Beschluss vom 09.01.2008 -
BVerwG 4 BN 55.07ECLI:DE:BVerwG:2008:090108B4BN55.07.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 55.07

  • Hessischer VGH - 22.08.2007 - AZ: VGH 4 N 2104/06

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. August 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 24 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

2 1. Zu Unrecht meint die Beschwerde, der Verwaltungsgerichtshof habe überzogene Anforderungen an die Prüfung der Antragsbefugnis gestellt und damit die prozessuale Bedeutung des § 47 Abs. 2 VwGO verkannt.

3 Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon ausgegangen, dass es für die Antragsbefugnis im Sinne des § 47 Abs. 2 VwGO ausreicht, wenn der Antragsteller hinreichend substanziiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird (UA S. 8 f.). Soweit die Möglichkeit einer Rechtsverletzung von der Beurteilung der materiellen Rechtslage abhängt, hat das Beschwerdegericht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich des geltend gemachten Verfahrensfehlers nicht zu prüfen, ob die materiellrechtliche Auffassung des Normenkontrollgerichts inhaltlich zu billigen ist (vgl. Beschlüsse vom 21. Januar 1993 - BVerwG 4 B 206.92 - NVwZ 1993, 884 = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 188 und vom 23. Januar 1996 - BVerwG 11 B 150.95 - Buchholz 424.5 GrdstVG Nr. 1). Auf der Grundlage der - im Übrigen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmenden - Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass geringwertige Interessen einen abwägungserheblichen Belang nicht begründen können (UA S. 9), ist die Verneinung der Antragsbefugnis folgerichtig und stellt keinen Verfahrensfehler dar. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung, die regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen ist, kann grundsätzlich - und so auch hier - ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht bezeichnet werden (Beschluss vom 12. Januar 1995 - BVerwG 4 B 197.94 - Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4). Dass der Verwaltungsgerichtshof nicht in Erwägung gezogen hat, die Antragsbefugnis aufgrund einer nachhaltigen Verschlechterung der Grundstückssituation der Antragstellerinnen zu bejahen, stellt deshalb ebenfalls keinen Verfahrensmangel dar. Für eine derartige Verschlechterung hatte der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen keine Anhaltspunkte.

4 2. Die Rüge, das Urteil sei eine Überraschungsentscheidung, soweit es eine Antragsbefugnis im Hinblick auf die ortsklimatischen Auswirkungen und die Erschließungskonzeption bezüglich des Niederschlagswassers verneine, weil die Antragstellerinnen bezüglich dieser Gesichtspunkte nicht substanziiert vorgetragen hätten (UA S. 9 f.), ist nicht begründet. Die Antragsgegnerin hat eine die Antragsbefugnis begründende Betroffenheit der Antragstellerinnen während des gesamten Verfahrens bestritten. Die Antragstellerinnen mussten deshalb auch ohne einen gerichtlichen Hinweis erkennen, dass sie, soweit sie ihre Antragsbefugnis auf die ortsklimatischen Auswirkungen und Beeinträchtigungen durch Niederschlagswasser stützen wollten, diese Beeinträchtigungen substanziiert hätten darlegen müssen. Im Übrigen legt die Beschwerde nicht - wie dies erforderlich wäre (Beschluss vom 22. April 1999 - BVerwG 9 B 188.99 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 44) - dar, welche Tatsachen die Antragstellerinnen auf einen gerichtlichen Hinweis ergänzend vorgetragen hätten.

5 3. Die Beschwerde rügt schließlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs; die Frage der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung gewesen. Auch insoweit liegt eine Gehörsverletzung nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Wohngrundstücke der Antragstellerinnen und das Plangebiet während der mündlichen Verhandlung gemeinsam mit den Verfahrensbeteiligten informatorisch in Augenschein genommen. Im Anschluss an die Ortsbesichtigung haben die Beteiligten ausweislich der Verhandlungsniederschrift ihre gegensätzlichen Standpunkte zur Antragsbefugnis dargelegt. Allein der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof die Antragstellerinnen nicht darauf hingewiesen hat, welchen Standpunkt er zur Antragsbefugnis voraussichtlich einnehmen werde, genügt zur Begründung eines Gehörsverstoßes nicht. Im Übrigen scheitert die Gehörsrüge auch insoweit daran, dass die Beschwerde nicht darlegt, was die Antragstellerinnen im Falle der vermissten Gehörsgewährung noch vorgetragen hätten und inwiefern dieser Vortrag zur Begründung der Antragsbefugnis geeignet gewesen wäre.

6 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.