Pressemitteilung Nr. 21/2025 vom 24.03.2025
Folgen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch einen anderen EU-Mitgliedstaat für das deutsche Asylverfahren
Ist einem Drittstaatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden, kann er aber dorthin wegen der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta nicht zurückkehren, haben im Rahmen eines in Deutschland durchgeführten Asylverfahrens auch die Verwaltungsgerichte die Entscheidung des anderen Mitgliedstaates und die Anhaltspunkte, auf denen diese Entscheidung beruht, in vollem Umfang zu berücksichtigen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Kläger sind syrische Staatsangehörige, denen in Griechenland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Sie können nicht nach Griechenland zurückkehren, weil ihnen dort unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta drohen würde.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gewährte den Klägern subsidiären Schutz und lehnte ihre Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab. Dieses Begehren verfolgen sie mit ihren Klagen weiter, die das Verwaltungsgericht abgewiesen hat. Die Gewährung von Flüchtlingsschutz durch Griechenland binde Deutschland in der vorliegenden Fallkonstellation nicht.
Der 1. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts hat hierzu mit Beschluss vom 7. September 2022 (BVerwG 1 C 26.21) den Gerichtshof der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV um die Auslegung mehrerer Vorschriften des Unionsrechts ersucht (vgl. Pressemitteilung 56/2022 vom 7. September 2022); die Revisionsverfahren sind ausgesetzt worden.
Der Gerichtshof hat mit Urteil vom 18. Juni 2024 - C-753/22, QY - entschieden, dass die einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts dahin auszulegen sind, dass die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, wenn sie von der Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen kann, weil der Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat, der ihm bereits einen solchen Schutz zuerkannt hat, der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt wäre, im Rahmen eines neuen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes eine neue individuelle, vollständige und aktualisierte Prüfung dieses Antrags vornehmen muss. Dabei muss die zuständige Behörde jedoch die Entscheidung des anderen Mitgliedstaats, diesem Antragsteller internationalen Schutz zu gewähren, und die Anhaltspunkte, auf denen diese Entscheidung beruht, in vollem Umfang berücksichtigen.
Auf dieser Grundlage haben die Verwaltungsgerichte eine den genannten Maßstäben entsprechende Prüfung vorzunehmen, wenn sie nicht bereits im Verfahren beim Bundesamt erfolgt ist. Sollte sich im gerichtlichen Verfahren die Einholung weiterer Informationen, etwa seitens der Behörden des anderen Mitgliedstaats, als erforderlich erweisen, haben die Beteiligten - namentlich das Bundesamt - daran mitzuwirken.
Soweit die Kläger Mitglieder einer Familie (Ehegatten und ihr minderjähriges Kind) sind, führt die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes in dem anderen Mitgliedstaat nicht zur Gewährung abgeleiteten Flüchtlingsschutzes für Familienangehörige in Deutschland nach § 26 Abs. 5 AsylG. Diese Vorschrift setzt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an den Stammberechtigten durch die Bundesrepublik Deutschland voraus.
BVerwG 1 C 7.24 - Urteil vom 24. März 2025
Vorinstanzen:
VG Aachen, VG 1 K 2968/19.A - Urteil vom 19. August 2021 -
EuGH Luxemburg, EuGH C-753/22 - Urteil vom 18. Juni 2024 -
BVerwG 1 C 5.24 - Urteil vom 24. März 2025
Vorinstanz:
VG Aachen, 1 K 1444/20.A - Urteil vom 19. August 2021 -
BVerwG 1 C 6.24 - Urteil vom 24. März 2025
Vorinstanz:
VG Aachen, VG 1 K 1443/20.A - Urteil vom 19. August 2021 -