Verfahrensinformation

Der Kläger, der die serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit besitzt und albanischer Volkszugehörigkeit ist, lebt seit 1992 in Deutschland. Im Jahre 2001 wurde - im Zuge eines Verfahrens über seinen Asylfolgeantrag - festgestellt, dass er wegen einer schweren Erkrankung nicht in den Kosovo abgeschoben werden dürfe. Nachdem der Kläger sich bislang lediglich auf der Grundlage von Duldungen aufhalten durfte, begehrt er im Hinblick auf seine langjährige Berufstätigkeit in Deutschland von der beklagten Stadt die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis (ursprünglich nach altem Ausländerrecht). Die Beklagte und das Verwaltungsgericht haben sein Begehren zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hat der Sache nach zugunsten des Klägers entschieden. Das Bundesverwaltungsgericht wird im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision zu entscheiden haben, ob der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis (nunmehr nach neuem Recht) beanspruchen kann und ob die entsprechende Rechtsgrundlage unabhängig von dem Abschiebungsschutz zu beurteilen ist, der dem Kläger in dem früheren Asylverfahren gewährt worden war.


Pressemitteilung Nr. 59/2005 vom 22.11.2005

Aufenthaltserlaubnis bei Abschiebungsverbot

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute erstmals darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach dem neuen Aufenthaltsgesetz (§ 25 AufenthG) für einen abgelehnten Asylbewerber in Betracht kommt, der sich auf ein Abschiebungsverbot wegen Krankheit beruft.


Der Kläger, ein 1992 aus dem Kosovo nach Deutschland eingereister und später abgelehnter Asylbewerber, beantragte Anfang 2002 eine Aufenthaltsbefugnis nach dem inzwischen außer Kraft getretenen Ausländergesetz (§ 30 Abs. 3 und 4 AuslG). Zur Begründung berief er sich auf eine Erkrankung, die im Kosovo nicht wie erforderlich durch einen Facharzt für Neurologie behandelt werden könne. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) hatte deswegen im Jahr 2001 ein Abschiebungshindernis (nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, jetzt Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) festgestellt. Der Kläger erhielt daraufhin fortlaufend Duldungen. Im April 2002 lehnte die Ausländerbehörde den Antrag ab, weil die Krankheit inzwischen im Kosovo behandelt werden könne und auch die benötigten Medikamente dort erhältlich seien. Außerdem unterrichtete sie das Bundesamt, das Mitte 2003 ein Verfahren zum Widerruf der Feststellung des Abschiebungshindernisses einleitete. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim Erfolg. Das Gericht verpflichtete die Ausländerbehörde, den Antrag des Klägers neu zu bescheiden.


Auf die Revision der beklagten Stadt hat das Bundesverwaltungsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Tatsachenfeststellung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Es hat zunächst klargestellt, dass nach neuem Recht unter erleichterten Voraussetzungen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (hier: aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 AufenthG) in Betracht kommt. Eine Aufenthaltsbefugnis sieht das neue Aufenthaltsgesetz nicht mehr vor. Eine solche Aufenthaltserlaubnis soll nunmehr zur Vermeidung von sog. Ketten-Duldungen regelmäßig erteilt werden, wenn und solange - wie hier im Falle des Klägers - ein vom Bundesamt förmlich festgestelltes Abschiebungsverbot fortbesteht und kein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt. Dabei sind die Ausländerbehörden grundsätzlich an die Gewährung von Abschiebungsschutz (nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) und an die Beurteilung des Bundesamts gebunden. Die betroffenen Ausländer, deren Abschiebung danach auf absehbare Zeit nicht möglich ist, sollen einen legalen Aufenthaltsstatus und damit zugleich die Chance eines Hineinwachsens in eine dauerhafte Aufenthaltsposition erhalten. Nur wenn ein atypischer Fall vorliegt, steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Ausländerbehörde. Ein derartiger Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn das Bundesamt - wie bei dem Kläger - wegen einer Änderung der Verhältnisse im Abschiebezielstaat ein Widerrufsverfahren eingeleitet hat. Dann hat die Ausländerbehörde über eine Verfestigung des Aufenthalts aus humanitären Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und namentlich der Prognose, ob ein Widerruf des Abschiebungsverbots zu erwarten ist, zu entscheiden.


Ob danach alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG vorliegen, ist zunächst vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim zu prüfen.


BVerwG 1 C 18.04 - Urteil vom 22.11.2005


Urteil vom 22.11.2005 -
BVerwG 1 C 18.04ECLI:DE:BVerwG:2005:221105U1C18.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 22.11.2005 - 1 C 18.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:221105U1C18.04.0]

Urteil

BVerwG 1 C 18.04

  • VGH Mannheim - 21.06.2004 - AZ: VGH 11 S 770/04 -
  • VGH Baden-Württemberg - 21.06.2004 - AZ: VGH 11 S 770/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2005
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r ,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r , die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundesverwaltungs-
gericht Prof. Dr. D ö r i g
für Recht erkannt:

  1. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis bis zum 31. Dezember 2004 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. Oktober 2003 und das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Juni 2004 unwirksam.
  2. Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Der Kläger und die Beklagte tragen jeweils ein Achtel der Kosten des Revisionsverfahrens. Von den Kosten des bisherigen Verfahrens in erster und zweiter Instanz tragen der Kläger drei Zehntel und die Beklagte ein Zehntel. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

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