Beschluss vom 04.03.2003 -
BVerwG 2 B 37.02ECLI:DE:BVerwG:2003:040303B2B37.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.03.2003 - 2 B 37.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:040303B2B37.02.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 37.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 11.07.2002 - AZ: OVG 6 A 4067/92 u. 6 A 40

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. D a w i n und Dr. K u g e l e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 13 872 €uro festgesetzt.

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht gegeben.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung in der mit dem Beschwerdevorbringen bezeichneten Richtung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
"ob es bei der abschließenden und umfassenden Beurteilung der Ursächlichkeit zwischen einem Verkehrsunfall, bei dem ein HWS-Schleudertrauma diagnostiziert wurde, und den weiteren Behandlungskosten aufgrund des Krankheitsbildes, wie es bei der Beschwerdeführerin vorliegt, eines neurootologischen Gutachtens bedarf",
ist einzelfallbezogen. Sie kann nicht abstrakt beantwortet werden und ist daher nicht verallgemeinerungsfähig.
2. Auch die mit der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil es kein weiteres, namentlich neurootologisches Gutachten eingeholt habe, greift nicht durch.
Die Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 98 VwGO in Verbindung mit §§ 404, 412 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts. Dieses Ermessen wird nur dann verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung eines weiteren Gutachtens absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (stRspr; vgl. etwa den Beschluss vom 30. März 1995 - BVerwG 8 B 167.94 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 48 m.w.N. sowie den vom Berufungsgericht zitierten Senatsbeschluss vom 20. Februar 1998 - BVerwG 2 B 81.97 -). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein bereits vorliegendes Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend ist, es von unzutreffenden oder unvollständigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder die Verhältnisse sich seit der ersten Begutachtung geändert haben, ein anderer Gutachter über neuere oder überlegene Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügt. Dass sich dem Berufungsgericht aus einem dieser Gründe die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf eine neurootologische Begutachtung der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, aus dieser Untersuchung ließen sich keine besseren Erkenntnisse zur Frage der Ursächlichkeit des Unfallereignisses für die Beschwerden der Klägerin gewinnen. Dies folge aus der dem Gericht vorliegenden Publikation von Prof. Dr. Poeck zu Bedeutung, Stellenwert und Nutzen der Neurootologie sowie aus der dazu in der mündlichen Verhandlung geäußerten Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. L. und Prof. Dr. J. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung des Berufungsgerichts hat die Klägerin nicht auf divergierende wissenschaftliche Auffassungen zu dieser Publikation, insbesondere auf Erkenntnisse des 32. Deutschen Verkehrsrichtertags zur Bedeutung der Neurootologie innerhalb der modernen Unfallfolgenforschung, hingewiesen. Dies ist erstmalig mit der Beschwerdebegründung geschehen. Das Berufungsgericht hat den Verfahrensbeteiligten jedoch bereits mit dem in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss über die Ablehnung des Beweisantrags bekannt gegeben, dass es keine Anhaltspunkte dafür sehe, dass die auf dem Gebiet der Neurootologie tätigen Ärzte über neue oder überlegene Forschungsmittel oder über größere Erfahrung verfügen als die in interdisziplinärer Zusammenarbeit für das Gericht tätig gewordenen Sachverständigen. Es wäre Sache der anwaltlich vertretenen Klägerin gewesen, in der mündlichen Verhandlung darzulegen, dass die kritische Einstellung von Prof. Dr. Poeck zur Neurootologie wissenschaftlich umstritten und daher angreifbar ist. Ohne diesen Vortrag hatte das Berufungsgericht aber aufgrund der Publikation von Prof. Dr. Poeck sowie der Einlassung der gerichtlich bestellten Sachverständigen zum Nutzen einer zusätzlichen neurootologischen Begutachtung der Klägerin keinen Anlass, an der Richtigkeit seiner Auffassung zum Nutzen eines solchen Gutachtens zu zweifeln. Die Ablehnung des Beweisantrags beruht somit auf keinem Ermessensfehler.
Aus denselben Gründen ist auch darin kein Verstoß gegen die gerichtliche Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts zu sehen, dass das Berufungsgericht entgegen der schriftsätzlich geäußerten Anregung der Klägerin die Ärzte Dr. C. und W. nicht als sachverständige Zeugen gehört hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.