Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der Klä­ger, der mus­li­mi­schen Glau­bens ist und in Ber­lin ein Gym­na­si­um be­sucht, be­gehrt die Fest­stel­lung, dass er be­rech­tigt ist, wäh­rend des Be­suchs des Gym­na­si­ums au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein­mal täg­lich sein is­la­mi­sches Ge­bet zu ver­rich­ten. Nach­dem der Klä­ger zu­sam­men mit Mit­schü­lern wäh­rend ei­ner Un­ter­richts­pau­se auf ei­nem Flur des Schul­ge­bäu­des das Ge­bet nach is­la­mi­schem Ri­tus ver­rich­tet hat­te, wies die Lei­te­rin der Schu­le ihn und sei­ne El­tern dar­auf hin, dass die Ver­rich­tung ei­nes Ge­bets auf dem Schul­ge­län­de nicht ge­dul­det wer­de. Auf die Kla­ge des Klä­gers sprach das Ver­wal­tungs­ge­richt un­ter Hin­weis auf die ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­währ­leis­tung der un­ge­stör­ten Re­li­gi­ons­aus­übung die von ihm er­streb­te Fest­stel­lung aus. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt gab der vom Land Ber­lin ein­ge­leg­ten Be­ru­fung statt und wies die Kla­ge ab. Zur Be­grün­dung leg­te das Ge­richt u.a. dar, der Klä­ger kön­ne sich für sein An­lie­gen zwar grund­sätz­lich auf die ver­fas­sungs­recht­lich ver­bürg­te Glau­bens­frei­heit be­ru­fen. Die­ses Grund­recht sei hier je­doch u.a. des­halb ein­ge­schränkt, weil an dem vom Klä­ger be­such­ten Gym­na­si­um, an dem ei­ne Viel­zahl von Re­li­gio­nen und Glau­bens­rich­tun­gen ver­tre­ten sei­en, we­gen der dort herr­schen­den re­li­giö­sen He­te­ro­ge­ni­tät der Schul­frie­den kon­kret ge­fähr­det sei und sich die­se Kon­flikt­la­ge ver­schär­fen wer­de, wenn die Aus­übung re­li­giö­ser Ri­ten auf dem Schul­ge­län­de zu­ge­las­sen wer­de. Im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren wird ins­be­son­de­re zu klä­ren sein, ob aus der vom Grund­ge­setz ge­währ­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit ein An­spruch des Klä­gers auf die von ihm be­ab­sich­tig­te Ver­rich­tung des Ge­bets wäh­rend des Schul­be­suchs folgt.


Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der Klä­ger, der mus­li­mi­schen Glau­bens ist und in Ber­lin ein Gym­na­si­um be­sucht, be­gehrt die Fest­stel­lung, dass er be­rech­tigt ist, wäh­rend des Be­suchs des Gym­na­si­ums au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein­mal täg­lich sein is­la­mi­sches Ge­bet zu ver­rich­ten. Nach­dem der Klä­ger zu­sam­men mit Mit­schü­lern wäh­rend ei­ner Un­ter­richts­pau­se auf ei­nem Flur des Schul­ge­bäu­des das Ge­bet nach is­la­mi­schem Ri­tus ver­rich­tet hat­te, wies die Lei­te­rin der Schu­le ihn und sei­ne El­tern dar­auf hin, dass die Ver­rich­tung ei­nes Ge­bets auf dem Schul­ge­län­de nicht ge­dul­det wer­de. Auf die Kla­ge des Klä­gers sprach das Ver­wal­tungs­ge­richt un­ter Hin­weis auf die ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­währ­leis­tung der un­ge­stör­ten Re­li­gi­ons­aus­übung die von ihm er­streb­te Fest­stel­lung aus. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt gab der vom Land Ber­lin ein­ge­leg­ten Be­ru­fung statt und wies die Kla­ge ab. Zur Be­grün­dung leg­te das Ge­richt u.a. dar, der Klä­ger kön­ne sich für sein An­lie­gen zwar grund­sätz­lich auf die ver­fas­sungs­recht­lich ver­bürg­te Glau­bens­frei­heit be­ru­fen. Die­ses Grund­recht sei hier je­doch u.a. des­halb ein­ge­schränkt, weil an dem vom Klä­ger be­such­ten Gym­na­si­um, an dem ei­ne Viel­zahl von Re­li­gio­nen und Glau­bens­rich­tun­gen ver­tre­ten sei­en, we­gen der dort herr­schen­den re­li­giö­sen He­te­ro­ge­ni­tät der Schul­frie­den kon­kret ge­fähr­det sei und sich die­se Kon­flikt­la­ge ver­schär­fen wer­de, wenn die Aus­übung re­li­giö­ser Ri­ten auf dem Schul­ge­län­de zu­ge­las­sen wer­de. Im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren wird ins­be­son­de­re zu klä­ren sein, ob aus der vom Grund­ge­setz ge­währ­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit ein An­spruch des Klä­gers auf die von ihm be­ab­sich­tig­te Ver­rich­tung des Ge­bets wäh­rend des Schul­be­suchs folgt.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 106/2011 vom 30.11.2011

Ver­rich­tung von Ge­be­ten in der Schu­le fin­det ih­re Schran­ke in der Wah­rung des Schul­frie­dens

Ein Schü­ler ist nicht be­rech­tigt, wäh­rend des Be­suchs der Schu­le au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein Ge­bet zu ver­rich­ten, wenn dies kon­kret ge­eig­net ist, den Schul­frie­den zu stö­ren. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der Klä­ger, Schü­ler ei­nes Gym­na­si­ums in Ber­lin, ist mus­li­mi­schen Glau­bens. Im No­vem­ber 2007 ver­rich­te­te er in der Pau­se zwi­schen zwei Un­ter­richts­stun­den zu­sam­men mit Mit­schü­lern auf ei­nem Flur des Schul­ge­bäu­des das Ge­bet nach is­la­mi­schem Ri­tus. Die Schü­ler knie­ten da­bei auf ih­ren Ja­cken, voll­zo­gen die nach is­la­mi­schem Ri­tus er­for­der­li­chen Kör­per­be­we­gun­gen und de­kla­mier­ten den vor­ge­ge­be­nen Text. Am fol­gen­den Tag wies die Schul­lei­te­rin die Schü­ler dar­auf hin, die Ver­rich­tung ei­nes Ge­bets wer­de auf dem Schul­ge­län­de nicht ge­dul­det. Mit Schrei­ben vom sel­ben Tag teil­te sie den El­tern des Klä­gers mit, an der Schu­le sei­en re­li­giö­se Be­kun­dun­gen nicht er­laubt. Auf die dar­auf­hin er­ho­be­ne Kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin fest­ge­stellt, dass der Klä­ger be­rech­tigt sei, wäh­rend des Be­suchs des Gym­na­si­ums au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein­mal täg­lich sein is­la­mi­sches Ge­bet zu ver­rich­ten. Auf die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des Ber­lin hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg die Kla­ge ab­ge­wie­sen.


Die Re­vi­si­on des Klä­gers blieb er­folg­los. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat al­ler­dings nicht fest­ge­stellt, dass die Ver­rich­tung ei­nes Ge­bets in der Schu­le von der Schul­ver­wal­tung ge­ne­rell un­ter­bun­den wer­den kann. Im Ge­gen­teil ist ein Schü­ler auf­grund der im Grund­ge­setz ga­ran­tier­ten Glau­bens­frei­heit grund­sätz­lich be­rech­tigt, au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit in der Schu­le ein Ge­bet zu ver­rich­ten, wenn dies ei­ner Glau­bens­re­gel sei­ner Re­li­gi­on ent­spricht. Die so­ge­nann­te ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit von Mit­schü­lern und Lehr­kräf­ten ver­pflich­tet und be­rech­tigt die Schul­ver­wal­tung nicht, sie vor ei­ner Be­geg­nung mit frem­den Glau­bens­be­kun­dun­gen, kul­ti­schen Hand­lun­gen und re­li­giö­sen Sym­bo­len gänz­lich zu ver­scho­nen. Das ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­bot re­li­giö­ser Neu­tra­li­tät des Staa­tes ver­langt eben­falls kei­ne Schu­le, die von jeg­li­chen re­li­giö­sen Be­zü­gen frei ge­hal­ten wird. Die Schu­le ist viel­mehr ge­hal­ten, die welt­an­schau­li­chen und re­li­giö­sen Zu­sam­men­hän­ge un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ge­sell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten zu ver­mit­teln, oh­ne sie in die ei­ne oder an­de­re Rich­tung ein­sei­tig zu be­wer­ten. Dul­det die Schul­ver­wal­tung die Ver­rich­tung des is­la­mi­schen Ge­bets durch den Klä­ger, liegt dar­in kei­ne ein­sei­ti­ge Be­vor­zu­gung des is­la­mi­schen Glau­bens oder ei­ne Be­ein­flus­sung an­de­rer im Sin­ne die­ses Glau­bens, die die staat­li­che Neu­tra­li­tät in Fra­ge stel­len könn­ten.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat dann aber für den kon­kre­ten Fall des Klä­gers ent­schie­den, dass hier auf­grund der Ver­hält­nis­se an der von ihm be­such­ten Schu­le die Ver­rich­tung des Ge­bets auf dem Schul­flur ei­ne be­reits oh­ne­hin be­stehen­de Ge­fahr für den Schul­frie­den er­hö­hen konn­te. Da­mit ist ein Zu­stand der Kon­flikt­frei­heit und -be­wäl­ti­gung ge­meint, der im In­ter­es­se der Ver­wirk­li­chung des staat­li­chen Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trags den ord­nungs­ge­mä­ßen Un­ter­richts­ab­lauf er­mög­licht. Der Schul­frie­den kann be­ein­träch­tigt wer­den, wenn ein re­li­gi­ös mo­ti­vier­tes Ver­hal­ten ei­nes Schü­lers re­li­giö­se Kon­flik­te in der Schu­le her­vor­ruft oder ver­schärft. Nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, an die das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt als Re­vi­si­ons­ge­richt ge­bun­den war, wa­ren an der vom Klä­ger be­such­ten Schu­le zwi­schen mus­li­mi­schen Schü­le­rin­nen und Schü­lern teil­wei­se sehr hef­tig Kon­flik­te we­gen des Vor­wurfs aus­ge­tra­gen wor­den, nicht den Ver­hal­tens­re­geln ge­folgt zu sein, die sich aus ei­ner be­stimm­ten Aus­le­gung des Ko­rans er­gä­ben. Eben­falls nach den bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts wür­de sich die­se oh­ne­hin be­stehen­de Kon­flikt­la­ge ver­schär­fen, wenn die Aus­übung re­li­giö­ser Ri­ten auf dem Schul­ge­län­de ge­stat­tet wä­re und deut­lich an Prä­senz ge­wön­ne, wäh­rend er­zie­he­ri­sche Mit­tel al­lein nicht ge­nüg­ten, den zu er­war­ten­den er­heb­li­chen Kon­flik­ten aus­rei­chend zu be­geg­nen und den Schul­frie­den zu wah­ren. Die Ein­rich­tung ei­nes ei­ge­nen Raums zur Ver­rich­tung des Ge­bets wür­de nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Mög­lich­kei­ten der Schu­le spren­gen.


BVer­wG 6 C 20.10 - Ur­teil vom 30.11.2011

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, OVG 3 B 29.09 - Ur­teil vom 27.05.2010 -

VG Ber­lin, VG 3 A 984.07 - Ur­teil vom 29.09.2009 -


Be­schluss vom 03.12.2010 -
BVer­wG 6 PKH 19.10ECLI:DE:BVer­wG:2010:031210B6PK­H19.10.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 6 PKH 19.10

  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 27.05.2010 - AZ: OVG 3 B 29.09

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 6. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 3. De­zem­ber 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Neu­mann und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Bier und Dr. Möl­ler
be­schlos­sen:

Dem Klä­ger wird für das Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Pro­zess­kos­ten­hil­fe be­wil­ligt. Ihm wird Rechts­an­walt Y. in Ber­lin bei­ge­ord­net.

Ur­teil vom 30.11.2011 -
BVer­wG 6 C 20.10ECLI:DE:BVer­wG:2011:301111U6C20.10.0

Leit­satz:

Die Glau­bens­frei­heit des Schü­lers aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG be­rech­tigt ihn grund­sätz­lich, wäh­rend des Be­suchs der Schu­le au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein Ge­bet zu ver­rich­ten. Die­se Be­rech­ti­gung fin­det ih­re Schran­ke in der Wah­rung des Schul­frie­dens.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 6 C 20.10

  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 27.05.2010 - AZ: OVG 3 B 29.09
  • VG Ber­lin - 29.09.2009 - AZ: VG 3 A 984.07 

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 6. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 30. No­vem­ber 2011
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Neu­mann und
die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Bü­ge, Dr. Grau­lich, Dr. Lan­ger und
Dr. Möl­ler
für Recht er­kannt:

  1. Die Re­vi­si­on des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 27. Mai 2010 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, ein Schü­ler, be­gehrt die Fest­stel­lung, dass er be­rech­tigt ist, in der von ihm be­such­ten Schu­le au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein is­la­mi­sches Ge­bet zu ver­rich­ten.

2 Der am 17. Au­gust 1993 ge­bo­re­ne Klä­ger ist mus­li­mi­schen Glau­bens. Er be­sucht das D.-Gym­na­si­um in Ber­lin Wed­ding. Im No­vem­ber 2007 ver­rich­te­te er in der Pau­se zwi­schen zwei Un­ter­richts­stun­den zu­sam­men mit Mit­schü­lern auf ei­nem Flur des Schul­ge­bäu­des das Ge­bet nach is­la­mi­schem Ri­tus. Die Schü­ler knie­ten da­bei auf ih­ren Ja­cken, voll­zo­gen die nach is­la­mi­schem Ri­tus er­for­der­li­chen Kör­per­be­we­gun­gen und de­kla­mier­ten den vor­ge­ge­be­nen Text. Das Ge­bet dau­er­te et­wa zehn Mi­nu­ten. An­de­re Schü­ler sa­hen zu.

3 Am fol­gen­den Tag wies die Lei­te­rin der Schu­le die Schü­ler, die an dem Ge­bet be­tei­ligt wa­ren, dar­auf hin, die Ver­rich­tung ei­nes Ge­bets wer­de auf dem Schul­ge­län­de nicht ge­dul­det. Mit Schrei­ben vom sel­ben Tag teil­te sie den El­tern des Klä­gers mit, an der Schu­le sei­en re­li­giö­se Be­kun­dun­gen nicht er­laubt; zu ih­nen ge­hör­ten ins­be­son­de­re Ge­be­te.

4 Der Klä­ger hat dar­auf­hin Kla­ge er­ho­ben und be­an­tragt, fest­zu­stel­len, dass er be­rech­tigt sei, wäh­rend des Be­suchs des D.-Gym­na­si­ums au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein­mal täg­lich sein is­la­mi­sches Ge­bet zu ver­rich­ten.

5 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die be­an­trag­te Fest­stel­lung ge­trof­fen: Der Klä­ger kön­ne sich für sein An­lie­gen auf das Grund­recht der Glau­bens­frei­heit be­ru­fen. An­de­re Ver­fas­sungs­rech­te schränk­ten die­ses Recht nicht ein.

6 Auf die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen: Das An­lie­gen des Klä­gers wer­de zwar vom Schutz­be­reich der ver­fas­sungs­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Frei­heit der Re­li­gi­ons­aus­übung er­fasst. Die­ses Grund­recht sei hier je­doch zum Schutz von Grund­rech­ten Drit­ter und von Ge­mein­schafts­wer­ten mit Ver­fas­sungs­rang ein­ge­schränkt. Die Ver­rich­tung des Ge­bets im Schul­ge­bäu­de be­ein­träch­ti­ge die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Mit­schü­ler. Sie hät­ten grund­sätz­lich ei­nen An­spruch dar­auf, von Äu­ße­run­gen ei­nes Glau­bens ver­schont zu blei­ben, den sie nicht teil­ten. Das vom Grund­ge­setz ge­währ­leis­te­te El­tern­recht ver­lei­he zu­dem den El­tern die Be­fug­nis, ih­re Kin­der von Glau­bens­äu­ße­run­gen fern­zu­hal­ten, die sie als falsch oder schäd­lich an­sä­hen. Die des­halb er­for­der­li­che Ab­wä­gung zwi­schen dem Grund­recht auf Glau­bens­frei­heit des Klä­gers und den be­trof­fe­nen Grund­rech­ten Drit­ter fal­le zu Las­ten des Klä­gers aus. An der von ihm be­such­ten Schu­le sei un­ter den Schü­lern ei­ne Viel­zahl von Re­li­gio­nen und Glau­bens­rich­tun­gen ver­tre­ten. Dort wür­den be­reits re­li­gi­ös mo­ti­vier­te Kon­flik­te aus­ge­tra­gen. Das füh­re zu ei­ner kon­kre­ten Ge­fähr­dung des Schul­frie­dens. Die­se Kon­flikt­la­ge wür­de sich noch ver­schär­fen, wenn dem An­lie­gen des Klä­gers Rech­nung ge­tra­gen wür­de.

7 Der Klä­ger hat die vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on ein­ge­legt, mit der er sein erst­in­stanz­lich er­folg­rei­ches Be­geh­ren wei­ter­ver­folgt: Ihm ste­he auf­grund der ver­fas­sungs­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit das Recht zu, im Schul­ge­bäu­de das is­la­mi­sche Ri­tu­al­ge­bet zu ver­rich­ten. Die Glau­bens­frei­heit sei we­der durch Grund­rech­te Drit­ter noch durch an­de­re mit Ver­fas­sungs­rang ver­se­he­ne Rechts­gü­ter ein­ge­schränkt. Ins­be­son­de­re kön­ne ei­ne Ein­schrän­kung nicht aus der ne­ga­ti­ven Re­li­gi­ons­frei­heit an­de­rer Schü­ler, dem Ge­bot der re­li­giö­sen Neu­tra­li­tät des Staa­tes und der Ver­pflich­tung zur Wah­rung des Schul­frie­dens her­ge­lei­tet wer­den. In der Sa­che un­zu­tref­fend sei die An­nah­me des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, auf­grund re­li­giö­ser Kon­flik­te zwi­schen Schü­lern be­stehe be­reits jetzt ei­ne kon­kre­te Ge­fahr für den Schul­frie­den, die durch die Ver­rich­tung des Ge­bets ver­schärft wer­de.

8 Das be­klag­te Land tritt der Re­vi­si­on ent­ge­gen und ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil.

II

9 Die Re­vi­si­on des Klä­gers ist un­be­grün­det. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Kla­ge oh­ne Ver­stoß ge­gen Bun­des­recht ab­ge­wie­sen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO).

10 1. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat in Ein­klang mit Bun­des­recht die Kla­ge als zu­läs­sig an­ge­se­hen.

11 a) Das Be­geh­ren des Klä­gers ist als all­ge­mei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge nach § 43 Abs. 1 Vw­GO zu­läs­sig. Da­nach kann durch Kla­ge die Fest­stel­lung des Be­stehens oder Nicht­be­stehens ei­nes Rechts­ver­hält­nis­ses be­gehrt wer­den, wenn der Klä­ger ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der bal­di­gen Fest­stel­lung hat.

12 Un­ter ei­nem fest­stel­lungs­fä­hi­gen Rechts­ver­hält­nis sind die recht­li­chen Be­zie­hun­gen zu ver­ste­hen, die sich aus ei­nem kon­kre­ten Sach­ver­halt auf­grund ei­ner öf­fent­lich-recht­li­chen Norm für das Ver­hält­nis von (na­tür­li­chen oder ju­ris­ti­schen) Per­so­nen un­ter­ein­an­der oder ei­ner Per­son zu ei­ner Sa­che er­ge­ben, kraft de­ren ei­ne der be­tei­lig­ten Per­so­nen et­was Be­stimm­tes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Recht­li­che Be­zie­hun­gen ha­ben sich nur dann zu ei­nem Rechts­ver­hält­nis im Sin­ne des § 43 Abs. 1 Vw­GO ver­dich­tet, wenn die An­wen­dung ei­ner be­stimm­ten Norm des öf­fent­li­chen Rechts auf ei­nen be­reits über­seh­ba­ren Sach­ver­halt strei­tig ist (Ur­teil vom 26. Ja­nu­ar 1996 - BVer­wG 8 C 19.94 - BVer­w­GE 100, 262 <264 f.> = Buch­holz 454.9 Miet­preis­recht Nr. 15 S. 3). Der Streit der Be­tei­lig­ten be­trifft die Be­deu­tung und Trag­wei­te des Art. 4 Abs. 1 GG, ei­ner Vor­schrift des öf­fent­li­chen Rechts, und des­sen An­wen­dung auf ei­nen kon­kre­ten Sach­ver­halt, näm­lich den Vor­gang aus dem No­vem­ber 2007, als der Klä­ger zu­sam­men mit Mit­schü­lern auf dem Flur des Schul­ge­bäu­des in ei­ner Pau­se das ri­tu­el­le is­la­mi­sche Ge­bet ver­rich­te­te. Der Klä­ger be­rühmt sich des Rechts, in die­ser Wei­se auch künf­tig vor­ge­hen zu dür­fen. Die Schul­ver­wal­tung be­strei­tet das Be­stehen ei­nes sol­chen Rechts.

13 Der Klä­ger hat ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der er­streb­ten Fest­stel­lung. Nach­dem die Schul­lei­te­rin ihn und sei­ne El­tern dar­auf hin­ge­wie­sen hat, re­li­giö­se Be­kun­dun­gen wie Ge­be­te sei­en in der Schu­le nicht er­laubt, muss er mit Sank­tio­nen in der Ge­stalt von Er­zie­hungs- und Ord­nungs­maß­nah­men rech­nen, wenn er das von ihm als er­laubt an­ge­se­he­ne Ver­hal­ten fort­setzt. Ihm ist nicht zu­zu­mu­ten, sol­che Sank­tio­nen ab­zu­war­ten und erst im Zu­sam­men­hang mit ih­nen die strei­ti­ge Rechts­fra­ge ge­richt­lich klä­ren zu las­sen.

14 Der Fest­stel­lungs­kla­ge steht nicht der Grund­satz der Sub­si­dia­ri­tät ent­ge­gen (§ 43 Abs. 2 Vw­GO). Na­ment­lich konn­te der Klä­ger sei­ne Rech­te nicht durch ei­ne An­fech­tungs­kla­ge ver­fol­gen. Wie das Ver­wal­tungs­ge­richt fest­ge­stellt hat, ent­hiel­ten so­wohl der münd­li­che Hin­weis der Schul­lei­te­rin an den Klä­ger, die Ver­rich­tung ei­nes Ge­bets auf dem Schul­ge­län­de wer­de nicht ge­dul­det, als auch das nach­fol­gen­de Schrei­ben an sei­ne El­tern le­dig­lich Hin­wei­se auf die Rechts­la­ge, wie sie nach An­sicht der Schul­lei­te­rin be­steht, aber kei­ne Re­ge­lun­gen. Sie wa­ren mit­hin kei­ne Ver­wal­tungs­ak­te. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat sich die­se tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ver­wal­tungs­ge­richts zu ei­gen ge­macht. Der Se­nat hat kei­nen An­lass zu ei­ner ab­wei­chen­den Wür­di­gung.

15 b) Der Klä­ger hat die Kla­ge wirk­sam er­ho­ben. Ob­wohl er zu die­sem Zeit­punkt das 18. Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hat­te und des­halb nach bür­ger­li­chem Recht in sei­ner Ge­schäfts­fä­hig­keit noch be­schränkt war, war er den­noch pro­zess­fä­hig. Er war im Sin­ne des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Vw­GO durch Vor­schrif­ten des bür­ger­li­chen oder des öf­fent­li­chen Rechts für den Ge­gen­stand sei­nes Ver­fah­rens als ge­schäfts­fä­hig an­er­kannt. Nach § 5 Satz 1 des Ge­set­zes über die re­li­giö­se Kin­der­er­zie­hung vom 15. Ju­li 1921 (RGBl S. 939, BGBl III 404-9) steht dem Kind nach Voll­endung des 14. Le­bens­jah­res die Ent­schei­dung dar­über zu, zu wel­chem re­li­giö­sen Be­kennt­nis es sich hal­ten will. Die Be­stim­mung legt das Al­ter fest, bei dem an­ge­nom­men wird, dass der Ein­zel­ne weit­ge­hend selbst über sein Recht auf Glau­bens­frei­heit nach Art. 4 GG zu ver­fü­gen ver­mag (Re­li­gi­ons­mün­dig­keit). Die Re­li­gi­ons­mün­dig­keit er­streckt sich auf al­le mit der re­li­giö­sen Selbst­be­stim­mung im Zu­sam­men­hang ste­hen­den Fra­gen ein­schlie­ß­lich der Ver­rich­tung re­li­giö­ser Hand­lun­gen (Hu­ber in Mün­ch­KommBGB, 5. Aufl. 2008, An­hang zu § 1631 § 5 Rel­KErzG Rn. 2). Mit­hin wird der Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens von der Re­li­gi­ons­mün­dig­keit er­fasst.

16 2. Eben­falls mit Bun­des­recht ver­ein­bar ist die An­nah­me des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der Klä­ger kön­ne die von ihm be­gehr­te Fest­stel­lung nicht be­an­spru­chen und sei­ne Kla­ge sei des­halb un­be­grün­det. Ein sol­cher An­spruch er­gibt sich nicht aus der ver­fas­sungs­recht­lich ver­bürg­ten Glau­bens­frei­heit des Art. 4 Abs. 1 GG. Auf der Grund­la­ge des Sach­ver­halts, den das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt bin­dend fest­ge­stellt hat (§ 137 Abs. 2 Vw­GO), be­rech­tigt die­se Ver­fas­sungs­be­stim­mung den Klä­ger nicht, in der von ihm be­such­ten Schu­le au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit ein­mal täg­lich sein ri­tu­el­les is­la­mi­sches Ge­bet zu ver­rich­ten.

17 a) Das An­lie­gen des Klä­gers wird al­ler­dings durch den Schutz­be­reich der ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tier­ten Glau­bens­frei­heit er­fasst.

18 Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ent­hält ein Grund­recht der Glau­bens­frei­heit, das um­fas­send zu ver­ste­hen ist (BVerfG, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2009 - 1 BvR 2857, 2858/07 - BVerf­GE 125, 39 <79>). Die­ses Grund­recht be­zieht sich nicht nur auf die in­ne­re Frei­heit, zu glau­ben oder nicht zu glau­ben, son­dern auch auf die äu­ße­re Frei­heit, den Glau­ben zu be­kun­den und zu ver­brei­ten (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <297>). Das von der Glau­bens­frei­heit um­fass­te Recht der Re­li­gi­ons­aus­übung ist ex­ten­siv aus­zu­le­gen und er­streckt sich auf kul­ti­sche Hand­lun­gen, die ein Glau­ben vor­schreibt oder in de­nen er Aus­druck fin­det, wie z.B. Ge­be­te (BVerfG, Be­schluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerf­GE 93, 1 <15 f.>). Zwar kann nicht je­des Ver­hal­ten ei­ner Per­son nach de­ren sub­jek­ti­ver Be­stim­mung als Aus­druck ei­ner be­son­ders ge­schütz­ten Glau­bens­frei­heit an­ge­se­hen wer­den. Be­an­sprucht der Ein­zel­ne ein Ver­hal­ten als Aus­druck sei­ner Glau­bens­frei­heit für sich, darf viel­mehr bei der Wür­di­gung das Selbst­ver­ständ­nis der je­wei­li­gen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft nicht au­ßer Be­tracht blei­ben. Es kommt dar­auf an, ob sich das Ver­hal­ten nach Ge­halt und Er­schei­nung als Glau­bens­re­gel der je­wei­li­gen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft dem Schutz­be­reich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hin­rei­chend plau­si­bel zu­ord­nen lässt (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <298 f.>).

19 Dar­an ge­mes­sen un­ter­fällt die strei­ti­ge Ver­rich­tung des Ge­bets durch den Klä­ger dem Schutz­be­reich von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Nach den Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts geht es dem Klä­ger um das ri­tu­el­le Pflicht­ge­bet („as-sa­lat“), das nach den Re­geln des is­la­mi­schen Glau­bens fünf­mal täg­lich zu fest­ge­leg­ten Zei­ten zu ver­rich­ten ist. Die­ses Pflicht­ge­bet zeich­net sich da­durch aus, dass der Be­ten­de auf ei­nem ri­tu­ell sau­be­ren Platz mit dem Ge­sicht gen Mek­ka in ei­ner vor­ge­ge­be­nen Ab­fol­ge von Kör­per­hal­tun­gen be­stimm­te Ge­bets­tex­te de­kla­miert. Ein sol­ches Pflicht­ge­bet ist un­ter an­de­rem zur Mit­tags­zeit zu ver­rich­ten. Der Klä­ger möch­te die­se ri­tu­el­le Hand­lung in der Schu­le au­ßer­halb der Un­ter­richts­zeit vor­neh­men, wenn die Zeit­span­ne, die für das Ge­bet vor­ge­schrie­ben ist, in die Zeit des Schul­be­suchs fällt. Nach den bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts lässt sich ein Ge­bot, das ri­tu­el­le Pflicht­ge­bet zu den da­für fest­ge­setz­ten Zei­ten zu ver­rich­ten, als is­la­misch-re­li­gi­ös be­grün­de­te Glau­bens­re­gel dem Schutz­be­reich der Glau­bens­frei­heit hin­rei­chend plau­si­bel zu­ord­nen. In dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil wird fest­ge­stellt, dass der Klä­ger die Ein­hal­tung die­ser Glau­bens­re­gel als für sich ver­bind­lich an­sieht. Des­halb ver­mag er sich grund­sätz­lich auf den Schutz der Glau­bens­frei­heit zu be­ru­fen.

20 Der Schutz­be­reich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG um­fasst hier auch die freie Wahl des Or­tes, an dem der Klä­ger das Ge­bet ver­rich­ten möch­te.

21 Um sein ri­tu­el­les Ge­bet zu ver­rich­ten, be­nö­tigt der Klä­ger Raum, kon­kret ei­nen Be­reich des Schul­flurs, des­sen Nut­zung nicht sei­nem Be­stim­mungs­recht, son­dern dem Be­stim­mungs­recht der Schul­ver­wal­tung un­ter­liegt und der als Ver­kehrs­flä­che, näm­lich als Zu­gang zu Klas­sen­räu­men, Fach­räu­men, Leh­rer­zim­mern, Toi­let­ten und Aus­gän­gen zur Ver­fü­gung ge­stellt ist.

22 Für das Grund­recht der Ver­samm­lungs­frei­heit aus Art. 8 Abs. 1 GG hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men, es be­grün­de kein Be­nut­zungs­recht, das nicht schon nach all­ge­mei­nen Rechts­grund­sät­zen be­steht. Die Ent­schei­dung über Ort und Zeit der Ver­samm­lung ist zwar frei, setzt aber die recht­li­che Ver­fü­gungs­be­fug­nis über den Ver­samm­lungs­ort vor­aus. Das Recht der frei­en Orts­wahl um­fasst nicht das Recht, frem­des Ei­gen­tum nach Be­lie­ben in An­spruch zu neh­men. Dies gilt auch für ein Grund­stück, das nach dem Wil­len des Trä­gers nur im Rah­men ei­ner ein­ge­schränk­ten Zweck­be­stim­mung zur Ver­fü­gung steht (Ur­teil vom 29. Ok­to­ber 1992 - BVer­wG 7 C 34.91 - BVer­w­GE 91, 135 <138 f.> = Buch­holz 11 Art. 8 GG Nr. 6 S. 15; vgl. auch BVerfG, Ur­teil vom 22. Fe­bru­ar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1204>).

23 Hier­von un­ter­schei­det sich je­doch die Aus­übung der Glau­bens­frei­heit. Zwar ver­schafft auch sie dem Ein­zel­nen kei­nen An­spruch auf Zu­tritt zu ihm sonst nicht zu­gäng­li­chen Räu­men. Die Glau­bens­frei­heit ist dem Bür­ger nur dort ge­währ­leis­tet, wo er tat­säch­lich Zu­gang fin­det. An­ders als die kol­lek­tiv aus­ge­üb­te Ver­samm­lungs­frei­heit schlie­ßt die Aus­übung der Glau­bens­frei­heit als Recht des Ein­zel­nen in der Re­gel kei­nen be­son­de­ren Raum­be­darf ein, der ty­pi­scher­wei­se mit Be­läs­ti­gun­gen ver­bun­den ist. Als In­di­vi­du­al­grund­recht steht sie dem Bür­ger vom Grund­satz her über­all dort zu, wo er sich je­weils be­fin­det (vgl. zu der in die­ser Hin­sicht ver­gleich­ba­ren Frei­heit der Mei­nungs­äu­ße­rung: BVerfG, Ur­teil vom 22. Fe­bru­ar 2011 - 1 BvR 699/06 - NJW 2011, 1201 <1208>).

24 Das gilt je­den­falls für ei­nen Schü­ler, der in der Schu­le ein ihm von sei­ner Re­li­gi­on vor­ge­schrie­be­nes Ge­bet ver­rich­ten will. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ge­bie­tet, den Raum für die ak­ti­ve Be­tä­ti­gung der Glau­bens­über­zeu­gung und die Ver­wirk­li­chung der au­to­no­men Per­sön­lich­keit auf welt­an­schau­lich-re­li­giö­sem Ge­biet zu si­chern (BVerfG, Be­schluss vom 17. De­zem­ber 1975 - 1 BvR 63/68 - BVerf­GE 41, 29 <49>). Dies gilt ins­be­son­de­re für den vom Staat in Vor­sor­ge ge­nom­me­nen Be­reich der Schu­le (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <300>). Der Schü­ler bringt sei­ne Per­sön­lich­keits­rech­te in die Schu­le ein. Gleich­zei­tig ist er in die Schu­le und den Un­ter­richts­ab­lauf ein­ge­bun­den. Er kann die Schu­le auch wäh­rend der Pau­sen zwi­schen den Un­ter­richts­stun­den nicht oh­ne Wei­te­res ver­las­sen. Dar­auf könn­te er auch nicht ver­wie­sen wer­den. Er hält sich auch wäh­rend der Pau­sen be­stim­mungs­ge­mäß in der Schu­le auf und kann - vor­be­halt­lich noch zu er­ör­tern­der Schran­ken - sich dort sei­nen per­sön­li­chen Nei­gun­gen und Be­dürf­nis­sen ent­spre­chend be­tä­ti­gen. Je­den­falls auf­grund die­ser Ein­ge­bun­den­heit in die Schu­le kann ihm die Wahl von Zeit und Ort des Ge­bets nicht un­ter Hin­weis dar­auf von vorn­her­ein ver­wehrt wer­den, die Schul­ver­wal­tung ha­be die über­haupt in Be­tracht kom­men­den Räu­me aus­schlie­ß­lich für ei­ne an­de­re Nut­zung vor­ge­se­hen. Der Schutz­be­reich der Glau­bens­frei­heit um­fasst in die­ser La­ge den Zu­griff auf ei­nen Raum, der hier­für tat­säch­lich zur Ver­fü­gung steht.

25 b) In­so­weit be­steht das Grund­recht der Glau­bens­frei­heit aber nicht un­ein­ge­schränkt. Die Glau­bens­frei­heit ver­leiht dem Klä­ger hier nicht das Recht, das Ge­bet auf dem Schul­flur zu ver­rich­ten.

26 Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 ver­bürg­te Glau­bens­frei­heit ist vor­be­halt­los ge­währ­leis­tet. Ein­schrän­kun­gen müs­sen sich da­her aus der Ver­fas­sung selbst er­ge­ben. Hier­zu zäh­len die Grund­rech­te Drit­ter so­wie Ge­mein­schafts­wer­te von Ver­fas­sungs­rang. Die Ein­schrän­kung der vor­be­halt­los ge­währ­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit be­darf über­dies ei­ner hin­rei­chend be­stimm­ten ge­setz­li­chen Grund­la­ge (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <297>).

27 Zwar ist das Recht des Klä­gers, sei­nen Glau­ben zu be­kun­den, nicht durch die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit an­de­rer Schü­ler und der Leh­rer ein­ge­schränkt. Eben­so we­nig fin­det sein Grund­recht ei­ne Schran­ke in dem el­ter­li­chen Er­zie­hungs­recht. Ei­ne sol­che Schran­ke kann fer­ner nicht aus dem Ge­bot re­li­giö­ser Neu­tra­li­tät her­ge­lei­tet wer­den, das den Staat ver­pflich­tet. Das Grund­recht des Klä­gers auf Glau­bens­frei­heit ist aber zum Schut­ze des Schul­frie­dens ein­ge­schränkt, der zu den Ge­mein­schafts­wer­ten mit Ver­fas­sungs­rang ge­hört.

28 aa) Die in Art. 4 Abs. 1 GG ge­schütz­te Glau­bens­frei­heit um­fasst ne­ben der Frei­heit, re­li­giö­se und welt­an­schau­li­che Über­zeu­gun­gen zu bil­den und zu ha­ben so­wie sich zu die­sen Über­zeu­gun­gen zu be­ken­nen und sie zu ver­brei­ten, auch die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit, al­so die Frei­heit, kei­ne re­li­giö­se oder welt­an­schau­li­che Über­zeu­gung zu ha­ben oder ei­ne sol­che ab­zu­leh­nen (BVerfG, Be­schluss vom 26. Ok­to­ber 2008 - 1 BvR 462/06 - BVerf­GE 122, 89 <119>). In­so­weit ist auch die Frei­heit ge­währ­leis­tet, kul­ti­schen Hand­lun­gen ei­nes nicht ge­teil­ten Glau­bens fern­zu­blei­ben; das be­zieht sich auch auf Kul­te und Sym­bo­le, in de­nen ein Glau­be oder ei­ne Re­li­gi­on sich dar­stellt (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <301 f.>).

29 In­des wird in die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Mit­schü­ler nicht ein­ge­grif­fen, wenn sie auf dem Flur des Schul­ge­bäu­des dem be­ten­den Klä­ger be­geg­nen.

30 Die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit ist ein Ab­wehr­recht, das sich ge­gen den Staat rich­tet. Der Staat darf kei­ne La­ge schaf­fen, in wel­cher der Ein­zel­ne oh­ne Aus­weich­mög­lich­keit dem Ein­fluss ei­nes be­stimm­ten Glau­bens, den Hand­lun­gen, in de­nen die­ser sich ma­ni­fes­tiert, und den Sym­bo­len, in de­nen er sich dar­stellt, aus­ge­setzt ist. In­so­fern ent­fal­tet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sei­ne Frei­heit si­chern­de Wir­kung ge­ra­de in Le­bens­be­rei­chen, die nicht der ge­sell­schaft­li­chen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on über­las­sen, son­dern vom Staat in Vor­sor­ge ge­nom­men sind, wie dies auf die Schu­le zu­trifft (BVerfG, Be­schluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerf­GE 93, 1 <16>). Auch in­so­weit wen­det sich die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit aber ge­gen den Staat. Ihm ist es ver­wehrt, den Ein­zel­nen ge­gen sei­nen Wil­len zwangs­wei­se mit frem­den Glau­bens­be­kun­dun­gen, kul­ti­schen Hand­lun­gen und re­li­giö­sen Sym­bo­len zu kon­fron­tie­ren, et­wa in­dem er Klas­sen­räu­me mit sol­chen Sym­bo­len aus­stat­tet oder den Schü­lern in der Ge­stalt von Lehr­kräf­ten ent­ge­gen­tritt, die durch ihr Auf­tre­ten ih­re re­li­giö­sen Über­zeu­gun­gen in den Un­ter­richt hin­ein­tra­gen. Ma­chen hin­ge­gen Schü­ler in der Schu­le von ih­rer Glau­bens­frei­heit durch das Tra­gen re­li­giö­ser Sym­bo­le oder durch kul­ti­sche Hand­lun­gen Ge­brauch, ist al­len­falls ei­ne Schutz­pflicht des Staa­tes ge­gen­über den Mit­schü­lern be­trof­fen. In dem von ihm in Vor­sor­ge ge­nom­me­nen Be­reich der Schu­le muss der Staat auch ga­ran­tie­ren, dass der Ein­zel­ne nicht mit Ver­ant­wor­tung des Staa­tes ei­ner re­li­giö­sen Äu­ße­rung ei­nes pri­va­ten Drit­ten aus­ge­setzt ist, die sei­ne ne­ga­ti­ve Re­li­gi­ons­frei­heit zu ver­let­zen ge­eig­net ist. Glau­bens­äu­ße­run­gen von Schü­lern hat der Staat nicht ver­an­lasst. Sie sind ihm nicht zu­zu­rech­nen. Sei­ne Ver­ant­wor­tung be­steht dar­in, dass er Schü­ler un­ter­schied­li­cher Glau­bens­rich­tun­gen und Glau­bens­hal­tun­gen in ei­ner Schu­le zu­sam­men­führt. Sei­ne Schutz­pflicht für de­ren ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit fällt weit­hin mit sei­ner Auf­ga­be zu­sam­men, den Schul­frie­den zu wah­ren, al­so kei­ne auch re­li­giö­sen Kon­flik­te zu­zu­las­sen, die der Ver­wirk­li­chung des staat­li­chen Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trags und dem ord­nungs­ge­mä­ßen Un­ter­richts­ab­lauf ent­ge­gen­ste­hen. Die Schutz­pflicht des Staa­tes geht je­den­falls nicht so­weit, dass er Schü­ler oder auch Lehr­kräf­te vor je­der Be­geg­nung mit Äu­ße­run­gen ei­nes ih­nen frem­den, von ih­nen nicht ge­teil­ten Glau­bens be­wah­ren müss­te. Mit­schü­ler und Lehr­kräf­te wer­den mit dem be­ten­den Klä­ger nicht un­aus­weich­lich kon­fron­tiert. Sie ha­ben es zwar nicht selbst in der Hand, ob sie auf ei­nem Weg durch die Schu­le auf den Klä­ger bei der Ver­rich­tung sei­nes Ge­bets tref­fen. Es bleibt ih­nen aber un­be­nom­men, bei ei­ner Be­geg­nung mit dem be­ten­den Klä­ger ei­nen an­de­ren Weg zu neh­men. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat zwar fest­ge­stellt, dass in der Schu­le die Mög­lich­kei­ten des Aus­wei­chens be­schränkt sei­en, hat da­mit aber zu­gleich zum Aus­druck ge­bracht, dass sol­che Mög­lich­kei­ten tat­säch­lich, wenn auch in ein­ge­schränk­tem Um­fang, be­stehen. Die­se tat­säch­li­che Fest­stel­lung bin­det den Se­nat (§ 137 Abs. 2 Vw­GO). Ei­ne Be­geg­nung mit dem be­ten­den Klä­ger be­schränkt sich mit­hin auf ein eher flüch­ti­ges Zu­sam­men­tref­fen. Mit­schü­ler und Lehr­kräf­te wer­den da­durch nicht dem Ein­fluss ei­nes an­de­ren, von ih­nen ab­ge­lehn­ten Glau­bens in ei­ner Wei­se aus­ge­setzt, die ih­nen nicht zu­mut­bar ist. Der Ein­zel­ne hat in ei­ner Ge­sell­schaft, die un­ter­schied­li­chen Glau­bens­über­zeu­gun­gen Raum gibt, kein Recht dar­auf, von frem­den Glau­bens­be­kun­dun­gen, kul­ti­schen Hand­lun­gen und re­li­giö­sen Sym­bo­len gänz­lich ver­schont zu blei­ben (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <302>). Dies gilt auch für den Le­bens­be­reich der Schu­le.

31 bb) Die Glau­bens­frei­heit des Klä­gers kann nicht mit der Er­wä­gung ein­ge­schränkt wer­den, dies die­ne dem Schutz des Er­zie­hungs­rechts der El­tern sei­ner Mit­schü­ler.

32 Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ga­ran­tiert den El­tern die Pfle­ge und Er­zie­hung ih­rer Kin­der als na­tür­li­ches Recht. Die­ses Grund­recht um­fasst zu­sam­men mit Art. 4 Abs. 1 GG das Recht zur Kin­der­er­zie­hung in welt­an­schau­li­cher und re­li­giö­ser Hin­sicht. Da­her ist es zu­vör­derst Sa­che der El­tern, ih­ren Kin­dern die­je­ni­gen Über­zeu­gun­gen in Glau­bens- und Welt­an­schau­ungs­fra­gen zu ver­mit­teln, die sie für rich­tig hal­ten (BVerfG, Be­schluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerf­GE 93, 1 <17>). Dem ent­spricht das Recht, die Kin­der von Glau­bens­über­zeu­gun­gen fern­zu­hal­ten, die den El­tern als falsch oder schäd­lich er­schei­nen (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <301>).

33 Was die Be­geg­nung von Kin­dern mit re­li­giö­sen Hand­lun­gen Drit­ter an­geht, reicht das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht aber nicht wei­ter als die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Kin­der. Dem­entspre­chend ver­leiht das Er­zie­hungs­recht den El­tern nicht die Be­fug­nis, ih­re Kin­der vor jeg­li­cher Be­geg­nung mit re­li­giö­sen Hand­lun­gen Drit­ter zu schüt­zen. Das Er­zie­hungs­recht als eben­falls ge­gen den Staat ge­rich­te­tes Grund­recht kann nur dann be­trof­fen sein, wenn das Kind mit Ver­ant­wor­tung des Staa­tes sol­chen Hand­lun­gen un­aus­weich­lich aus­ge­setzt ist. Dies ist hier mit Blick auf die Mit­schü­ler des Klä­gers - wie auf­ge­zeigt - nicht der Fall.

34 cc) Die Glau­bens­frei­heit des Klä­gers ist nicht durch das ver­fas­sungs­recht­li­che Ge­bot re­li­giö­ser Neu­tra­li­tät des Staa­tes be­schränkt. Die Schul­ver­wal­tung wä­re nicht be­rech­tigt, un­ter Hin­weis auf die­ses Ge­bot die Ver­rich­tung des Ge­bets im Schul­ge­bäu­de zu un­ter­bin­den.

35 Das Grund­ge­setz be­grün­det für den Staat als Heim­statt al­ler Staats­bür­ger die Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giö­ser Neu­tra­li­tät. Es ver­bie­tet, staats­kirch­li­che Rechts­for­men ein­zu­füh­ren, und un­ter­sagt, be­stimm­te Be­kennt­nis­se zu pri­vi­le­gie­ren und An­ders­gläu­bi­ge aus­zu­gren­zen. Der Staat hat auf ei­ne am Gleich­heits­satz ori­en­tier­te Be­hand­lung der ver­schie­de­nen Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten zu ach­ten. Er darf sich nicht mit ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft iden­ti­fi­zie­ren. Die dem Staat ge­bo­te­ne re­li­gi­ös-welt­an­schau­li­che Neu­tra­li­tät ist in­des nicht als ei­ne di­stan­zie­ren­de Hal­tung im Sin­ne ei­ner strik­ten Tren­nung von Staat und Kir­che zu ver­ste­hen, son­dern als ei­ne of­fe­ne und über­grei­fen­de Hal­tung, die Glau­bens­frei­heit für al­le Be­kennt­nis­se glei­cher­ma­ßen för­dert. Der Staat darf le­dig­lich kei­ne ge­ziel­te Be­ein­flus­sung im Diens­te ei­ner be­stimm­ten po­li­ti­schen, ideo­lo­gi­schen oder welt­an­schau­li­chen Rich­tung be­trei­ben oder sich durch von ihm aus­ge­hen­de oder ihm zu­zu­rech­nen­de Maß­nah­men aus­drück­lich oder kon­klu­dent mit ei­nem be­stimm­ten Glau­ben oder ei­ner be­stimm­ten Welt­an­schau­ung iden­ti­fi­zie­ren und da­durch den re­li­giö­sen Frie­den in ei­ner Ge­sell­schaft von sich aus ge­fähr­den (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <299 f.>).

36 Dies gilt nach dem bis­he­ri­gen Ver­ständ­nis des Ver­hält­nis­ses von Staat und Re­li­gi­on, wie es in der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat, ins­be­son­de­re für den vom Staat in Vor­sor­ge ge­nom­me­nen Be­reich der Schu­le, für den sei­ner Na­tur nach re­li­giö­se und welt­an­schau­li­che Vor­stel­lun­gen von je­her re­le­vant wa­ren. Da­nach muss die Schu­le für un­ter­schied­li­che welt­an­schau­li­che und re­li­giö­se In­hal­te und Wer­te of­fen sein. In die­ser Of­fen­heit be­wahrt der frei­heit­li­che Staat des Grund­ge­set­zes sei­ne re­li­giö­se und welt­an­schau­li­che Neu­tra­li­tät. Für die Span­nun­gen, die bei der ge­mein­sa­men Er­zie­hung von Kin­dern un­ter­schied­li­cher Welt­an­schau­ungs- und Glau­bens­rich­tun­gen un­ver­meid­lich sind, muss un­ter Be­rück­sich­ti­gung des To­le­ranz­ge­bots als Aus­druck der Men­schen­wür­de nach ei­nem Aus­gleich ge­sucht wer­den (BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <300 f.>). Die Neu­tra­li­täts­pflicht des Staa­tes ver­langt da­nach kei­ne Schu­le, die von jeg­li­chen re­li­giö­sen Be­zü­gen frei ge­hal­ten wird. Die Schu­le ist viel­mehr ge­hal­ten, die welt­an­schau­li­chen und re­li­giö­sen Zu­sam­men­hän­ge un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ge­sell­schaft­li­chen Rea­li­tä­ten zu ver­mit­teln, oh­ne sie in die ei­ne oder an­de­re Rich­tung ein­sei­tig zu be­wer­ten (Ur­teil vom 26. Ju­ni 2008 - BVer­wG 2 C 22.07 - BVer­w­GE 131, 242 <Rn. 13> = Buch­holz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

37 Dar­an ge­mes­sen ist ei­ne Ver­let­zung des Ge­bots staat­li­cher Neu­tra­li­tät nicht zu be­sor­gen, wenn die Schul­ver­wal­tung zu­lässt, dass der Klä­ger sein Ge­bet auf dem Flur des Schul­ge­bäu­des ver­rich­tet. Dar­in lä­ge kei­ne ein­sei­ti­ge Be­vor­zu­gung des is­la­mi­schen Glau­bens oder ei­ne Be­ein­flus­sung im Sin­ne die­ses Glau­bens. Ei­ne aus­drück­li­che oder kon­klu­den­te Iden­ti­fi­ka­ti­on mit die­sem Glau­ben wä­re eben­falls nicht zu ver­zeich­nen. Das Ge­bet als kul­ti­sche Hand­lung ist nicht von der Schul­be­hör­de ver­an­lasst, son­dern be­ruht auf ei­ner ei­ge­nen Ent­schei­dung des Gläu­bi­gen. Dul­det der Staat in der Schu­le die Ver­rich­tung des is­la­mi­schen Ge­bets durch den Klä­ger, macht er sich des­sen Be­kennt­nis zum is­la­mi­schen Glau­ben, das in dem Ge­bet zum Aus­druck kommt, nicht zu ei­gen. Er muss es sich auch nicht als von ihm be­ab­sich­tigt zu­rech­nen las­sen.

38 Al­ler­dings könn­te der ge­sell­schaft­li­che Wan­del, der mit ei­ner zu­neh­men­den re­li­giö­sen Plu­ra­li­tät ver­bun­den ist, An­lass sein, das Aus­maß ab­wei­chend zu be­stim­men, in dem re­li­giö­se Be­zü­ge in der Schu­le zu­läs­sig sein sol­len. Es las­sen sich ei­ner­seits Grün­de da­für an­füh­ren, die zu­neh­men­de re­li­giö­se Viel­falt in der Schu­le auf­zu­neh­men und als Mit­tel für die Ein­übung von ge­gen­sei­ti­ger To­le­ranz zu nut­zen, um so ei­nen Bei­trag in dem Be­mü­hen um In­te­gra­ti­on zu leis­ten. An­de­rer­seits ist die zu­neh­men­de re­li­giö­se Viel­falt mit ei­nem grö­ße­ren Po­ten­zi­al mög­li­cher Kon­flik­te in der Schu­le ver­bun­den. Es mag des­halb auch gu­te Grün­de da­für ge­ben, der staat­li­chen Neu­tra­li­täts­pflicht im schu­li­schen Be­reich ei­ne strik­te­re und mehr als bis­her di­stan­zie­ren­de Be­deu­tung bei­zu­mes­sen und dem­ge­mäß re­li­giö­se Be­zü­ge, die von Schü­lern in die Schu­le hin­ein­ge­tra­gen wer­den, aus der Schu­le grund­sätz­lich fern­zu­hal­ten, um Kon­flik­te mit Schü­lern, El­tern oder an­de­ren Lehr­kräf­ten von vorn­her­ein zu ver­mei­den (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <310>).

39 Wie auf die ge­wan­del­ten Ver­hält­nis­se zu ant­wor­ten ist, ins­be­son­de­re, wel­che Ver­hal­tens­re­geln für Schü­ler zur Wah­rung des re­li­giö­sen Frie­dens in der Schu­le auf­ge­stellt wer­den sol­len, hat aber nicht die Exe­ku­ti­ve zu ent­schei­den. Viel­mehr be­darf es hier­für ei­ner Re­ge­lung durch den de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten par­la­men­ta­ri­schen Lan­des­ge­setz­ge­ber. Es hängt von ei­ner Be­ur­tei­lung der tat­säch­li­chen Ent­wick­lun­gen ab, ob ge­gen­läu­fi­ge Grund­rechts­po­si­tio­nen von Schü­lern und El­tern oder an­de­re Wer­te von Ver­fas­sungs­rang ei­ne Re­ge­lung recht­fer­ti­gen, die kul­ti­sche Hand­lun­gen und die Ver­wen­dung von Kenn­zei­chen mit re­li­giö­sem Be­zug weit­ge­hend aus der Schu­le ver­ban­nen. Für die­se Be­ur­tei­lung ver­fügt nur der Ge­setz­ge­ber über ei­ne Ein­schät­zungs­prä­ro­ga­ti­ve, die Be­hör­den und Ge­rich­te nicht für sich in An­spruch neh­men kön­nen. Er hat zu be­ur­tei­len, ob von der Ver­rich­tung kul­ti­scher Hand­lun­gen in der Schu­le oder der Ver­wen­dung von re­li­giö­sen Sym­bo­len be­reits ei­ne abs­trak­te Ge­fähr­dung des Schul­frie­dens aus­geht, und muss ge­ge­be­nen­falls zu de­ren Ab­wehr ei­ne dar­auf zu­ge­schnit­te­ne Rechts­grund­la­ge schaf­fen (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <307>).

40 Ei­ne sol­che durch den par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber ge­schaf­fe­ne Rechts­grund­la­ge fehlt im Lan­des­recht von Ber­lin. Zwar re­gelt die Schul­ord­nung des D.-Gym­na­si­ums in ih­rer Nr. II 16 un­ter Hin­weis auf das Ge­bot welt­an­schau­li­cher und re­li­giö­ser Neu­tra­li­tät des Staa­tes, dass die Aus­übung re­li­giö­ser Ri­ten im Re­li­gi­ons­un­ter­richt er­folgt. Die Schul­ord­nung lässt sich ih­rer­seits auf ei­ne par­la­men­ta­ri­sche Er­mäch­ti­gung zu­rück­füh­ren. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 8 des Schul­ge­set­zes für das Land Ber­lin (Schul­ge­setz - SchulG) vom 26. Ja­nu­ar 2004 (GVBl 2004, 26) ent­schei­det die Schul­kon­fe­renz über Ver­hal­tens­re­geln für den ge­ord­ne­ten Ab­lauf des äu­ße­ren Schul­be­triebs (Haus­ord­nung), an die die Schü­ler nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in der Aus­le­gung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts ge­bun­den sind. Die all­ge­mei­ne Er­mäch­ti­gung, auch für die Schü­ler ver­bind­li­che Ver­hal­tens­re­geln zu er­las­sen, stellt nicht die er­for­der­li­che hin­rei­chend be­stimm­te ge­setz­li­che Grund­la­ge dar, um Glau­bens­äu­ße­run­gen der Schü­ler, wie der Vor­nah­me re­li­giö­ser Ri­ten, be­reits we­gen der blo­ßen Mög­lich­keit ei­ner Ge­fähr­dung oder ei­nes Kon­flikts zu be­schrän­ken (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <303>). Des­halb ist es der Schul­ver­wal­tung der­zeit ver­wehrt, oh­ne Rück­sicht auf ei­ne kon­kre­te Ge­fähr­dung des Schul­frie­dens im Ein­zel­fall vor­beu­gend die Ver­rich­tung von Ge­be­ten und die Vor­nah­me ver­gleich­ba­rer kul­ti­scher Hand­lun­gen in der Schu­le we­gen de­ren abs­trak­ter Eig­nung, den Schul­frie­den zu ge­fähr­den, zu un­ter­bin­den.

41 dd) Die Glau­bens­frei­heit des Klä­gers und sei­ne dar­aus her­leit­ba­re Be­rech­ti­gung, auch in der Schu­le sein Ge­bet zu ver­rich­ten, fin­den ih­re Schran­ke aber in dem Ge­bot, den Schul­frie­den zu wah­ren.

42 Die Er­fül­lung des staat­li­chen Er­zie­hungs- und Bil­dungs­auf­trags nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt vor­aus, dass der Schul­frie­den ge­wahrt ist (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <303>). Da­mit ist ein Zu­stand der Kon­flikt­frei­heit und -be­wäl­ti­gung ge­meint, der den ord­nungs­ge­mä­ßen Un­ter­richts­ab­lauf er­mög­licht, da­mit der staat­li­che Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trag ver­wirk­licht wer­den kann (vgl. Zim­mer­mann, LKV 2010, 394 <398> m.w.N.). Der Schul­frie­den kann auch durch re­li­gi­ös mo­ti­vier­tes Ver­hal­ten be­ein­träch­tigt wer­den (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <303 und 307>). Der re­li­giö­se Schul­frie­den ist ein Schutz­zweck von her­aus­ra­gen­der Be­deu­tung (Ur­teil vom 24. Ju­ni 2004 - BVer­wG 2 C 45.03 - BVer­w­GE 121, 140 <152> = Buch­holz 237.0 § 9 Ba­WüLBG Nr. 1 S. 10). Die Ver­mei­dung re­li­gi­ös-welt­an­schau­li­cher Kon­flik­te in öf­fent­li­chen Schu­len stellt ein ge­wich­ti­ges Ge­mein­schafts­gut dar (Ur­teil vom 26. Ju­ni 2008 - BVer­wG 2 C 22.07 - BVer­w­GE 131, 242 <Rn. 21> = Buch­holz 11 Art. 12 GG Nr. 265).

43 Nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts wür­de die Ver­rich­tung des Ge­bets auf dem Schul­flur durch den Klä­ger ei­ne oh­ne­hin be­reits be­stehen­de kon­kre­te Ge­fahr für den Schul­frie­den wei­ter ver­schär­fen.

44 Nach die­sen Fest­stel­lun­gen ist an dem D.-Gym­na­si­um un­ter den Schü­lern ei­ne Viel­zahl von Re­li­gio­nen und Glau­bens­rich­tun­gen ver­tre­ten. Auf­grund die­ser he­te­ro­ge­nen Zu­sam­men­set­zung der Schü­ler­schaft sind un­ter den Schü­lern teil­wei­se sehr hef­ti­ge Kon­flik­te aus­ge­tra­gen wor­den, die von Vor­wür­fen ge­gen Mit­schü­ler aus­gin­gen, die­se sei­en nicht den Ver­hal­tens­re­geln ge­folgt, die sich aus ei­ner be­stimm­ten Aus­le­gung des Ko­rans er­gä­ben, wie bei­spiels­wei­se dem Ge­bot, ein Kopf­tuch zu tra­gen, Fas­ten­vor­schrif­ten ein­zu­hal­ten, Ge­be­te ab­zu­hal­ten, kein Schwei­ne­fleisch zu ver­zeh­ren, „un­sitt­li­ches Ver­hal­ten“ und „un­sitt­li­che Klei­dung“ so­wie per­sön­li­che Kon­tak­te zu „un­rei­nen“ Mit­schü­lern zu ver­mei­den. Aus der­ar­ti­gen An­läs­sen sei es et­wa zu Mob­bing, Be­lei­di­gung, ins­be­son­de­re mit an­ti­se­mi­ti­scher Ziel­rich­tung, Be­dro­hung und se­xis­ti­schen Dis­kri­mi­nie­run­gen ge­kom­men. Hier­auf auf­bau­end hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt den Schluss ge­zo­gen, die oh­ne­hin be­stehen­de Kon­flikt­la­ge wür­de sich ver­schär­fen, wenn die Aus­übung re­li­giö­ser Ri­ten auf dem Schul­ge­län­de ge­stat­tet wä­re und deut­lich an Prä­senz ge­wön­ne.

45 An die­se tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen und die dar­auf auf­bau­en­de Be­weis­wür­di­gung ist der Se­nat ge­mäß § 137 Abs. 2 Vw­GO ge­bun­den. Der Klä­ger hat da­ge­gen kei­ne zu­läs­si­gen und be­grün­de­ten Re­vi­si­ons­grün­de vor­ge­bracht.

46 Der Klä­ger be­an­stan­det im Kern, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be je­den­falls auf der Grund­la­ge ei­ner zu schma­len Tat­sa­chen­ba­sis an­ge­nom­men, an der von ihm be­such­ten Schu­le sei be­reits jetzt der Schul­frie­den kon­kret ge­fähr­det. Der Klä­ger rügt da­mit der Sa­che nach, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be den Über­zeu­gungs­grund­satz des § 108 Abs. 1 Satz 1 Vw­GO ver­letzt. Ein Ver­stoß ge­gen die­sen Grund­satz liegt je­doch nicht vor.

47 Der Über­zeu­gungs­grund­satz ist ver­letzt, wenn der Vor­gang der Über­zeu­gungs­bil­dung an ei­nem Feh­ler lei­det, weil das Ge­richt von ei­nem un­rich­ti­gen oder un­voll­stän­di­gen Sach­ver­halt aus­ge­gan­gen ist, ins­be­son­de­re Um­stän­de über­gan­gen hat, de­ren Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit sich ihm hät­te auf­drän­gen müs­sen (Ur­teil vom 21. Ju­ni 2006 - BVer­wG 6 C 19.06 - Buch­holz 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 28), oder weil sei­ne Be­weis­wür­di­gung ak­ten­wid­rig oder ob­jek­tiv will­kür­lich ist, ge­gen Denk­ge­set­ze ver­stö­ßt oder ei­nen all­ge­mei­nen Er­fah­rungs­satz miss­ach­tet (Be­schluss vom 14. Ju­li 2010 - BVer­wG 10 B 7.10 - Buch­holz 310 § 108 Abs. 1 Vw­GO Nr. 66 Rn. 4). Das Re­vi­si­ons­ge­richt kann die Be­weis­wür­di­gung nicht dar­auf­hin über­prü­fen, ob sie über­zeu­gend ist, ob fest­ge­stell­te Ein­zel­um­stän­de mit dem ih­nen zu­kom­men­den Ge­wicht in die ab­schlie­ßen­de Sach­ver­halts­wür­di­gung ein­ge­gan­gen sind und ob sol­che Um­stän­de die Wür­di­gung zu tra­gen ver­mö­gen (Ur­teil vom 25. Mai 1984 - BVer­wG 8 C 108.82 - Buch­holz 448.0 § 11 WPflG Nr. 35 S. 16 f.).

48 Der Re­vi­si­ons­be­grün­dung lässt sich nicht ent­neh­men, dass das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in die­ser Hin­sicht das Ge­bot der frei­en Be­weis­wür­di­gung ver­letzt hat. Es hat sei­ne Fest­stel­lung, der Schul­frie­den sei be­reits jetzt kon­kret ge­fähr­det, auf ei­ne Rei­he von Bei­spie­len ge­stützt, die das be­klag­te Land nach Auf­fas­sung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts sub­stan­ti­iert vor­ge­tra­gen hat­te und die in dem Ur­teil bei­spiel­haft wie­der­ge­ge­ben wer­den. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ist da­bei zwar nicht aus­drück­lich auf den Hin­weis des Klä­gers ein­ge­gan­gen, die ge­schil­der­ten Kon­flik­te mit re­li­giö­sem Hin­ter­grund wie­sen kei­nen Be­zug zu dem von ihm ge­üb­ten Ge­bet auf, er - der Klä­ger - sei an die­sen Kon­flik­ten nicht be­tei­ligt ge­we­sen, ha­be im Ge­gen­teil auf der Schu­le vie­le christ­li­che Freun­de, die sei­ne streng re­li­giö­se Hal­tung so­gar gut fän­den. In­des kam es auf die­se Um­stän­de nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat der Sa­che nach fest­ge­stellt, dass an dem D.-Gym­na­si­um auf­grund der he­te­ro­ge­nen re­li­giö­sen Zu­sam­men­set­zung der Schü­ler­schaft ein Kli­ma herrscht, in dem sich an re­li­giö­sem Ver­hal­ten eben­so wie an of­fe­ner Di­stanz zu re­li­giö­sen Ge­bo­ten aus durch­aus ge­rin­gem An­lass Kon­flik­te ent­zün­den. Von da­her kam es nicht dar­auf an, ob schon bis­her die Ver­rich­tung ri­tu­el­ler Ge­be­te in der Schu­le zu sol­chen Kon­flik­ten ge­führt hat­te. Denn die of­fe­ne Ver­rich­tung ei­nes ri­tu­el­len Ge­bets konn­te nach der Wür­di­gung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts in die­sem Kli­ma wie­der­um die Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen un­ter­schied­li­chen Ein­stel­lun­gen zum Glau­ben und ih­ren Ge­bo­ten auf­bre­chen las­sen, weil es zum Mit­ma­chen auf­for­dert und ge­eig­net ist, zwi­schen stren­gen und we­ni­ger stren­gen An­hän­gern ei­ner Re­li­gi­on zu schei­den. Ob der Klä­ger in ei­ner sol­chen Ab­sicht ge­han­delt hat oder gar Aus­ein­an­der­set­zun­gen schü­ren woll­te, war für das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt un­er­heb­lich, weil es aus sei­ner Sicht nur dar­auf an­kam, dass in dem herr­schen­den Kli­ma an der Schu­le die Ver­rich­tung ei­nes ri­tu­el­len Ge­bets ob­jek­tiv ge­eig­net war, wei­te­ren Un­frie­den zu stif­ten. Ein Schuld­vor­wurf an den Klä­ger war da­mit nicht ver­bun­den, so dass das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt auch nicht aus­drück­lich auf sei­ne Be­teue­rung ein­ge­hen muss­te, er sei an re­li­gi­ös mo­ti­vier­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen nicht be­tei­ligt; es konn­te die­sen Vor­trag viel­mehr oh­ne wei­te­res Ein­ge­hen dar­auf als wahr un­ter­stel­len. Eben­so muss­te das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in sei­ner Be­weis­wür­di­gung nicht ei­gens auf die Aus­sa­ge des Klä­gers ein­ge­hen, ihm - dem Klä­ger - sei­en die Vor­fäl­le nicht be­kannt, die das be­klag­te Land zur Stüt­zung sei­nes Vor­trags her­an­zie­he, an dem D.-Gym­na­si­um sei be­reits jetzt durch re­li­gi­ös mo­ti­vier­te Kon­flik­te der Schul­frie­de ge­fähr­det. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt durf­te oh­ne Wei­te­res da­von aus­ge­hen, dass die Schul­ver­wal­tung den voll­stän­di­gen Über­blick über das Ge­sche­hen an die­ser Schu­le hat, der dem Klä­ger nicht not­wen­dig in der­sel­ben Wei­se zu­gäng­lich ist.

49 Soll­te der Klä­ger die Re­vi­si­ons­be­grün­dung in­so­weit auch als Rü­ge ver­stan­den wis­sen wol­len, das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be sein recht­li­ches Ge­hör ver­letzt, wä­re die Rü­ge aus den­sel­ben Grün­den un­be­grün­det. Es lässt sich nicht fest­stel­len, dass das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen­vor­trag des Klä­gers über­gan­gen hat.

50 ee) Die Ein­schrän­kung des Grund­rechts des Klä­gers auf Glau­bens­frei­heit steht im Ein­klang mit dem Ge­bot ei­nes scho­nen­den Aus­gleichs der wi­der­strei­ten­den Ver­fas­sungs­gü­ter. Der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit ist ge­wahrt.

51 Die Ein­schrän­kung der Mög­lich­keit, in der Schu­le das ri­tu­el­le is­la­mi­sche Mit­tags­ge­bet zu ver­rich­ten, ist ge­eig­net, den da­mit ver­folg­ten le­gi­ti­men Zweck zu er­rei­chen, der zu­tref­fend pro­gnos­ti­zier­ten Ver­schär­fung der oh­ne­hin be­reits be­stehen­den kon­kre­ten Ge­fahr für den Schul­frie­den zu be­geg­nen.

52 An die­sem Zweck aus­ge­rich­tet er­weist sich die Be­schrän­kung der Glau­bens­frei­heit als er­for­der­lich. Der vor­her­seh­ba­ren Ge­fähr­dung des Schul­frie­dens kann nicht durch ei­ne an­de­re gleich wirk­sa­me Maß­nah­me be­geg­net wer­den, die die Glau­bens­frei­heit des Klä­gers nicht oder we­ni­ger ein­schränkt.

53 Al­ler­dings ist die Schu­le zu­nächst ge­hal­ten, kon­kre­ten re­li­gi­ös mo­ti­vier­ten Kon­flik­ten mit er­zie­he­ri­schen Mit­teln ge­gen­zu­steu­ern. Die ge­wach­se­ne re­li­giö­se Viel­falt in der Ge­sell­schaft spie­gelt sich be­son­ders deut­lich in der Schu­le wi­der. Sie ist der Ort, an dem un­ter­schied­li­che re­li­giö­se Auf­fas­sun­gen un­aus­weich­lich auf­ein­an­der tref­fen und an dem sich die­ses Ne­ben­ein­an­der in be­son­ders emp­find­li­cher Wei­se aus­wirkt. Ein to­le­ran­tes Mit­ein­an­der mit An­ders­ge­sinn­ten kann hier am nach­hal­tigs­ten durch Er­zie­hung ge­übt wer­den (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <310>). Hier­an an­knüp­fend hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt in Aus­le­gung des ir­re­vi­si­blen Lan­des­rechts fest­ge­stellt, dem Schul­ge­setz lie­ge das Kon­zept zu­grun­de, dem be­schrie­be­nen Kon­flikt­po­ten­ti­al mit er­zie­he­ri­schen Mit­teln zu be­geg­nen. Es ist ge­ra­de Auf­ga­be der Schu­le, ein to­le­ran­tes Mit­ein­an­der mit An­ders­ge­sinn­ten durch Er­zie­hung zu üben. Nach § 1 Abs. 3 SchulG ge­hört es zum Auf­trag der Schu­le, Per­sön­lich­kei­ten her­an­zu­bil­den, de­ren Hal­tung von der Ach­tung vor je­der ehr­li­chen Über­zeu­gung be­stimmt wird. Schu­li­sche Bil­dung und Er­zie­hung sol­len die Schü­ler ins­be­son­de­re be­fä­hi­gen, ih­re ei­ge­ne Kul­tur so­wie an­de­re Kul­tu­ren ken­nen zu ler­nen und zu ver­ste­hen, Men­schen an­de­rer Her­kunft, Re­li­gi­on und Welt­an­schau­ung vor­ur­teils­frei zu be­geg­nen und für das Le­bens­recht und die Wür­de al­ler Men­schen ein­zu­tre­ten (§ 3 Abs. 3 SchulG). Dem liegt die Vor­stel­lung des Lan­des­ge­setz­ge­bers zu­grun­de, dass die In­te­gra­ti­ons­auf­ga­be des Staa­tes in ei­ner plu­ra­lis­ti­schen Ge­sell­schaft ei­nen ei­gen­stän­di­gen und um­fas­sen­den staat­li­chen Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trag er­for­dert, der über die An­for­de­run­gen an die Ver­mitt­lung von Wis­sen und Kennt­nis­sen hin­aus­geht und des­sen Zie­le ei­nen ethi­schen, welt­an­schau­li­chen und po­li­ti­schen Min­dest­kon­sens dar­stel­len, der gleich­zei­tig die Of­fen­heit für die in der Ge­sell­schaft vor­han­de­nen Wert­auf­fas­sun­gen ge­währ­leis­ten muss (Be­grün­dung der Re­gie­rungs­vor­la­ge zum Schul­ge­setz, Abghs-Drs 15/1842, S. 7).

54 Die Schu­le kann da­nach nicht stets so­gleich ge­gen re­li­gi­ös ge­präg­tes Ver­hal­ten ei­nes Schü­lers vor­ge­hen, wenn es Ge­gen­re­ak­tio­nen und Un­ru­he bei an­de­ren Schü­lern aus­löst. Von Fäl­len be­wuss­ter und ge­woll­ter Pro­vo­ka­ti­on ab­ge­se­hen, stört nicht der Schü­ler den Schul­frie­den, der nur von der ihm im Grund­ge­setz ver­hei­ße­nen Glau­bens­frei­heit Ge­brauch macht, son­dern der­je­ni­ge, der dar­an in ei­ner Wei­se An­stoß nimmt, die mit den Ge­bo­ten der To­le­ranz nicht ver­ein­bar ist. Hier­durch aus­ge­lös­te Stö­run­gen ge­ben An­lass, sich da­mit et­wa im Un­ter­richt mit dem Ziel, wech­sel­sei­ti­ges Ver­ständ­nis zu we­cken, aus­ein­an­der­zu­set­zen. An­de­ren­falls hät­ten es ein­zel­ne oder we­ni­ge Schü­ler in der Hand auch bei ei­nem an sich of­fe­nen Kli­ma in der Schu­le durch un­duld­sa­mes An­stoß­neh­men Stö­run­gen her­bei­zu­füh­ren, die dann zum An­lass ein­sei­ti­gen Ein­schrei­tens ge­nom­men wer­den.

55 An­de­rer­seits sind den Mög­lich­kei­ten der Schu­le Gren­zen ge­setzt, kon­kre­ten re­li­gi­ös mo­ti­vier­ten Kon­flik­ten mit er­zie­he­ri­schen Mit­teln zu be­geg­nen. Das gilt na­ment­lich in Fäl­len, in de­nen re­li­gi­ös ge­präg­tes und um­ge­kehrt be­tont re­li­gi­ons­fer­nes Ver­hal­ten wech­sel­sei­tig zu Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­führt und ein all­ge­mei­nes Kli­ma ge­schaf­fen ha­ben, in dem das Auf­grei­fen ein­zel­ner Vor­gän­ge an­ge­sichts des da­mit ver­bun­de­nen Auf­wands kei­nen Sinn mehr ver­spricht. Je­den­falls in ei­nem sol­chen Fall setzt sich der über­ge­ord­ne­te Zweck der staat­li­chen Ver­an­stal­tung Schu­le durch, im In­ter­es­se des Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trags der Schu­le für al­le Schü­ler ei­nen ge­ord­ne­ten Un­ter­richts­ab­lauf si­cher­zu­stel­len. Die­sem ei­gent­li­chen Zweck der Schu­le sind al­le Schü­ler ver­pflich­tet. Der Ein­zel­ne muss um die­ses Zwe­ckes wil­len in ei­ner sol­chen La­ge auf ein an sich er­laub­tes Ver­hal­ten ver­zich­ten, oh­ne dass es dar­auf an­kommt, ob ihm der Vor­wurf ge­macht wer­den kann, ge­ra­de er stö­re schuld­haft den Schul­frie­den.

56 Der­ar­ti­ge Ver­hält­nis­se hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt für das D.-Gym­na­si­um fest­ge­stellt und dar­auf auf­bau­end, den Sach­ver­halt da­hin ge­wür­digt, an­ge­sichts der kon­kre­ten Ver­hält­nis­se an die­ser Schu­le ge­nüg­ten er­zie­he­ri­sche Mit­tel al­lein nicht, den er­heb­li­chen Kon­flik­ten aus­rei­chend zu be­geg­nen, die zu er­war­ten wä­ren, wenn die strei­ti­ge Ver­rich­tung des Ge­bets zu­ge­las­sen wür­de. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat ins­be­son­de­re dar­auf hin­ge­wie­sen, so­weit die Schu­le über­haupt in der La­ge ge­we­sen sei, an Kon­flik­ten be­tei­lig­te Schü­ler zu ei­nem Ge­spräch zu­sam­men­zu­brin­gen, sei­en die­se Ge­sprä­che frucht­los ge­blie­ben. An die­se tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen ist der Se­nat wie­der­um ge­bun­den.

57 Als ein mil­de­res Mit­tel kommt grund­sätz­lich auch in Be­tracht, bet­wil­li­gen Schü­lern ei­nen Raum zu­zu­wei­sen, wo sie ih­re Ge­be­te un­be­ob­ach­tet von an­de­ren Schü­lern ver­rich­ten kön­nen. Zwar ver­leiht Art. 4 GG kei­nen An­spruch dar­auf, der Glau­bens­über­zeu­gung mit staat­li­cher Un­ter­stüt­zung Aus­druck zu ver­lei­hen (BVerfG, Be­schluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerf­GE 93, 1 <16>). Dar­um geht es in die­sem Zu­sam­men­hang aber auch nicht. Der Klä­ger be­gehrt kei­ne Leis­tung der Schu­le, auf die er kei­nen An­spruch hät­te. Es geht nur dar­um, ob die Schu­le, be­vor sie die Ver­rich­tung des Ge­bets gänz­lich un­ter­bin­det, im Rah­men des ver­hält­nis­mä­ßi­gen Aus­gleichs aus dem oh­ne­hin Vor­han­de­nen ei­nen Raum an­bie­ten kann, der für die Ver­rich­tung des Ge­bets zur Ver­fü­gung steht. Sie muss hin­ge­gen nicht erst Räu­me für die­sen Zweck schaf­fen. Der Klä­ger muss die Schu­le so hin­neh­men, wie sie ist.

58 Je­doch hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt fest­ge­stellt, dass die Ein­rich­tung ei­nes spe­zi­el­len Raums zur Ver­rich­tung des Ge­bets die or­ga­ni­sa­to­ri­schen Mög­lich­kei­ten der Schu­le spren­gen wür­de. An die­se Fest­stel­lung ist der Se­nat ge­bun­den. Da­nach lie­gen be­reits fünf An­trä­ge vor, am D.-Gym­na­si­um Ge­bets­räu­me ein­zu­rich­ten. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat dar­auf hin­ge­wie­sen, die Schu­le ha­be in der Ver­gan­gen­heit schon ein­mal ei­nen ge­mein­sa­men Ge­bets­raum ein­ge­rich­tet, der wie­der ha­be ge­schlos­sen wer­den müs­sen, nach­dem es zu ver­ba­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen Schü­le­rin­nen, die ein Kopf­tuch ge­tra­gen hät­ten, und an­de­ren, die dies nicht ge­tan hät­ten, ge­kom­men sei, und nach­dem die Jun­gen es ab­ge­lehnt hät­ten, ge­mein­sam mit Mäd­chen zu be­ten. Hier­an an­knüp­fend hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt den Sach­ver­halt da­hin ge­wür­digt, es müss­ten um­fang­rei­che Vor­keh­run­gen für ei­ne dif­fe­ren­zier­te räum­li­che Auf­tei­lung ge­trof­fen und de­ren un­ge­stör­te Be­nut­zung durch Auf­sichts­per­so­nal ge­währ­leis­tet wer­den.

59 Die Ein­schrän­kung der Glau­bens­frei­heit er­weist sich als an­ge­mes­sen. Sie steht nicht au­ßer Ver­hält­nis zu dem sie recht­fer­ti­gen­den le­gi­ti­men Zweck.

60 Al­ler­dings wiegt die Ein­schrän­kung der Glau­bens­frei­heit des Klä­gers nicht leicht. Er un­ter­liegt zwar nicht mehr der Schul­pflicht. Um den an­ge­streb­ten Schul­ab­schluss zu er­rei­chen, ist er je­doch ge­hal­ten, sich zu den Zei­ten im Schul­ge­bäu­de auf­zu­hal­ten, die von der Schu­le vor­ge­ge­ben sind. Die Ein­schrän­kung des Grund­rechts wiegt nicht des­halb leich­ter, weil das hier in­mit­ten ste­hen­de Mit­tags­ge­bet nach Ab­lauf des da­für vor­ge­se­he­nen Zeit­raums nach­ge­holt wer­den könn­te. Hier­auf kann der Klä­ger nicht ver­wie­sen wer­den. Er sieht die Ein­hal­tung der vor­ge­ge­be­nen Zeit­span­ne als für sich ver­bind­lich an. Dies lässt sich - wie dar­ge­legt - dem Schutz­be­reich der Glau­bens­frei­heit hin­rei­chend plau­si­bel zu­ord­nen.

61 Der mit der Ein­schrän­kung des Grund­rechts ver­folg­te Zweck ist aber hö­her zu ge­wich­ten als die Be­ein­träch­ti­gung der Glau­bens­frei­heit des Klä­gers. Der Wah­rung des Schul­frie­dens kommt be­son­de­res Ge­wicht zu. Dies gilt hier in be­son­de­rem Ma­ße, weil durch die Ver­rich­tung des Ge­bets ei­ne be­reits be­stehen­de hin­rei­chen­de Wahr­schein­lich­keit der Stö­rung des Schul­frie­dens auf­grund re­li­giö­ser Kon­flik­te er­höht wür­de und des­halb ei­ne be­son­ders in­ten­si­ve Ge­fah­ren­la­ge für den Schul­frie­den zu be­sor­gen wä­re. Bei ei­ner sol­chen Fall­ge­stal­tung muss die Re­li­gi­ons­aus­übung des Klä­gers hin­ter die Wah­rung des eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich ge­schütz­ten Schul­frie­dens zu­rück­tre­ten.

62 ff) Die Ein­schrän­kung der Glau­bens­frei­heit des Klä­gers kann auf ei­ne aus­rei­chen­de ge­setz­li­che Grund­la­ge zu­rück­ge­führt wer­den. Wie be­reits dar­ge­legt, ist nach der Aus­le­gung des ir­re­vi­si­blen Lan­des­rechts durch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt die Ver­rich­tung des Ge­bets auf dem Flur des Schul­ge­bäu­des nach § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG in Ver­bin­dung mit Nr. II. 16 der Schul­ord­nung des D.-Gym­na­si­ums nicht zu­läs­sig. Ob­wohl § 46 Abs. 2 Satz 3 SchulG als Ge­ne­ral­klau­sel die Ein­schrän­kung der Re­li­gi­ons­aus­übung nicht spe­zi­ell an­spricht und Nr. II. 16 der Schul­ord­nung nicht vom par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber ver­ant­wor­tet ist, rei­chen die­se Be­stim­mun­gen als Grund­la­ge für ei­ne Ein­schrän­kung der Glau­bens­frei­heit aus, so­weit es nicht um die Kon­kre­ti­sie­rung des Ge­bots staat­li­cher Neu­tra­li­tät mit Blick auf abs­trakt mög­li­che Ge­fähr­dun­gen des Schul­frie­dens, son­dern - wie hier - um die Ab­wehr kon­kre­ter Ge­fah­ren für die­ses Schutz­gut geht (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <303>).

63 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 2 Vw­GO.