Pressemitteilung Nr. 29/2024 vom 07.06.2024
Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen LNG-Terminal im Hafen Mukran (Rügen) erfolglos
Die Eilanträge der Gemeinde Ostseebad Binz, des Deutschen Jugendherbergswerks als Betreiber der Jugendherberge Prora und von zwei privaten Grundstückseigentümern aus Sassnitz gegen die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines LNG-Terminals im Hafen Mukran sind erfolglos. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Mit Bescheid vom 9. April 2024 hat das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern die Errichtung und den bis zum 31. Dezember 2043 befristeten Betrieb eines LNG-Terminals bestehend aus zwei schwimmenden Anlagen zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (FSRU-Anlage) im Hafen Mukran, Gemeinde Sassnitz, genehmigt. Hiergegen haben die Antragsteller Widerspruch eingelegt und beim Bundesverwaltungsgericht jeweils die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Sie machen schwerwiegende Sicherheitsrisiken geltend.
Die Anträge sind unzulässig. Die Zulässigkeit eines solchen Antrags setzt voraus, dass der Antragsteller die Möglichkeit aufzeigt, durch das genehmigte Vorhaben betroffen und in seiner Rechtsstellung verletzt zu sein. Diesen Anforderungen genügen die Begründungen der Eilanträge nicht. Die geltend gemachten Sicherheitsrisiken sind nicht erkennbar. In Betracht kommende Schutzobjekte - wie die Wohnhäuser der Antragsteller, die Jugendherberge Prora oder beplante Gebiete im Ostseebad Binz - liegen weit außerhalb des fehlerfrei ermittelten angemessenen Sicherheitsabstands vom Betriebsbereich des LNG-Terminals. Weitreichende Auswirkungen von etwaigen Störfällen im Hafenbereich werden ebenfalls nicht deutlich gemacht. Die Entfernung vom LNG-Terminal zu den Privatgrundstücken beträgt über 1 km bzw. über 1, 5 km, zu beplanten Gebieten des Ostseebads Binz über 1,5 km und zur Jugendherberge über 3 km.
BVerwG 7 VR 4.24 - Beschluss vom 06. Juni 2024
BVerwG 7 VR 5.24 - Beschluss vom 06. Juni 2024
BVerwG 7 VR 6.24 - Beschluss vom 06. Juni 2024
BVerwG 7 VR 7.24 - Beschluss vom 06. Juni 2024
Beschluss vom 06.06.2024 -
BVerwG 7 VR 4.24ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR4.24.1
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 06.06.2024 - 7 VR 4.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR4.24.1]
Beschluss
BVerwG 7 VR 4.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juni 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 anzuordnen, wird abgelehnt.
- Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
- Der Streitwert wird auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Die Antragstellerin, die Gemeinde Ostseebad Binz auf Rügen, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 erhobenen Widerspruchs, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.
2 Mit Bescheid vom 9. April 2024 ließ der Antragsgegner die Errichtung und den Betrieb eines LNG-Terminals bestehend aus zwei schwimmenden Anlagen zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (FSRU-Anlage), einer landseitigen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) sowie einer Medienversorgungsleitung mit zwei Hochdruck-Gasverladearmen am Standort Sassnitz auf Rügen, Hafen Mukran, zu. Die Genehmigung umfasst auch die Gestattung für jährlich maximal 110 Anläufe von LNG-Lieferschiffen und ist bis 31. Dezember 2043 befristet.
3 Die Antragstellerin macht geltend, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Ihre Planungen, kommunalen Einrichtungen und fiskalischen Rechte seien bei Betrieb der genehmigten Anlage einem schwerwiegenden Sicherheitsrisiko ausgesetzt. Betroffen seien insbesondere die Bebauungspläne Nr. 29 ("Strandversorgung") und Nr. 9 ("Rüganer"). Wichtige kommunale Einrichtungen würden durch den Betrieb der Störfallanlagen schwerwiegend beeinträchtigt. Ihre Anerkennung als Seebad könne widerrufen werden.
II
4 Der Antrag, über den das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich entscheidet, ist unzulässig.
5 1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 12 Satz 1 LNGG i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. Gemäß § 12 Satz 1 LNGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 dieses Gesetzes. Bei der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals (FSRU-Anlage) im Hafen Mukran handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 4.1 der Anlage zu § 2 LNGG.
6 2. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 LNGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentscheidung für Vorhaben nach § 2 LNGG keine aufschiebende Wirkung. Dagegen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft. Die Frist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LNGG, wonach der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Zulassungsentscheidung zu stellen und zu begründen ist, hat die Antragstellerin gewahrt.
7 3. Die Antragstellerin ist nicht entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eigener Rechte des Antragstellers auf der Grundlage der Antragsbegründung als möglich erscheint, also nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2023 - 4 VR 1.23 - EnWZ 2023, 364 Rn. 9 m. w. N.). Daran fehlt es. Eine mögliche Verletzung eigener Rechte der Antragstellerin durch die erteilte Genehmigung ist auf der Grundlage ihrer Darlegungen nicht ersichtlich. Der Vortrag der Antragstellerin führt auf keine mögliche Verletzung der durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten kommunalen Selbstverwaltung oder fiskalischer Rechte (Eigentum an Grundstücken). Mögliche Rechtsverletzungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Grundlagen des Fremdenverkehrs oder des Status als Seebad kommen hiernach ebenfalls nicht in Betracht.
8 a) Nach ständiger Rechtsprechung umfasst die durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte kommunale Selbstverwaltung den Schutz der Planungshoheit, die Funktionsfähigkeit kommunaler Einrichtungen und das Selbstgestaltungsrecht der Gemeinde. Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Planungshoheit kommt nur dann in Betracht, wenn durch das zugelassene Vorhaben eine hinreichend konkrete und verfestigte eigene Planung der Gemeinde nachhaltig gestört wird oder wenn das Vorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzieht. Das Vorhaben darf ferner von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötig verbauen. Eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit Bezug auf den Betrieb kommunaler Einrichtungen kommt in Betracht, wenn solche Einrichtungen durch das Vorhaben in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden. Aus dem Selbstgestaltungsrecht erwachsen einer Gemeinde Abwehransprüche allenfalls dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 7 C 1.21 - ZfB 2022, 207 Rn. 11 m. w. N.).
9 Danach käme eine Antragsbefugnis - ungeachtet weiterer Voraussetzungen - allenfalls dann in Betracht, wenn die Antragstellerin darlegte, dass die überplanten Flächen oder - diesbezügliche hinreichende Darlegungen unterstellt - kommunale Einrichtungen rechtlich nicht hinzunehmenden Störfallrisiken ausgesetzt sein könnten. Das ist ihr nicht gelungen.
10 aa) Hinsichtlich von Störfällen, die - jedenfalls soweit sie (einmalige) atypische Einwirkungen hervorrufen (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 96 und 124) – zu den "sonstigen Gefahren" im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zählen, wird die Pflicht des Betreibers einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern, durch die Störfall-Verordnung (12. BImSchV), insbesondere durch § 3 Abs. 1 bis 3 und § 4 der 12. BImSchV konkretisiert. Gemäß § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV sind betriebliche Gefahrenquellen, umgebungsbedingte Gefahrenquellen, wie Erdbeben oder Hochwasser, und Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen, es sei denn, dass diese Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen vernünftigerweise ausgeschlossen werden können. Nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV hat der Betreiber darüber hinaus vorbeugend Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten.
11 Unabhängig davon ist nicht der Betreiber (vgl. § 3 Abs. 5 der 12. BImSchV), sondern die Genehmigungsbehörde in der Pflicht, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung dem Erfordernis eines angemessenen Sicherheitsabstands Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 12 und 38 sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 -C-53/10 [ECLI:EU:C:2011:585], Land Hessen - Rn. 35 und 53). Der nationale Gesetzgeber hat - in Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 S. 1 - Seveso-III-RL) – in § 3 Abs. 5c Satz 1 BImSchG den Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands im Sinne des Art. 13 Abs. 2 Seveso-III-RL bestimmt (vgl. BT-Drs. 18/9417 S. 26). Hiernach ist der angemessene Sicherheitsabstand der Abstand zwischen einem Betriebsbereich und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen schwerer Unfälle im Sinne des Art. 3 Nr. 13 Seveso-III-RL auf das benachbarte Schutzobjekt (vgl. § 3 Abs. 5d BImSchG) beiträgt.
12 Der Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands ist ein zwar unbestimmter, aber technisch-fachlich bestimmbarer Rechtsbegriff. Präzise, absolute und objektive Grenzen der "Gefahrenzone" um einen Störfallbetrieb kann es insoweit allerdings nicht geben. Gleichwohl unterliegt die behördliche Festlegung des angemessenen Abstands der vollen gerichtlichen Überprüfung (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 20 m. w. N.). Anhaltspunkte für die Bemessung des Sicherheitsabstands lassen sich dem - vorliegend herangezogenen - Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit der Störfall-Kommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der zweiten, überarbeiteten Fassung vom November 2010 (KAS-18) entnehmen (in diesem Sinne auch VGH München, Urteil vom 14. Juli 2006 - 1 BV 03.21 79 u. a. - UPR 2007, 152 <154>; Schoen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 50 BImSchG Rn. 146 ff.).
13 Bei der Bewertung des als angemessen erachteten Abstands ist zudem zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofs der Europäischen Union als auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen ist, schutzbedürftige Nutzungen nach den Umständen des Einzelfalls auch innerhalb des "störfalltechnisch" ermittelten angemessenen Abstands für zulässig zu erachten. Insoweit muss sich die Genehmigungsbehörde in jedem Einzelfall darüber Gedanken machen, ob ein Unterschreiten des eigentlich erforderlichen "angemessenen Abstands" im Hinblick auf sonstige - nicht störfallspezifische - namentlich sozioökonomische Faktoren vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 22 f. m. w. N. sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 - Rn. 44 ff.). Auf dieser Grundlage kann umgekehrt angenommen werden, dass bei Wahrung des anhand störfallspezifischer Faktoren fehlerfrei ermittelten angemessenen Sicherheitsabstands das rechtlich gebotene Maß der Begrenzung möglicher Auswirkungen schwerer Unfälle oder sonstiger Störfälle gewährleistet ist. Wird dieser Abstand eingehalten, ist davon auszugehen, dass die Anlage zulasten außerhalb des Sicherheitsbereichs belegener Schutzobjekte keine sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft (vgl. auch OVG Magdeburg, Urteil vom 21. September 2016 - 2 L 98/13 - BauR 2017, 229 <243>). Aus der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129) ergeben sich keine weitreichenderen Anforderungen. Diese bezieht sich auf die Bewältigung der besonderen Risikopotentiale der Nutzung von Atomkraft und ist auf die hier in Rede stehende Bewältigung von Risiken beim Betrieb nicht-nuklearer Anlagen nicht übertragbar.
14 bb) Konkret macht die Antragstellerin eine negative Betroffenheit hinsichtlich ihrer Bebauungspläne Nr. 9 und 29 geltend. Der räumliche Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 9 "Rüganer" (Beherbergungsbetrieb) liegt nach Angaben der Antragstellerin etwa 800 m vom Hafen Mukran entfernt. Nach Angaben der Beigeladenen beträgt der Abstand zum genehmigten Vorhaben (Liegeplatz) 1,7 km. Der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 29 "Strandversorgung" endet nach Darstellung der Antragstellerin an der Grenze zur Gemeinde Sassnitz (die wiederum etwa 200 m vom Hafen entfernt liege). Nach den zum Bebauungsplan Nr. 29 vorgelegten Unterlagen besteht dessen Plangebiet jedoch lediglich aus einzelnen, kleineren Teilbereichen (einzelne Flurstücke), die jeweils den Bereich eines Strandaufgangs betreffen. Nach den Angaben im allgemein zugänglichen GeoPortal Mecklenburg-Vorpommern (www.geoportal-mv.de) liegt der dem Vorhaben nächstgelegene Teilbereich des Bebauungsplans Nr. 29 im Bereich der Flurstücke 11/107 und 11/108 der Gemarkung der Prora. Der Abstand zur Gemeindegrenze Sassnitz beträgt von dort aus etwa 1,7 km und zum Liegeplatz der genehmigten FSRU-Anlagen ungefähr 2,4 km. Als betroffene kommunale Einrichtungen benennt die Antragstellerin den durch Bebauungsplan Nr. 29 überplanten Strandbereich sowie "die besondere Nutzung im Bereich der Prora". Insoweit wird aber schon nicht substantiiert dargelegt, inwieweit dort Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft vorhanden sind. Daneben verweist die Antragstellerin auf ihren Eigenbetrieb "Binzer Bucht Tourismus" mit seinen zugeordneten Grundstücken und Gebäuden, ohne jedoch konkrete Liegenschaften und deren räumliche Lage zu bezeichnen. Nicht hinzunehmende Störfallrisiken scheiden damit von vornherein aus.
15 cc) Zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands liegt der Genehmigung vom 9. April 2024 ein im Auftrag der Beigeladenen erstelltes "Gutachten zur Festsetzung des angemessenen Sicherheitsabstands gemäß KAS-18 Energieterminal 'Deutsche Ostsee'" zweier nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebener Sachverständiger vom 21. Juli 2023 (Gutachten Sicherheitsabstand) zugrunde, das einen zu wahrenden Abstand von 350 m ermittelt hat. Von nachteiligen Wirkungen des schwerwiegendsten anzunehmenden Störfall-Szenarios auf Menschen - Wärmestrahlung über 1,6 kW/m² (Beginn der nachteiligen Wirkung auf Menschen; vgl. hierzu KAS-18 S. 61 und 67) infolge eines auf eine Freisetzung von Flüssiggas an der Booster Pumpe unter Annahme einer Leckage DN 25 (Leckgröße 490 mm²) zurückzuführenden Gaswolkenabbrands (Gutachten Sicherheitsabstand, S. 9 und 43) – ist hiernach nur in einem Abstand von bis zu 346 m auszugehen. Dabei ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin der Bezugspunkt der anzustellenden Berechnung nicht der gesamte Bereich des Industriehafens Mukran, sondern der Betriebsbereich im Sinne des § 3 Abs. 5a BImSchG. Dieser umfasst lediglich die genehmigte FSRU-Anlage. Zusätzlich sind die 110 von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausdrücklich umfassten Schiffsbewegungen der LNG-Lieferschiffe einzubeziehen.
16 Bereits eine Entwurfsfassung dieses Gutachtens als auch das abgeschlossene Gutachten wurde einer Prüfung durch weitere nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebene Sachverständige des TÜV NORD unterzogen. Eine gutachterliche Stellungnahme vom 14. Juli 2023 widmet sich hierbei insbesondere der Frage, ob bei der Bestimmung des schwerwiegendsten Störfall-Szenarios die Annahme einer Leckage DN 25 sachgerecht ist oder ob die Annahme einer Leckage DN 50 - die im Sicherheitsbericht vorsorglich geprüft wird (hierzu unten) – geboten sein könnte. Im Ergebnis bestätigt der Sachverständige die Annahme einer Leckage DN 25. Zwar würden unter anderem in der weiteren Arbeitshilfe KAS-32 (Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18) für Tankläger zur Bevorratung brennbarer bzw. entzündbarer Flüssigkeiten größere Leckagen in der Dimension DN 50 vorgeschlagen. Infolge des grundlegend zu erwartenden hohen Sicherheitsniveaus des LNG-Terminals, das durch die ausschließliche Verwendung von für die vorherrschenden Bedingungen hinsichtlich Druck, Temperatur und Medien geeigneten Materialien, eine begleitende Fertigungsüberwachung durch entsprechende Zertifizierungsstellen sowie regelmäßige Prüfungen der Druckanlagen bzw. Druckgeräte gekennzeichnet sei, erscheine eine solche Annahme jedoch vorliegend auch für einen sogenannten "Dennoch-Störfall" als (deutlich) zu konservativ. Die weitere gutachterliche Stellungnahme vom 10. November 2023 hält die abstandsbestimmende Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 25 für die Freisetzung von LNG ebenfalls für plausibel. Soweit sich die Antragstellerin - lediglich gestützt auf ein Presseinterview - gegen die Unparteilichkeit der Überprüfung durch Sachverständige des TÜV NORD wendet, fehlt es schon an einer hinreichenden Substantiierung.
17 Ungeachtet der doppelt validierten Ergebnisse des Gutachtens zum Sicherheitsabstand wurde auch die Reichweite der Auswirkungen eines Störfalls unter der Annahme einer Leckgröße DN 50 (Leckgröße 1 963 mm²) ermittelt. Wie insbesondere die Beigeladene nachvollziehbar darlegt, würde selbst in einem solchen Dennoch-Störfallszenario, in dem redundante und diversitäre Sicherheitseinrichtungen versagten, die Wärmestrahlung als der weitreichendsten Auswirkung in einer Entfernung jedenfalls ab 855 m keine nachteiligen Wirkungen für Menschen mehr entfalten (vgl. Sicherheitsbericht gemäß § 9 StörfallV zum Betriebsbereich Energieterminal "Deutsche Ostsee" vom 11. März 2024, S. V-85 ff.). Auch diese Untersuchung erfolgte durch einen nach § 29b BImSchG bekanntgegebenen Sachverständigen.
18 dd) Das Ergebnis der Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands von 350 m vermag die Antragstellerin durch ihre Einwendungen nicht zu erschüttern. Namentlich gilt dies für die Bezugnahmen auf die "Gutachterliche Stellungnahme zu den Antragsunterlagen der Deutschen ReGas zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebs eines LNG-Terminals im Hafen Mukran (Rügen)" vom 27. März 2024 von Dipl. Ing. T (gutachterliche Stellungnahme T). Entgegen der dort getroffenen Annahmen bestehen - wie bereits ausgeführt - keine rechtlichen Bedenken, der Abstandsermittlung die KAS-18 zugrunde zu legen und hinsichtlich der zu betrachtenden Störfallszenarien in tatsächlicher Hinsicht von einer maximalen Leckgröße der Dimension DN 25 auszugehen. Ein Szenario, bei dem in Anknüpfung an die KAS-32 eine Leckgröße der Dimension DN 50 zu betrachten sein würde, liegt - wie ebenfalls ausgeführt - wegen der besonderen Anlagenkonfiguration nicht vor. Die Folgen weiterreichender - sehr unwahrscheinlicher - Störfallszenarien sind unabhängig von der Festsetzung eines angemessenen Sicherheitsabstandes zu bewältigen und das diesbezügliche Risiko ist als grundsätzlich sozialadäquat hinzunehmen (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 2645/08 - DVBl 2012, 634 <636 f.> m. w. N.). Dessen ungeachtet wurde vorliegend nachvollziehbar ermittelt, dass sich bei Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 50 der angemessene Sicherheitsabstand vom Betriebsbereich der genehmigten Anlage auf maximal 855 m beliefe.
19 Auch aus dem der gutachterlichen Stellungnahme T zugrunde gelegten "Leitfaden zur Risikoanalyse und zu den sicherheitstechnischen Auswirkungen einer großen Flüssiggas (LNG)-Verschüttung über Wasser" der Sandia National Laboratories (USA) aus dem Jahr 2004 ergibt sich keine Empfehlung zur Festlegung eines größeren Sicherheitsabstands. Nach den zitierten Leitlinien wird zwischen unfallbedingten und vorsätzlichen LNG-Freisetzungen unterschieden. Die Risiken und Folgen eines unfallbedingten Austritts von LNG über Wasser seien für Menschen und Eigentum in einer Entfernung von mehr als 750 m minimal. Bei vorsätzlichen LNG-Freisetzungen gehe in einer Entfernung von etwa 500 m bis 1,6 km die Wärmestrahlung (als der gravierendsten aus einem Störfall resultierenden Einwirkung) in ein geringeres Gefährdungsniveau für die öffentliche Sicherheit und das Eigentum über. Die Einrichtung von Sicherheitszonen als Risikomanagement-Strategie diskutiert der Leitfaden für diese Abstandsbereiche jedoch nicht. Vielmehr wird die Einrichtung von Sicherheitszonen wegen unfallbedingter Freisetzungen nur für Entfernungen bis zu 250 m und wegen vorsätzlicher Freisetzungen nur bis zu 500 m in Betracht gezogen. Bei größeren Entfernungen sollten sich nach den Empfehlungen dieses Leitfadens die Risikomanagement-Strategien auf das Management von Zwischenfällen und auf Notfallmaßnahmen bzw. auf die Reaktion auf Notfälle ausrichten (vgl. gutachterliche Stellungnahme T, S. 83 f.).
20 Zugleich vermag die Antragstellerin auch nicht nachvollziehbar darzulegen, dass von etwaigen Störfällen außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage unzumutbare Einwirkungen auf deren Rechtspositionen ausgehen können. Derartige Störfälle sind insoweit zu berücksichtigen, als der Regelungsumfang der angefochtenen Genehmigung betroffen ist, der neben der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals auch die Anläufe von jährlich bis zu 110 LNG-Lieferschiffen umfasst. Die realistische Möglichkeit einer "Fernwirkung" eines etwaigen Havariegeschehens namentlich innerhalb des Hafenbeckens, etwa im Zusammenhang mit einem Brand, einer Schiffskollision oder einem unkontrollierten Aufprall eines (Liefer-)Schiffes an der Kaimauer, zulasten von Rechtsgütern der Antragstellerin lässt sich aus den enumerativ benannten Störfallrisiken bzw. Havarieszenarien nicht ableiten. Auch den vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. K zur Situation im Hafen Mukran lässt sich ein auf die nähere Einschätzung der "Fernwirkung" von Havarien gerichteter Untersuchungsansatz nicht entnehmen. Vielmehr führt die "Gutachterliche Stellungnahme zu technischen Fragestellungen zur Maßnahme 'Innere Hafengewässer Multipurpose Terminal Liegeplatz 3a 2. BA Liegeplatz 12 LNG-Terminal Mukran Port'" von Prof. Dr. K vom 15. März 2024 (S. 21) selbst aus, dass die Nähe des Störfallbetriebs zu Wohngebieten in Mukran und Prora sowie öffentlich genutzten Bereichen wie dem Strandbereich der Gemeinde Binz nicht betrachtet worden sei. Demgegenüber sind die Ausführungen der Beigeladenen nachvollziehbar, wonach es hinsichtlich von Kollisionsrisiken vor dem Hintergrund der im Hafenbecken nur möglichen geringen Geschwindigkeiten jedenfalls zu keinem Bruch der doppelwandigen LNG-Tanks der FSRU-Schiffe oder der LNG-Lieferschiffe kommen kann. Über das unmittelbare Umfeld hinausreichende unzumutbare Auswirkungen etwaiger Havarien außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage sind nach allem nicht zu erwarten.
21 ee) Danach kommt eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nicht in Betracht. Die räumlichen Geltungsbereiche der Bebauungspläne Nr. 9 und Nr. 29 liegen vom Betriebsbereich der genehmigten Anlage jedenfalls nicht weniger als 1,5 km (vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 9; nach Angaben der Beigeladenen 1,7 km) bzw. 2,4 km (Bebauungsplan Nr. 29) entfernt. Nach allen Betrachtungsweisen ist der angemessene Sicherheitsabstand damit weit überschritten. Für nähergelegene Schutzobjekte der Antragstellerin (kommunale Einrichtungen, Grundstücke) ist - wie dargelegt - nichts vorgetragen oder ersichtlich. Die über Sicherheitsgesichtspunkte hinaus von der Antragstellerin angesprochene mögliche vorhabenbedingte Überschreitung von Immissionsrichtwerten (Lärm etc.) bedarf keiner weiteren Betrachtung, nachdem eine diesbezügliche Substantiierung vollständig unterblieben ist.
22 Lediglich klarstellend ist noch darauf hinzuweisen, dass sich eine Kommune weder zum Kontrolleur anderer staatlicher Behörden in Bezug auf die Wahrung des objektiven öffentlichen Rechts aufschwingen noch als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger vertreten kann (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 7 C 1.21 - ZfB 2022, 207 Rn. 20 m. w. N.). Insoweit kommt auch die Rüge, die gesetzlichen Klimaschutzziele würden durch das genehmigte Vorhaben verletzt, nicht in Betracht.
23 b) Auch hinsichtlich ihres fiskalischen Eigentums an Grundstücken scheidet eine Antragsbefugnis aus. Die Antragstellerin kann sich zwar insoweit als Grundstückseigentümerin auf den auch ihr Drittschutz vermittelnden § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berufen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. September 2018 - 3 A 11.15 - NVwZ 2019, 308 Rn. 22 m. w. N.). Um den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erfüllen, bedarf es einer konkreten Gefährdung; die Erheblichkeitsschwelle muss überschritten sein (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 126). Daran fehlt es hier offensichtlich. Auch insoweit sind - wie oben dargelegt - die Sicherheitsabstände offensichtlich eingehalten und damit erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft ausgeschlossen. Auf einen verfassungsrechtlichen Schutz ihres kommunalen Eigentums kann sich die Antragstellerin schon im Ansatz nicht berufen, weil Gemeinden nicht Träger des Grundrechts aus Art. 14 GG sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <100 ff.>).
24 c) Eine Antragsbefugnis wegen der Verletzung des Gebots interkommunaler Abstimmung ist ebenfalls nicht gegeben. Nach § 2 Abs. 2 BauGB sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift begründet die Pflicht, bei der Bauleitplanung auf die Belange der Nachbargemeinde Rücksicht zu nehmen. Lässt die Gemeinde es bei ihrer Bauleitplanung an der gebotenen Abstimmung fehlen, so kann sich die Nachbargemeinde nach § 2 Abs. 2 BauGB unter Umständen auch dagegen wehren, dass auf der Grundlage eines solchen nicht abgestimmten Bauleitplans ein Einzelvorhaben zugelassen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993 - 4 C 15.92 - NVwZ 1994, 285 <288> m. w. N.). Insoweit bedarf es jedoch eines aktiven Einwirkens der benachbarten Gemeinde auf den Zulassungsanspruch (BVerwG, Beschluss vom 24. Oktober 2018 - 4 B 15.18 - NVwZ 2019, 318 Rn. 9). Vorliegend zeigt die Antragstellerin keinerlei Bezug der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Bauleitplanung der Gemeinde Sassnitz auf. Vielmehr weist sie selbst darauf hin, dass im Zusammenhang mit der Vorhabengenehmigung keine Bauleitplanung stattgefunden hat.
25 d) Soweit die Antragstellerin um die wirtschaftlichen Grundlagen des Fremdenverkehrs fürchtet, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass auch eine vom Fremdenverkehr geprägte Gemeinde grundsätzlich nicht befugt ist, eine befürchtete Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen des Fremdenverkehrs als eigene Rechtsbeeinträchtigung geltend zu machen. Die Wirtschaftsstruktur einer Gemeinde wird von vielfältigen Faktoren bestimmt und beeinflusst, die nicht speziell dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde zugeordnet sind. Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht kann ausnahmsweise dann verletzt sein, wenn die Auswirkungen des Vorhabens die Wirtschaftsstruktur und die Leistungsfähigkeit einer durch Fremdenverkehr geprägten Gemeinde massiv und nachhaltig verschlechtern (BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 63, vom 28. November 2017 - 7 A 17.12 - BVerwGE 161, 17 Rn. 110 und vom 3. November 2020 - 9 A 6.19 - BVerwGE 170, 266 Rn. 25). Konkrete Hinweise, dass sich das genehmigte Vorhaben in derart nachteiliger Weise auf das Gemeindegebiet der Antragstellerin auswirkt, sind allerdings weder vorgetragen noch ersichtlich.
26 e) Einen konkret zur Entscheidung stehenden Widerruf ihrer Anerkennung als Seebad infolge des Betriebs der verfahrensgegenständlichen Anlage trägt die Antragstellerin ebenfalls nicht vor.
27 f) Mangels Antragsbefugnis ist der Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben, nicht nachzugehen. Die diesbezüglich erweiterten Rügemöglichkeiten nach Maßgabe des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m Abs. 3 UmwRG) betreffen den Umfang der Begründetheitsprüfung, lassen aber den subjektiv-rechtlichen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 7 C 1.21 - ZfB 2022, 207 Rn. 21 m. w. N.).
28 Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung.
29 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Beschluss vom 06.06.2024 -
BVerwG 7 VR 5.24ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR5.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 06.06.2024 - 7 VR 5.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR5.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 VR 5.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juni 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 anzuordnen, wird abgelehnt.
- Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.
- Der Streitwert wird auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Der Antragsteller, der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern des Deutschen Jugendherbergswerks e.V., begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 erhobenen Widerspruchs, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.
2 Mit Bescheid vom 9. April 2024 ließ der Antragsgegner die Errichtung und den Betrieb eines LNG-Terminals bestehend aus zwei schwimmenden Anlagen zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (FSRU-Anlage), einer landseitigen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) sowie einer Medienversorgungsleitung mit zwei Hochdruck-Gasverladearmen am Standort Sassnitz auf Rügen, Hafen Mukran, zu. Die Genehmigung umfasst auch die Gestattung für jährlich maximal 110 Anläufe von LNG-Lieferschiffen und ist bis 31. Dezember 2043 befristet.
3 Der Antragsteller betreibt als Erbbauberechtigter von Grundstücken im Ortsteil Prora des Ostseebads Binz eine Jugendherberge mit 423 Betten sowie einen Jugendzeltplatz mit etwa 1 000 Schlafplätzen. Er macht geltend, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Im Falle eines Störfalls in Gestalt eines größeren LNG-Austritts sei die Ausbreitung einer Gaswolke bis zum Strand vor der Campinganlage und dem Gebäude der Jugendherberge zu erwarten.
II
4 Der Antrag, über den das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich entscheidet, ist unzulässig.
5 1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 12 Satz 1 LNGG i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. Gemäß § 12 Satz 1 LNGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 dieses Gesetzes. Bei der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals (FSRU-Anlage) im Hafen Mukran handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 4.1 der Anlage zu § 2 LNGG.
6 2. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 LNGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentscheidung für Vorhaben nach § 2 LNGG keine aufschiebende Wirkung. Dagegen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft. Die Frist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LNGG, wonach der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Zulassungsentscheidung zu stellen und zu begründen ist, hat der Antragsteller gewahrt.
7 3. Der Antragsteller ist nicht entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eigener Rechte des Antragstellers auf der Grundlage der Antragsbegründung als möglich erscheint, also nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2023 - 4 VR 1.23 - EnWZ 2023, 364 Rn. 9 m. w. N.). Daran fehlt es. Der Vortrag des Antragstellers führt auf keine mögliche Verletzung nachbarlicher Rechte.
8 a) Als Erbbauberechtigter an Grundstücken im Ortsteil Prora kann sich der Antragsteller auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berufen. Nach dieser Vorschrift sind immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Um den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erfüllen, bedarf es einer konkreten Gefährdung. Die Erheblichkeitsschwelle muss überschritten sein (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 126).
9 Hinsichtlich von Störfällen, die - jedenfalls soweit sie (einmalige) atypische Einwirkungen hervorrufen (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 96 und 124) – zu den "sonstigen Gefahren" im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zählen, wird die Pflicht des Betreibers, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern, durch die Störfall-Verordnung (12. BImSchV), insbesondere durch § 3 Abs. 1 bis 3 und § 4 der 12. BImSchV konkretisiert, die insoweit Drittschutz entfaltet (vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 5 Rn. 45 m. w. N.). Gemäß § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV sind betriebliche Gefahrenquellen, umgebungsbedingte Gefahrenquellen, wie Erdbeben oder Hochwasser, und Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen, es sei denn, dass diese Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen vernünftigerweise ausgeschlossen werden können. Nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV hat der Betreiber darüber hinaus vorbeugend Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten.
10 Unabhängig davon ist nicht der Betreiber (vgl. § 3 Abs. 5 der 12. BImSchV), sondern die Genehmigungsbehörde in der Pflicht, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung dem Erfordernis eines angemessenen Sicherheitsabstands Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 12 und 38 sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 [ECLI:EU:C:2011:585], Land Hessen - Rn. 35 und 53). Der nationale Gesetzgeber hat - in Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 S. 1 - Seveso-III-RL) – in § 3 Abs. 5c Satz 1 BImSchG den Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands im Sinne des Art. 13 Abs. 2 Seveso-III-RL bestimmt (vgl. BT-Drs. 18/9417 S. 26). Hiernach ist der angemessene Sicherheitsabstand der Abstand zwischen einem Betriebsbereich und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen schwerer Unfälle im Sinne des Art. 3 Nr. 13 Seveso-III-RL auf das benachbarte Schutzobjekt (vgl. § 3 Abs. 5d BImSchG) beiträgt.
11 Der Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands ist ein zwar unbestimmter, aber technisch-fachlich bestimmbarer Rechtsbegriff. Präzise, absolute und objektive Grenzen der "Gefahrenzone" um einen Störfallbetrieb kann es insoweit allerdings nicht geben. Gleichwohl unterliegt die behördliche Festlegung des angemessenen Abstands der vollen gerichtlichen Überprüfung (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 20 m. w. N.). Anhaltspunkte für die Bemessung des Sicherheitsabstands lassen sich dem - vorliegend herangezogenen - Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit der Störfall-Kommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der zweiten, überarbeiteten Fassung vom November 2010 (KAS-18) entnehmen (in diesem Sinne auch VGH München, Urteil vom 14. Juli 2006 - 1 BV 03.21 79 u. a. - UPR 2007, 152 <154>; Schoen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 50 BImSchG Rn. 146 ff.).
12 Bei der Bewertung des als angemessen erachteten Abstands ist zudem zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofs der Europäischen Union als auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen ist, schutzbedürftige Nutzungen nach den Umständen des Einzelfalls auch innerhalb des "störfalltechnisch" ermittelten angemessenen Abstands für zulässig zu erachten. Insoweit muss sich die Genehmigungsbehörde in jedem Einzelfall darüber Gedanken machen, ob ein Unterschreiten des eigentlich erforderlichen "angemessenen Abstands" im Hinblick auf sonstige - nicht störfallspezifische - namentlich sozioökonomische Faktoren vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 22 f. m. w. N. sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 - Rn. 44 ff.). Auf dieser Grundlage kann umgekehrt angenommen werden, dass bei Wahrung des anhand störfallspezifischer Faktoren fehlerfrei ermittelten angemessenen Sicherheitsabstands das rechtlich gebotene Maß der Begrenzung möglicher Auswirkungen schwerer Unfälle oder sonstiger Störfälle gewährleistet ist. Wird dieser Abstand eingehalten, ist davon auszugehen, dass die Anlage zulasten außerhalb des Sicherheitsbereichs belegener Schutzobjekte keine sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft (vgl. auch OVG Magdeburg, Urteil vom 21. September 2016 - 2 L 98/13 - BauR 2017, 229 <243>). Aus der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129) ergeben sich keine weitreichenderen Anforderungen. Diese bezieht sich auf die Bewältigung der besonderen Risikopotentiale der Nutzung von Atomkraft und ist auf die hier in Rede stehende Bewältigung von Risiken beim Betrieb nicht-nuklearer Anlagen nicht übertragbar.
13 b) Die vom Antragsteller betriebene Jugendherberge befindet sich nach dessen Angaben in einem Abstand von 2,1 km (gemeint ist wohl derjenige zum Gelände des Hafens Mukran). Nach Angaben des Antragsgegners beträgt der Abstand zwischen der genehmigten Anlage und der Jugendherberge etwa 3,5 km, nach Angaben der Beigeladenen seien es jedenfalls mehr als 3,1 km. Nach den Angaben im allgemein zugänglichen GeoPortal Mecklenburg-Vorpommern (www.geoportal-mv.de) geht der Senat von einem Abstand zum LNG-Terminal von jedenfalls über 3 km aus.
14 Zur Begründung einer Antragsbefugnis wäre es Sache des Antragstellers im mindesten aufzuzeigen, dass der angemessene Sicherheitsabstand zum Betriebsbereich der genehmigten Anlage vorliegend fehlerhaft ermittelt worden ist und hierdurch oder durch die Auswirkungen von sich außerhalb des Betriebsbereichs ereignenden Störfällen der räumliche Bereich der Jugendherberge in rechtserheblicher Weise negativ betroffen sein kann. Zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands liegt der Genehmigung vom 9. April 2024 ein im Auftrag der Beigeladenen erstelltes "Gutachten zur Festsetzung des angemessenen Sicherheitsabstands gemäß KAS-18 Energieterminal 'Deutsche Ostsee'" zweier nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebener Sachverständiger vom 21. Juli 2023 (Gutachten Sicherheitsabstand) zugrunde, das einen zu wahrenden Abstand von 350 m ermittelt hat. Von nachteiligen Wirkungen des schwerwiegendsten anzunehmenden Störfall-Szenarios auf Menschen - Wärmestrahlung über 1,6 kW/m² (Beginn der nachteiligen Wirkung auf Menschen; vgl. hierzu KAS-18 S. 61 und 67) infolge eines auf eine Freisetzung von Flüssiggas an der Booster Pumpe unter Annahme einer Leckage DN 25 (Leckgröße 490 mm²) zurückzuführenden Gaswolkenabbrands (Gutachten Sicherheitsabstand, S. 9 und 43) – ist hiernach nur in einem Abstand von bis zu 346 m auszugehen. Dabei ist entgegen der Auffassung des Antragstellers der Bezugspunkt der anzustellenden Berechnung nicht der gesamte Bereich des Industriehafens Mukran, sondern der Betriebsbereich im Sinne des § 3 Abs. 5a BImSchG. Dieser umfasst lediglich die genehmigte FSRU-Anlage. Zusätzlich sind die 110 von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausdrücklich umfassten Schiffsbewegungen der LNG-Lieferschiffe einzubeziehen.
15 Bereits eine Entwurfsfassung dieses Gutachtens als auch das abgeschlossene Gutachten wurde einer Prüfung durch weitere nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebene Sachverständige des TÜV NORD unterzogen. Eine gutachterliche Stellungnahme vom 14. Juli 2023 widmet sich hierbei insbesondere der Frage, ob bei der Bestimmung des schwerwiegendsten Störfall-Szenarios die Annahme einer Leckage DN 25 sachgerecht ist oder ob die Annahme einer Leckage DN 50 - die im Sicherheitsbericht vorsorglich geprüft wird (hierzu unten) – geboten sein könnte. Im Ergebnis bestätigt der Sachverständige die Annahme einer Leckage DN 25. Zwar würden unter anderem in der weiteren Arbeitshilfe KAS-32 (Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18) für Tankläger zur Bevorratung brennbarer bzw. entzündbarer Flüssigkeiten größere Leckagen in der Dimension DN 50 vorgeschlagen. Infolge des grundlegend zu erwartenden hohen Sicherheitsniveaus des verfahrensgegenständlichen LNG-Terminals, das durch die ausschließliche Verwendung von für die vorherrschenden Bedingungen hinsichtlich Druck, Temperatur und Medien geeigneten Materialien, eine begleitende Fertigungsüberwachung durch entsprechende Zertifizierungsstellen sowie regelmäßige Prüfungen der Druckanlagen bzw. Druckgeräte gekennzeichnet sei, erscheine eine solche Annahme jedoch vorliegend auch für einen sogenannten "Dennoch-Störfall" als (deutlich) zu konservativ. Die weitere gutachterliche Stellungnahme vom 10. November 2023 hält die abstandsbestimmende Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 25 für die Freisetzung von LNG ebenfalls für plausibel. Soweit sich der Antragsteller - lediglich gestützt auf ein Presseinterview - gegen die Unparteilichkeit der Überprüfung durch Sachverständige des TÜV NORD wendet, fehlt es schon an einer hinreichenden Substantiierung.
16 Ungeachtet der doppelt validierten Ergebnisse des Gutachtens zum Sicherheitsabstand wurde auch die Reichweite der Auswirkungen eines Störfalls unter der Annahme einer Leckgröße DN 50 (Leckgröße 1 963 mm²) ermittelt. Wie insbesondere die Beigeladene nachvollziehbar darlegt, würde selbst in einem solchen Dennoch-Störfallszenario, in dem redundante und diversitäre Sicherheitseinrichtungen versagten, die Wärmestrahlung als der weitreichendsten Auswirkung in einer Entfernung jedenfalls ab 855 m keine nachteiligen Wirkungen für Menschen mehr entfalten (vgl. Sicherheitsbericht gemäß § 9 StörfallV zum Betriebsbereich Energieterminal "Deutsche Ostsee" vom 11. März 2024, S. V-85 ff.). Auch diese Untersuchung erfolgte durch einen nach § 29b BImSchG bekanntgegebenen Sachverständigen.
17 Das Ergebnis der Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands von 350 m vermag der Antragsteller durch seine Einwendungen nicht zu erschüttern. Namentlich gilt dies hinsichtlich der erfolgten Bezugnahmen auf die "Gutachterliche Stellungnahme zu den Antragsunterlagen der Deutschen ReGas zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebs eines LNG-Terminals im Hafen Mukran (Rügen)" vom 27. März 2024 von Dipl. Ing. T (gutachterliche Stellungnahme T). Entgegen der dort getroffenen Annahmen bestehen - wie bereits ausgeführt - keine rechtlichen Bedenken, der Abstandsermittlung die KAS-18 zugrunde zu legen und hinsichtlich der zu betrachtenden Störfallszenarien in tatsächlicher Hinsicht von einer maximalen Leckgröße der Dimension DN 25 auszugehen. Ein Szenario, bei dem in Anknüpfung an die KAS-32 eine Leckgröße der Dimension DN 50 zu betrachten sein würde, liegt - wie ebenfalls ausgeführt - wegen der besonderen Anlagenkonfiguration nicht vor. Die Folgen weiterreichender - sehr unwahrscheinlicher - Störfallszenarien sind unabhängig von der Festsetzung eines angemessenen Sicherheitsabstandes zu bewältigen und das diesbezügliche Risiko ist als grundsätzlich sozialadäquat hinzunehmen (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 2645/08 - DVBl 2012, 634 <636 f.> m. w. N.). Dessen ungeachtet wurde vorliegend nachvollziehbar ermittelt, dass sich bei Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 50 der angemessene Sicherheitsabstand vom Betriebsbereich der genehmigten Anlage auf maximal 855 m beliefe.
18 Auch aus dem der gutachterlichen Stellungnahme T zugrunde gelegten "Leitfaden zur Risikoanalyse und zu den sicherheitstechnischen Auswirkungen einer großen Flüssiggas (LNG)-Verschüttung über Wasser" der Sandia National Laboratories (USA) aus dem Jahr 2004 ergibt sich keine Empfehlung zur Festlegung eines größeren Sicherheitsabstands. Nach den zitierten Leitlinien wird zwischen unfallbedingten und vorsätzlichen LNG-Freisetzungen unterschieden. Die Risiken und Folgen eines unfallbedingten Austritts von LNG über Wasser seien für Menschen und Eigentum in einer Entfernung von mehr als 750 m minimal. Bei vorsätzlichen LNG-Freisetzungen gehe in einer Entfernung von etwa 500 m bis 1,6 km die Wärmestrahlung (als der gravierendsten aus einem Störfall resultierenden Einwirkung) in ein geringeres Gefährdungsniveau für die öffentliche Sicherheit und das Eigentum über. Die Einrichtung von Sicherheitszonen als Risikomanagement-Strategie diskutiert der Leitfaden für diese Abstandsbereiche jedoch nicht. Vielmehr wird die Einrichtung von Sicherheitszonen wegen unfallbedingter Freisetzungen nur für Entfernungen bis zu 250 m und wegen vorsätzlicher Freisetzungen nur bis zu 500 m in Betracht gezogen. Bei größeren Entfernungen sollen sich nach den Empfehlungen dieses Leitfadens die Risikomanagement-Strategien auf das Management von Zwischenfällen und auf Notfallmaßnahmen bzw. auf die Reaktion auf Notfälle ausrichten (vgl. gutachterliche Stellungnahme T, S. 83 f.).
19 Zugleich vermag der Antragsteller auch nicht nachvollziehbar darzulegen, dass von etwaigen Störfällen außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage unzumutbare Einwirkungen auf dessen Rechtspositionen ausgehen können. Derartige Störfälle sind insoweit zu berücksichtigen, als der Regelungsumfang der angefochtenen Genehmigung betroffen ist, der neben der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals auch die Anläufe von jährlich bis zu 110 LNG-Lieferschiffen umfasst. Die realistische Möglichkeit einer "Fernwirkung" eines etwaigen Havariegeschehens namentlich innerhalb des Hafenbeckens, etwa im Zusammenhang mit einem Brand, einer Schiffskollision oder einem unkontrollierten Aufprall eines (Liefer-)Schiffes an der Kaimauer, zulasten der Jugendherberge Prora lässt sich aus den enumerativ benannten Störfallrisiken bzw. Havarieszenarien nicht ableiten. Auch den vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. K zur Situation im Hafen Mukran lässt sich ein auf die nähere Einschätzung der "Fernwirkung" von Havarien gerichteter Untersuchungsansatz nicht entnehmen. Vielmehr führt die "Gutachterliche Stellungnahme zu technischen Fragestellungen zur Maßnahme 'Innere Hafengewässer Multipurpose Terminal Liegeplatz 3a 2. BA Liegeplatz 12 LNG-Terminal Mukran Port'" von Prof. Dr. K vom 15. März 2024 (S. 21) selbst aus, dass die Nähe des Störfallbetriebs zu Wohngebieten in Mukran und Prora sowie öffentlich genutzten Bereichen wie dem Strandbereich der Gemeinde Binz nicht betrachtet worden sei. Demgegenüber sind die Ausführungen der Beigeladenen nachvollziehbar, wonach es in diesbezüglich denkbaren Störfallkonstellationen - hinsichtlich von Kollisionsrisiken insbesondere vor dem Hintergrund der im Hafenbecken nur möglichen geringen Geschwindigkeiten - jedenfalls zu keinem Bruch der doppelwandigen LNG-Tanks sowohl der FSRU-Schiffe als auch der LNG-Lieferschiffe kommt. Über das unmittelbare Umfeld hinausreichende unzumutbare Auswirkungen etwaiger Havarien außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage, namentlich im Bereich des für den LNG-Umschlag genutzten Hafenbeckens, sind nach allem nicht zu erwarten. Danach kommt eine Verletzung von Rechten des Antragstellers nicht in Betracht.
20 c) Mangels Antragsbefugnis ist der Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben, nicht nachzugehen. Die diesbezüglich erweiterten Rügemöglichkeiten nach Maßgabe des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m Abs. 3 UmwRG) betreffen den Umfang der Begründetheitsprüfung, lassen aber den subjektiv-rechtlichen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 7 C 1.21 - ZfB 2022, 207 Rn. 21 m. w. N.).
21 Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Beschluss vom 06.06.2024 -
BVerwG 7 VR 6.24ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR6.24.0
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Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 06.06.2024 - 7 VR 6.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR6.24.0]
Beschluss
BVerwG 7 VR 6.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juni 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 anzuordnen, wird abgelehnt.
- Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.
- Der Streitwert wird auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 erhobenen Widerspruchs, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.
2 Mit Bescheid vom 9. April 2024 ließ der Antragsgegner die Errichtung und den Betrieb eines LNG-Terminals bestehend aus zwei schwimmenden Anlagen zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (FSRU-Anlage), einer landseitigen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) sowie einer Medienversorgungsleitung mit zwei Hochdruck-Gasverladearmen am Standort Sassnitz auf Rügen, Hafen Mukran, zu. Die Genehmigung umfasst auch die Gestattung für jährlich maximal 110 Anläufe von LNG-Lieferschiffen und ist bis 31. Dezember 2043 befristet.
3 Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Ortsteil Neu Mukran der Gemeinde Sassnitz, das zu Wohnzwecken und zur Gästebeherbergung genutzt wird. Er macht geltend, durch ein hohes Störfallrisiko in eigenen Rechten verletzt zu sein.
II
4 Der Antrag, über den das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich entscheidet, ist unzulässig.
5 1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 12 Satz 1 LNGG i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. Gemäß § 12 Satz 1 LNGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 dieses Gesetzes. Bei der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals (FSRU-Anlage) im Hafen Mukran handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 4.1 der Anlage zu § 2 LNGG.
6 2. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 LNGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentscheidung für Vorhaben nach § 2 LNGG keine aufschiebende Wirkung. Dagegen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft. Die Frist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LNGG, wonach der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Zulassungsentscheidung zu stellen und zu begründen ist, hat der Antragsteller gewahrt.
7 3. Der Antragsteller ist nicht entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eigener Rechte des Antragstellers auf der Grundlage der Antragsbegründung als möglich erscheint, also nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2023 - 4 VR 1.23 - EnWZ 2023, 364 Rn. 9 m. w. N.). Daran fehlt es. Der Vortrag des Antragstellers führt auf keine mögliche Verletzung nachbarlicher Rechte.
8 a) Als Eigentümer eines Grundstücks im Ortsteil Neu Mukran der Gemeinde Sassnitz kann sich der Antragsteller auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berufen. Nach dieser Vorschrift sind immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Um den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erfüllen, bedarf es einer konkreten Gefährdung. Die Erheblichkeitsschwelle muss überschritten sein (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 126).
9 Hinsichtlich von Störfällen, die - jedenfalls soweit sie (einmalige) atypische Einwirkungen hervorrufen (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 96 und 124) – zu den "sonstigen Gefahren" im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zählen, wird die Pflicht des Betreibers, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern, durch die Störfall-Verordnung (12. BImSchV), insbesondere durch § 3 Abs. 1 bis 3 und § 4 der 12. BImSchV konkretisiert, die insoweit Drittschutz entfaltet (vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 5 Rn. 45 m. w. N.). Gemäß § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV sind betriebliche Gefahrenquellen, umgebungsbedingte Gefahrenquellen, wie Erdbeben oder Hochwasser, und Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen, es sei denn, dass diese Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen vernünftigerweise ausgeschlossen werden können. Nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV hat der Betreiber darüber hinaus vorbeugend Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten.
10 Unabhängig davon ist nicht der Betreiber (vgl. § 3 Abs. 5 der 12. BImSchV), sondern die Genehmigungsbehörde in der Pflicht, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung dem Erfordernis eines angemessenen Sicherheitsabstands Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 12 und 38 sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 [ECLI:EU:C:2011:585], Land Hessen - Rn. 35 und 53). Der nationale Gesetzgeber hat - in Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 S. 1 - Seveso-III-RL) in § 3 Abs. 5c Satz 1 BImSchG den Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands im Sinne des Art. 13 Abs. 2 Seveso-III-RL bestimmt (vgl. BT-Drs. 18/9417 S. 26). Hiernach ist der angemessene Sicherheitsabstand der Abstand zwischen einem Betriebsbereich und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen schwerer Unfälle im Sinne des Art. 3 Nr. 13 Seveso-III-RL auf das benachbarte Schutzobjekt (vgl. § 3 Abs. 5d BImSchG) beiträgt.
11 Der Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands ist ein zwar unbestimmter, aber technisch-fachlich bestimmbarer Rechtsbegriff. Präzise, absolute und objektive Grenzen der "Gefahrenzone" um einen Störfallbetrieb kann es insoweit allerdings nicht geben. Gleichwohl unterliegt die behördliche Festlegung des angemessenen Abstands der vollen gerichtlichen Überprüfung (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 20 m. w. N.). Anhaltspunkte für die Bemessung des Sicherheitsabstands lassen sich dem - vorliegend herangezogenen - Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit der Störfall-Kommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der zweiten, überarbeiteten Fassung vom November 2010 (KAS-18) entnehmen (in diesem Sinne auch VGH München, Urteil vom 14. Juli 2006 - 1 BV 03.21 79 u. a. - UPR 2007, 152 <154>; Schoen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 50 BImSchG Rn. 146 ff.).
12 Bei der Bewertung des als angemessen erachteten Abstands ist zudem zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofs der Europäischen Union als auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen ist, schutzbedürftige Nutzungen nach den Umständen des Einzelfalls auch innerhalb des "störfalltechnisch" ermittelten angemessenen Abstands für zulässig zu erachten. Insoweit muss sich die Genehmigungsbehörde in jedem Einzelfall darüber Gedanken machen, ob ein Unterschreiten des eigentlich erforderlichen "angemessenen Abstands" im Hinblick auf sonstige - nicht störfallspezifische - namentlich sozioökonomische Faktoren vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 22 f. m. w. N. sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 - Rn. 44 ff.). Auf dieser Grundlage kann umgekehrt angenommen werden, dass bei Wahrung des anhand störfallspezifischer Faktoren fehlerfrei ermittelten angemessenen Sicherheitsabstands das rechtlich gebotene Maß der Begrenzung möglicher Auswirkungen schwerer Unfälle oder sonstiger Störfälle gewährleistet ist. Wird dieser Abstand eingehalten, ist davon auszugehen, dass die Anlage zulasten außerhalb des Sicherheitsbereichs belegener Schutzobjekte keine sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft (vgl. auch OVG Magdeburg, Urteil vom 21. September 2016 - 2 L 98/13 - BauR 2017, 229 <243>). Aus der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129) ergeben sich keine weitreichenderen Anforderungen. Diese bezieht sich auf die Bewältigung der besonderen Risikopotentiale der Nutzung von Atomkraft und ist auf die hier in Rede stehende Bewältigung von Risiken beim Betrieb nicht-nuklearer Anlagen nicht übertragbar.
13 b) Das Grundstück des Antragstellers, auf dem er wohnt und die Appartementanlage-Ferienwohnungen-W GbR betreibt, befindet sich nach dessen Angaben in einem Abstand von etwa 600 m zum Fährhafen Sassnitz. Der Abstand zur genehmigten Anlage beträgt nach Angaben des Antragsgegners etwa 1,7 km. Nach Angaben der Beigeladenen ist das Grundstück des Antragstellers etwa 1 575 m vom Betriebsbereich des genehmigten Vorhabens entfernt. Nach den Angaben im allgemein zugänglichen GeoPortal Mecklenburg-Vorpommern (www.geoportal-mv.de) geht der Senat von einem Abstand zum LNG-Terminal von jedenfalls über 1,5 km aus.
14 Zur Begründung einer Antragsbefugnis wäre es Sache des Antragstellers im mindesten aufzuzeigen, dass der angemessene Sicherheitsabstand zum Betriebsbereich der genehmigten Anlage vorliegend fehlerhaft ermittelt worden ist und hierdurch oder durch die Auswirkungen von sich außerhalb des Betriebsbereichs ereignenden Störfällen sein Grundstück in rechtserheblicher Weise negativ betroffen sein kann. Zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands liegt der Genehmigung vom 9. April 2024 ein im Auftrag der Beigeladenen erstelltes "Gutachten zur Festsetzung des angemessenen Sicherheitsabstands gemäß KAS-18 Energieterminal 'Deutsche Ostsee'" zweier nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebener Sachverständiger vom 21. Juli 2023 (Gutachten Sicherheitsabstand) zugrunde, das einen zu wahrenden Abstand von 350 m ermittelt hat. Von nachteiligen Wirkungen des schwerwiegendsten anzunehmenden Störfall-Szenarios auf Menschen - Wärmestrahlung über 1,6 kW/m² (Beginn der nachteiligen Wirkung auf Menschen; vgl. hierzu KAS-18 S. 61 und 67) infolge eines auf eine Freisetzung von Flüssiggas an der Booster Pumpe unter Annahme einer Leckage DN 25 (Leckgröße 490 mm²) zurückzuführenden Gaswolkenabbrands (Gutachten Sicherheitsabstand, S. 9 und 43) – ist hiernach nur in einem Abstand von bis zu 346 m auszugehen. Dabei ist entgegen der Auffassung des Antragstellers der Bezugspunkt der anzustellenden Berechnung nicht der gesamte Bereich des Industriehafens Mukran, sondern der Betriebsbereich im Sinne des § 3 Abs. 5a BImSchG. Dieser umfasst lediglich die genehmigte FSRU-Anlage. Zusätzlich sind die 110 von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausdrücklich umfassten Schiffsbewegungen der LNG-Lieferschiffe einzubeziehen.
15 Bereits eine Entwurfsfassung dieses Gutachtens als auch das abgeschlossene Gutachten wurde einer Prüfung durch weitere nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebene Sachverständige des TÜV NORD unterzogen. Eine gutachterliche Stellungnahme vom 14. Juli 2023 widmet sich hierbei insbesondere der Frage, ob bei der Bestimmung des schwerwiegendsten Störfall-Szenarios die Annahme einer Leckage DN 25 sachgerecht ist oder ob die Annahme einer Leckage DN 50 - die im Sicherheitsbericht vorsorglich geprüft wird (hierzu unten) – geboten sein könnte. Im Ergebnis bestätigt der Sachverständige die Annahme einer Leckage DN 25. Zwar würden unter anderem in der weiteren Arbeitshilfe KAS-32 (Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18) für Tankläger zur Bevorratung brennbarer bzw. entzündbarer Flüssigkeiten größere Leckagen in der Dimension DN 50 vorgeschlagen. Infolge des grundlegend zu erwartenden hohen Sicherheitsniveaus des verfahrensgegenständlichen LNG-Terminals, das durch die ausschließliche Verwendung von für die vorherrschenden Bedingungen hinsichtlich Druck, Temperatur und Medien geeigneten Materialien, eine begleitende Fertigungsüberwachung durch entsprechende Zertifizierungsstellen sowie regelmäßige Prüfungen der Druckanlagen bzw. Druckgeräte gekennzeichnet sei, erscheine eine solche Annahme jedoch vorliegend auch für einen sogenannten "Dennoch-Störfall" als (deutlich) zu konservativ. Die weitere gutachterliche Stellungnahme vom 10. November 2023 hält die abstandsbestimmende Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 25 für die Freisetzung von LNG ebenfalls für plausibel. Soweit sich der Antragsteller - lediglich gestützt auf ein Presseinterview - gegen die Unparteilichkeit der Überprüfung durch Sachverständige des TÜV NORD wendet, fehlt es schon an einer hinreichenden Substantiierung.
16 Ungeachtet der doppelt validierten Ergebnisse des Gutachtens zum Sicherheitsabstand wurde auch die Reichweite der Auswirkungen eines Störfalls unter der Annahme einer Leckgröße DN 50 (Leckgröße 1 963 mm²) ermittelt. Wie insbesondere die Beigeladene nachvollziehbar darlegt, würde selbst in einem solchen Dennoch-Störfallszenario, in dem redundante und diversitäre Sicherheitseinrichtungen versagten, die Wärmestrahlung als der weitreichendsten Auswirkung in einer Entfernung jedenfalls ab 855 m keine nachteiligen Wirkungen für Menschen mehr entfalten (vgl. Sicherheitsbericht gemäß § 9 StörfallV zum Betriebsbereich Energieterminal "Deutsche Ostsee" vom 11. März 2024, S. V-85 ff.). Auch diese Untersuchung erfolgte durch einen nach § 29b BImSchG bekanntgegebenen Sachverständigen.
17 Das Ergebnis der Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands von 350 m vermag der Antragsteller durch seine Einwendungen nicht zu erschüttern. Namentlich gilt dies hinsichtlich der erfolgten Bezugnahmen auf die "Gutachterliche Stellungnahme zu den Antragsunterlagen der Deutschen ReGas zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebs eines LNG-Terminals im Hafen Mukran (Rügen)" vom 27. März 2024 von Dipl. Ing. T (gutachterliche Stellungnahme T). Entgegen der dort getroffenen Annahmen bestehen - wie bereits ausgeführt - keine rechtlichen Bedenken, der Abstandsermittlung die KAS-18 zugrunde zu legen und hinsichtlich der zu betrachtenden Störfallszenarien in tatsächlicher Hinsicht von einer maximalen Leckgröße der Dimension DN 25 auszugehen. Ein Szenario, bei dem in Anknüpfung an die KAS-32 eine Leckgröße der Dimension DN 50 zu betrachten sein würde, liegt - wie ebenfalls ausgeführt - wegen der besonderen Anlagenkonfiguration nicht vor. Die Folgen weiterreichender - sehr unwahrscheinlicher - Störfallszenarien sind unabhängig von der Festsetzung eines angemessenen Sicherheitsabstandes zu bewältigen und das diesbezügliche Risiko ist als grundsätzlich sozialadäquat hinzunehmen (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 2645/08 - DVBl 2012, 634 <636 f.> m. w. N.). Dessen ungeachtet wurde vorliegend nachvollziehbar ermittelt, dass sich bei Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 50 der angemessene Sicherheitsabstand vom Betriebsbereich der genehmigten Anlage auf maximal 855 m beliefe.
18 Auch aus dem der gutachterlichen Stellungnahme T zugrunde gelegten "Leitfaden zur Risikoanalyse und zu den sicherheitstechnischen Auswirkungen einer großen Flüssiggas (LNG)-Verschüttung über Wasser" der Sandia National Laboratories (USA) aus dem Jahr 2004 ergibt sich keine Empfehlung zur Festlegung eines größeren Sicherheitsabstands. Nach den zitierten Leitlinien wird zwischen unfallbedingten und vorsätzlichen LNG-Freisetzungen unterschieden. Die Risiken und Folgen eines unfallbedingten Austritts von LNG über Wasser seien für Menschen und Eigentum in einer Entfernung von mehr als 750 m minimal. Bei vorsätzlichen LNG-Freisetzungen gehe in einer Entfernung von etwa 500 m bis 1,6 km die Wärmestrahlung (als der gravierendsten aus einem Störfall resultierenden Einwirkung) in ein geringeres Gefährdungsniveau für die öffentliche Sicherheit und das Eigentum über. Die Einrichtung von Sicherheitszonen als Risikomanagement-Strategie diskutiert der Leitfaden für diese Abstandsbereiche jedoch nicht. Vielmehr wird die Einrichtung von Sicherheitszonen wegen unfallbedingter Freisetzungen nur für Entfernungen bis zu 250 m und wegen vorsätzlicher Freisetzungen nur bis zu 500 m in Betracht gezogen. Bei größeren Entfernungen sollen sich nach den Empfehlungen dieses Leitfadens die Risikomanagement-Strategien auf das Management von Zwischenfällen und auf Notfallmaßnahmen bzw. auf die Reaktion auf Notfälle ausrichten (vgl. gutachterliche Stellungnahme T, S. 83 f.).
19 Zugleich vermag der Antragsteller auch nicht nachvollziehbar darzulegen, dass von etwaigen Störfällen außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage unzumutbare Einwirkungen auf dessen Rechtspositionen ausgehen können. Derartige Störfälle sind insoweit zu berücksichtigen, als der Regelungsumfang der angefochtenen Genehmigung betroffen ist, der neben der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals auch die Anläufe von jährlich bis zu 110 LNG-Lieferschiffen umfasst. Die realistische Möglichkeit einer "Fernwirkung" eines etwaigen Havariegeschehens namentlich innerhalb des Hafenbeckens, etwa im Zusammenhang mit einem Brand, einer Schiffskollision oder einem unkontrollierten Aufprall eines (Liefer-)Schiffes an der Kaimauer, zulasten seines Grundstücks lässt sich aus den enumerativ benannten Störfallrisiken bzw. Havarieszenarien nicht ableiten. Auch den vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. K zur Situation im Hafen Mukran lässt sich ein auf die nähere Einschätzung der "Fernwirkung" von Havarien gerichteter Untersuchungsansatz nicht entnehmen. Vielmehr führt die "Gutachterliche Stellungnahme zu technischen Fragestellungen zur Maßnahme 'Innere Hafengewässer Multipurpose Terminal Liegeplatz 3a 2. BA Liegeplatz 12 LNG-Terminal Mukran Port'" von Prof. Dr. K vom 15. März 2024 (S. 21) selbst aus, dass die Nähe des Störfallbetriebs zu Wohngebieten in Mukran und Prora sowie öffentlich genutzten Bereichen wie dem Strandbereich der Gemeinde Binz nicht betrachtet worden sei. Demgegenüber sind die Ausführungen der Beigeladenen nachvollziehbar, wonach es in diesbezüglich denkbaren Störfallkonstellationen - hinsichtlich von Kollisionsrisiken insbesondere vor dem Hintergrund der im Hafenbecken nur möglichen geringen Geschwindigkeiten - jedenfalls zu keinem Bruch der doppelwandigen LNG-Tanks sowohl der FSRU-Schiffe als auch der LNG-Lieferschiffe kommt. Über das unmittelbare Umfeld hinausreichende unzumutbare Auswirkungen etwaiger Havarien außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage, namentlich im Bereich des für den LNG-Umschlag genutzten Hafenbeckens, sind nach allem nicht zu erwarten. Danach kommt eine Verletzung von Rechten des in der Gemeinde Sassnitz ansässigen Antragstellers nicht in Betracht.
20 c) Mangels Antragsbefugnis ist der Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben, nicht nachzugehen. Die diesbezüglich erweiterten Rügemöglichkeiten nach Maßgabe des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m Abs. 3 UmwRG) betreffen den Umfang der Begründetheitsprüfung, lassen aber den subjektiv-rechtlichen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 7 C 1.21 - ZfB 2022, 207 Rn. 21 m. w. N.).
21 Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Beschluss vom 06.06.2024 -
BVerwG 7 VR 7.24ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR7.24.1
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 06.06.2024 - 7 VR 7.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:060624B7VR7.24.1]
Beschluss
BVerwG 7 VR 7.24
In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juni 2024
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Prof. Dr. Korbmacher sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Tegethoff und
Dr. Löffelbein
beschlossen:
- Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 anzuordnen, wird abgelehnt.
- Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Antragsteller.
- Der Streitwert wird auf 7 500 € festgesetzt.
Gründe
I
1 Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Staatlichen Amts für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern vom 9. April 2024 erhobenen Widerspruchs, über den der Antragsgegner noch nicht entschieden hat.
2 Mit Bescheid vom 9. April 2024 ließ der Antragsgegner die Errichtung und den Betrieb eines LNG-Terminals bestehend aus zwei schwimmenden Anlagen zur Speicherung und Regasifizierung von verflüssigtem Erdgas (FSRU-Anlage), einer landseitigen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK-Anlage) sowie einer Medienversorgungsleitung mit zwei Hochdruck-Gasverladearmen am Standort Sassnitz auf Rügen, Hafen Mukran, zu. Die Genehmigung umfasst auch die Gestattung für jährlich maximal 110 Anläufe von LNG-Lieferschiffen und ist bis 31. Dezember 2043 befristet.
3 Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Ortsteil Neu Mukran der Gemeinde Sassnitz, das zu Wohnzwecken und zur Gästebeherbergung genutzt wird. Er macht geltend, durch ein hohes Störfallrisiko in eigenen Rechten verletzt zu sein.
II
4 Der Antrag, über den das Bundesverwaltungsgericht erstinstanzlich entscheidet, ist unzulässig.
5 1. Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 12 Satz 1 LNGG i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO. Gemäß § 12 Satz 1 LNGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten über Vorhaben nach § 2 dieses Gesetzes. Bei der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals (FSRU-Anlage) im Hafen Mukran handelt es sich um ein Vorhaben nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 LNGG i. V. m. Nr. 4.1 der Anlage zu § 2 LNGG.
6 2. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 LNGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Zulassungsentscheidung für Vorhaben nach § 2 LNGG keine aufschiebende Wirkung. Dagegen ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft. Die Frist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 LNGG, wonach der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Zulassungsentscheidung zu stellen und zu begründen ist, hat der Antragsteller gewahrt.
7 3. Der Antragsteller ist nicht entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass die Verletzung eigener Rechte des Antragstellers auf der Grundlage der Antragsbegründung als möglich erscheint, also nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2023 - 4 VR 1.23 - EnWZ 2023, 364 Rn. 9 m. w. N.). Daran fehlt es. Der Vortrag des Antragstellers führt auf keine mögliche Verletzung nachbarlicher Rechte.
8 a) Als Eigentümer eines Grundstücks im Ortsteil Neu Mukran der Gemeinde Sassnitz kann sich der Antragsteller auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berufen. Nach dieser Vorschrift sind immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Um den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu erfüllen, bedarf es einer konkreten Gefährdung. Die Erheblichkeitsschwelle muss überschritten sein (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 126).
9 Hinsichtlich von Störfällen, die - jedenfalls soweit sie (einmalige) atypische Einwirkungen hervorrufen (vgl. Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, BImSchG § 5 Rn. 96 und 124) – zu den "sonstigen Gefahren" im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zählen, wird die Pflicht des Betreibers, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Störfälle zu verhindern, durch die Störfall-Verordnung (12. BImSchV), insbesondere durch § 3 Abs. 1 bis 3 und § 4 der 12. BImSchV konkretisiert, die insoweit Drittschutz entfaltet (vgl. Jarass, BImSchG, 14. Aufl. 2022, § 5 Rn. 45 m. w. N.). Gemäß § 3 Abs. 2 der 12. BImSchV sind betriebliche Gefahrenquellen, umgebungsbedingte Gefahrenquellen, wie Erdbeben oder Hochwasser, und Eingriffe Unbefugter zu berücksichtigen, es sei denn, dass diese Gefahrenquellen oder Eingriffe als Störfallursachen vernünftigerweise ausgeschlossen werden können. Nach § 3 Abs. 3 der 12. BImSchV hat der Betreiber darüber hinaus vorbeugend Maßnahmen zu treffen, um die Auswirkungen von Störfällen so gering wie möglich zu halten.
10 Unabhängig davon ist nicht der Betreiber (vgl. § 3 Abs. 5 der 12. BImSchV), sondern die Genehmigungsbehörde in der Pflicht, bei der Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung dem Erfordernis eines angemessenen Sicherheitsabstands Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 12 und 38 sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 [ECLI:EU:C:2011:585], Land Hessen - Rn. 35 und 53). Der nationale Gesetzgeber hat - in Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 S. 1 - Seveso-III-RL) - in § 3 Abs. 5c Satz 1 BImSchG den Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands im Sinne des Art. 13 Abs. 2 Seveso-III-RL bestimmt (vgl. BT-Drs. 18/9417 S. 26). Hiernach ist der angemessene Sicherheitsabstand der Abstand zwischen einem Betriebsbereich und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen schwerer Unfälle im Sinne des Art. 3 Nr. 13 Seveso-III-RL auf das benachbarte Schutzobjekt (vgl. § 3 Abs. 5d BImSchG) beiträgt.
11 Der Begriff des angemessenen Sicherheitsabstands ist ein zwar unbestimmter, aber technisch-fachlich bestimmbarer Rechtsbegriff. Präzise, absolute und objektive Grenzen der "Gefahrenzone" um einen Störfallbetrieb kann es insoweit allerdings nicht geben. Gleichwohl unterliegt die behördliche Festlegung des angemessenen Abstands der vollen gerichtlichen Überprüfung (BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 20 m. w. N.). Anhaltspunkte für die Bemessung des Sicherheitsabstands lassen sich dem - vorliegend herangezogenen - Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit der Störfall-Kommission beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der zweiten, überarbeiteten Fassung vom November 2010 (KAS-18) entnehmen (in diesem Sinne auch VGH München, Urteil vom 14. Juli 2006 - 1 BV 03.21 79 u. a. - UPR 2007, 152 <154>; Schoen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 50 BImSchG Rn. 146 ff.).
12 Bei der Bewertung des als angemessen erachteten Abstands ist zudem zu berücksichtigen, dass es nach der Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofs der Europäischen Union als auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen ist, schutzbedürftige Nutzungen nach den Umständen des Einzelfalls auch innerhalb des "störfalltechnisch" ermittelten angemessenen Abstands für zulässig zu erachten. Insoweit muss sich die Genehmigungsbehörde in jedem Einzelfall darüber Gedanken machen, ob ein Unterschreiten des eigentlich erforderlichen "angemessenen Abstands" im Hinblick auf sonstige - nicht störfallspezifische - namentlich sozioökonomische Faktoren vertretbar erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 - BVerwGE 145, 290 Rn. 22 f. m. w. N. sowie EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - C-53/10 - Rn. 44 ff.). Auf dieser Grundlage kann umgekehrt angenommen werden, dass bei Wahrung des anhand störfallspezifischer Faktoren fehlerfrei ermittelten angemessenen Sicherheitsabstands das rechtlich gebotene Maß der Begrenzung möglicher Auswirkungen schwerer Unfälle oder sonstiger Störfälle gewährleistet ist. Wird dieser Abstand eingehalten, ist davon auszugehen, dass die Anlage zulasten außerhalb des Sicherheitsbereichs belegener Schutzobjekte keine sonstigen Gefahren im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorruft (vgl. auch OVG Magdeburg, Urteil vom 21. September 2016 - 2 L 98/13 - BauR 2017, 229 <243>). Aus der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG (BVerwG, Urteil vom 10. April 2008 - 7 C 39.07 - BVerwGE 131, 129) ergeben sich keine weitreichenderen Anforderungen. Diese bezieht sich auf die Bewältigung der besonderen Risikopotentiale der Nutzung von Atomkraft und ist auf die hier in Rede stehende Bewältigung von Risiken beim Betrieb nicht-nuklearer Anlagen nicht übertragbar.
13 b) Das Grundstück des Antragstellers, das zu Wohnzwecken und zur Gästebeherbergung genutzt wird, liegt nach dessen Vortrag "etwa 130 m entfernt von dem Betriebsbereich der angefochtenen Störfallanlagen". Nach Angaben des Antragsgegners beträgt der Abstand zur genehmigten Anlage etwa 1,2 km. Nach den Angaben der Beigeladenen beträgt der Abstand über 1 100 m. Nach den Angaben im allgemein zugänglichen GeoPortal Mecklenburg-Vorpommern (www.geoportal-mv.de) geht der Senat von einem Abstand zum LNG-Terminal von jedenfalls über 1 km aus. In kurzer Entfernung zum Grundstück des Antragstellers befindet sich ein gesondertes Hafenbecken, das nicht zum LNG-Umschlag genutzt wird.
14 Zur Begründung einer Antragsbefugnis wäre es Sache des Antragstellers im mindesten aufzuzeigen, dass der angemessene Sicherheitsabstand zum Betriebsbereich der genehmigten Anlage vorliegend fehlerhaft ermittelt worden ist und hierdurch oder durch die Auswirkungen von sich außerhalb des Betriebsbereichs ereignenden Störfällen sein Grundstück in rechtserheblicher Weise negativ betroffen sein kann. Zur Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands liegt der Genehmigung vom 9. April 2024 ein im Auftrag der Beigeladenen erstelltes "Gutachten zur Festsetzung des angemessenen Sicherheitsabstands gemäß KAS-18 Energieterminal 'Deutsche Ostsee'" zweier nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebener Sachverständiger vom 21. Juli 2023 (Gutachten Sicherheitsabstand) zugrunde, das einen zu wahrenden Abstand von 350 m ermittelt hat. Von nachteiligen Wirkungen des schwerwiegendsten anzunehmenden Störfall-Szenarios auf Menschen - Wärmestrahlung über 1,6 kW/m² (Beginn der nachteiligen Wirkung auf Menschen; vgl. hierzu KAS-18 S. 61 und 67) infolge eines auf eine Freisetzung von Flüssiggas an der Booster Pumpe unter Annahme einer Leckage DN 25 (Leckgröße 490 mm²) zurückzuführenden Gaswolkenabbrands (Gutachten Sicherheitsabstand, S. 9 und 43) – ist hiernach nur in einem Abstand von bis zu 346 m auszugehen. Dabei ist entgegen der Auffassung des Antragstellers der Bezugspunkt der anzustellenden Berechnung nicht der gesamte Bereich des Industriehafens Mukran, sondern der Betriebsbereich im Sinne des § 3 Abs. 5a BImSchG. Dieser umfasst lediglich die genehmigte FSRU-Anlage. Zusätzlich sind die 110 von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ausdrücklich umfassten Schiffsbewegungen der LNG-Lieferschiffe einzubeziehen.
15 Bereits eine Entwurfsfassung dieses Gutachtens als auch das abgeschlossene Gutachten wurde einer Prüfung durch weitere nach § 29b Abs. 1 BImSchG bekannt gegebene Sachverständige des TÜV NORD unterzogen. Eine gutachterliche Stellungnahme vom 14. Juli 2023 widmet sich hierbei insbesondere der Frage, ob bei der Bestimmung des schwerwiegendsten Störfall-Szenarios die Annahme einer Leckage DN 25 sachgerecht ist oder ob die Annahme einer Leckage DN 50 - die im Sicherheitsbericht vorsorglich geprüft wird (hierzu unten) - geboten sein könnte. Im Ergebnis bestätigt der Sachverständige die Annahme einer Leckage DN 25. Zwar würden unter anderem in der weiteren Arbeitshilfe KAS-32 (Szenarienspezifische Fragestellungen zum Leitfaden KAS-18) für Tankläger zur Bevorratung brennbarer bzw. entzündbarer Flüssigkeiten größere Leckagen in der Dimension DN 50 vorgeschlagen. Infolge des grundlegend zu erwartenden hohen Sicherheitsniveaus des verfahrensgegenständlichen LNG-Terminals, das durch die ausschließliche Verwendung von für die vorherrschenden Bedingungen hinsichtlich Druck, Temperatur und Medien geeigneten Materialien, eine begleitende Fertigungsüberwachung durch entsprechende Zertifizierungsstellen sowie regelmäßige Prüfungen der Druckanlagen bzw. Druckgeräte gekennzeichnet sei, erscheine eine solche Annahme jedoch vorliegend auch für einen sogenannten "Dennoch-Störfall" als (deutlich) zu konservativ. Die weitere gutachterliche Stellungnahme vom 10. November 2023 hält die abstandsbestimmende Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 25 für die Freisetzung von LNG ebenfalls für plausibel. Soweit sich der Antragsteller - lediglich gestützt auf ein Presseinterview - gegen die Unparteilichkeit der Überprüfung durch Sachverständige des TÜV NORD wendet, fehlt es schon an einer hinreichenden Substantiierung.
16 Ungeachtet der doppelt validierten Ergebnisse des Gutachtens zum Sicherheitsabstand wurde auch die Reichweite der Auswirkungen eines Störfalls unter der Annahme einer Leckgröße DN 50 (Leckgröße 1 963 mm²) ermittelt. Wie insbesondere die Beigeladene nachvollziehbar darlegt, würde selbst in einem solchen Dennoch-Störfallszenario, in dem redundante und diversitäre Sicherheitseinrichtungen versagten, die Wärmestrahlung als der weitreichendsten Auswirkung in einer Entfernung jedenfalls ab 855 m keine nachteiligen Wirkungen für Menschen mehr entfalten (vgl. Sicherheitsbericht gemäß § 9 StörfallV zum Betriebsbereich Energieterminal "Deutsche Ostsee" vom 11. März 2024, S. V-85 ff.). Auch diese Untersuchung erfolgte durch einen nach § 29b BImSchG bekanntgegebenen Sachverständigen.
17 Das Ergebnis der Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands von 350 m vermag der Antragsteller durch seine Einwendungen nicht zu erschüttern. Namentlich gilt dies hinsichtlich der erfolgten Bezugnahmen auf die "Gutachterliche Stellungnahme zu den Antragsunterlagen der Deutschen ReGas zur Genehmigung der Errichtung und des Betriebs eines LNG-Terminals im Hafen Mukran (Rügen)" vom 27. März 2024 von Dipl. Ing. T (gutachterliche Stellungnahme T). Entgegen der dort getroffenen Annahmen bestehen - wie bereits ausgeführt - keine rechtlichen Bedenken, der Abstandsermittlung die KAS-18 zugrunde zu legen und hinsichtlich der zu betrachtenden Störfallszenarien in tatsächlicher Hinsicht von einer maximalen Leckgröße der Dimension DN 25 auszugehen. Ein Szenario, bei dem in Anknüpfung an die KAS-32 eine Leckgröße der Dimension DN 50 zu betrachten sein würde, liegt - wie ebenfalls ausgeführt - wegen der besonderen Anlagenkonfiguration nicht vor. Die Folgen weiterreichender - sehr unwahrscheinlicher - Störfallszenarien sind unabhängig von der Festsetzung eines angemessenen Sicherheitsabstandes zu bewältigen und das diesbezügliche Risiko ist als grundsätzlich sozialadäquat hinzunehmen (vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 2645/08 - DVBl 2012, 634 <636 f.> m. w. N.). Dessen ungeachtet wurde vorliegend nachvollziehbar ermittelt, dass sich bei Annahme einer Leckgröße der Dimension DN 50 der angemessene Sicherheitsabstand vom Betriebsbereich der genehmigten Anlage auf maximal 855 m beliefe.
18 Auch aus dem der gutachterlichen Stellungnahme T zugrunde gelegten "Leitfaden zur Risikoanalyse und zu den sicherheitstechnischen Auswirkungen einer großen Flüssiggas (LNG)-Verschüttung über Wasser" der Sandia National Laboratories (USA) aus dem Jahr 2004 ergibt sich keine Empfehlung zur Festlegung eines größeren Sicherheitsabstands. Nach den zitierten Leitlinien wird zwischen unfallbedingten und vorsätzlichen LNG-Freisetzungen unterschieden. Die Risiken und Folgen eines unfallbedingten Austritts von LNG über Wasser seien für Menschen und Eigentum in einer Entfernung von mehr als 750 m minimal. Bei vorsätzlichen LNG-Freisetzungen gehe in einer Entfernung von etwa 500 m bis 1,6 km die Wärmestrahlung (als der gravierendsten aus einem Störfall resultierenden Einwirkung) in ein geringeres Gefährdungsniveau für die öffentliche Sicherheit und das Eigentum über. Die Einrichtung von Sicherheitszonen als Risikomanagement-Strategie diskutiert der Leitfaden für diese Abstandsbereiche jedoch nicht. Vielmehr wird die Einrichtung von Sicherheitszonen wegen unfallbedingter Freisetzungen nur für Entfernungen bis zu 250 m und wegen vorsätzlicher Freisetzungen nur bis zu 500 m in Betracht gezogen. Bei größeren Entfernungen sollen sich nach den Empfehlungen dieses Leitfadens die Risikomanagement-Strategien auf das Management von Zwischenfällen und auf Notfallmaßnahmen bzw. auf die Reaktion auf Notfälle ausrichten (vgl. gutachterliche Stellungnahme T, S. 83 f.).
19 Zugleich vermag der Antragsteller auch nicht nachvollziehbar darzulegen, dass von etwaigen Störfällen außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage unzumutbare Einwirkungen auf dessen Rechtspositionen ausgehen können. Derartige Störfälle sind insoweit zu berücksichtigen, als der Regelungsumfang der angefochtenen Genehmigung betroffen ist, der neben der Errichtung und dem Betrieb des LNG-Terminals auch die Anläufe von jährlich bis zu 110 LNG-Lieferschiffen umfasst. Die realistische Möglichkeit einer "Fernwirkung" eines etwaigen Havariegeschehens namentlich innerhalb des Hafenbeckens, etwa im Zusammenhang mit einem Brand, einer Schiffskollision oder einem unkontrollierten Aufprall eines (Liefer-)Schiffes an der Kaimauer, zulasten seines Grundstücks lässt sich aus den enumerativ benannten Störfallrisiken bzw. Havarieszenarien nicht ableiten. Auch den vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. K zur Situation im Hafen Mukran lässt sich ein auf die nähere Einschätzung der "Fernwirkung" von Havarien gerichteter Untersuchungsansatz nicht entnehmen. Vielmehr führt die "Gutachterliche Stellungnahme zu technischen Fragestellungen zur Maßnahme 'Innere Hafengewässer Multipurpose Terminal Liegeplatz 3a 2. BA Liegeplatz 12 LNG-Terminal Mukran Port'" von Prof. Dr. K vom 15. März 2024 (S. 21) selbst aus, dass die Nähe des Störfallbetriebs zu Wohngebieten in Mukran und Prora sowie öffentlich genutzten Bereichen wie dem Strandbereich der Gemeinde Binz nicht betrachtet worden sei. Demgegenüber sind die Ausführungen der Beigeladenen nachvollziehbar, wonach es in diesbezüglich denkbaren Störfallkonstellationen - hinsichtlich von Kollisionsrisiken insbesondere vor dem Hintergrund der im Hafenbecken nur möglichen geringen Geschwindigkeiten - jedenfalls zu keinem Bruch der doppelwandigen LNG-Tanks sowohl der FSRU-Schiffe als auch der LNG-Lieferschiffe kommt. Über das unmittelbare Umfeld hinausreichende unzumutbare Auswirkungen etwaiger Havarien außerhalb des Betriebsbereichs der genehmigten Anlage, namentlich im Bereich des für den LNG-Umschlag genutzten Hafenbeckens, sind nach allem nicht zu erwarten. Danach kommt eine Verletzung von Rechten des in der Gemeinde Sassnitz ansässigen Antragstellers nicht in Betracht.
20 c) Mangels Antragsbefugnis ist der Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei zu Unrecht unterblieben, nicht nachzugehen. Die diesbezüglich erweiterten Rügemöglichkeiten nach Maßgabe des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m Abs. 3 UmwRG) betreffen den Umfang der Begründetheitsprüfung, lassen aber den subjektiv-rechtlichen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO unangetastet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2022 - 7 C 1.21 - ZfB 2022, 207 Rn. 21 m. w. N.).
21 Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags erledigt sich der weitere Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung.
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.