Verfahrensinformation
Disziplinare Ahndung wiederholter morgendlicher Kernzeitverletzungen bei ausgeglichenem Gleitzeitkonto
Der beklagte Beamte steht als Oberregierungsrat im Dienst der klagenden Bundesrepublik Deutschland. Im März 2015 erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen die Kernarbeitszeit nicht eingehalten habe, weil er morgens zu spät gekommen sei. Daraufhin leitete die Klägerin im November 2015 ein Disziplinarverfahren ein. Auf die 2019 erhobene Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, weil er im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 an insgesamt 816 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst bewusst erst nach Beginn der Kernarbeitszeit angetreten habe. Der Umfang seiner Verspätung summiere sich auf 1 614 Stunden. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Es hat u.a. ausgeführt, dass in die Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch eingeflossen sei, dass der Beklagte die morgendlichen "Verspätungsstunden" dadurch ausgeglichen habe, dass er abends im Rahmen der durch die Gleitzeit gegebenen Vorgaben in den Diensträumen verblieben sei. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, wie ein Fernbleiben vom Dienst bei einer Vielzahl von morgendlichen Verletzungen der Kernarbeitszeit disziplinarrechtlich zu beurteilen ist, wenn die Zeit der morgendlichen Verspätung durch abendliche Längerarbeit während der Gleitzeit ausgeglichen wird, sowie wann bei mehrfachen, zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen die Einleitung des Disziplinarverfahrens als verspätet anzusehen und wie dies im Hinblick auf den Grundsatz der "stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen" bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen ist.
Pressemitteilung Nr. 23/2023 vom 28.03.2023
Disziplinare Ahndung wiederholter Kernzeitverletzungen bei ausgeglichenem Gleitzeitkonto
Der Dienstherr ist verpflichtet, bei Bekanntwerden wiederholter morgendlicher Verletzungen der Kernarbeitszeit zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen zeitnah auf den Beamten einzuwirken. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der beklagte Beamte steht als Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der klagenden Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Im März 2015 erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen die Kernarbeitszeit nicht eingehalten hatte, weil er morgens zu spät gekommen war. Daraufhin leitete die Klägerin im November 2015 ein Disziplinarverfahren ein. Auf die 2018 erhobene Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, weil er im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 an insgesamt 816 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst bewusst erst nach Beginn der Kernarbeitszeit angetreten habe; der Umfang seiner Verspätung summiere sich auf 1 614 Stunden. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein vorsätzliches Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder ein Fernbleiben für Teile von Arbeitstagen, das in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreiche, indiziere die Höchstmaßnahme. Mildernde Umstände, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme geböten, lägen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf die Revision des Beklagten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und kraft eigener disziplinarer Maßnahmebemessung den Beamten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) zurückgestuft. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beamte hat zwar ein schweres Dienstvergehen begangen, weil er über einen langen Zeitraum wiederholt die dienstliche Anordnung zum Beginn der Kernarbeitszeit nicht befolgt hat; der verspätete Dienstantritt war die Regel. Die disziplinare Höchstmaßnahme ist aber nicht gerechtfertigt. Denn die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen kann in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichgesetzt werden. Mildernd ist bei der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckten Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirken muss. Im Streitfall wäre in Betracht gekommen, nach dem Bekanntwerden der Kernzeitverstöße im März 2015 zeitnah mit einer Disziplinarverfügung die Dienstbezüge zu kürzen. Allerdings steht diesem Milderungsgrund gegenläufig als besonders belastender Umstand gegenüber, dass der Beamte sein Fehlverhalten auch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens uneinsichtig und beharrlich fortgesetzt und dabei die Dauer seiner morgendlichen Fehlzeiten in erheblichem Umfang gesteigert hat. Dagegen ist kein mildernder Umstand darin zu sehen, dass die Zeit der morgendlichen Verspätungen durch abendliche Längerarbeit ausgeglichen wurde. Andernfalls läge darin eine Nichterfüllung der Gesamtarbeitszeit, die als weitere vorwerfbare Dienstpflichtverletzung hinzutreten würde.
BVerwG 2 C 20.21 - Urteil vom 28. März 2023
Vorinstanzen:
OVG Münster, OVG 3d A 2713/19.BDG - Urteil vom 16. September 2020 -
VG Düsseldorf, VG 38 K 9264/18.BDG - Urteil vom 14. Mai 2019 -
Beschluss vom 01.12.2021 -
BVerwG 2 B 75.20ECLI:DE:BVerwG:2021:011221B2B75.20.0
-
Zitiervorschlag
BVerwG, Beschluss vom 01.12.2021 - 2 B 75.20 - [ECLI:DE:BVerwG:2021:011221B2B75.20.0]
Beschluss
BVerwG 2 B 75.20
- VG Düsseldorf - 14.05.2019 - AZ: VG 38 K 9264/18.BDG
- OVG Münster - 16.09.2020 - AZ: OVG 3d A 2713/19.BDG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Dezember 2021
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Domgörgen
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden
und Dollinger
beschlossen:
- Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 16. September 2020 wird aufgehoben.
- Die Revision wird zugelassen.
- Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
1
Die Revision des Beklagten ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Das Revisionsverfahren erscheint zur weiteren Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen geeignet, wie ein Fernbleiben vom Dienst i.S.d. § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG bei einer Vielzahl von morgendlichen Verletzungen der Kernarbeitszeit disziplinarrechtlich zu beurteilen ist, wenn die Zeit der morgendlichen Verspätung durch abendliche Längerarbeit während der Gleitzeit ausgeglichen wird und wann ein Disziplinarverfahren bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen mit einzelnen, zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen verspätet im Hinblick auf die Wahrung des Grundsatzes der "stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen" bei der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 BDG zu berücksichtigen ist (vgl. dazu zuletzt BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 20 f., 30).
Rechtsbehelfsbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 2 C 20.21 fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (§ 55a Abs. 1 bis 6 VwGO sowie Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24. November 2017, BGBl. I S. 3803) einzureichen.
Für die Beteiligten besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Die Beteiligten müssen sich durch Bevollmächtigte im Sinne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwGO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RDGEG vertreten lassen.
Urteil vom 28.03.2023 -
BVerwG 2 C 20.21ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U2C20.21.0
Disziplinare Ahndung wiederholter morgendlicher Kernzeitverletzungen bei ausgeglichenem Gleitzeitkonto
Leitsätze:
1. Verstöße gegen Kernarbeitszeitregelungen bedürfen einer zeitnahen disziplinarischen Pflichtenmahnung und ggf. einer stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen.
2. Bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme für das stundenweise Fernbleiben vom Dienst wegen verspäteten Dienstantritts kann die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen in ihrer Schwere nicht gleichgesetzt werden mit einem monatelangen unerlaubten - gänzlichen - Fernbleiben vom Dienst, das regelmäßig zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt.
-
Rechtsquellen
BBG § 3 Abs. 2, § 61 Abs. 1 Satz 1, § 62 Abs. 1 Satz 2, § 77 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 BDG §§ 3, 5, 6, 7, 8, 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, §§ 13, 17 Abs. 1 Satz 1, §§ 19, 53, 34 Abs. 2 Satz 1, § 65 Abs. 3 Satz 1, §§ 69, 70 VwGO § 67 Abs. 2 und 4, § 137 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO § 244 Abs. 3 Satz 1 -
Instanzenzug
VG Düsseldorf - 14.05.2019 - AZ: 38 K 9264/18.BDG
OVG Münster - 16.09.2020 - AZ: 3d A 2713/19.BDG
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 2 C 20.21 - [ECLI:DE:BVerwG:2023:280323U2C20.21.0]
Urteil
BVerwG 2 C 20.21
- VG Düsseldorf - 14.05.2019 - AZ: 38 K 9264/18.BDG
- OVG Münster - 16.09.2020 - AZ: 3d A 2713/19.BDG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kenntner, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hartung und Dr. Günther,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hampel und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hissnauer
für Recht erkannt:
- Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2020 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2019 werden aufgehoben.
- Der Beklagte wird in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) zurückgestuft.
- Eine Beförderung ist nicht vor Ablauf von drei Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung möglich.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I
1 Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
2 Der 19.. geborene Beklagte erwarb nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann die beiden juristischen Staatsexamina. Nach mehreren Verwendungen im Bereich des Bundes war er seit Mai 2002 bei der Klägerin tätig, zuletzt im Amt eines Oberregierungsrats (Besoldungsgruppe A 14 BBesO). Die Klägerin setzte den Beklagten als Referenten in verschiedenen Abteilungen und ab April 2016 in der Abteilung ... ein.
3 Im März 2015 stellte das für Gleitzeitfragen zuständige Referat der Klägerin fest, dass der Beklagte seit April 2014 den Dienst vielfach erst nach dem Beginn der Kernzeit angetreten hatte, und führte das nach der Dienstvereinbarung bei Arbeitszeitverstößen vorgesehene Anhörungsverfahren durch.
4 Mit Verfügung vom 6. November 2015 leitete die Klägerin ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten wegen verspäteten Dienstantritts in 253 Fällen in der Zeit vom 14. April 2014 bis zum 16. September 2015 sowie wegen der Zuspät- und Nichterledigung von Arbeitsaufträgen und des unangemessenen Verhaltens gegenüber seiner Referatsleiterin ein. Im August und November 2016 sowie im Juni 2018 dehnte die Klägerin das Disziplinarverfahren auf weitere Verstöße gegen den Beginn der Kernarbeitszeit und auf den Vorwurf der Nichtbeachtung einer behördlichen Weisung zur amtsärztlichen Untersuchung aus.
5 Auf die Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die dem Beklagten neben dem Zuspätkommen vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen aus dem Disziplinarverfahren ausgeschieden und seine Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen, weil er im Zeitraum zwischen April 2014 und Mai 2018 an 816 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst bewusst erst nach dem Beginn der Kernarbeitszeit angetreten habe, davon in 673 Fällen mit einer Verspätung von mehr als einer Stunde. Der Umfang der Verspätungen summiere sich auf 1 616 Stunden. Der disziplinaren Beurteilung seien wegen der Begrenzungsfunktion der Disziplinarklageschrift 1 614 Stunden zugrunde zu legen. Ein vorsätzliches Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder - wie hier - ein Fernbleiben für Teile von Arbeitstagen, das in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreiche, indiziere die Höchstmaßnahme. Erschwerend trete hinzu, dass der Beklagte zugleich die Gehorsamspflicht verletzt habe. Bei dem Gewicht des Pflichtenverstoßes sei berücksichtigt worden, dass der Beklagte die morgendlichen Verspätungen abends im Rahmen der durch die Gleitzeit gegebenen Vorgaben nachgeholt habe. Mildernde Umstände, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme geböten, lägen nicht vor. Insbesondere könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie das behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet habe. Das zu maßregelnde Fehlverhalten trage Züge eines Dauerdelikts oder eines sog. Fortsetzungszusammenhangs. Deshalb sei eine gesonderte Verfolgung einzelner Pflichtverletzungen nicht möglich. Es fehle an einer Zäsur, in der - nach Vollendung eines einzelnen Verstoßes und vor dem nächsten - eine disziplinare Ahndung des bisherigen Verhaltens auch nur in Betracht gekommen wäre. Selbst wenn zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen sei, dass die Klägerin das behördliche Disziplinarverfahren verspätet eingeleitet habe, hätte weder eine frühere Verfahrensaufnahme noch ein gegebenenfalls denkbarer zeitnaher Erlass einer Disziplinarverfügung den Beklagten von der Begehung weiterer Kernzeitverstöße abgehalten.
6
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2020 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 14. Mai 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
8 Die Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, dass auf eine mildere Disziplinarmaßnahme anstatt der disziplinaren Höchstmaßnahme zu erkennen ist. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 69 BDG i. V. m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Angemessene Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des innerdienstlichen Dienstvergehens des ungenehmigten Fernbleibens vom Dienst infolge verspäteter Dienstantritte ist die Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO). Die vorinstanzlichen Urteile sind dementsprechend aufzuheben.
9 Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass die Disziplinarklage von der zuständigen obersten Dienstbehörde erhoben (1.) und das behördliche Disziplinarverfahren von dem zuständigen Dienstvorgesetzten eingeleitet wurde (2.) sowie dass der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat (3.). Ein Verstoß gegen revisibles Recht, hier gegen §§ 13 und 17 Abs. 1 Satz 1 BDG, liegt aber in der Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu maßregelnden Verhalten als eine Art Dauerdelikt oder fortgesetzte Handlung habe sich keine Zäsur ergeben, die eine frühere Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens (4.) und eine zeitnähere disziplinare Ahndung mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme (5.) ermöglicht hätte. Darüber hinaus leidet die Maßnahmebemessung des Berufungsgerichts an der rechtsfehlerhaften Annahme, dass die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - indiziert sei, weil die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen beim Dienstantritt in ihrer Schwere einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichkomme (6.). Die eigene Maßnahmebemessung des erkennenden Senats führt zur Zurückstufung des Beklagten in ein niedrigeres Amt derselben Laufbahn (7.).
10 1. Die Disziplinarklage ist durch den damaligen Präsidenten der Klägerin als der dafür zuständigen obersten Dienstbehörde erhoben worden (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 1 BDG, § 3 Abs. 1 BBG und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Organisationsstatuts für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 9. Juni 2008 in der Fassung vom 19. Dezember 2012, OsBaFin). Die Klageschrift lässt in Briefkopf und Unterzeichnung den damaligen Präsidenten der Klägerin, Herrn Hu., erkennen. Eine förmliche Zustellung der neugefassten Disziplinarklageschrift vom 29. April 2019 sieht das Bundesdisziplinargesetz nicht vor.
11 2. Die Verfügung zur Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens vom 6. November 2015 ist von dem zu diesem Zeitpunkt dafür zuständigen ständigen Vertreter der Exekutivdirektorin ..., Herrn Abteilungsleiter R., gezeichnet worden.
12 Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG i. V. m. § 3 Abs. 2 BBG ist der Dienstvorgesetzte für die Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständig. Die Funktion des Dienstvorgesetzten nimmt bei der Klägerin gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 OsBaFin das Direktorium wahr. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) hat das Direktorium von der Befugnis nach § 3 Abs. 5 Satz 3 OsBaFin Gebrauch gemacht, Entscheidungen in personellen Angelegenheiten auf den Exekutivdirektor des Geschäftsbereichs ... zu übertragen. Die im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständige Exekutivdirektorin ... war bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 30. November 2015 im gesamten November 2015 mit Ausnahme des 19. und 30. November 2015 urlaubsbedingt abwesend. Der deshalb zuständige ständige Vertreter (§ 8 Abs. 3 der Geschäftsordnung der BaFin vom 28. Februar 2013, GOBaFin) war gemäß § 8 Abs. 6 Satz 5 GOBaFin der Abteilungsleiter R. als dienstältester Abteilungsleiter im Geschäftsbereich ... Mangels ausdrücklicher Vertretungsregelung im Geschäftsverteilungsplan (vgl. § 8 Abs. 6 Satz 1 GOBaFin) bestimmte sich die Vertretungsreihenfolge nach § 8 Abs. 6 Satz 3 bis 5 GOBaFin.
13 Die Einleitungsverfügung wurde von Abteilungsleiter R. in Vertretung der Exekutivdirektorin ... schlussgezeichnet. Mit der Verfügung wurde um Zustimmung zur Einleitung des Verfahrens und zugleich um Zeichnung des Schreibens ersucht, mit dem der Beklagte über die Einleitung des Disziplinarverfahrens unterrichtet werden und das R. als Unterzeichner ausweisen sollte. Die auf der Entscheidungsebene "EDin ..." mit dem Zusatz "i. V." angebrachte Paraphe kann daher nur dahin verstanden werden, dass es sich bei dem Letztverantwortlichen im Verfügungskopf um Abteilungsleiter R. handelt. Die Zeichnung mit einer Paraphe genügt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 8).
14 3. Der Beklagte hat vorsätzlich und schuldhaft ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen.
15 a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte den Dienst im Zeitraum vom 22. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 an 816 Tagen bewusst erst nach dem Beginn der Kernzeit um 9:15 Uhr angetreten, davon in 673 Fällen mit einer Verspätung von mehr als einer Stunde. Der Umfang der vorwerfbaren Verspätungen summiert sich auf 1 614 Stunden (aa). Der Beklagte hat die Verspätungen für keinen dieser Tage durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung entschuldigt (bb).
16 An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO gebunden. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen des Beklagten sind ungeachtet dessen, ob sie den Darlegungsanforderungen (§ 69 BDG und § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO) genügen, unbegründet. Das Berufungsgericht hat die erst im Berufungsverfahren zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Beklagten verfahrensfehlerfrei wegen Fristversäumung gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 BDG abgelehnt. Den Beweisanträgen war aber auch in der Sache nicht nachzugehen.
17 aa) Das Berufungsgericht hat den zum Nachweis einer fehlerhaften oder manipulierten elektronischen Arbeitszeiterfassung gestellten Beweisantrag zu 2) zu Recht mangels hinreichend bestimmter Behauptung von Beweistatsachen abgelehnt (§ 244 Abs. 3 Satz 1 StPO entsprechend, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2021 - 8 C 34.20 - BVerwGE 174, 58 Rn. 14). Der Beweisantrag ist "ins Blaue hinein" gestellt worden (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19 - NJW-RR 2021, 886 Rn. 19 m. w. N. sowie Beschlüsse vom 6. April 2018 - 1 StR 88/18 - StraFo 2018, 433 Rn. 10 und vom 13. Dezember 2022 - VIII ZR 298/21 - MDR 2023, 356 Rn. 21). Es fehlt bei unterstellter Richtigkeit der Einzeltatsache, die Buchungsjournale gäben lediglich Auskunft über den Dateninhalt zum Zeitpunkt ihres Ausdrucks, an greifbaren Anhaltspunkten für die behauptete fehlerhafte oder manipulierte Datenerfassung. Dabei wäre dem Beklagten ein entsprechender Vortrag möglich gewesen. Die Beschäftigten der Klägerin können die elektronische Erfassung ihrer Arbeitszeit überprüfen und deren Korrektur beantragen. Der Datenbestand der elektronischen Zeiterfassung wird erst durch das "Ein- und Ausstechen" der Beschäftigten am Zeiterfassungsterminal geschaffen. Die Buchungen werden auf dem jeweiligen Arbeitszeitkonto erfasst und sind von dem jeweiligen Beschäftigten einsehbar. Der Beklagte hat zu keiner Zeit die Überprüfung der Buchungen auf seinem Arbeitszeitkonto beantragt, selbst dann nicht als ihn die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2015 auf die Kernzeitverletzungen hingewiesen hatte. Er hat im Gegenteil mit E-Mail vom 25. März 2015 gebeten, ihm eine morgendliche Karenzzeit von Amts wegen zu gewähren, und damit die Verspätungen in der Sache eingeräumt. Darüber hinaus hat er sich auf die Richtigkeit der "Gehen-Buchungen" in den Abendstunden und den damit verbundenen Ausgleich der morgendlichen Verspätungen berufen. Die Beweisbehauptung einer manipulierten oder jedenfalls fehlerhaften elektronischen Zeiterfassung nur am Morgen ist ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt für ihre Richtigkeit geblieben; sie war "auf das Geratewohl" aufgestellt.
18 Verfahrensfehlerfrei hat es das Berufungsgericht dem Beklagten wegen des Vertretungserfordernisses gemäß § 3 BDG i. V. m. § 67 Abs. 2 und 4 VwGO verwehrt, Beweisanträge zu Protokoll zu verlesen und zur Genehmigung durch den Prozessbevollmächtigten zu stellen. Soweit die im Berufungsschriftsatz vom 30. Juli 2020 formulierten Beweisanträge (S. 86, Nr. 13 und 14) als Beweisanregungen zu verstehen sind, musste sich dem Berufungsgericht im Hinblick auf die behauptete manipulierte oder jedenfalls fehlerhafte elektronische Zeiterfassung aus vorgenannten Gründen keine weitere Aufklärung von Amts wegen (§ 3 BDG und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aufdrängen.
19 bb) Weiter hat das Berufungsgericht den in der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag zu 1) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum in der Sache verfahrensfehlerfrei abgelehnt. Der Beklagte hat hinreichend konkrete Anknüpfungstatsachen für eine Beweiserhebung nicht substantiiert dargetan. Neben der allgemeinen Angabe, ein Medikament mit pflanzlichen Inhaltsstoffen einzunehmen, und dem Verweis auf nicht aussagekräftige Arztrechnungen vom Januar und Juli 2016 hat er lediglich eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Innere Medizin und Rettungsmedizin Dr. H. vom Mai 2016 vorgelegt. Diese enthielt aber keine Angaben zu Art und Zeitraum einer Erkrankung, zu den dadurch bedingten Beschwerden, zu der verordneten Medikation und deren Nebenwirkungen. Die im Mai 2019 ausgestellte Verordnung von einer Krankenhausbehandlung lässt keinen Rückschluss auf den Gesundheitszustand des Beklagten in dem hier maßgebenden Zeitraum zu.
20 Dem Berufungsgericht musste sich deshalb eine weitere Aufklärung von Amts wegen auch nicht aufdrängen. Etwaigen Beweisanregungen im Berufungsschriftsatz vom 30. Juli 2020 (S. 94 ff., Nr. 24 - 30) war mangels Entscheidungserheblichkeit nicht nachzugehen.
21 b) Durch das festgestellte Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft ein innerdienstliches Dienstvergehen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) begangen. Der Beklagte ist dem Dienst unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG unerlaubt ferngeblieben und hat die Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) sowie zur Befolgung dienstlicher Anordnungen seiner Vorgesetzten (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) verletzt.
22 aa) Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 BBG dürfen Beamte dem Dienst nicht ohne Genehmigung ihrer Dienstvorgesetzten fernbleiben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats knüpft der Begriff des nicht genehmigten Fernbleibens vom Dienst an die formale Dienstleistungspflicht des Beamten an. Diese beamtenrechtliche Grundpflicht fordert vom Beamten in erster Linie, sich während der vorgeschriebenen Zeit an dem vorgeschriebenen Ort aufzuhalten und dort die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen (BVerwG, Urteile vom 25. September 2003 - 2 C 49.02 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41 f., vom 11. Oktober 2006 - 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34, vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 22 und vom 23. Juni 2016 - 2 C 24.14 - BVerwGE 155, 292 Rn. 15). Der Tatbestand des Fernbleibens vom Dienst ist auch erfüllt, wenn der Beamte stundenweise nicht am Arbeitsplatz erscheint (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 19, 36 sowie Beschlüsse vom 29. Juli 1985 - 1 DB 36.85 - DokBer B 1985, 278 und vom 15. April 1986 - 1 DB 15.86 - DokBer B 1986, 165).
23 Die Klägerin hat mit den Regelungen in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit vom 21. März 2012 (DV) eindeutige dienstliche Anordnungen über die Dienstleistungspflicht in einer Kernarbeitszeit als Mindestanwesenheitszeit im Dienst getroffen. Der Beklagte hat nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) gegen diese Anordnung verstoßen, indem er an 816 Tagen den Dienst erst nach dem festgelegten Kernarbeitszeitbeginn um 9:15 Uhr angetreten hat. Dabei haben die morgendlichen Verspätungen an 673 Tagen mehr als eine Stunde betragen.
24 Der Beklagte war nicht ausnahmsweise von der Einhaltung der Kernarbeitszeit befreit. Er gehörte nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) weder zur Gruppe trennungsgeldberechtigter Beamter gemäß § 6 Abs. 1 DV noch bestand eine individuelle Altregelung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 DV oder war ihm eine Ausnahme gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 DV gewährt worden. Solange eine Ausnahme vom Dienstherrn nicht erteilt ist, gilt die Pflicht zur Anwesenheit in der Kernarbeitszeit. Der Beklagte konnte nicht im Wege der "Selbsthilfe" von einem (vermeintlichen) Ausnahmeanspruch Gebrauch machen (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 2 B 56.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 70 Rn. 11 m. w. N.).
25 Der Beklagte war nicht aus gesundheitlichen Gründen von der Dienstleistungspflicht zu Beginn der Kernzeit entbunden. Ein Beamter ist von der Dienstleistungspflicht befreit, wenn er dienstunfähig ist und sie deshalb nicht erfüllen kann. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG ist Dienstunfähigkeit wegen Krankheit auf Verlangen des Dienstherrn nachzuweisen. Kommt der Beamte einer auf § 96 Abs. 1 Satz 2 BBG gestützten wirksamen Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Attests nicht nach, kann er dem Dienstherrn Dienstunfähigkeit für die Zeit seines Fernbleibens vom Dienst nicht entgegenhalten; er bleibt unerlaubt fern (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 2006 - 1 D 2.05 - juris Rn. 33, vom 12. November 2020 - 2 C 6.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 81 Rn. 28 und vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 29 f.; Beschlüsse vom 23. März 2006 - 2 A 12.04 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 29 Rn. 5 und vom 8. Dezember 2022 - 2 B 19.22 - juris Rn. 8). Dies gilt auch für ein Fernbleiben vom Dienst aus gesundheitlichen Gründen an Teilen von Arbeitstagen. Die Klägerin hat dem Beklagten mit wirksamen Anordnungen vom 19. März 2015 und 4. August 2015 aufgegeben, die behaupteten morgendlichen Karenzzeiten zu entschuldigen. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Er hat - wie dargelegt - keine aussagekräftigen ärztlichen Atteste vorgelegt, die eine morgens eingeschränkte Dienstfähigkeit belegen.
26 bb) Mit dem unentschuldigt verspäteten Dienstantritt in 816 Fällen hat der Beklagte zugleich die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG) und zum vollen beruflichen Einsatz (§ 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) verletzt.
27 4. Nicht mit revisiblem Recht vereinbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu maßregelnden Verhalten als eine Art Dauerdelikt oder fortgesetzte Handlung habe sich keine Zäsur ergeben, die eine frühere Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens ermöglicht hätte.
28 a) Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG hat die dienstvorgesetzte Stelle ein Disziplinarverfahren einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Diese Pflicht besteht nicht, solange es noch etwaiger Verwaltungsermittlungen bedarf, um einen bloß vagen Verdacht aufzuklären, der personell oder sachlich noch nicht hinreichend konkretisiert worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 21 zum BDG). Den Dienstvorgesetzten trifft aber eine Einleitungspflicht, sobald er erstmals Kenntnis von zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten erlangt, die den Verdacht eines Dienstvergehens begründen. Er darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln (BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 21).
29 Die frühzeitige Einleitungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG besteht für den Dienstvorgesetzten auch in der Konstellation einer Vielzahl gleichartiger, zeitlich aufeinanderfolgender Dienstpflichtverletzungen wie der hier in Rede stehenden Kernzeitverstöße. Dass im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens bereits weitere gleichartige Pflichtverletzungen hinzugetreten oder künftig zu erwarten sind, hindert die gesonderte Ahndung der bisherigen Verstöße nicht. Der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) steht einer gesonderten Verfolgung von Dienstpflichtverletzungen nicht entgegen. Seit dem Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 lässt sich daraus ein verfahrensrechtliches Gebot der gleichzeitigen Entscheidung über mehrere Pflichtverstöße nicht mehr herleiten. Gemäß § 19 Abs. 1 BDG kann der Dienstherr ein eingeleitetes Disziplinarverfahren auf danach neu hinzutretende Pflichtverletzungen ausdehnen. Nach Erhebung der Disziplinarklage können neue Handlungen durch Erhebung einer Nachtragsdisziplinarklage gemäß § 53 Abs. 1 BDG in das Disziplinarverfahren einbezogen werden. Aus den Ermächtigungen in § 19 Abs. 1 BDG und § 53 BDG folgt, dass dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens materiell-rechtlich Rechnung zu tragen ist. Der Beamte darf im Ergebnis materiell-rechtlich nicht schlechter gestellt werden als er im Falle einer gleichzeitigen und einheitlichen Ahndung des Dienstvergehens stünde. Dem Grundsatz der materiell-rechtlichen einheitlichen Bewertung ist in dem zuletzt zur Entscheidung anstehenden Disziplinarverfahren (nachträglich) Geltung zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - 1 D 12.05 - BVerwGE 128, 125 Rn. 22 ff. <25>). Unbenommen bleibt dem Dienstherrn daher auch im jeweiligen Verfahrensstadium ein weiteres neues Disziplinarverfahren einzuleiten.
30 Die vom Berufungsgericht angewandte Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung oder des Fortsetzungszusammenhangs, die im Übrigen im Strafrecht aufgegeben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1994 - GSSt 2/93 - BGHSt 40, 138), ist dem Disziplinarrecht fremd (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2003 - 1 D 23.02 - juris Rn. 21). Dies gilt gleichermaßen für den strafrechtlichen Begriff des sog. Dauerdelikts. Im Fall einer Vielzahl gleichartiger Dienstpflichtverletzungen wie bei Kernzeitverstößen stellen die einzelnen Verstöße auch nicht unselbstständige Teilakte oder nur einen Beitrag zu einer einzigen Handlung im Rechtssinne dar, die keine Zäsur erlauben würden. Bei wiederholt verspätetem Dienstantritt muss für jede Wiederholung neu ein (Tat-)Entschluss gefasst werden. Der Pflichtenverstoß ist mit dem jeweiligen Zuspätkommen vollendet.
31 b) Ist bei Verstößen gegen Arbeitszeitregelungen aufgrund einer Dienstvereinbarung zwischen Dienststelle und Personalrat ein besonders gestaltetes Anhörungsverfahren vorgesehen, führt dies nicht dazu, dass für dessen - auch überlange - Dauer die Einleitungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG außer Kraft gesetzt ist. Der Sache nach handelt es sich um Verwaltungsermittlungen, die dazu dienen, Art und Ausmaß von Arbeitszeitverstößen aufzuklären, insbesondere dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, um die Vorwürfe zu entkräften. Nach Ablauf einer angemessenen Stellungnahmefrist muss die dienstvorgesetzte Stelle zum Disziplinarverfahren übergehen, wenn nach dem Stand der Ermittlungen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens wegen Arbeitszeitverstößen rechtfertigen. Nur so kann der Schutzfunktion des § 17 Abs. 1 BDG Rechnung getragen werden, nämlich zum einen den Beamten vor möglichen disziplinaren Rechtsverlusten zu schützen und zum anderen die Wahrung der beamtenrechtlichen Dienstpflichten nach §§ 60 ff. BBG durchzusetzen, um gesetzmäßiges Verwaltungshandeln zu gewährleisten (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 25).
32 c) Ein Verstoß gegen die aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG folgende Pflicht zur rechtzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens ist ein Mangel, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen sein kann, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war (BVerwG, Urteile vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1 Nr. 26 Rn. 2o zum BDG und vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 21). Dies ist der Fall, wenn der Beamte mit der Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens das beanstandete Verhalten unterlässt oder danach liegende Vorfälle lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage liegt die Annahme nahe, dass sich der Beamte bei einer früheren Verfahrenseinleitung ebenso verhalten und keine weiteren Pflichtenverstöße begangen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - NVwZ 2009, 399 Rn. 33).
33 5. Revisibles Recht verletzt auch die Folgeerwägung des Berufungsgerichts, aufgrund der Eigenart des zu maßregelnden Verhaltens sei eine zeitnahe disziplinare Ahndung mit einer niederschwelligen Disziplinarmaßnahme nicht möglich gewesen.
34 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 30 ff.), dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckt auftretenden Dienstpflichtverletzungen, die nach ihrer Schwere jeweils für sich genommen keine höheren Disziplinarmaßnahmen gebieten, in der Regel zunächst zeitnah zur begangenen Verletzungshandlung mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirkt und diese bei fortgesetztem Fehlverhalten stufenweise steigert.
35 Bei Verstößen gegen Kernarbeitszeitregelungen handelt es sich um einen Fall, bei dem der Dienstherr aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die stufenweise Steigerung der Disziplinarmaßnahmen zu beachten hat. Der Dienstherr hat auf den Beamten rechtzeitig, d. h. alsbald nach Kenntniserlangung von der Pflichtverletzung, pflichtenmahnend einzuwirken und ihn zum pflichtgemäßen Dienstantritt anzuhalten. Das Zuwarten des Dienstherrn über einen längeren Zeitraum, um sodann im Wege einer Gesamtschau die schärfste Disziplinarmaßnahme - die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - zu verhängen, ist unzulässig. Dies bedeutet, dass der Dienstherr nach Kenntniserlangung auch von einem erstmaligen Kernzeitverstoß zu reagieren und auf die Einhaltung der Kernarbeitszeiten hinzuweisen hat. Darüber hinaus muss er bei fortgesetzten Verstößen je nach Umfang und Dauer über dienstliche Weisungen (Anordnungen) hinaus weitere niederschwellige Disziplinarmaßnahmen ergreifen. Dazu gehören die Erteilung eines Verweises (§ 6 BDG), die Verhängung einer Geldbuße (§ 7 BDG) und die Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG).
36 Unterlässt es der Dienstherr rechtsfehlerhaft, die zeitlich gestreckt aufgetretenen Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen pflichtenmahnend zu ahnden, stellt dies einen Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens dar, der bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand zu berücksichtigen ist. Anders verhält es sich nur dann, wenn sich der Beamte eine niederschwellige disziplinare Sanktionierung nicht zur Mahnung und Warnung hätte dienen lassen. Ob eine solche Annahme naheliegt, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Es müssen hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, aus denen diese negative Folgerung abgeleitet werden kann. Hier fehlt es aber an jedweder vorangegangenen Sanktionierung, aus der der Schluss gezogen werden kann, dass sich der Beklagte davon nicht hätte beeindrucken lassen.
37 6. Nicht mit § 13 BDG vereinbar ist die Annahme des Berufungsgerichts, die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme sei indiziert, weil die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen beim Dienstantritt in ihrer Schwere einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichkomme.
38 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.).
39 Vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst ist ein schwerwiegendes Dienstvergehen, das regelmäßig zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führt, wenn es über Monate andauert oder in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreicht (BVerwG, Urteile vom 22. April 1991 - 1 D 62.90 - BVerwGE 93, 78 <80 f.>, vom 25. Januar 2007 - 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 42, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 35 und vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 48). Der ununterbrochenen monatelangen Dienstsäumnis kann es gleichstehen, wenn ein Beamter im Umfang vergleichbar wiederholt in Einzelzeitabschnitten - an Tagen und in mehr oder weniger länger zusammenhängenden Zeiträumen - überhaupt nicht zum Dienst erscheint. In diesen Fällen ist die Entfernung aus dem Dienst grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteile vom 7. November 1990 - 1 D 33.90 - juris Rn. 31 m. w. N., vom 22. April 1991 - 1 D 62.90 - BVerwGE 93, 78 <80 f.>, vom 6. Mai 2003 - 1 D 26.02 - Rn. 54 f. und vom 12. November 2020 - 2 C 6.19 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 81 Rn. 22 sowie Beschluss vom 31. Juli 2019 - 2 B 56.18 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 70 Rn. 11).
40 Dies gilt nicht für das wiederholte unberechtigte stundenweise Fernbleiben vom Dienst infolge verspäteten Dienstantritts. Denn die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen ist in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten - gänzlichen - Fernbleiben vom Dienst gleichzusetzen. Bei der disziplinaren Ahndung des in Rede stehenden Fehlverhaltens ist angesichts der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte und der Vielfalt der möglichen Pflichtverstöße keine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten disziplinaren Maßnahme möglich. Wegen der Bandbreite denkbarer Pflichtverletzungen steht grundsätzlich der gesamte Katalog der abgestuften Disziplinarmaßnahmen des § 5 BDG zur Verfügung. Dabei kommt es für das Gewicht der Pflichtverletzung insbesondere auf Dauer, Häufigkeit und Ausmaß der Verspätungen an.
41 Davon ausgehend ist in der Rechtsprechung des Senats in Fällen wiederholter verspäteter Dienstantritte über einen längeren Zeitraum auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt worden, wenn entweder andere wesentliche Dienstpflichtverletzungen im Vordergrund des Dienstvergehens standen oder disziplinarrechtliche Vorbelastungen von erheblichem Gewicht vorlagen (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Februar 1988 - 1 D 83.87 - juris Rn. 16 ff. und vom 6. Juni 1989 - 1 D 47.88 - DokBer B 1989, 261). Ansonsten ist auch bei einschlägiger disziplinarer Vorbelastung unter Anwendung des Grundsatzes der stufenweisen Steigerung von Disziplinarmaßnahmen die Kürzung der Dienstbezüge gemäß § 8 BDG (BVerwG, Urteil vom 6. März 1991 - 1 D 65.90 - DokBer B 1991, 152) oder die Zurückstufung gemäß § 9 BDG (BVerwG, Urteile vom 12. Januar 1988 - 1 D 4.87 - DVBl 1988, 1058 <1059 f.> und vom 6. Mai 1992 - 1 D 12.91 - DokBer B 1992, 203) als angemessen erachtet worden.
42 7. Das Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt (§ 69 BDG und § 137 Abs. 2 VwGO) grundsätzlich dieselben Befugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. Die Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG, die den Verwaltungsgerichten die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme überträgt, gilt gemäß § 70 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Revisionsverfahren. Voraussetzung für eine eigenständige Entscheidung des Senats über die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist, dass sämtliche für die Bemessungsentscheidung relevanten be- und entlastenden Umstände festgestellt sind und die Beteiligten hierzu vorher gehört wurden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 f., vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 9, vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 - BVerwGE 163, 356 Rn. 39, vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 43 und vom 23. April 2020 - 2 C 21.19 - BVerwGE 168, 74 Rn. 43). Dies ist im Streitfall gegeben.
43 Der Senat kommt bei seiner Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Beklagte auf der Grundlage der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts durch das unberechtigte Fernbleiben vom Dienst an Teilen von Arbeitstagen und der darin zugleich liegenden Verletzung der Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und zum vollen beruflichen Einsatz ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte mit der Zurückstufung in das Eingangsamt seiner Laufbahn, das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO), zu ahnden ist.
44 Das Gebot, zur vorgeschriebenen Zeit am vorgeschriebenen Ort zum Dienst zu erscheinen und dort die übertragenen dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen, ist eine leicht erkennbare Grundpflicht eines jeden Beamten (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 25. September 2003 - 2 C 49.02 - Buchholz 240 § 9 BBesG Nr. 26 S. 41, vom 11. Oktober 2006 - 1 D 10.05 - Buchholz 232 § 73 BBG Nr. 30 Rn. 34 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 22). Setzt sich ein Beamter über diese Erkenntnis hinweg, zeigt er ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit. Je länger der Beamte schuldhaft dem Dienst fernbleibt, desto schwerer wiegt die hierin liegende Dienstpflichtverletzung (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2021 - 2 C 9.21 - BVerwGE 174, 273 Rn. 47).
45 Bei der Beurteilung des für die Maßnahmebemessung richtungsweisenden Kriteriums der Schwere des Fehlverhaltens ist festzuhalten, dass der Beklagte in einem sehr langen Zeitraum vom 22. April 2014 bis zum 7. Mai 2018 nahezu tagtäglich erst nach dem Beginn der Kernarbeitszeit zum Dienst erschienen ist. Der verspätete Dienstantritt war die Regel. Damit hat der Beklagte ein besonders hohes Maß an Verantwortungslosigkeit und Pflichtvergessenheit hinsichtlich der leicht einsehbaren Pflicht gezeigt, pünktlich den Dienst anzutreten. Bei der Bewertung des Fehlverhaltens des Beklagten des nicht "nur" wiederholten, sondern regelhaften Zuspätkommens zum Dienst über einen sehr langen Zeitraum, ist - orientiert an der bisherigen Rechtsprechung des Senats - Ausgangspunkt für die disziplinare Maßnahmebemessung nach § 13 BDG die Zurückstufung gemäß § 9 BDG.
46 Im Hinblick auf mögliche entlastende Gesichtspunkte ist dem Umstand keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen, dass der Beklagte die morgendlichen Verspätungen durch abendliche Längerarbeit im Rahmen der durch die Gleitzeit gegebenen Vorgaben nachgeholt und die durchschnittliche regelmäßige Gesamtarbeitszeit erbracht hat. Andernfalls läge darin eine Nichterfüllung der Gesamtarbeitszeit, die als weitere vorwerfbare Dienstpflichtverletzung hinzutreten würde. Dass die verspätete Dienstaufnahme des Beklagten keinen Schaden im Dienstbetrieb verursacht hat, weil anfallende Aufgaben in den Fehlzeiten nicht zwingend erledigt und auch nicht kurzfristig von Vertretern wahrgenommen werden mussten, stellt ebenfalls keinen mildernden Aspekt dar. Ein Beamter, der meint, seine Dienstzeiten nicht nach den Vorgaben des Dienstherrn, sondern nach eigenem Befinden bestimmen zu können, hat negative Beispielwirkung für andere Bedienstete. Ein solches Verhalten bleibt nicht ohne nachteilige Folgen für den ordnungsgemäßen Dienstbetrieb, der zur Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten ist. Ebenso wenig ist ein entlastender Umstand von Gewicht darin zu sehen, dass der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Eine straffreie Lebensführung und ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten darf der Dienstherr von jedem Beamten erwarten (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 43 und vom 16. Juni 2020 - 2 C 12.19 - BVerwGE 168, 254 Rn. 41). Weiter besteht kein Anhalt dafür, dass der Beklagte von seiner Referatsleiterin G. und der Abteilungsleiterin E. wegen des vom Beklagten angenommenen Einbruchs ihrer jeweiligen beruflichen Karriere gemobbt wurde. Ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem Beklagten und den Beamtinnen mit höherwertigeren Statusämtern bestand nicht. Ferner hat der Beklagte keine Umstände dargetan, die darauf hindeuten, dass er während der Erkrankung seiner Mutter oder nach deren Tod zu einem an normalen Maßstäben orientierten Verhalten nicht mehr in der Lage war.
47 Schließlich führt der Umstand der verspäteten Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht zu einer Milderung. Zwar hat die Klägerin nach den unter 4. dargestellten Grundsätzen das behördliche Disziplinarverfahren gegen den Beklagten verspätet eingeleitet. Die Einleitungsverfügung datiert auf den 6. November 2015. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG hätte das Verfahren bereits Ende Mai 2015, an die zur Einleitung des Disziplinarverfahrens zuständige Stelle abgegeben werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt war die im Anhörungsverfahren gesetzte Frist zur Stellungnahme zu den bis Mitte März 2015 festgestellten Kernarbeitszeitverstößen und die gewährte Fristverlängerung fruchtlos verstrichen. Es bestand der hinreichende Verdacht eines Dienstvergehens, der keiner weiteren Ermittlungen mehr bedurfte; solche sind von der Klägerin auch nicht unternommen worden. Die verzögerte Einleitung des Disziplinarverfahrens war aber für sich betrachtet für das weitere Fehlverhalten des Beklagten nicht ursächlich. Der Beklagte hat sich auch nach der Verfahrenseinleitung im November 2015 nicht pflichtgemäß verhalten. Er hat den Dienst weiter regelmäßig nach dem Beginn der Kernzeit angetreten.
48 Als berücksichtigungsfähiger mildernder Umstand von Gewicht bleibt einzig, dass die Klägerin nicht unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nach dem Gedanken der stufenweisen Steigerung der Disziplinarmaßnahmen zeitnah eine niederschwellige Maßnahme durch Disziplinarverfügung verhängt, sondern zugewartet hat. Bei einer frühzeitigen Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens Ende Mai 2015 wäre angesichts des Umfangs der zu diesem Zeitpunkt festgestellten Verstöße, nämlich verspätete Dienstantritte in 192 Fällen, davon in 60 Fällen mit mehr als einer Stunde Verspätung, für den nicht vorbelasteten Beklagten eine Kürzung der monatlichen Dienstbezüge gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BDG in Betracht gekommen. Es fehlt an Anhaltspunkten, die den Schluss rechtfertigen, auch eine solche zeitnahe disziplinare Sanktionierung hätte auf den Beklagten nicht in dem Sinn pflichtenmahnend eingewirkt, dass er künftig die Kernarbeitszeitregelungen befolgt hätte. Eine gegenteilige - vom Berufungsgericht - getroffene Annahme liefe bei dem nicht vorbelasteten Beklagten auf bloße Spekulation hinaus.
49 Der Milderungsgrund führt jedoch nicht zu einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 37 ff. und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 26 sowie Beschlüsse vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 27 und vom 15. Juni 2016 - 2 B 49.15 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 36 Rn. 13). Ihm stehen gegenläufig erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht gegenüber. Der Beklagte hat sein Fehlverhalten auch unter dem Druck des behördlichen Disziplinarverfahrens uneinsichtig und beharrlich fortgesetzt und dabei die Dauer seiner morgendlichen Fehlzeiten in erheblichem Umfang erhöht. Die regelmäßigen morgendlichen Verspätungen bewegten sich seither überwiegend im Bereich zwischen zwei und drei Stunden, in der Spitze lag eine Verspätung bei drei Stunden und 18 Minuten. Mit diesem gesteigerten Fehlverhalten nach Einleitung des behördlichen Disziplinarverfahrens hat der Beklagte eine ganz außergewöhnliche Hartnäckigkeit und besondere Selbstherrlichkeit gezeigt, sich über dienstliche Anordnungen der Klägerin hinwegzusetzen und den Dienstantritt nach eigenem Belieben zu bestimmen.
50 Wegen der Schwere des Dienstvergehens hält der Senat eine Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) für erforderlich, um ihn künftig zu einem beanstandungsfreien dienstlichen Verhalten zu veranlassen. Der Beklagte muss sich bewusst sein, dass bei einem erneuten gewichtigen Verstoß gegen seine Dienstpflichten die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme geboten sein kann.
51 Aufgrund der langen Dauer des Disziplinarverfahrens macht der Senat von der gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 BDG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, das an die Zurückstufung anknüpfende gesetzliche Beförderungsverbot von fünf Jahren (§ 9 Abs. 3 Satz 1 BDG) auf drei Jahre abzukürzen.
52 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 VwGO.
53 9. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtsgebühren aus dem gesetzlich bestimmten streitwertunabhängigen Gebührenbetrag ergibt (§ 78 BDG i. V. m. Nr. 10 und 30 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 78 BDG).