Verfahrensinformation

Die Stadt Moers wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für den Neubau von Höchstspannungsfreileitungen.


Das Vorhaben "Neubau der 110-/380-KV- Höchstspannungsfreileitung Wesel-Utfort sowie der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Utfort - Pkt. Hüls-West" führt durch dicht besiedeltes Stadtgebiet der Klägerin. Sie hält das Planungsverfahren für fehlerhaft durchgeführt, bezweifelt die Planrechtfertigung und ist der Auffassung, die Rheinquerung hätte nicht ohne weiteres in einen eigenen Planungsabschnitt verschoben werden dürfen. Eine örtliche Variante des Vorhabens, welche die Ortslagen weitgehend verschonen und insbesondere die Bewohner von Moers-Eick und Moers-Utfort entlasten würde, sei fehlerhaft nicht weiterverfolgt worden. Außerdem verstoße der Planfeststellungsbeschluss gegen die kommunale Planungshoheit und das kommunale Selbstgestaltungsrecht.


Pressemitteilung Nr. 14/2024 vom 10.04.2024

Klage der Stadt Moers gegen eine Höchstspannungsfreileitung erfolglos

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute eine Klage der Stadt Moers gegen eine Höchst­spannungsfreileitung abgewiesen.


Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss genehmigt Bau und Betrieb einer 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen Wesel und Utfort sowie einer 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen Utfort und dem Punkt Hüls-West. Die Querung des Rheins ist nicht Teil des Planfeststellungsbeschlusses. Die Leitungen sollen auf dem Gebiet der Klägerin zusammen mit der auf einem Teilstück zu erneuernden 220-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Utfort-Walsum zwischen den dicht besiedelten Ortsteilen Eick und Utfort verlaufen.


Die Klage blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht war für die Klage zuständig. Bei dem Vorhaben handelt es sich um einen Teilabschnitt des in Nr. 14 der Anlage zum Energieleitungsausbau­gesetz genannten Vorhabens "Neubau Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath, Nennspannung 380 kV". Dass die Linienführung im Abschnitt Rheinquerung zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht abschließend feststand, war rechtlich unerheblich. Hinsichtlich der Umspannanlage Utfort reicht es aus, dass die Leitungen die Umspannanlage erreichen und dort eingebunden werden können.


Die Klage war unbegründet. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben, weil es mit­samt der notwendigen Folgemaßnahmen gemäß § 1 Abs. 2 EnLAG in den vordringlichen Bedarf gestellt ist. Die Abwägungsentscheidung verletzt die Stadt Moers nicht in eigenen Rechten. Die Planung durfte sich gegen eine westliche Umgehung der dicht besiedelten Gebiete der Klägerin durch Führung der Höchstspannungsleitungen Wesel-Utfort und Utfort-Walsum in neuer Trasse entscheiden. Es spricht viel dafür, dass die Planfeststellungsbehörde die Vor­habenträgerin schon aus Rechtsgründen nicht verpflichten konnte, anlässlich einer bestimmten Planung auch eine andere, bestehende Leitung weiträumig zu verlegen. Auch unabhängig davon war die Abwägung nicht zu beanstanden. Die gegen die Alternative sprechenden Belange mussten nicht ausführlicher ermittelt werden als geschehen. Auch die Ermittlung der gegen die Antragstrasse sprechenden Belange war im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund der Vorbelastung durch die Bestandstrassen durfte der Planfeststellungsbeschluss auch davon ausgehen, dass die Planung die Klägerin weder in ihrer Planungshoheit noch in ihrer Gestaltungsfreiheit verletzt.


BVerwG 11 A 4.23 - Urteil vom 10. April 2024


Urteil vom 10.04.2024 -
BVerwG 11 A 4.23ECLI:DE:BVerwG:2024:100424U11A4.23.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.04.2024 - 11 A 4.23 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:100424U11A4.23.0]

Urteil

BVerwG 11 A 4.23

In der Verwaltungsstreitsache hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. Külpmann, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieterich und Dr. Hammer sowie die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Emmenegger und Dr. Wiedmann
für Recht erkannt:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Die Klägerin, eine nordrhein-westfälische Stadt, wendet sich gegen die Planfeststellung für eine Höchstspannungsfreileitung.

2 Die Bezirksregierung Düsseldorf stellte mit Beschluss vom 29. September 2022 den Plan für den Neubau der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel - Utfort, Bl. 4214 und der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Utfort - Pkt. Hüls-West, Bl. 4208 fest.

3 Das Vorhaben soll einen Teilabschnitt des in Nr. 14 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz genannten Vorhabens "Neubau Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath, Nennspannung 380 kV" verwirklichen. Von der Umspannanlage Wesel/Niederrhein wird die 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung, Bl. 4214 im bestehenden Trassenraum der zu ersetzenden 220-kV-Höchstspannungsleitung Osterath - Wesel/Niederrhein, Bl. 2339 bis zum Punkt Voerde geführt. Die folgende Rheinquerung ist nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses, sondern bildet einen eigenen Planungsabschnitt. Das planfestgestellte Vorhaben wird am Punkt Budberg fortgesetzt und läuft im Trassenraum der Bl. 2339 von Norden her auf das Stadtgebiet der Klägerin zu.

4 Im Bestand wird am Punkt Bornheim die zu demontierende Bl. 2339 von der östlich aus Walsum kommenden 220-/380-kV-Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum, Bl. 4537 gekreuzt, beide Leitungen verlaufen sodann durch den Stadtteil Rheinkamp in einem von Wohnbebauung freigehaltenen Korridor zur Umspannanlage Utfort. Die Planung sieht in diesem Bereich einen Ersatzneubau auch der Bl. 4537 (Masten 1008 bis 1001) vor, wobei die von Norden kommenden 380-kV-Stromkreise der Bl. 4214 künftig auf der westlichen und die östlich aus Walsum kommenden 380-kV-Stromkreise auf der östlichen Seite des Korridors verlaufen sollen, um eine Kreuzung dieser Systeme zu vermeiden. Die westlich verlaufenden Leitungen tragen vom Punkt Bornheim an die Bauleitnummer 4537, die östlich verlaufenden Leitungen die Bauleitnummer 4214. Südlich der Umspannanlage Utfort wird die 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Utfort - Pkt. Hüls-West, Bl. 4208 wiederum in der Trasse der zu ersetzenden Bl. 2339 errichtet.

5 Das Vorhaben beansprucht Grundstücke der Klägerin für Maststandorte und Schutzstreifen. In dem innerstädtischen Korridor zwischen Rheinkamp-Mitte sowie Rheinkamp-Eick und Rheinkamp-Utfort werden mehrere öffentliche Grünflächen (mit Festsetzungen als Parkanlage und Spielplatz) sowie Kleingartengebiete überspannt beziehungsweise durch Maststandorte in Anspruch genommen. Die Leitungen nähern sich außerdem dicht besiedelten Flächen unmittelbar an, auf denen sich unter anderem eine städtische Schule befindet und die zum Teil als reine Wohngebiete festgesetzt sind. Die Masten erreichen in diesem Bereich Höhen bis zu 76,50 m.

6 Nach Scoping-Terminen im Dezember 2010 und Februar 2013 stellte die Beigeladene am 23. Oktober 2019 den Antrag auf Feststellung des Plans. Der Plan lag vom 6. November 2019 bis zum 5. Dezember 2019 aus. In den Unterlagen war unter anderem eine weiträumige Umgehung der Umspannanlage Utfort unter Mitnahme der bislang in dem innerstädtischen Korridor verlaufenden 220-/380-kV-Leitung Utfort-Walsum als Variante 5a geprüft, aber nicht weiterverfolgt worden. In Folge des am 12. und 13. Mai 2020 durchgeführten Erörterungstermins wurde eine optimierte Variante 5a* geprüft, aber verworfen. Die im Zuge dieser Prüfung erarbeiteten Unterlagen wurden nicht ausgelegt.

7 Die Klägerin hat gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage erhoben. Sie rügt formelle Fehler und stellt die Planrechtfertigung des Vorhabens in Frage. Es sei nicht, wie im Bedarfsplan vorgesehen, eine durchgehende neue 380-kV-Verbindung von der Umspannanlage Niederrhein zur Umspannanlage Osterath geplant worden. Außerdem fehle die Rechtfertigung für die Einbeziehung der 220-/380-kV-Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum, Bl. 4537 in das planfestgestellte Vorhaben und die Bildung eines eigenen Abschnitts für die Rheinquerung sei fehlerhaft. Der Planfeststellungsbeschluss lehne die für ihre Belange vorteilhafte Variante 5a* fehlerhaft ab. Das Vorhaben verletzte die kommunale Planungshoheit und das kommunale Selbstbestimmungsrecht.

8 Mit Planergänzungsbeschluss vom 14. März 2024 wurde die Abwägungsentscheidung hinsichtlich einer kleinräumigen Alternative auf dem Gebiet der Stadt Krefeld ergänzt.

9 Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss vom 29. September 2022 für den Neubau der 110-/380-kV-Höchstspannungsfreileitung Wesel - Utfort, Bl. 4214 sowie der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Utfort - Pkt. Hüls-West, Bl. 4208 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 14. März 2024 aufzuheben,
hilfsweise,
den Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zu verpflichten, über Schutzvorkehrungen zur Wahrung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie der Klägerin und zum Schutz ihres Grundeigentums, insbesondere vor Immissionen und Inanspruchnahme, sowie im Hinblick auf die Ermittlungs- und Bewertungsanforderungen im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsuntersuchung sowie den Anforderungen einer hierauf beruhenden Abwägung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

10 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.

11 Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

II

12 A. Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Klage insgesamt nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG erst- und letztinstanzlich zuständig.

13 I. Das planfestgestellte Vorhaben stellt einen Teil des unter Nr. 14 der Anlage zu § 1 EnLAG genannten Vorhabens "Neubau Höchstspannungsleitung Niederrhein - Utfort - Osterath, Nennspannung 380 kV" dar. Dass der Erläuterungsbericht eine "Schematische Darstellung der relevanten Stromkreisplätze im Planungsumfeld" enthält, auf der die beiden mit Bl. 4214 bezeichneten Leitungen im Punkt Löhnen keine Verbindung aufweisen, steht dem nicht entgegen. Der Punkt Löhnen befindet sich im Planungsabschnitt "Rheinquerung" und ist nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses. Die Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses stehen der Verwirklichung einer 380-kV-Höchstspannungsleitung zwischen den Umspannanlagen Wesel/Niederrhein und Utfort und weiter nach Osterath nicht entgegen. Das zeigen schon die im Erläuterungsbericht angestellten Vorüberlegungen zu einer Unterquerung des Rheins mittels durchgängiger Erdkabelverbindung am Punkt Löhnen (vgl. dort S. 43 ff.).

14 Dass die vom Punkt Budberg kommenden 380-kV-Systeme ab dem Punkt Bornheim nicht mehr unter der Bauleitnummer 4214, sondern - orientiert an den Bezeichnungen im Bestand − unter der Bauleitnummer 4537 auf das Gelände der Umspannanlage Utfort geführt werden, stellt die Identität des planfestgestellten Vorhabens mit dem EnLAG-Vorhaben nicht in Frage. Die Bezeichnung der Leitungen mit Bauleitnummern hat technische Gründe und wird vom Energieleitungsausbaugesetz nicht vorgegeben.

15 Auch südlich der Umspannanlage Utfort wird das EnLAG-Vorhaben Nr. 14 verwirklicht. Wie vom Gesetz verlangt, ist die Neuerrichtung einer 380-kV-Höchstspannungsleitung geplant, die dem Transport von Strom zwischen Utfort und Osterath dient. Die Führung der 380-kV-Stromkreise auf den Bestandsmasten der westlich verlaufenden Bl. 4540 bis zum Punkt Neukirchen ist dem Umstand geschuldet, dass auch in diesem Bereich eine Kreuzung der 380-kV-Systeme vermieden werden soll. Diese technisch bedingte Ausgestaltung hat keine Auswirkungen auf den Gegenstand des Vorhabens.

16 Die auf die Durchgängigkeit der geplanten 380-kV-Leitungen zielenden Beweisanträge 2 a) und b) sind als unerheblich abzulehnen, soweit sie Abschnitte betreffen, die nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses sind. Sofern sie auf den Inhalt einer vermeintlichen Gesamtplanung gerichtet sind, handelt es sich um eine richterliche Subsumtionsentscheidung, die dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist.

17 Darauf, wie die Stromkreise technisch in die Umspannanlage Utfort eingebunden werden, kommt es nicht an. Der Bedarfsplan zum Energieleitungsausbaugesetz bestimmt Vorhaben durch vier, gelegentlich fünf Merkmale: die technische Ausführung, den Anfangspunkt, den Endpunkt, die Nennspannung und − bei einigen Vorhaben − bestimmte Orte im Trassenverlauf oder die Gesamtstrecke (BVerwG, Beschluss vom 12. September 2018 - 4 A 13.17 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 39 Rn. 4). Welche Bedeutung den Ortsbezeichnungen zukommt − ob sie sich also auf einen bestehenden Netzverknüpfungspunkt oder eine bestimmte Zwischenstation in der Netzinfrastruktur beziehen oder lediglich einen Suchraum angeben − lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern bedarf der Auslegung (vgl. Kment, Flexibilisierung von Netzverknüpfungspunkten, 2020, S. 40). Vorliegend spricht viel dafür, dass das Gesetz mit der Bezeichnung "Utfort" auf die dort vorhandene Umspannanlage Bezug nimmt. Die Planung muss daher die Einbindung der Leitungen in diese Umspannanlage im Grundsatz ermöglichen, indem die 380-kV-Systeme auf das Gelände der Umspannanlage geführt werden. Ob und wie sie in die Schaltfelder und Transformatoren eingebunden werden und wie sich die Stromflüsse im späteren Betrieb darstellen, wird vom Energieleitungsausbaugesetz nicht vorgegeben und ist auch nicht Gegenstand des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses. Der Senat hatte mangels Entscheidungserheblichkeit daher keinen Anlass, dem auf diese Frage zielenden Beweisantrag 2 d) der Klägerin nachzugehen.

18 II. Das Bundesverwaltungsgericht ist auch für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ersatzneubaus der 380-/220-kV-Höchstspannungsleitung Wesel-Utfort zwischen dem Punkt Bornheim und der Umspannanlage Utfort zuständig. Es handelt sich um eine notwendige Folgemaßnahme des Vorhabens nach § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, so dass sich die Zuweisung der Streitigkeit an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 Satz 1 EnLAG auch auf diesen Teil der Planung erstreckt.

19 Als notwendige Folgemaßnahme ist eine Maßnahme anzusehen, die für eine angemessene Entscheidung über die durch die anlassgebende Maßnahme aufgeworfenen Konflikte erforderlich ist (BVerwG, Urteil vom 24. August 2023 ‌- 7 A 1.22 - NVwZ 2024, 680 Rn. 22 und Beschluss vom 30. Mai 2024 ‌- 9 VR 1.24 - juris Rn. 15). Da § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW den Zugriff auch auf solche Anlagen erlaubt, die an sich in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Behörde als der Planfeststellungsbehörde fallen, unterliegt der Begriff räumlichen und sachlichen Beschränkungen. Maßnahmen an anderen Anlagen stellen keine Folgemaßnahmen mehr dar, wenn sie eines eigenen umfassenden Planungskonzepts bedürfen. Sie dürfen über den Anschluss beziehungsweise die Anpassung der anderen Anlage nicht wesentlich hinausgehen (BVerwG, Urteile vom 12. Februar 1988 - 4 C 54.84 - Buchholz 316 § 75 VwVfG Nr. 3 S. 2 f., vom 1. Juli 1999 - 4 A 27.98 - BVerwGE 109, 192 <201> und vom 11. Juli 2019 ‌- 9 A 13.18 - BVerwGE 166, 132 Rn. 35).

20 Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Eine mit Masterhöhungen und betrieblichen Abhängigkeiten einhergehende Kreuzung zweier 380-kV-Systeme lässt sich am Punkt Bornheim nur vermeiden, indem die bestehende 220-/380-kV-Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum auf die Ostseite des Korridors in Rheinkamp verlegt wird. Der Ersatzneubau dieser Bestandsleitung ist daher der planerischen Bewältigung der durch das EnLAG-Vorhaben aufgeworfenen Probleme geschuldet. Die Maßnahme bedarf auch keines eigenen Planungskonzepts. Die Parallelführung zweier 380-kV-Höchstspannungsleitungen in dem schmalen Korridor macht lediglich eine Anpassung der Maststandorte und Mastausführung notwendig, um einen möglichst großen Abstand zu der Wohnbebauung einzuhalten und den Anforderungen des Immissionsschutzes gerecht zu werden. Sowohl der räumliche Verlauf als auch die Ausführung der Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum ist durch das EnLAG-Vorhaben weitgehend vorgegeben. Trotz der erheblichen Leitungslänge handelt es sich bei dem Ersatzneubau der Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum daher um eine Anpassungsmaßnahme an das zu verwirklichende EnLAG-Vorhaben Nr. 14.

21 B. Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie kann folglich weder dessen Aufhebung noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit noch eine Neubescheidung über Schutzvorkehrungen zu ihren Gunsten verlangen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).

22 Die Klägerin als von einer Fachplanung betroffene Gemeinde ist auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte kommunale Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das zivilrechtliche, mangels Grundrechtsträgerschaft der Klägerin nicht vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasste Eigentum an den Grundstücken, die durch das planfestgestellte Vorhaben in Anspruch genommen werden, vermitteln ihr einen Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Eine Gemeinde ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes auch nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger wie z. B. Lärmschutzinteressen oder den Schutz vor visuellen Beeinträchtigungen geltend zu machen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 9. November 2017 - 3 A 2.15 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 79 Rn. 26, vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 13 und vom 10. April 2019 - 9 A 22.18 - BVerwGE 165, 185 Rn. 11). Sie kann nur die Verletzung gerade sie schützender Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts sowie eine nicht ordnungsgemäße Abwägung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange rügen (stRspr, BVerwG, Urteile vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - BVerwGE 170, 33 Rn. 25, vom 16. März 2021 - 4 A 10.19 - ‌NVwZ 2021, 1615 Rn. 13 und vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 11). Allerdings kann sie wegen der insoweit bestehenden Wechselbeziehungen die Kontrolle der den eigenen Belangen bei der Abwägung gegenübergestellten Belange verlangen (BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 - 9 A 13.09 - ‌BVerwGE 138, 226 Rn. 54, vom 15. Oktober 2020 - 7 A 10.19 - juris Rn. 38 und vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 16).

23 I. Ein beachtlicher Verfahrensfehler liegt nicht vor.

24 1. Die Rüge, die vorgelegten Akten seien unvollständig, kann keinen Verfahrensfehler begründen. Die Verwaltungsgerichte sind von Amts wegen zur Aufklärung des Sachverhaltes verpflichtet (§ 86 Abs. 1 VwGO), so dass eine mangelhafte Aktenführung der Behörde im gerichtlichen Verfahren kompensiert werden kann. Mängel in der Dokumentation begründen daher keinen Verfahrensfehler, können sich aber auf die Beweisführung und Beweislast auswirken (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2022 - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 42 ff.).

25 2. Die Behandlung der Variante 5a verstößt nicht gegen Verfahrensvorschriften.

26 Anwendbar ist das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung (Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 - BGBl. I S. 94 - UVPG a. F. -). Das folgt aus § 74 Abs. 2 Nr. 1 UVPG, weil das Verfahren zur Unterrichtung über voraussichtlich beizubringende Unterlagen in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung des § 5 Abs. 1 UVPG eingeleitet wurde.

27 Gemäß § 9 Abs. 1b UVPG a. F. sind die Unterlagen nach § 6 UVPG a. F. auszulegen. Hierzu gehört gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 UVPG a. F. eine Übersicht über die wichtigsten, von dem Träger des Vorhabens geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten und der Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens. Diese Anforderungen sind erfüllt: In der ausgelegten Anlage 1.2 zum Erläuterungsbericht wurden die Auswirkungen der Variante 5a auf einzelne Schutzgüter behandelt und begründet, warum die Variante nicht weiterverfolgt wird. Dies musste nicht in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung erfolgen, weil § 6 Abs. 3 Satz 1 UVPG a. F. insofern keine bestimmte Form vorschreibt.

28 3. Die im Zuge der Prüfung einer optimierten Variante 5a* erstellten Unterlagen mussten nicht ausgelegt werden. Ändert der Träger des Vorhabens die nach § 6 UVPG a. F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens, so kann gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a. F. von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Unabhängig davon muss die Öffentlichkeit neu beteiligt werden, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung von Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird. Dies beurteilt sich danach, ob bereits die ursprünglichen Unterlagen die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG a. F. nötige Anstoßwirkung entfalten oder ob eine solche erstmalig von den neuen Unterlagen ausgeht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 28. April ‌2016 - 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 34, vom 9. Februar 2017‌- 7 A 2.15 - ‌BVerwGE 158, 1 Rn. 28 und vom 27. Juli 2021 - 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 19 ff.).

29 Nach diesem Maßstab bedurfte es keiner erneuten Auslegung. Die Optimierung der Variante bezog sich im Wesentlichen auf einzelne Maststandorte sowie höchstens kleinräumige Trassenänderungen. Die (Grob-)Trassen- und Stromkreisführung blieb unverändert. Zusätzliche Umweltauswirkungen oder wesentlich neue Betroffenheiten, die die Anstoßwirkung der ursprünglich ausgelegten Unterlagen in Frage stellen könnten, ergaben sich dadurch nicht.

30 4. Die Bekanntmachungen der öffentlichen Auslegung genügten den rechtlichen Anforderungen.

31 § 9 Abs. 1a Nr. 5 UVPG a. F. verpflichtet die zuständige Behörde, die Öffentlichkeit zu Beginn des Beteiligungsverfahrens darüber zu unterrichten, welche Unterlagen nach § 6 UVPG a. F. vorgelegt wurden. Hierzu genügt eine aussagekräftige Aufzählung der im Zeitpunkt der Auslegung vom Vorhabenträger vorgelegten und sich mit den Umweltauswirkungen des Vorhabens beschäftigenden entscheidungserheblichen Unterlagen (BVerwG, Urteile vom 28. April 2016 ‌- 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 21 und vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 10 Rn. 20). Werden geänderte Planunterlagen ausgelegt, muss nur auf die geänderten, nicht nochmals auf sämtliche relevanten Unterlagen hingewiesen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - ‌a. a. O. Rn. 22).

32 Diesen Anforderungen ist genügt. Die Bekanntmachung vom 21. Oktober 2019 (Az: 25.05.01.01 - 06/18) verwies unter anderem auf die Nachweise über die Einhaltung der magnetischen und elektrischen Feldstärkewerte gemäß 26. BImSchV, das Geräuschgutachten, den Erläuterungsbericht Umweltstudie und die Umweltverträglichkeitsuntersuchung, die Natura 2000 - Verträglichkeitsstudien, den Landespflegerischen Begleitplan, den Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag und den Fachbeitrag Wasserrahmenrichtlinie. Die Bekanntmachung der Auslegung geänderter Planunterlagen vom 13. Juli 2021 wies insbesondere auf die geänderte Umweltfachliche Stellungnahme hin. Dass relevante Unterlagen fehlten, ist weder ersichtlich noch dargelegt.

33 II. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben und seine notwendigen Folgemaßnahmen folgt aus § 1 Abs. 1 und 2 EnLAG i. V. m. Nr. 14 der Anlage zum EnLAG.

34 III. Die Entscheidung, für die Rheinquerung einen eigenen Planungsabschnitt zu bilden, hält gerichtlicher Kontrolle stand.

35 Die Zulässigkeit der Abschnittsbildung ist als richterrechtliche Ausprägung des Abwägungsgebots anerkannt. Angesichts vielfältiger Schwierigkeiten, die mit einer Streckenplanung verbunden sein können, lässt sich ein planerisches Gesamtkonzept häufig nur in Teilabschnitten verwirklichen. Dritte haben deshalb grundsätzlich kein Recht darauf, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird. Eine Abschnittsbildung kann Dritte in ihren Rechten aber dann verletzen, wenn sie deren durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutz faktisch unmöglich macht oder dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann, oder wenn ein dadurch gebildeter Abschnitt der eigenen sachlichen Rechtfertigung vor dem Hintergrund der Gesamtplanung entbehrt. Zudem dürfen der Verwirklichung des Gesamtvorhabens nach einer summarischen Prüfung keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 26 m. w. N.).

36 Nach diesen Vorgaben ist die Abschnittsbildung nicht zu beanstanden. Dass der Rechtsschutz der Klägerin vereitelt oder erschwert werden könnte, ist nicht ersichtlich. Dem Planungsabschnitt fehlt auch nicht die eigene sachliche Rechtfertigung. Die Rheinquerung in einem eigenen Abschnitt zu behandeln, liegt schon deshalb nahe, weil § 2 Abs. 1 Nr. 5 EnLAG für diesen Bereich die technische Möglichkeit eines Erdkabels zulässt. Überdies wirft die Rheinquerung besondere technische, naturschutzfachliche und umweltfachliche Probleme auf. Das Erfordernis einer eigenen Versorgungsfunktion jedes einzelnen Planungsabschnittes besteht im Energieleitungsrecht nicht (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 28 m. w. N.).

37 Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass der Verwirklichung des Gesamtvorhabens keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen (PFB S. 149). Erforderlich, aber auch ausreichend ist insofern eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläufigen positiven Gesamturteils (BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <244>, vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 151 und vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 29). Der räumliche Zuschnitt des Planungsabschnitts wurde ausweislich des Erläuterungsberichts unter Beachtung der Gebietsgrenzen der im Planungsraum befindlichen Vogelschutz-, FFH- und Naturschutzgebiete festgelegt. Gleichzeitig wurde eine Erdverkabelung vorgeprüft, indem mögliche Standorte für Kabelübergabestationen und grundsätzlich machbare Leitungstrassen identifiziert wurden (EB S. 41 ff.). Weiterer Untersuchungen zur Machbarkeit einer Unterquerung des Rheins und den Risiken möglicher Bergsenkungen bedurfte es nicht, weil andernfalls die Vorteile, die eine Abschnittsbildung im Interesse einer praktikablen, effektiv handhabbaren und leichter überschaubaren Planung rechtfertigen, wieder zunichtegemacht würden. Hinzu kommt, dass der Rhein - wie im Bestand - technisch auch mittels Freileitung gequert werden könnte.

38 Die mit Antrag Nr. 3 unter Beweis gestellten Schwierigkeiten einer Untertunnelung des Rheins aufgrund möglicher Bergsenkungen sind nicht entscheidungserheblich. Dass solche Schwierigkeiten unüberwindbare Hindernisse begründen könnten, ist nicht ersichtlich. Der Antrag war abzulehnen.

39 IV. Die Entscheidung, die Antragstrasse der Variante 5a* in der Abwägung vorzuziehen, verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten.

40 Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass − erstens − eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass − zweitens − in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass − drittens − weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 <63 f.> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 73).

41 Auch die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten ist abgesehen von rechtlich zwingenden Vorgaben eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - BVerwGE 107, 1 <11> und vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 82).

42 1. Es spricht viel dafür, dass die Planfeststellungsbehörde schon rechtlich gehindert wäre, entgegen dem Antrag der Vorhabenträgerin die von der Klägerin präferierte Variante 5a* planfestzustellen oder die Planfeststellung der Antragstrasse unter Hinweis auf die Vorzugswürdigkeit dieser Variante abzulehnen. Der Träger des Vorhabens bestimmt grundsätzlich dessen Gegenstand (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2021 - 7 A 13.20 - BVerwGE 173, 296 Rn. 42). Vorliegend sollen Teile des EnLAG-Vorhabens Nr. 14 verwirklicht werden. Selbst wenn die Trassenführung der Höchstspannungsleitung Wesel - Utfort, Bl. 4214 durch das dicht besiedelte Gebiet der Klägerin sich als abwägungsfehlerhaft erweisen sollte und die Leitung um die Ortslage geführt werden müsste, ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die Vorhabenträgerin gehalten sein könnte, bei dieser Gelegenheit die bestehende 220-/380-kV-Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum, Bl. 4537, in einem Teilabschnitt zurückzubauen und auf neuer Trasse parallel zu dem EnLAG-Vorhaben zu führen. Bei einer solchen Trassenführung der Bl. 4214 würde die bestehende Höchstspannungsleitung Utfort-Walsum, Bl. 4537 nämlich in keiner Weise beeinträchtigt. Der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, dass aufgrund des vollständigen Wegfalls der Leitungen im innerstädtischen Bereich eine eigene Planrechtfertigung für die Variante 5a* und damit auch einer Verlegung der Bl. 4537 bestehen könnte, zwingt nicht dazu, eine solche Umplanung vorzunehmen.

43 2. Unabhängig davon verletzt die Ablehnung der Variante 5a* die Klägerin nicht in eigenen Rechten.

44 a) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt an, dass die Variante 5a* die Wohnsiedlungsbereiche von Moers-Eick und Moers-Utfort durch den kompletten Rückbau der Bestandsleitungen entlasten würde, hält die Nachteile der Variante aber für überwiegend. Die Klägerin ist der Auffassung, der Abwägung sei die Grundlage entzogen, weil die Umweltverträglichkeitsuntersuchung die visuelle Beeinträchtigung, die von der Trasse ausgehe, systematisch unterschätzt und deshalb den maßgeblichen Vorteil der Variante 5a* verkannt habe. Das führt nicht auf einen Abwägungsfehler.

45 Die Klägerin kann die Methode zur Ermittlung der visuellen Wirkung der Leitung zur gerichtlichen Überprüfung stellen. Als Gemeinde ist sie zwar nicht befugt, die Beeinträchtigung des Wohnumfeldes ihrer Einwohner geltend zu machen. Ob sie sich vorliegend darauf berufen kann, die Trasse überpräge wesentliche Teile der festgesetzten reinen Wohngebiete oder der Flächen für den Gemeinbedarf und störe deshalb die in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommene städtebauliche Ordnung (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 17. März 2005 ‌- 4 A 18.04 - BVerwGE 123, 152 <157 f.> und vom 9. Dezember 2021 - 4 A 2.20 - ‌NVwZ-RR 2022, 317 Rn. 26), mag auf sich beruhen. Der Planfeststellungsbeschluss hat den Grad der visuellen Beeinträchtigung des Wohnumfeldes nämlich auch herangezogen, um die Beeinträchtigung des kommunalen Selbstgestaltungsrechts der Klägerin zu bewerten (PFB S. 331).

46 In den Fachkreisen und der Wissenschaft fehlen allgemein anerkannte Maßstäbe und Methoden für die fachliche Beurteilung einer visuellen Beeinträchtigung. Der Senat muss daher prüfen, ob die von dem Beklagten verwendeten fachlichen Maßstäbe und Methoden vertretbar sind und die Behörde insofern im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung gelangt ist. Dies umfasst die Prüfung, ob die klägerischen Einwände die Methodik, Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Behörde substantiell in Frage stellen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 102).

47 aa) Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung legt einen Wirkraum von 200 m beidseits der Leitung zu Grunde, weil nach GEO et al., Naturschutzfachliche Analyse von küstennahen Stromleitungen, 2009 ein Mast in diesem Raum dominant wirke und einen großen Anteil im Blickfeld einnehme (UVU S. 52 f., ebenso PFB S. 122 f.). Die Unterlage "Quantifizierung der Siedlungsstruktur" leitet diesen Wirkraum aus der "Wirkzone I" der Arbeit von Nohl, Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch mastenartige Eingriffe, 1993 ab und bezieht sich daneben auf die Ziele und Grundsätze der Raumordnung im Landesentwicklungsplan NRW, die Abstände von 200 m oder 400 m kennen (dort S. 16).

48 Die Klägerin hält den Wirkraum für zu klein bemessen. Zutreffend an ihrer Kritik ist, dass die zitierten Quellen einen Wirkraum von 200 m im vorliegenden Fall nicht unmittelbar begründen können. Die Arbeit von GEO et al. bezieht sich auf Masten von 25 m (a. a. O. S. 118), während die Masten vorliegend um ein Vielfaches höher sind. Die Arbeit von Nohl befasst sich mit Eingriffen in das Landschaftsbild und die dort genannte Wirkzone I stellt nur einen Parameter von vielen dar, um den Eingriff in das Landschaftsbild quantitativ zu bewerten. Die Bestimmungen des Landesentwicklungsplans NRW (Grundsatz 8.2-3 und Ziel 8.2-4) kennen zwar Abstände von 200 m, beziehen sich aber auf die Planung von neuen Trassen beziehungsweise die Ausweisung neuer Baugebiete oder sonstiger Satzungen nach dem Baugesetzbuch und sind daher vorliegend nicht anwendbar.

49 Aus den herangezogenen Untersuchungen lässt sich gleichwohl entnehmen, dass ein 200-m-Abstand für visuelle Wirkungen von Freileitungen ein sinnvolles Kriterium darstellt und deshalb zumindest vertretbar ist. Für die Erfassung der Beeinträchtigungen in einem dicht besiedelten und überwiegend mehrgeschossig bebauten Raum erscheint es plausibel, keinen größeren Wirkraum zu untersuchen, weil die Masten dort häufig ganz oder teilweise sichtverschattet sein werden.

50 Letztlich kann die Frage aber dahinstehen. Selbst wenn ein Fehler im Abwägungsvorgang vorläge, wäre dieser nach § 43 Abs. 4 EnWG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG NRW unerheblich. Zum einen wären die in einem größer bemessenen Wirkraum betroffenen Gebäude weniger stark beeinträchtigt. Dabei nimmt die visuelle Beeinträchtigung nicht linear zur Entfernung ab, vielmehr wirkt ein hoher Gegenstand zwar ästhetisch weit in sein Umfeld hinein, diese Wirkung sinkt mit zunehmender Entfernung aber exponentiell. Die visuelle Beeinträchtigung weiter entfernt liegender Gebäude hätte daher nur deutlich gemindertes Gewicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - ‌juris Rn. 109). Zum anderen hat der Planfeststellungsbeschluss nicht die Augen davor verschlossen, dass visuelle Beeinträchtigungen auch jenseits des festgelegten Wirkraums bestehen. In der Abwägungsentscheidung hält er fest, die Variante 5a* würde "den Wohnsiedlungsbereich von Moers-Eick und Moers-Utfort durch den kompletten Rückbau der Stromtrassen nördlich der UA Utfort entlasten". Damit nimmt er einen wesentlich größeren Bereich in den Blick als die in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung und der Quantifizierung der Siedlungsstruktur zugrundegelegten Wirkräume. Der Senat kann daher ausschließen, dass ein größerer Wirkraum die Abwägungsentscheidung beeinflusst hätte.

51 Auf die mit Antrag Nr. 1a) unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Freileitungstrasse in einem 400 m breiten Streifen zu einer erstmaligen Schädigung des Ortsbildes insbesondere in den Wohnplätzen Rheinkamp-Mitte, Rheinkamp-Eick und Rheinkamp-Utfort führe, kommt es folglich nicht entscheidungserheblich an. Der Antrag war abzulehnen.

52 bb) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, es sei unvertretbar, in der UVU für die Antragstrasse zu einer mittleren Auswirkungsintensität der Beeinträchtigung des Wohnumfelds zu kommen und so die Entlastungswirkung der Variante 5a* zu unterschätzen.

53 Die UVU (S. 58) bestimmt die Einwirkungsintensität anhand der Masterhöhung, wobei zwischen geringen (<15 m) und deutlichen Masterhöhungen (ab 15 m) unterschieden wird. Eine feinere Differenzierung − etwa die Bildung von drei oder mehr Stufen − ist demgegenüber nicht geboten (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 108). Die Auswirkungsintensität ergibt sich in der UVU unter zusätzlicher Berücksichtigung der Empfindlichkeit der betroffenen Flächen. Die Empfindlichkeit wird für die Wohngebiete der Klägerin ganz überwiegend als hoch eingestuft (UVU, Tabelle 21, S. 60 ff.). Die Bewertung der Auswirkungsintensität als höchstens "mittel" trotz einer deutlichen Masterhöhung und hoher Empfindlichkeit der Wohngebiete ist durch die Berücksichtigung der Vorbelastung (UVU S. 58) gerechtfertigt.

54 Vorbelastungen sind von der Planfeststellungsbehörde zur Kenntnis zu nehmen; sie mindern die Schutzwürdigkeit der betroffenen Güter (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 1998 - 11 A 3.98 - BVerwGE 107, 350 <356 f.> und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 74 sowie Beschlüsse vom 26. September 2013 - 4 VR 1.13 - UPR 2014, 106 Rn. 57 und vom 22. März 2023 ‌- 4 VR 4.22 - juris Rn. 49 ff.).

55 Vorliegend wirken im Bestand bereits zwei Höchstspannungsfreileitungen, davon eine 380-kV-Freileitung, auf das Wohnumfeld ein. Die Leitungen verlaufen in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung, die Masten erreichen Höhen von zum Teil deutlich über 30 m, überragen die Gebäude in ihrer Umgebung und wirken dadurch prägend. Der Ersatzneubau der Leitungen in der bestehenden Trasse ist mit einer Errichtung im nicht vorbelasteten Raum daher nicht vergleichbar. In dieser Situation zeigt die Annahme einer nur mittleren Einwirkungsintensität trotz erheblicher Masterhöhungen keinen Ermittlungs- oder Bewertungsfehler auf.

56 b) Der Planfeststellungsbeschluss hat auch die den Belangen der Klägerin gegenübergestellten Nachteile der Variante 5a* nicht fehlerhaft ermittelt oder bewertet. Die Planfeststellungsbehörde ist nicht verpflichtet, die Variantenprüfung bis zuletzt offenzuhalten und alle von ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt erwogenen oder von dritter Seite vorgeschlagenen Alternativen gleichermaßen detailliert und umfassend zu untersuchen. Sie muss den Sachverhalt vielmehr in dem Maße klären, in dem dies für eine sachgerechte Entscheidung und eine zweckmäßige Verfahrensgestaltung erforderlich ist (BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1996 - 4 C 29.94 - BVerwGE 102, 331 <342> und vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - BVerwGE 154, 73 Rn. 172).

57 Der Planfeststellungsbeschluss hält der Variante ihre Mehrlänge, nachteilige Auswirkungen auf Umweltbelange, Nachteile für das 110-kV-Netz aufgrund von Mehrfachkreuzungen, einen Verstoß gegen das Bündelungsgebot und höhere Kosten entgegen. Diese Erwägungen genügen für eine sachgerechte Entscheidung; die hiergegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

58 aa) Die Längen der Vorzugs- und Alternativtrassen sind nachvollziehbar ermittelt. Sofern die Klägerin zu stark abweichenden Werten kommt, liegt dies daran, dass sie jeweils (nur) das Trassenband misst, während der Variantenvergleich die Länge der parallel geführten Höchstspannungsleitungen einzeln erhebt und addiert (Ergänzte Fassung der Variantendiskussion, Anlage 1.2 S. 61 f.). Da der Ersatzneubau zweier parallel geführter Leitungen mit größeren Eingriffen in Grund und Boden verbunden ist als der Bau einer einzelnen Leitung, ist die gewählte Methode plausibel. Der Beweisantrag Nr. 6 ist abzulehnen. Soweit er die Frage betrifft, wie eine "Mehrlänge" berechnet werden muss, handelt es sich um eine dem Sachverständigenbeweis nicht zugängliche Rechtsfrage. Die tatsächlichen Längen der Leitungen ergeben sich aus den Planunterlagen und sind nicht beweisbedürftig.

59 Sofern der Planfeststellungsbeschluss an verschiedenen Stellen von einer "mehr als zweifachen Leitungslänge" beziehungsweise einer "mehr als doppelt so großen Streckenlänge", aber auch von der "dreifachen Streckenlänge und Mastzahl" spricht, ist dies zwar ungenau, führt angesichts der zutreffend erhobenen Strecken (Variante 5a*: 19,9 km, Antragstrasse: 8,1 km) aber nicht auf einen Ermittlungsfehler. Der Planfeststellungsbeschluss musste die Mehrlänge auch nicht ins Verhältnis zur Gesamtlänge der planfestgestellten Leitungen setzen. Vielmehr ist es naheliegend, einen Variantenvergleich auf den Bereich zu beziehen, in dem sich Trassenverläufe unterscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2022 - 4 A 16.20 - juris Rn. 35).

60 bb) Die Umweltbelange sind ausreichend ermittelt und bewertet. Wie detailliert die Auswirkungen einer bestimmten Variante auf die verschiedenen Schutzgüter untersucht werden müssen, lässt sich nicht nach einem allgemeinen Maßstab bestimmen. Die Ermittlungen müssen ausreichen, um eine Entscheidung zu treffen und tragfähig zu begründen. Wann dies der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2022 - 4 A 15.20 - NVwZ 2023, 678 Rn. 26).

61 Die ergänzte Umweltstudie sieht durch die Variante 5a* beim Schutzgut Pflanzen mehr hochwertige Biotope und beim Schutzgut Tiere in größerem Umfang wertvolle Habitatflächen in Anspruch genommen. Neben einer Beschreibung markanter Betroffenheiten folgert sie dies auch aus der Mehrlänge und der mehr als doppelt so großen Mastzahl der Variante. Bei dem Schutzgut Boden werden die von den Maststandorten betroffenen Bodentypen untersucht. Hier und in vergleichbarer Weise beim Schutzgut Grundwasser wirkt sich vor allem die hohe Mastzahl zu Lasten der Variante aus. Bei dem Schutzgut Landschaft hält die Untersuchung der Variante vor allem die Mehrlänge entgegen.

62 Diese überblicksmäßige Erfassung der Auswirkungen der Leitungen bietet eine ausreichende Grundlage für die Abwägungsentscheidung, weil die Varianten die Schutzgüter von vornherein in unterschiedlicher Weise betreffen. Während die Antragstrasse zu erheblichen Teilen dicht besiedeltes Gebiet quert, umgeht die Variante die Ortslage weiträumig und läuft vor allem durch landwirtschaftlich geprägtes Offenland, das mit Wald- und Gehölzstrukturen versetzt ist. Da die Vor- und Nachteile damit offen zu Tage treten, mussten die Betroffenheiten nicht kleinteiliger ermittelt werden als geschehen. Die Abwägungsentscheidung durfte sich vielmehr maßgeblich auch auf die Leitungslängen und Mastzahl stützen, weil diese Kriterien geeignet sind, die Beeinträchtigung der genannten Schutzgüter zumindest grob zu erfassen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2022 - 4 A 10.20 - NuR 2023, 326 Rn. 37). Deshalb mussten die jeweiligen Vor- und Nachteile vor der Abwägung auch keiner weiteren Gewichtung unterzogen werden.

63 cc) Der Planfeststellungsbeschluss hat die technischen Nachteile der Variante 5a* nicht überschätzt. Er geht davon aus, dass die Variante umsetzbar ist und jedenfalls in Bezug auf das 380-kV-Netz die gleiche Versorgungssicherheit bietet wie die Vorzugstrasse (PFB S. 200). Diese mit dem Beweisantrag Nr. 4 unter Beweis gestellte Tatsache ist daher nicht beweisbedürftig.

64 Der Beklagte durfte berücksichtigen, dass eine Kreuzung der 110-kV- und 380-kV-Leitungen am Punkt Kölscheidhof betriebliche Abhängigkeiten der Netze mit sich bringt und Wartungsarbeiten erschwert. Der Planfeststellungsbeschluss misst diesem Aspekt aber erkennbar kein hohes Gewicht zu, sondern hält lediglich fest, dass eine Beeinträchtigung des 110-kV-Netzes "nicht ausgeschlossen" werden könne und stellt bei der Gesamtabwägung "mögliche Beeinträchtigungen und erschwerte Wartungsmöglichkeiten" ein. Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen der Folgen einer Kreuzung und alternativer Umsetzungsmöglichkeiten waren deshalb für die Abwägungsentscheidung nicht maßgeblich, die Beweisanträge 5 a) und b) als unerheblich abzulehnen.

65 dd) Der Planfeststellungsbeschluss hat der Variante nicht rechtsfehlerhaft einen Verstoß gegen das Bündelungsgebot entgegengehalten. Die Klägerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Variante 5a* sich am Verlauf der Autobahnen orientiert und auf einem Teilstück in Bündelung mit einer bestehenden Freileitung verläuft. Dies entspricht dem Grundsatz 8.2-1 LEP NRW, wonach Transportleitungen an bereits vorhandene Bandinfrastruktur im Raum angelehnt werden sollen. Da eine Bestandsleitung ersetzt werden soll, durfte der Planfeststellungsbeschluss aber dem ebenfalls durch Grundsatz 8.2-1 LEP NRW vorgegebenen Vorrang der Nutzung vorhandener Trassen vor dem Neubau von Leitungen auf neuen Trassen größeres Gewicht beimessen.

66 V. Die gewählte Ausführungsmodalität der Antragstrasse auf dem Gebiet der Klägerin ist ausreichend begründet.

67 1. Die Klägerin bestreitet, dass sich die Masthöhen auf das technisch notwendige Mindestmaß beschränken. Für den Fall der Überschreitung fehle es an einer Abwägung der betroffenen Belange. Einen rechterheblichen Fehler zeigt sie damit nicht auf.

68 Die Vorhabenträgerin hat in dem Prüfauftrag Nr. 11 "Herleitung der Masthöhe/‌Mastgeometrie" dargelegt, dass für die Ausführung der Masten neben den Anforderungen der technischen Sicherheit (§ 49 Abs. 1 Satz 1 EnWG) auch das Gebot der Konfliktminimierung maßgeblich ist. Das entspricht den Anforderungen des Abwägungsgebots nach § 43 Abs. 3 EnWG. Der Planfeststellungsbeschluss führt hierzu aus, dass angesichts der mit den vorhandenen Masthöhen, Seilabstands- und Mastkopfoptimierungen erreichten Unterschreitung der Grenzwerte und der Nachteile für die Schutzgüter Landschaftsbild, Boden und Wohnumfeld eine weitere Masterhöhung nicht vorzugswürdig erscheint (PFB S. 216 ff., 222). Einer ausführlicheren Begründung der Entscheidung, auch zu einer Verringerung der Masthöhe, bedurfte es nicht.

69 Dem Beweisantrag Nr. 1b) musste nicht entsprochen werden, weil die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die technisch benötigte Mindestmasthöhe im Stadtteil Rheinkamp überschritten wird, zutrifft und im Übrigen nicht entscheidungserheblich ist. Wie im Planfeststellungsbeschluss (S. 216) dargestellt, erlaubt das Konfliktminimierungsgebot in der Abwägung mit anderen Schutzgütern eine Überschreitung der technischen Mindesthöhe.

70 2. Es musste nicht näher geprüft werden, ob es genügt hätte, statt des Ersatzneubaus der Leitungen Bl. 4537 und Bl. 2339 nur die westliche Leitung neu zu bauen. Schon im Einwendungsverfahren hat die Vorhabenträgerin ausgeführt, dass die vorhandene Bl. 2339 für einen 380-kV-Betrieb nicht geeignet ist, sondern maximal zwei 220-kV-Stromkreise aufnehmen kann (Synopse der Stellungnahmen und Gegenäußerungen, BA 7 Bl. 2666). Dass eine für öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Ausführungsvariante zur Verfügung gestanden hätte, ist daher nicht ersichtlich, zumal die Masten im Zuge des Ersatzneubaus aufeinander abgestimmt und die Beeinträchtigungen auf diese Weise verringert werden konnten (vgl. PFB S. 222 und Übersichtsplan 1). Ob die gewählte Lösung zwingend ist, ist demgegenüber nicht entscheidungserheblich. Der hierauf gerichtete Beweisantrag Nr. 2 e) war daher abzulehnen.

71 VI. Auf der Grundlage der nicht zu beanstandenden Ermittlung und Bewertung der Vor- und Nachteile der Antragstrasse verletzt die Abwägungsentscheidung die Klägerin weder in ihrer Planungshoheit noch in ihrem kommunalen Selbstgestaltungsrecht.

72 1. Die dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnende gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise "verbaut" werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 58 und vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 63 m. w. N.).

73 Das von der Klägerin geltend gemachte Bestreben, den bislang von Wohnbebauung freigehaltenen Korridor nach Rückbau der Bestandsleitungen anders nutzen zu können, musste der Planfeststellungsbeschluss nicht in die Abwägung einstellen. Dieses Interesse konnte bereits aufgrund der Bestandssituation nicht das Stadium einer verfestigten Planung erreichen.

74 Eine Verletzung der Planungshoheit in Bezug auf den Bebauungsplan R6A, der westlich des Trassenkorridors reine Wohngebiete festsetzt, ist nicht erkennbar. Überspannungen einzelner Grundstücke bestehen auch derzeit; die geplante Trasse rückt sogar etwas weiter von der Wohnbebauung ab als die bisherige. Soweit die Klägerin die Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm an einem bestimmten Immissionsort geltend macht, handelt es sich um Belange der Anwohner, auf die die Gemeinde sich nicht berufen kann. Es liegt auch keine weitreichende Störung wesentlicher Teile der Baugebiete vor, die dazu führen könnte, dass die beabsichtigte städtebauliche Ordnung gestört wird. Weder drohen gesundheitliche Beeinträchtigungen, noch werden die Wohngebiete dergestalt visuell überprägt, dass sie entgegen der Festsetzungen im Bebauungsplan nicht mehr dem Wohnen dienen könnten (§ 3 Abs. 1 BauNVO).

75 Auch hinsichtlich der Bebauungspläne 144, R40, 142 und 143A liegt keine Verletzung der Planungshoheit vor. Diese Bebauungspläne werden zwar unmittelbar überspannt, die geplanten Masten 57, 58, 59, 1003, 1002 und 1001 kommen außerdem im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 144 zu stehen. Der Planfeststellungsbeschluss durfte aber mit erheblichem Gewicht einstellen, dass die Bestandsleitungen die Flächen schon jetzt in Anspruch nehmen. Damit bleibt die planungsrechtlich zu bewältigende Situation im Grundsatz unverändert und die hierauf abgestimmten vorgesehenen Nutzungen der Grundstücke weitgehend möglich. Dass einzelne konkrete Festsetzungen, beispielsweise die Pflanzgebote zur Abschirmung der Bestandsmasten, geändert werden müssen und beplante Flächen anders als bisher und in größerem Umfang in Anspruch genommen werden, stellt keinen erheblichen Eingriff in die Planungshoheit dar. Die Befürchtungen der Klägerin, dass Festsetzungen von Grünflächen als Parks, Spielplätze und Kleingärten angesichts der Verdopplung der Masthöhen und der sich daraus ergebenden beherrschenden und bedrohlichen Wirkung der Leitungen nicht mehr umsetzbar sein werden, bleiben unsubstantiiert.

76 2. Auch die Abwägung der Beeinträchtigung des Ortsbildes der Klägerin leidet nicht an Fehlern.

77 Abwehransprüche können aus dem durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Selbstgestaltungsrecht erwachsen, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 62, vom 15. Dezember 2016 - 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 59, vom 27. April 2017 - 9 A 30.15 - BVerwGE 159, 1 Rn. 29 und vom 10. November 2022 ‌- 4 A 16.20 - juris Rn. 54).

78 Eine entsprechend gewichtige Einwirkung des Vorhabens hat der Planfeststellungsbeschluss zu Recht verneint. Er durfte in Bezug auf die visuellen Auswirkungen der Leitung auf das Ortsbild die Vorbelastung mit Gewicht in Rechnung stellen. Das Stadtbild der Klägerin erfährt bereits derzeit eine Prägung durch die vorhandenen Bestandsleitungen. Die deutliche Erhöhung der Masten wirkt sich nicht so gravierend aus, dass von einer Neuprägung oder nachhaltigen Einwirkung auf das Gemeindegebiet gesprochen werden könnte.

79 Sofern die Klägerin gegenteilige Schlüsse aus der "Gutachterlichen Stellungnahme aus Sicht der Landschaftsästhetik und der naturbezogenen Erholung" von Prof. Nohl ziehen will, verfängt das nicht. Dieses Gutachten befasst sich mit den Auswirkungen einer Höchstspannungsleitung auf einen weitgehend naturbelassenen Raum, während vorliegend die Überprägung eines Stadtbildes in Rede steht.

80 Da der Planfeststellungsbeschluss die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, sind auch die Hilfsanträge abzuweisen.

81 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.