Verfahrensinformation

Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst trotz aktiver Mitgliedschaft in der Partei "Der III. Weg"?


Der Kläger beantragte nach seinem Studium an der Universität Würzburg und dem Bestehen der Ersten Juristischen Prüfung die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst für Rechtsreferendare im Bezirk des Oberlandesgerichts Bamberg zum April 2020. Der Präsident des Oberlandesgerichts lehnte den Antrag ab, weil der Kläger charakterlich ungeeignet sei. Durch seine aktive Mitgliedschaft in der Partei "Der III. Weg" sowie vorangegangener Betätigungen für die NPD und die inzwischen verbotene Vereinigung "Freies Netz Süd" habe er sich anhaltend verfassungsfeindlich betätigt.


Die hiergegen erhobene Klage blieb − ebenso wie ein angestrengtes Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes − in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die mit einem Feststellungsantrag fortgeführte Klage sei unbegründet. Der Kläger habe zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt keinen Anspruch auf Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst gehabt. Er sei aufgrund seiner politischen Vita für den Vorbereitungsdienst ungeeignet, weil er darauf ausgegangen sei, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen bzw. zu beseitigen. Der Kläger sei nicht nur einfaches Mitglied der Partei „Der III. Weg“, die einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus vertrete, sondern habe sich in herausgehobenen Positionen aktiv für die Partei eingesetzt. Auch wenn die Partei "Der III. Weg" nicht verboten sei, könne die Parteimitgliedschaft zu einer negativen Eignungsbeurteilung führen. Ein Wertungswiderspruch zu den Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung, nach denen die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erst zu versagen sei, wenn ein Antragsteller die freiheitliche demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpfe, bestehe nicht. Die Vorschriften beträfen unterschiedliche Regelungsgegenstände, insbesondere seien die Anforderungen für die Zulassung zur freien Anwaltschaft mit den Voraussetzungen für das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis nicht identisch.


Hiergegen wendet sich der Kläger, der zwischenzeitlich aufgrund einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Freistaats Sachsen zum dortigen Vorbereitungsdienst zugelassen worden und mittlerweile als Rechtsanwalt tätig ist, mit der vom Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 48/2024 vom 10.10.2024

Keine Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst von Bewerbern, die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen

Mindestanforderungen im Hinblick auf die Verfassungstreuepflicht muss auch der Bewerber für einen nicht im Beamtenverhältnis ausgestalteten juristischen Vorbereitungsdienst erfüllen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden und das Begehren eines sich aktiv für die Partei "Der III. Weg" betätigenden Klägers zurückgewiesen.


Der Kläger bewarb sich nach Abschluss seines rechtswissenschaftlichen Studiums beim Oberlandesgericht Bamberg um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. April 2020, der in Bayern im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis durchgeführt wird. Der Präsident des Oberlandesgerichts lehnte den Antrag insbesondere deswegen ab, weil der Kläger in hervorgehobenen Funktionen für die Partei "Der III. Weg" tätig gewesen und seine verfassungsfeindliche Gesinnung auch in von ihm gehaltenen Reden deutlich geworden sei. Dadurch habe er sich als derzeit ungeeignet für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst erwiesen. Der Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie eine nachfolgend erhobene Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieben ohne Erfolg. Nach der Zulassung des Klägers zum Vorbereitungsdienst in einem anderen Bundesland verfolgt er sein Begehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Damit ist er in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Inzwischen ist der Kläger als Anwalt tätig.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Für Referendare, die den juristischen Vorbereitungsdienst nicht im Beamtenverhältnis ableisten, gelten die strengen beamtenrechtlichen Anforderungen an die Verfassungstreuepflicht nicht. Ungeachtet des Umstands, dass sie eine dauerhafte Beschäftigung für den Staat nicht anstreben und der Vorbereitungsdienst einen notwendigen Abschnitt zur Erlangung der Qualifikation als "Volljurist" darstellt, nehmen aber auch diese Referendare an der staatlichen Funktion der Rechtspflege teil. Sie haben daher Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht zu erfüllen und dürfen sich insbesondere nicht aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigen. Die Beteiligten eines Rechtsstreits haben ein Anrecht darauf, dass niemand an der Bearbeitung ihrer Angelegenheiten mitwirkt, bei dem begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder aktiv unterstützt. Die Anforderungen für die Aufnahme eines an der staatlichen Rechtspflege teilhabenden Rechtsreferendars können damit andere sein als diejenigen für die Zulassung eines Rechtsanwalts.


Begründete Zweifel an der erforderlichen Mindesttreuepflicht des Klägers ergeben sich bereits aus der aktiven Mitgliedschaft in der Partei "Der III. Weg". Dies ergibt sich aus den politischen Zielen dieser Partei, die von den zuständigen Verfassungsschutzbehörden als extremistisch bewertet wird, und der am "Führerprinzip" ausgerichteten internen Parteistruktur. Das Parteiprogramm beruht insbesondere auf der Vorstellung der Ungleichwertigkeit von Menschen und der daran anknüpfenden rechtlichen Ungleichbehandlung, die gegen Grundwerte der Verfassung verstößt. Der Umstand, dass die Partei nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten worden ist, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 und 4 GG sperrt nur die Rechtsfolgen, die sich aus einem (erfolgreichen) Parteiverbotsverfahren ergeben würden. Mittelbare Beeinträchtigungen umfasst der Gewährleistungsgehalt der verfassungsrechtlichen Bestimmungen dagegen nicht. Aus dem Parteienprivileg folgt nicht, dass jedes Parteimitglied bis zum Parteiverbot als verfassungstreu behandelt werden müsste.


 


BVerwG 2 C 15.23 - Urteil vom 10. Oktober 2024

Vorinstanzen:

VGH München, VGH 3 B 21.2793 - Beschluss vom 22. Dezember 2022 -

VG Würzburg, VG W 1 K 20.449 - Beschluss vom 10. November 2020 -


Beschluss vom 24.07.2023 -
BVerwG 2 B 17.23ECLI:DE:BVerwG:2023:240723B2B17.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 24.07.2023 - 2 B 17.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:240723B2B17.23.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 17.23

  • VG Würzburg - 10.11.2020 - AZ: W 1 K 20.449
  • VGH München - 22.12.2022 - AZ: 3 B 21.2793

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 24. Juli 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Hissnauer
beschlossen:

  1. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt und Frau Rechtsanwältin ... beigeordnet.
  2. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Dezember 2022 wird aufgehoben.
  3. Die Revision wird zugelassen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
  5. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren vorläufig auf 8 712,48 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil die Voraussetzungen des § 166 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 119 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO vorliegen.

2 Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Das Revisionsverfahren gibt Gelegenheit zur Klärung der von der Beschwerde der Sache nach aufgeworfenen Frage, ob die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst aufgrund von Anforderungen an die Eignung des Bewerbers versagt werden kann, die eine Versagung der Zulassung zum Anwaltsberuf nicht tragen.

3 Die vorläufige Festsetzung des Werts des Streitgegenstands für das Revisionsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GKG.

Rechtsbehelfsbelehrung


Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 15.23 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.