Beschluss vom 22.11.2011 -
BVerwG 1 WB 50.11ECLI:DE:BVerwG:2011:221111B1WB50.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 22.11.2011 - 1 WB 50.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:221111B1WB50.11.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 50.11

  • BMVg - 20.07.2011 - AZ: PSZ I 7 25-05-10 642/11

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Rothfuß,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Strehl und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel Metzger
am 22. November 2011 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen eine Verfügung, mit der ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wurde.

2 Der Antragsteller war Soldat auf Zeit und ist mit Ablauf des 30. April 20.. aus der Bundeswehr ausgeschieden. Zuletzt wurde er als Jägerfeldwebel bei der 5./… in U. verwendet.

3 Mit Urteil des Amtsgerichts U. vom 28. März 20.. wurde der Antragsteller wegen eigenmächtiger Abwesenheit sowie Urkundenfälschung zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Über die vom Antragsteller gegen das Urteil eingelegte Berufung ist - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden worden.

4 Mit der hier angefochtenen Verfügung vom 19. April 20.., dem Antragsteller ausgehändigt am 20. April 20.., leitete der Befehlshaber … gegen den Antragsteller ein sachgleiches gerichtliches Disziplinarverfahren ein. Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 19. April 20.., beim nächsten Disziplinarvorgesetzten eingegangen am selben Tage, Beschwerde ein und führte zur Begründung aus, das Urteil des Amtsgerichts U. sei noch nicht rechtskräftig. Die schnelle Einleitung des Disziplinarverfahrens stehe offenbar im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Dienstzeitende, das eine Strafverfolgung erschwere. Der Dienstherr wolle verhindern, dass er, der Antragsteller, mit voller Besoldung entlassen werde.

5 Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteur der Streitkräftebasis wies die Beschwerde des Antragstellers mit Beschwerdebescheid vom 16. Mai 20.. als unzulässig zurück. Zur Begründung führte er aus, Einzelmaßnahmen im gerichtlichen Disziplinarverfahren könnten nur mit Hilfe der Rechtsbehelfe angefochten werden, die die Wehrdisziplinarordnung vorsehe. Im Übrigen sei die Beschwerde vom 19. April 20.. verfrüht eingelegt worden, da die Einleitungsverfügung erst mit der Aushändigung am 20. April 20.. wirksam geworden sei.

6 Mit Schreiben vom 23. Mai 20.. legte der Antragsteller weitere Beschwerde ein und beantragte, das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren einzustellen.

7 Die weitere Beschwerde wurde durch den Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - mit Bescheid vom 20. Juli 20.. mit der Begründung zurückgewiesen, die Beschwerde sei unzulässig. Gegen die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens sei ein Rechtsbehelf nach der Wehrdisziplinarordnung nicht gegeben. Diese gesetzliche Regelung könne nicht dadurch umgangen werden, dass eine Wehrbeschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung eingelegt werde. Die vom Antragsteller dagegen mit Schreiben vom 7. August 20.. eingelegte "Beschwerde" hat der Bundesminister der Verteidigung als Antrag auf gerichtliche Entscheidung angesehen und dem Senat mit Vorlageschreiben vom 22. August 20.. vorgelegt. Zur Begründung beruft sich der Antragsteller unter anderem auf eine krankheitsbedingte Schuldunfähigkeit.

8 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

9 Zur Begründung verweist er auf die Gründe des Bescheides vom 22. Juli 20.., mit dem er die weitere Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen hat.

II

10 Der Antragsteller hat keinen Sachantrag gestellt. Aus seinem Vorbringen ergibt sich bei sachgerechter Auslegung der Antrag,
die Einleitungsverfügung des Befehlshabers … vom 19. April 20.., den Beschwerdebescheid des Stellvertreters des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Inspekteurs der Streitkräftebasis vom 16. Mai 20.. und den Beschwerdebescheid des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - vom 20. Juli 20.. aufzuheben.

11 Dieser Antrag ist im Verfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung unzulässig.

12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehört die Wahrung der den Soldaten durch die Wehrdisziplinarordnung gegebenen Verfahrensgarantien nicht zu den Rechten bzw. Pflichten eines Vorgesetzten, die Gegenstand eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 17 Abs. 1 WBO (hier i.V.m. § 21 Abs. 1 und 2 WBO) sein können. Die Einleitungsverfügung nach § 93 WDO ist als Prozesshandlung Bestandteil eines einheitlichen, in der Wehrdisziplinarordnung abschließend geregelten disziplinargerichtlichen Verfahrens und kann als Einzelmaßnahme dieses Verfahrens nur nach Maßgabe der Wehrdisziplinarordnung angefochten werden. Der Umstand, dass die Wehrdisziplinarordnung einen selbständigen Rechtsbehelf gegen eine Einleitungsverfügung nicht vorsieht, führt nicht dazu, dass die Verfügung außerhalb des Disziplinarverfahrens mit einer Wehrbeschwerde und einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden könnte (stRspr, vgl. u. a. Beschlüsse vom 14. November 1978 - BVerwG 1 WB 169.77 - BVerwGE 63, 152 <154>, vom 30. Januar 1996 - BVerwG 1 WB 61.95 - und vom 15. Oktober 1996 - BVerwG 1 WB 36.96 - jeweils m.w.N.; vgl. auch Dau, WDO, 5. Auflage 2009, § 93 Rn. 12 m.w.N. auch aus der Rechtsprechung des Bundesdisziplinarhofs). Der Antragsteller ist dadurch ausreichend geschützt, dass er im weiteren disziplinargerichtlichen Verfahren gegenüber der Wehrdisziplinaranwaltschaft und ggf. später auch gegenüber dem Wehrdienstgericht Mängel bei der Einleitung des Verfahrens ebenso geltend machen kann wie seinen Einwand der Schuldunfähigkeit.

13 Von der Belastung des Antragstellers mit Verfahrenskosten sieht der Senat ab, weil er die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 WBO zwar für gegeben erachtet, der Antrag aber nicht mutwillig erscheint.