Beschluss vom 23.07.2004 -
BVerwG 7 B 25.04ECLI:DE:BVerwG:2004:230704B7B25.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 23.07.2004 - 7 B 25.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:230704B7B25.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 25.04

  • VG Dresden - 16.10.2003 - AZ: VG 3 K 2863/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 23. Juli 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , H e r b e r t und
K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 300 000 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines Grundstücks, dessen Eigentum ihr jüdischer Rechtsvorgänger im Jahr 1938 im Wege der Zwangsversteigerung verloren hatte. Die Beklagte übertrug ihnen das Grundstück mit Ausnahme eines bereits 1939 abgetrennten Wohngrundstücks zurück. Hinsichtlich des Wohngrundstücks stellte die Beklagte die Entschädigungsberechtigung der Kläger fest und lehnte die Rückübertragung ab, weil die Beigeladenen das beim Kauf des Gebäudes im Jahr 1988 verliehene Nutzungsrecht am volkseigenen Grundstück redlich erworben hätten. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen; die Rückübertragung sei durch redlichen Erwerb der Beigeladenen ausgeschlossen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VermG). Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Abweichung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Das angegriffene Urteil weicht nicht von dem Urteil des Senats vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 20.94 - (Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25 S. 60) ab. Die Beschwerde sieht eine Abweichung in der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass in der Verleihung des Nutzungsrechts an der ungewöhnlich großen Grundstücksfläche von 9 100 m² jedenfalls kein offenkundiger Verstoß gegen DDR-Recht liege, weil sich eine Teilung des überwiegend bewaldeten, stark hanglagigen Grundstücks bei Verleihung des Nutzungsrechts "aus praktischen Gründen nicht anbot"; dabei habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass nach der Divergenzentscheidung die einschlägige Richtlinie über die Flächenbeschränkung Ausnahmen nur zugelassen habe, wenn eine Grundstücksteilung "wegen der vorgegebenen Situation weder möglich noch erforderlich noch zweckmäßig" gewesen sei. Aus diesem Vorbringen ergibt sich der behauptete Zulassungsgrund nicht. Eine Divergenz i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Vorinstanz mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Divergenzentscheidung in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht. Daran fehlt es hier schon deswegen, weil sich das Verwaltungsgericht die Erwägungen in der genannten Entscheidung des Senats zum Verständnis der Richtlinie über die Flächenbeschränkung ausdrücklich zu Eigen gemacht hat. Der Angriff der Beschwerde zielt in Wahrheit auf die Anwendung des angenommenen Rechtssatzes im Einzelfall. Ein dabei unterlaufener Rechtsanwendungsfehler begründet die Divergenzrevision nicht, weil diese ihrer Funktion entsprechend eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen voraussetzt. Davon abgesehen ist das Verwaltungsgericht von einem Sachverhalt ausgegangen, in dem es zweckmäßig erscheinen konnte, von einer Teilung des im Landschaftsschutzgebiet gelegenen Grundstücks abzusehen, weil die Kommunale Wohnungsverwaltung nach Angaben ihres damaligen Leiters ein Interesse daran hatte, "dass die Käufer der Häuser auch das gesamte dazugehörige Areal, das durch die geschützte Lage anderweitig schwer verpachtbar war, in Pflege" nahmen. Die vom Verwaltungsgericht nicht übersehene Tatsache, dass das Grundstück inzwischen geteilt ist, ändert hieran nichts. Da das Verwaltungsgericht einen redlichen Erwerb der Beigeladenen angenommen hat, scheidet die von der Beschwerde ferner geltend gemachte Divergenz in der Frage der materiellen Beweislast von vornherein aus.
Ebenso wenig weicht das angegriffene Urteil von dem Beschluss vom 13. Februar 2001 - BVerwG 8 B 241.00 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 9 S. 35) ab. In diesem Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass sich ein Gericht ohne Kennntnis der im Zeitpunkt des Erwerbs in der DDR geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätze oder der ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis keine Überzeugung von der Unredlichkeit des Erwerbs i.S.d. § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG bilden kann. Die Beschwerde sieht die Abweichung in der nicht näher begründeten Annahme des Verwaltungsgerichts, dass "die Unentgeltlichkeit der Nutzungsrechtsverleihung der allgemein üblichen Verwaltungspraxis in der DDR (entsprach)". Dabei verkennt sie wiederum, dass das Verwaltungsgericht keinen der Divergenzentscheidung widersprechenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, sondern allenfalls das Recht fehlerhaft angewendet hat. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz.
Deutet man die vermeintliche Divergenzrüge in eine entsprechende Verfahrensrüge um, weil sie der Sache nach eine fehlerhafte Anwendung des Verfahrensrechts betrifft, ist die Revision ebenfalls nicht zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Auf der Verletzung des allein in Betracht kommenden Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 VwGO) kann das angegriffene Urteil nicht beruhen; denn es wird in diesem Zusammenhang durch die weitere Erwägung getragen, dass die Unredlichkeit der Beigeladenen jedenfalls deswegen zu verneinen sei, weil sie die rechtlich vorgesehene Verleihung eines unentgeltlichen Nutzungsrechts nicht als Verstoß gegen die seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften hätten erkennen müssen. Wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, galten Ausnahmen von dem in § 3 Abs. 4 des Gesetzes über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken vom 14. Dezember 1970 (GBl DDR I S. 372) festgelegten Grundsatz der Entgeltlichkeit des Nutzungsrechts für bestimmte Fallgruppen, die von der Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 (GBl DDR I S. 428), geändert durch Verordnung vom 25. Februar 1987 (GBl DDR I S. 64), erfasst waren. Diese Ausnahmeregelung findet sich in § 11 Abs. 5 der Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 18. August 1987 (GBl DDR I S. 215), die hier anzuwenden war. Danach sind "für Eigenheime, die sich in Eigentum von Bürgern gemäß § 12 Abs. 2 der Verordnung befinden, ... Entgelte für die Nutzung volkseigener Grundstücke nicht zu erheben". Auf diese Ausnahmeregelung hat das Verwaltungsgericht ersichtlich Bezug genommen, wiewohl in den Entscheidungsgründen die frühere, am 1. Oktober 1987 außer Kraft getretene und von der Beschwerde nur auszugsweise wiedergegebene Durchführungsbestimmung zur Eigenheimverordnung vom 31. August 1978 (GBl DDR I S. 428) zitiert wird, die in § 9 Abs. 5 und § 13 Abs. 7 eine entsprechende Ausnahmeregelung enthielt. Demgemäß hat sich das Verwaltungsgericht näher mit der Frage auseinander gesetzt, ob der Beigeladene zum Kreis der in § 12 Abs. 2 der Eigenheimverordnung genannten Berechtigten gehörte, denen neben anderen finanziellen Vergünstigungen ein unentgeltliches Nutzungsrecht gewährt wurde, was nach dieser Vorschrift u.a. bei den vom Verwaltungsgericht erwähnten Angestellten der Fall war. Da die Beschwerde diese selbständig entscheidungstragende Erwägung nicht mit zulässigen und begründeten Zulassungsgründen angreift, rechtfertigt die Verfahrensrüge zu der vom Verwaltungsgericht unabhängig davon angenommenen "allgemein üblichen Verwaltungspraxis" die Zulassung der Revision nicht; denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Revision gegen ein in je selbständiger Weise mehrfach begründetes Urteil nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder der Begründungen ein Zulassungsgrund gegeben ist.
Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da sich nach dem Gesagten die von der Beschwerde für klärungsbedürftig gehaltene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975
(BGBl I S. 3047), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 12. März 2004 (BGBl I S. 390), das gemäß § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718) anzuwenden ist.