Verfahrensinformation

Sonntagsöffnung öffentlicher Bibliotheken


Die Antragstellerin, eine bundesweit tätige Dienstleistungsgewerkschaft, wendet sich gegen die Sonn- und Feiertagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen. Dort erlaubt § 1 Abs. 1 Nr. 11 Bedarfsgewerbeverordnung NRW seit 2019, an Sonn- und Feiertagen Arbeitnehmer in öffentlichen Bibliotheken zu beschäftigen, soweit diese Bibliotheken bestimmte kulturelle Funktionen erfüllen.


Die Antragstellerin hat im Jahre 2020 einen Normenkontrollantrag gegen die ursprüngliche Regelung gestellt. Nach deren Anpassung an das Kulturfördergesetzbuch NRW mit Gesetz vom 1. Dezember 2021 hat sie die Neufassung im Jahr 2023 in das Verfahren einbezogen. Sie meint, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien die strengen bundesrechtlichen Anforderungen an eine sonn- und feiertägliche Bibliotheksöffnung nicht erfüllt.


Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Zwar sei seine Erweiterung auf die Neufassung der Vorschrift auch nach mehr als einem Jahr zulässig. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Der Gesetzgeber habe die Landesverordnung durch ein Parlamentsgesetz ändern dürfen. Die aktuelle Regelung sei verfassungskonform. Sie werde von der Einschätzung getragen, dass ein Bedürfnis für die Nutzung öffentlicher Bibliotheken als niederschwellig zugänglicher, nichtkommerzieller Orte der Kultur und als Stätten der Familie auch an Sonn- und Feiertagen bestehe. Bibliotheken mit solcher Funktion dienten der Kommunikation, der gesellschaftlichen Integration, der Information und der Bildung. Der Normgeber gehe davon aus, dass dazu eine Beschäftigung von Arbeitnehmern auch an Sonn- und Feiertagen erforderlich sei. Seine Einschätzung sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Sie müsse sich nur als schlüssig und vertretbar erweisen. Das sei hier der Fall. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 65/2024 vom 11.12.2024

Normenkontrollantrag gegen Sonntagsöffnung von Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen verfristet

Wird eine Rechtsnorm, deren Gültigkeit in einem Normenkontrollverfahren überprüft wird, während der Dauer dieses Verfahrens inhaltlich geändert, kann der Antragsteller die geänderte Vorschrift nur innerhalb eines Jahres in das Verfahren einbeziehen. Anderenfalls ist der Normenkontrollantrag hinsichtlich der geänderten Vorschrift unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Antragstellerin, eine bundesweit tätige Dienstleistungsgewerkschaft, wendet sich gegen die Sonn- und Feiertagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen. Dort erlaubt § 1 Abs. 1 Nr. 11 Bedarfsgewerbeverordnung NRW seit 2019, an Sonn- und Feiertagen Arbeitnehmer in öffentlichen Bibliotheken zu beschäftigen, soweit diese Bibliotheken bestimmte kulturelle Funktionen erfüllen. Die Antragstellerin hat gegen diese Regelung fristgerecht einen Normenkontrollantrag gestellt. Nach deren Anpassung an das Kulturfördergesetzbuch NRW mit Gesetz vom 1. Dezember 2021 hat sie im Januar 2023 ihren Antrag auf die geänderte Fassung der Vorschrift umgestellt. Sie meint, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien die strengen bundesrechtlichen Anforderungen an eine sonn- und feiertägliche Bibliotheksöffnung nicht erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt. Der Antrag sei zulässig. Die gesetzliche Frist habe nach der Änderung der Vorschrift nicht nochmals eingehalten werden müssen. Der Antrag sei jedoch unbegründet. Die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken zuzulassen, sei mit höherrangigem Recht und insbesondere dem Sonntagsschutz des Grundgesetzes vereinbar.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Er ist allerdings unzulässig, so dass die Rechtmäßigkeit der Sonntagsöffnung nicht mehr zu prüfen war. Wird eine Rechtsnorm, deren Gültigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nach § 47 VwGO überprüft wird, während der Dauer dieses Verfahrens inhaltlich geändert, kann der Antragsteller die geänderte Vorschrift nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur innerhalb eines Jahres ab ihrer Bekanntmachung in das Verfahren einbeziehen. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift und ihrem Regelungszweck. Sie dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Deshalb lässt sie Anträge Einzelner auf allgemeingültige Verwerfung einer Rechtsnorm nur für einen beschränkten Zeitraum zu. Das gilt bei einer inhaltlichen Änderung ebenso wie bei erstmaligem Erlass einer Vorschrift. Eine inhaltliche Änderung lag hier in der Zuweisung neuer Funktionen an öffentliche Bibliotheken. Die danach zu beachtende Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO war hinsichtlich der Neufassung der Vorschrift bei deren Einbeziehung in das Normenkontrollverfahren abgelaufen, so dass der Normenkontrollantrag unzulässig ist. Eine inhaltliche Entscheidung über die Vereinbarkeit der Sonntagsöffnung von Bibliotheken mit dem grundgesetzlichen Sonntagsschutz konnte deshalb nicht ergehen.


BVerwG 8 CN 2.23 - Urteil vom 11. Dezember 2024

Vorinstanz:

OVG Münster, OVG 4 D 94/20.NE - Urteil vom 01. Juni 2023 -


Urteil vom 11.12.2024 -
BVerwG 8 CN 2.23ECLI:DE:BVerwG:2024:111224U8CN2.23.0

Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bei Änderung der angegriffenen Vorschrift

Leitsatz:

Wird eine Rechtsnorm, deren Gültigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nach § 47 VwGO überprüft wird, während der Dauer dieses Verfahrens inhaltlich geändert, kann der Antragsteller die geänderte Vorschrift nur innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in das Verfahren einbeziehen.

  • Rechtsquellen
    VwGO §§ 47, 60

  • OVG Münster - 01.06.2023 - AZ: 4 D 94/20.NE

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.12.2024 - 8 CN 2.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:111224U8CN2.23.0]

Urteil

BVerwG 8 CN 2.23

  • OVG Münster - 01.06.2023 - AZ: 4 D 94/20.NE

In der Normenkontrollsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2024
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab, die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller, Dr. Meister und
Dr. Naumann
für Recht erkannt:

  1. Die Revision wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 Die Antragstellerin, eine Dienstleistungsgewerkschaft, wendet sich gegen eine Rechtsverordnung des Antragsgegners, die Sonntagsarbeit in öffentlichen Bibliotheken erlaubt.

2 Der Antragsgegner fasste durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der kulturellen Funktion der öffentlichen Bibliotheken und ihrer Öffnung am Sonntag (Bibliotheksstärkungsgesetz) vom 29. Oktober 2019 § 10 des Kulturfördergesetzes NRW wie folgt neu:
"(1) Die öffentlichen Bibliotheken sind nach Maßgabe der Bestimmungen ihres Trägers Orte der Kultur. Insofern dienen sie
1. dem Informationszugang und lebenslangen Lernen,
2. der Begegnung, Kommunikation, dem kulturellen Austausch und der gesellschaftlichen Integration,
3. der Leseförderung sowie der Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz,
4. der Vermittlung von allgemeiner, interkultureller und staatsbürgerlicher Bildung sowie
5. der demokratischen Willensbildung und gleichberechtigten Teilhabe, insbesondere durch ein vielfältiges Presseangebot.
Sie können insbesondere im ländlichen Raum und in kleinen Städten und Gemeinden zu Zentren der Kultur weiterentwickelt werden und insofern dazu dienen, dass an ihnen verschiedene kulturelle Aktivitäten aus der regionalen Umgebung angeboten werden können.
(2) ...
(3) ..."

3 Gleichzeitig fügte der Antragsgegner durch Art. 2 des Bibliotheksstärkungsgesetzes § 1 Abs. 1 der Bedarfsgewerbeverordnung, wonach abweichend von dem generellen Verbot des § 9 Abs. 1 ArbZG an Sonn- und Feiertagen in bestimmten Bereichen Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen, soweit die Arbeiten für den Betrieb unerlässlich sind und nicht an Werktagen durchgeführt werden können, folgende Nr. 11 an:
"in öffentlichen Bibliotheken, soweit sie ihre Funktionen nach § 10 Absatz 1 des Kulturfördergesetzes NRW vom 18. Dezember 2014 (GV. NRW. S. 917), geändert durch Gesetz vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 90), erfüllen, bis zu 6 Stunden."

4 Das Bibliotheksstärkungsgesetz wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 8. November 2019 (GV. NRW. S. 852) bekannt gemacht.

5 Gegen § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung hat die Antragstellerin am 28. Mai 2020 beim Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag gestellt.

6 Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Antragsgegner mit dem Gesetz zum Erlass eines Kulturgesetzbuches sowie zur Änderung und Aufhebung weiterer Vorschriften (Kulturrechtsneuordnungsgesetz) vom 1. Dezember 2021, bekanntgemacht im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 14. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1353), unter Art. 1 das Kulturgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (Kulturgesetzbuch NRW) erlassen, unter Art. 2 das Kulturfördergesetz NRW aufgehoben sowie unter Art. 7 in § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung die Wörter "§ 10 Absatz 1 des Kulturfördergesetzes NRW vom 18. Dezember 2014 (GV. NRW. S. 917), geändert durch Gesetz vom 23. Januar 2018 (GV. NRW. S. 90)", durch die Wörter "§ 47 und § 48 Absätze 4 bis 6 des Kulturgesetzbuches vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1353) in der jeweils geltenden Fassung" ersetzt. § 47 und § 48 Abs. 4 bis 6 Kulturgesetzbuch lauten wie folgt:
"§ 47 Aufgaben der Bibliotheken
(1) Bibliotheken sind zur Benutzung bestimmte und erschlossene Sammlungen von Büchern sowie anderen Medien- und Informationsangeboten, auch digitaler Art. Sie tragen in besonderer Weise zur Verwirklichung des Grundrechts aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes bei, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten zu können.
(2) Als Bildungs- und Informationseinrichtungen unterstützen Bibliotheken das selbstbestimmte lebensbegleitende Lernen, die Leseförderung sowie die Vermittlung von Medien- und Informationskompetenz.
(3) Als Kultureinrichtungen stellen sie Räume für Begegnungen, Kommunikation, Integration und Kreativität zur Verfügung, gestalten diese aktiv und bieten ein vielfältiges Programm an. Sie haben auch die Funktion eines Dritten Orts im Sinne von § 14 Absatz 4 Satz 1.
(4) Als Gedächtnisinstitutionen pflegen, bewahren und erschließen Bibliotheken wertvolle Altbestände und Sammlungen und machen sie der Öffentlichkeit in analoger oder digitaler Form zugänglich.
§ 48 Öffentliche Bibliotheken
...
(4) Öffentliche Bibliotheken leisten durch ein fachlich kuratiertes Informationsangebot einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Informationsfreiheit. Daher sind sie bei der Auswahl ihrer Medien unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.
(5) Öffentliche Bibliotheken sind unter Beachtung des Hausrechts und im Rahmen der Benutzungsregelungen ihrer Träger frei zugänglich. Sie ermöglichen Nutzerinnen und Nutzern einen niedrigschwelligen und ungehinderten Zugang zu Informationen und tragen so wesentlich zur Vermittlung von allgemeiner, interkultureller und staatsbürgerlicher Bildung bei. Zudem ermöglichen und unterstützen sie die demokratische Willensbildung und gleichberechtigte Teilhabe sowie die gesellschaftliche Integration. Das Land unterstützt die Öffentlichen Bibliotheken bei der nutzerfreundlichen Ausweitung der Öffnungszeiten.
(6) Als Orte der Begegnung, der Kommunikation, des kulturellen Austausches und der gesellschaftlichen Integration können Bibliotheken zentrale Orte der Kultur und der außerschulischen Bildung sein und dazu beitragen, kulturelle Aktivitäten in der Region zu bündeln und zugänglich zu machen."

7 Die Antragstellerin hatte ursprünglich angekündigt zu beantragen, § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung vom 5. Mai 1998, eingefügt durch Bibliotheksstärkungsgesetz vom 29. Oktober 2019 (GV. NRW. S. 852) für unwirksam zu erklären. Nach gerichtlichen Hinweisen hat sie entsprechend ihrer erstmaligen Ankündigung mit Schriftsatz vom 20. Januar 2023 in der mündlichen Verhandlung beantragt, § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung vom 5. Mai 1998, eingefügt durch Art. 2 des Bibliotheksstärkungsgesetzes vom 29. Oktober 2019 (GV. NRW. S. 852), in der Fassung gemäß Art. 7 des Kulturrechtsneuordnungsgesetzes vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1353), für unwirksam zu erklären. Der Antragsgegner hat in die Einbeziehung von Art. 7 des Kulturrechtsneuordnungsgesetzes vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW. S. 1353) in den Antrag eingewilligt.

8 Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag abgelehnt. Dessen Anpassung sei jedenfalls wegen der Einwilligung des Antragsgegners zulässig. Der angepasste Antrag sei seinerseits zulässig. Eine - wie hier - im Wege eines formellen Gesetzes erlassene oder geänderte Rechtsverordnung nehme den Rang einer Verordnung ein und stelle eine im Wege der Normenkontrolle gemäß § 47 VwGO überprüfbare Rechtsvorschrift dar. Für die Einbeziehung der aktuellen Fassung von § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung sei die bereits vor Antragsanpassung abgelaufene Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht erneut zu beachten gewesen. Es bestehe eine vergleichbare Interessenlage wie bei der nachträglichen Einbeziehung von Änderungsverwaltungsakten in eine Anfechtungsklage, die bei materieller Unteilbarkeit beider Regelungen nach der Rechtsprechung nicht die erneute Einhaltung der Frist fordere. Die ursprüngliche Fassung und die nachträglich einbezogene Änderungsfassung der angegriffenen Vorschrift seien nach materiellem Recht unteilbar. Beide Fassungen seien aufgrund der Ersetzung einzelner Worte nur im Zusammenhang zu verstehen. Die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen in öffentlichen Bibliotheken habe für Behörden und Bürger bereits mit dem fristgerecht gestellten Normenkontrollantrag gegen die ursprünglich angegriffene Fassung auf dem Prüfstand gestanden. Jedoch sei der Antrag unbegründet. Der geltend gemachte Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere den Sonntagsschutz des Grundgesetzes, liege nicht vor. Die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Frage, ob für die nachträgliche Einbeziehung einer inhaltlich unteilbar geänderten Fassung einer Norm in ein Normenkontrollverfahren die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu beachten sei, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO habe.

9 Mit ihrer Revision trägt die Antragstellerin vor, das Oberverwaltungsgericht habe den Normenkontrollantrag zu Recht als zulässig angesehen, insbesondere sei die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich der Einbeziehung der Änderung von § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung durch das Kulturrechtsneuordnungsgesetz aus den vom Oberverwaltungsgericht dargelegten Gründen nicht zu beachten gewesen. Jedenfalls sei die Frist bislang nicht in Gang gesetzt, da es an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Änderung fehle. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletze jedoch Bundesrecht, soweit es den Normenkontrollantrag für unbegründet gehalten habe. § 11 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung sei formell und materiell rechtswidrig.

10 Die Antragstellerin beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2023 zu ändern und § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung vom 5. Mai 1998, eingefügt durch Art. 2 des Bibliotheksstärkungsgesetzes vom 29. Oktober 2019 (GV. NRW S. 852), in der Fassung gemäß Art. 7 des Kulturrechtsneuordnungsgesetzes vom 1. Dezember 2021 (GV. NRW S. 1353), für unwirksam zu erklären.

11 Der Antragsgegner beantragt,
die Revision der Antragstellerin zu verwerfen,
hilfsweise, die Revision zurückzuweisen.

12 Er meint, die Revision sei bereits unzulässig, weil das Oberverwaltungsgericht die Zulassungsentscheidung ausweislich ihrer Begründung auf die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags beschränkt habe. Die Antragstellerin greife aber nur die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Begründetheit an. Im Übrigen sei der Normenkontrollantrag unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

II

13 Die Revision der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

14 Sie ist zulässig. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Es bedarf vorliegend keiner Erörterung, ob eine Beschränkung der Revisionszulassung auf die Zulässigkeit im Verwaltungsprozess überhaupt möglich ist (dafür unter Verweis auf die zivilrechtliche Rechtsprechung Buchheister, in: Schoch/​Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 132 Rn. 28; kritisch Czybulka/​Hösch, in: Sodan/​Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 132 Rn. 82 ff.). Jedenfalls würde eine solche Beschränkung voraussetzen, dass sie sich eindeutig aus der Zulassungsentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Dezember 2021 - 3 B 25.21 - NVwZ 2022, 548 Rn. 9 f. m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall. Der Tenor des angegriffenen Urteils spricht die Revisionszulassung unbeschränkt aus und seine Rechtsmittelbelehrung nennt allein die "Revision" als zulässiges Rechtsmittel. Das Oberverwaltungsgericht hat die Zulassung der Revision zwar lediglich mit der Frage der Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründet. Daraus lässt sich jedoch eine Beschränkung der Zulassungsentscheidung nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen.

15 Die Revision wahrt auch das Begründungserfordernis des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO. Sie setzt sich mit den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts hinreichend auseinander; die ergänzende Bezugnahme auf früheres Vorbringen ist unschädlich.

16 Die Revision ist jedoch unbegründet. Das Urteil verletzt zwar mit der Annahme, die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei bei der Einbeziehung der Änderungsfassung des § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung vom 1. Dezember 2021 in das Normenkontrollverfahren nicht zu beachten gewesen, Bundesrecht und beruht auf diesem Bundesrechtsverstoß (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Wegen der Unzulässigkeit des Antrags stellt sich das diesen abweisende Urteil im Ergebnis jedoch als richtig dar, § 144 Abs. 4 VwGO.

17 Zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht den zulässigerweise angepassten Antrag gegen § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung in der Fassung vom 1. Dezember 2021 gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. §§ 109a, 133 Abs. 3 Satz 2 JustizG NRW für statthaft gehalten. Die Vorschrift ist zulässiger Gegenstand einer Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Ihre Änderung durch ein formelles Gesetz lässt den Rang als Rechtsverordnung unberührt (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <239 f.>; BVerwG, Urteile vom 16. Januar 2003 - 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313 <317> und vom 15. Dezember 2016 - 2 C 31.15 - BVerwGE 157, 54 Rn. 12).

18 Der Antrag ist aber wegen Versäumung der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig. Danach ist der Antrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen. Die Antragsfrist bezieht sich auf die konkret zur Überprüfung gestellte Vorschrift, vorliegend also die Änderungsfassung des § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung vom 1. Dezember 2021. Gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB begann die Frist am Tag nach der Bekanntmachung der Änderung der Vorschrift im Gesetz- und Verordnungsblatt am 14. Dezember 2021 (GV. NRW S. 1353). Auf die von der Antragstellerin problematisierte Ordnungsgemäßheit der Bekanntmachung kommt es dabei von Rechts wegen nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 - 7 CN 1.03 - NVwZ 2004, 1122 <1123>). Die Frist beginnt bei einer Änderung der angegriffenen Vorschrift nur dann nicht neu zu laufen, wenn die Neufassung offenkundig keine inhaltlichen Änderungen bewirkt. Dabei ist es eine Frage der systematischen Auslegung, ob eine selbst unverändert gebliebene Regelung im Kontext mit geänderten anderen Vorschriften des ursprünglichen Regelwerks eine neue belastende Wirkung entfaltet. Die klarstellende Änderung einer Vorschrift führt auch dann zu einer neuen Beschwer für die Betroffenen, wenn die Modifikation deren Anwendungsbereich eindeutiger zum Ausdruck bringt und damit präzisiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 ‌- 8 CN 1.08 - NVwZ-RR 2010, 578 Rn. 24, Beschluss vom 27. September 2021 ‌- 6 BN 1.21 - NVwZ 2022, 70 Rn. 11). Danach löste die Änderung des § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung mit der Ersetzung der bisherigen Verweisung auf § 10 Abs. 1 des Kulturfördergesetzes durch die Bezugnahme auf das neu in Kraft getretene Kulturgesetzbuch die Frist neu aus. Die durch § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung in Bezug genommene Funktionsbeschreibung öffentlicher Bibliotheken wurde durch die neuen Zielnormen der Verweisung, § 47 und § 48 Abs. 4 bis 6 des Kulturgesetzbuchs, präzisiert und erweitert. So wurde unter anderem erstmals der niedrigschwellige und ungehinderte Informationszugang als Aufgabe der Bibliotheken gesetzlich verankert. Zugleich wurden Bibliotheken als Dritte Orte im Sinne des § 14 Abs. 4 Satz 1 des Kulturgesetzbuchs eingestuft. Hierdurch wurde auch die Voraussetzung der Öffnung öffentlicher Bibliotheken an Sonntagen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 11 der Bedarfsgewerbeverordnung präzisiert.

19 Die Frist endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am 14. Dezember 2022. Die Einbeziehung der Änderungsvorschrift durch Schriftsatz vom 20. Januar 2023 erfolgte nach Fristablauf.

20 Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Antragstellerin habe die neu in Gang gesetzte Frist nicht einhalten müssen, weil die ursprünglich (und fristgerecht) angegriffene Norm und die einbezogene Änderungsfassung eine nach materiellem Recht unteilbare Regelung enthielten, verletzt Bundesrecht. Auf den Wortlaut des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach der Antrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe der angegriffenen Vorschrift zu stellen ist, lässt sich diese Annahme nicht stützen. Eine Ausnahme für Änderungsfassungen, deren Vorgängervorschrift bereits Gegenstand eines Normenkontrollantrags ist, ist hierin nicht angelegt. Der aus der Gesetzesbegründung ersichtliche Sinn und Zweck der Antragsfrist, die durch Gesetz vom 1. November 1996 eingefügt und durch Gesetz vom 21. Dezember 2006 auf ein Jahr verkürzt wurde, spricht ebenfalls gegen ein solches Verständnis. Nach der Gesetzesbegründung soll die Frist insbesondere der zügigen Herstellung von Rechtssicherheit dienen (vgl. BT-Drs. 16/2496 S. 17 f.). Die Feststellung der Unwirksamkeit der Norm, die nicht nur die unmittelbar am verwaltungsgerichtlichen Verfahren Beteiligten betrifft, sondern allgemeinverbindlich wirkt und deshalb auch auf nicht bestandskräftig abgeschlossene Verwaltungsverfahren Dritter erhebliche Auswirkungen haben kann, soll nur für einen beschränkten Zeitraum zugelassen werden. Dieser Regelungszweck ist bei einer Änderungsverordnung ebenso berührt, wie bei einer erstmals angegriffenen Vorschrift. Auch bei einer Änderungsvorschrift steht für die Allgemeinheit nicht von vornherein fest, dass der Antragsteller seinen Angriff gegen die Ursprungsfassung der Vorschrift auch auf ihre Änderung erstrecken wird.

21 Das danach durch Wortlaut, Gesetzesbegründung und Zweck der Vorschrift gestützte Ergebnis wird nicht durch andere Erwägungen in Frage gestellt. Der vom Oberverwaltungsgericht herangezogene Vergleich zur fristunabhängigen Einbeziehung von Änderungsverwaltungsakten in Anfechtungsklagen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 2020 - 8 C 22.19 - BVerwGE 170, 311 Rn. 25) trägt ein abweichendes Auslegungsergebnis nicht. Es fehlt schon an einer vergleichbaren Interessenlage, weil ein nicht angefochtener Verwaltungsakt in Bestandskraft erwächst, während eine nicht gemäß § 47 VwGO angegriffene Rechtsnorm weiterhin der inzidenten Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Verwaltungsgerichte unterliegt. Angesichts der Allgemeinverbindlichkeit der Normenkontrollentscheidung (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) ist von dem - im Verfahren nach § 47 VwGO wegen § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO zwingend durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertretenen - Antragsteller auch zu verlangen, die von ihm angegriffene Rechtsnorm im Blick zu behalten. Er hat bei Änderungen der Rechtsnorm zu entscheiden und gegenüber dem Gericht mitzuteilen, ob er die Änderungsfassung der Vorschrift in das Verfahren einbeziehen möchte. Insoweit gilt nichts anderes als beim erstmaligen Inkrafttreten einer Vorschrift, auf das der Antragsteller ebenfalls selbst aufmerksam werden muss, um binnen der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO den Normenkontrollantrag stellen zu können.

22 Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist gemäß § 60 VwGO scheidet aus. Es bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit eine Wiedereinsetzung in die Ausschlussfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Betracht kommt. Jedenfalls fehlt es vorliegend an einer unverschuldeten Fristversäumnis der Antragstellerin. Nach dem oben Ausgeführten oblag es ihr, auf mögliche Änderungen der angegriffenen Norm zu achten. Es ist nicht Aufgabe des Normenkontrollgerichts, in bereits anhängigen Verfahren die Beteiligten auf Änderungen der angegriffenen Vorschriften hinzuweisen.

23 Das Urteil beruht auf diesem Bundesrechtsverstoß, weil es keine selbstständig tragende Alternativbegründung für den Erlass eines Sachurteils enthält. Es stellt sich jedoch gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar, weil sich die Ablehnung des Normenkontrollantrags wegen dessen Unzulässigkeit im Ergebnis als zutreffend erweist.

24 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.