder nicht hinreichend dargelegt oder ergeben sich daraus nicht.

5 Mit der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO trägt der Kläger vor, das Revisionsurteil vom 20. Juli 2017 verletze seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, indem es gegen den Grundsatz der Amtsermittlung, die gerichtlichen Hinweis- und Dokumentationspflichten, das Prinzip des gesetzlichen Richters, den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Willkürverbot verstoße. Der Senat habe sich nicht mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt, wie es sich aus den Behörden- und Gerichtsakten der Vorinstanzen und aus den im Revisionsverfahren vorgelegten Schriftsätzen ergebe. Der Kläger habe für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2011 sowohl Ansprüche aus Zuvielarbeit als auch solche aus behördlich genehmigter Mehrarbeit verfolgt. Dies sei in den angefochtenen Bescheiden und in den vorinstanzlichen Urteilen dokumentiert, vom Senat aber verkannt worden. Der Kläger habe die entscheidungserheblichen Tatsachen vorgetragen.

6 Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, deren Verletzung nach § 152a VwGO gerügt werden kann, vermittelt den Prozessbeteiligten einen Anspruch darauf, sich zum Sachverhalt sowie zur Rechtslage zu äußern sowie Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dabei obliegt es den Gerichten, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1973 - 2 BvR 482/72 - BVerfGE 36, 85 <88>). Andererseits normiert Art. 103 Abs. 1 GG keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts, insbesondere nicht im Blick auf dessen Rechtsansichten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Mai 1984 - 1 BvR 967/83 - BVerfGE 67, 90 <96>, Kammerbeschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218 Rn. 49 f.).

7 Gemäß § 137 Abs. 2 VwGO umfasst die revisionsgerichtliche Prüfung eines angefochtenen Urteils allein die Verletzung revisiblen Rechts auf der Grundlage der "im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen", soweit nicht hinsichtlich dieser Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht werden. Die vom Kläger in der Begründung der Anhörungsrüge eingehend dargestellten Ausführungen zum Sachverhalt und zur Rechtslage im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vor dem Ergehen des Berufungsurteils indes sind revisionsrechtlich ohne Belang. Im hier allein maßgeblich angefochtenen Berufungsurteil fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ausgleich von Mehrarbeit. Das Berufungsgericht hat über eine etwaige Mehrarbeit des Klägers nicht entschieden, sondern allein über Ausgleichsansprüche aus Zuvielarbeit geurteilt (zur begrifflichen Abgrenzung von Zuvielarbeit zu Mehrarbeit vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Juli 2017 - 2 C 36.16 - juris Rn. 66). Deshalb ist dem Senat von vornherein eine Entscheidung über etwaige Ansprüche des Klägers aus Mehrarbeit verwehrt gewesen.

8 Im Übrigen hat der Senat das Vorbringen des Klägers zur Mehrarbeit zur Kenntnis genommen und gewürdigt, wenn er im Revisionsurteil wörtlich ausführt (BVerwG, Urteil vom 20. Juli 2017 - 2 C 36.16 - juris Rn. 68):
"10. Nach den für den Senat revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des Berufungsurteils ist dem Kläger allein Geldausgleich für von ihm unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit zugesprochen worden. Mehrarbeitsvergütung gemäß § 76 Abs. 2 S. 3 LBG BB ist dem Kläger hingegen nicht gewährt worden (vgl. zur Abgrenzung von Zuviel- und Mehrarbeiten oben und II 9.). Bereits im zweiten Eingangssatz des Tatbestands des Berufungsurteils heißt es, dass der Kläger zuletzt einen Geldausgleich für geleistete Zuvielarbeit begehrt. In den Entscheidungsgründen wird im Obersatz der Begründetheitsprüfung ausgeführt, dass dem Kläger ein Anspruch auf den ihm vom Verwaltungsgericht zugesprochenen Geldausgleich für rechtswidrig geleistete Zuvielarbeit zusteht. Auch in der Folge der Ausführungen des Berufungsurteils (vgl. etwa UA S. 8 und 14) wird von Zuvielarbeit und auszugleichender Zuvielarbeit gesprochen. Einzuräumen ist dem Kläger zwar, dass das Berufungsgericht neben dem Begriff der Zuvielarbeit wohl synonym auch den Begriff der 'freiwilligen Mehrarbeit' verwendet, etwa bei der Auslegung von Art. 22 RL 2003/88/EG (UA S. 10). Eine Entscheidung über etwa im Fall des Klägers angeordnete Mehrarbeit der Beklagten nach § 76 Abs. 2 LBG BB hat das Berufungsgericht im hier angefochtenen Urteil aber nicht getroffen. Denn es hat weder die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür mitgeteilt noch hat es sich in den Entscheidungsgründen zu einem etwaigen Anspruch auf Mehrarbeit gemäß § 76 Abs. 2 LBG BB verhalten. Angesichts des im Tatbestand des Berufungsurteils sinngemäß wiedergegebenen Klägerantrags - 'die Beklagte zu verurteilen, für die vom Kläger im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis 31. Dezember 2011 geleistete Mehrarbeit über die 48. wöchentliche Dienststunde hinaus an den Kläger 16 147,20 € zu zahlen', wird das Oberverwaltungsgericht im zurückverwiesenen Verfahren zu prüfen haben, ob dem Kläger ggf. Vergütungsansprüche wegen geleisteter Mehrarbeit zustehen. Mit dem vorliegenden Urteil verneint der Senat abschließend allein vom Kläger geltend gemachte und vom Berufungsgericht ausgeurteilte Ansprüche aus Zuvielarbeit im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2010."

9 Soweit mit der Anhörungsrüge darüber hinaus geltend gemacht wird, der Senat habe das rechtliche Gehör verletzt, weil er für den Kläger auch hinsichtlich der Frage der Ausgleichsansprüche wegen Zuvielarbeit überraschend entschieden habe, ist sie ebenfalls zurückzuweisen. Es kommt zwar im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags gleich, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>). Hier verkennt der Kläger indes abermals, dass das Revisionsgericht lediglich zu einer anderen als der von ihm vertretenen Rechtsauffassung gelangt ist und deshalb die Klage teilweise abgewiesen hat. Darin liegt kein Gehörsverstoß.

10 Die vom Kläger in der Sache angegriffene Senatsrechtsprechung zur Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen wegen Zuvielarbeit kann ihn zudem schon deshalb nicht überrascht haben, weil der Senat bereits lange vor Zulassung der Revision im vorliegenden Verfahren - 2 C 36.16 - (Beschluss vom 27. September 2015 - 2 B 84.15 -) durch Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - (BVerwGE 143, 381 Rn. 26 f. <ebenfalls betr. Zuvielarbeit>) entschieden hat, dass Ausgleichsansprüche für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit auf die ab dem Folgemonat der erstmaligen Geltendmachung geleisteten Zuvielarbeit begrenzt sind. Der Senat hat diese Rechtsprechung in der Folgezeit fortentwickelt (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 C 26.14 - Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zuvielarbeit>, vom 17. November 2016 - 2 C 23.15 - BVerwGE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Ausgleich für Zeiten des Bereitschaftsdienstes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Ausgleichsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung>). Auf diese Rechtsprechung hat der Senatsvorsitzende zudem während der mündlichen Verhandlung des Revisionsverfahrens am 20. Juli 2017 hingewiesen. Aufgrund all dessen musste jeder Verfahrensbeteiligte in seine rechtlichen Überlegungen einbeziehen, dass der streitgegenständliche Anspruch wegen Zuvielarbeit (teilweise) an diesem Erfordernis scheitern könnte.

11 2. Schließlich ändert auch die vom Kläger hilfsweise erhobene Gegenvorstellung nichts an dem Ergebnis. Es kann dahinstehen, ob die Gegenvorstellung, soweit sich der Kläger damit gegen die teilweise Abweisung und Zurückverweisung seiner Klage durch das angegriffene Revisionsurteil wendet, deshalb unzulässig ist, weil der Gesetzgeber mit der Schaffung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zum Ausdruck gebracht hat, dass daneben die nicht geregelte Gegenvorstellung nicht mehr zuzulassen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 20. Februar 2017 - 5 B 56.16 - juris Rn. 2 und vom 25. August 2014 - 5 B 24.14 - juris Rn. 2 m.w.N.) oder sie jedenfalls deshalb nicht statthaft und damit unzulässig ist, weil die Gegenvorstellung die gleiche Zielrichtung wie die Anhörungsrüge verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Januar 2017 - 5 B 77.16 - juris Rn. 9 m.w.N.). Denn die Gegenvorstellung hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil der Vortrag des Klägers aus den obigen Gründen keinen Anlass zur Korrektur und Aufhebung des angegriffenen Revisionsurteils gibt.

12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 24.04.2018 -
BVerwG 2 C 36.16ECLI:DE:BVerwG:2018:240418B2C36.16.0

Unzulässiger Tatbestandsberichtigungs- und -ergänzungsantrag zu einem Revisionsurteil

Leitsätze:

1. Über einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung hat der Spruchkörper in der Besetzung aller Richter zu entscheiden, die an dem Urteil mitgewirkt haben, soweit sie dem Gericht noch angehören, auch wenn sie zwischenzeitlich den Spruchkörper gewechselt haben.

2. Der Tatbestand eines Revisionsurteils unterliegt der Tatbestandsberichtigung gemäß § 119 Abs. 1 VwGO nur bezüglich eigener Feststellungen des Revisionsgerichts, auf die sich die urkundliche Beweiskraft des Urteils erstreckt und die für einen nachfolgenden Verfahrensabschnitt bindend wären; dies sind insbesondere Feststellungen zu den Revisionsanträgen und sonstigen Prozesserklärungen in der Revisionsinstanz.

3. Ein Antrag auf Berichtigung des Tatbestands eines Revisionsurteils ist unzulässig, wenn sich der Antrag lediglich auf die angeblich unrichtige Wiedergabe von Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz bezieht, an die das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO mangels durchgreifender Verfahrensrügen gebunden war.

4. Ein Antrag auf Urteilsergänzung gemäß § 120 Abs. 1 VwGO ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird.

  • Rechtsquellen
    VwGO §§ 98, 119, 120, 137 Abs. 2
    ZPO §§ 314, 417

  • VG Cottbus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
    OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.04.2018 - 2 C 36.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2018:240418B2C36.16.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 36.16

  • VG Cottbus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Berlin-Brandenburg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. April 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung, Dr. Kenntner, Dollinger und Dr. Günther
beschlossen:

Der Antrag des Klägers auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 20. Juli 2017 - BVerwG 2 C 36.16 - wird verworfen.

Gründe

1 Der Senat entscheidet durch Beschluss in seiner Besetzung zum Zeitpunkt der mündlichen Revisionsverhandlung vom 20. Juli 2017.  § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO verlangt, dass alle damals sachbefassten Richter mitwirken müssen, die dem Gericht noch angehören, also auch Richter, die zwischenzeitlich den Spruchkörper gewechselt haben (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO, 2014, § 119 Rn. 5; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 2014, § 119 Rn. 9; Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2014, § 119 Rn. 18).

2 Der auf Berichtigung und Ergänzung des Tatbestands gerichtete Antrag des Klägers ist unzulässig.

3 Der Tatbestand eines Revisionsurteils unterliegt der Tatbestandsberichtigung gemäß § 119 Abs. 1 VwGO nur bezüglich eigener Feststellungen des Revisionsgerichts, auf die sich die urkundliche Beweiskraft des Urteils gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 314 ZPO oder § 98 VwGO, § 417 ZPO erstreckt und die für einen nachfolgenden Verfahrensabschnitt bindend wären. Das sind insbesondere Feststellungen zu den Revisionsanträgen und sonstigen Prozesserklärungen in der Revisionsinstanz. Die revisionsgerichtliche Wiedergabe von Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz, an die das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, kann dagegen nicht nach § 119 Abs. 1 VwGO berichtigt werden (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2013 - 2 C 6.11 - NVwZ 2013, 1237 Rn. 2 m.w.N. und vom 12. März 2014 - 8 C 16.12 - juris Rn. 7 ff. m.w.N.).

4 Die Beweiskraft des Tatbestands des Revisionsurteils erstreckt sich nur auf die darin bezeugten eigenen Feststellungen des Revisionsgerichts und nicht auf die Wiedergabe der Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz, an die es nach Maßgabe des § 137 Abs. 2 VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden ist. Selbst wenn die Wiedergabe fehlerhaft sein und sich nicht mehr als Zusammenfassung des von der Vorinstanz angenommenen Sachverhalts darstellen sollte, läge darin noch keine eigene, der urkundlichen Beweiskraft fähige Tatsachenfeststellung des Revisionsgerichts. Mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 119 Abs. 1 VwGO kann auch keine Änderung der Sachverhaltsbewertung oder gar eine Korrektur der rechtlichen Würdigung verlangt werden (BVerwG, Beschlüsse vom 12. März 2014 - 8 C 16.12 - juris Rn. 10 und vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 VwGO § 108 Abs. 1 Nr. 73 S. 8).

5 Darüber hinaus bestimmt § 120 Abs. 1 VwGO, dass auf Antrag das Urteil durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen ist, wenn ein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten gestellter Antrag oder die Kostenfolge bei der Entscheidung ganz oder zum Teil übergangen worden ist. Der Antrag auf Ergänzung eines Urteils nach § 120 Abs. 1 VwGO ist nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit des Übergehens eines gestellten Antrags oder der Kostenfolge schlüssig aufgezeigt wird (BVerwG, Beschluss vom 9. Juni 2011 - 3 C 14.11 - Buchholz 310 § 120 VwGO Nr. 10 Rn. 14).

6 Der Tatbestandsberichtigungs- und -ergänzungsantrag des Klägers betrifft keine im Urteil vom 20. Juli 2017 dokumentierten Tatsachenfeststellungen oder Anträge des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Beweiskraft des Tatbestands gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 314 ZPO oder § 98 VwGO, § 417 ZPO erstreckt und die deshalb der Entscheidung in einem nachfolgenden Verfahren zugrunde zu legen wären. Stattdessen rügt der Kläger die unrichtige Wiedergabe von Sachverhaltsfeststellungen und Anträgen der Vorinstanz, eine Missachtung der revisionsrechtlichen Bindung an diese Feststellungen gemäß § 137 Abs. 2 VwGO und die rechtliche Würdigung festgestellter Tatsachen.

7 Die mit der Antragsschrift vom 7. Dezember 2017 erhobenen Einwände des Klägers betreffen die Ausführungen in den Randnummern 1, 2 und 3 des angegriffenen Revisionsurteils. Diese Textpassagen enthalten keine einer Tatbestandsberichtigung zugängliche Darstellung von Prozesserklärungen oder Verfahrenshandlungen im Revisionsverfahren, sondern allein die gedrängte informatorische Wiedergabe der wesentlichen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Auslassungen im Tatbestand, die über die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hinausgehen, rügt der Kläger nicht.

8 Eine Tatbestandsergänzung ist ausgeschlossen, weil kein nach dem Tatbestand von einem Beteiligten im Revisionsverfahren gestellter Antrag bei der Entscheidung übergangen worden ist. Der Kläger verlangt in der Sache vielmehr die Richtigstellung einer von ihm für falsch gehaltenen Entscheidung. Dazu aber dient das Verfahren nach § 120 VwGO ebenso wenig wie das Verfahren der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2018 - 2 C 37.17 - juris Rn. 4 ff. in dem den Kläger betreffenden Anhörungsrügeverfahren).