Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der Klä­ger wen­det sich da­ge­gen, dass die Stadt Re­gens­burg für ei­nen am Stadt­rand ge­le­ge­nen ge­mein­sa­men Fuß- und Rad­weg ei­ne Be­nut­zungs­pflicht für Rad­fah­rer an­ge­ord­net hat. Strei­tig ist, un­ter wel­chen recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­ne sol­che Rad­weg­be­nut­zungs­pflicht zu­läs­sig ist und ob die­se Vor­aus­set­zun­gen im vor­lie­gen­den Fall er­füllt sind.


Das Ver­wal­tungs­ge­richt Re­gens­burg hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen; die vom Klä­ger hier­ge­gen beim Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hof ein­ge­leg­te Be­ru­fung hat­te Er­folg.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 106/2010 vom 18.11.2010

Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht nur bei qua­li­fi­zier­ter Ge­fah­ren­la­ge zu­läs­sig

Ei­ne Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht darf nur an­ge­ord­net wer­den, wenn auf­grund der be­son­de­ren ört­li­chen Ver­hält­nis­se ei­ne Ge­fah­ren­la­ge be­steht, die das all­ge­mei­ne Ri­si­ko ei­ner Rechts­gut­be­ein­träch­ti­gung er­heb­lich über­steigt (§ 45 Abs. 9 Satz 2 der Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung - StVO). Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der Klä­ger wand­te sich da­ge­gen, dass die Stadt Re­gens­burg für ei­nen am Stadt­rand ge­le­ge­nen ge­mein­sa­men Fuß- und Rad­weg durch Auf­stel­len von Ver­kehrs­zei­chen ei­ne Be­nut­zungs­pflicht für Rad­fah­rer an­ge­ord­net hat­te. Er war der Auf­fas­sung, dass Rad­fah­rer auf den be­trof­fe­nen Stra­ßen­ab­schnit­ten auch dann nicht be­son­ders ge­fähr­det sei­en, wenn sie die Fahr­bahn be­nutz­ten. Dem hat die be­klag­te Stadt Re­gens­burg ent­ge­gen­ge­hal­ten, dass für die An­ord­nung ei­ner Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht die in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht gäl­ten; ab­ge­se­hen da­von ent­stün­den hier we­gen der ge­rin­gen Fahr­bahn­brei­te bei Über­hol­vor­gän­gen Ge­fah­ren für die Rad­fah­rer, auch weil sich die Kraft­fah­rer häu­fig nicht an die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit hiel­ten.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Auf­fas­sung der Vor­in­stanz be­stä­tigt, dass die Stra­ßen­ver­kehrs­be­hör­de ei­ne Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht durch Auf­stel­len der Zei­chen 237, 240 oder 241 nur dann an­ord­nen darf, wenn die Vor­aus­set­zun­gen von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO er­füllt sind. Er­for­der­lich ist da­nach ei­ne auf be­son­de­re ört­li­che Ver­hält­nis­se zu­rück­ge­hen­de qua­li­fi­zier­te Ge­fah­ren­la­ge; sie lag hier nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht vor.


BVer­wG 3 C 42.09 - Ur­teil vom 18.11.2010

Vor­in­stanz:

, - vom -


Ur­teil vom 18.11.2010 -
BVer­wG 3 C 42.09ECLI:DE:BVer­wG:2010:181110U3C42.09.0

Leit­satz:

Ei­ne Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht darf nur an­ge­ord­net wer­den, wenn auf­grund der be­son­de­ren ört­li­chen Ver­hält­nis­se ei­ne Ge­fah­ren­la­ge be­steht, die das all­ge­mei­ne Ri­si­ko ei­ner Rechts­gut­be­ein­träch­ti­gung er­heb­lich über­steigt (§ 45 Abs. 9 Satz 2 der Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung - StVO).

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 3 C 42.09

  • VGH Mün­chen - 11.08.2009 - AZ: VGH 11 B 08.186 -
  • Baye­ri­scher VGH Mün­chen - 11.08.2009 - AZ: VGH 11 B 08.186

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 3. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 18. No­vem­ber 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Kley und
die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Lieb­ler, Prof. Dr. Dr. h.c. Ren­nert, Buch­he­is­ter und Dr. Wysk
für Recht er­kannt:

  1. Die Re­vi­sio­nen der Be­klag­ten und der Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern ge­gen das Ur­teil des Baye­ri­schen Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs vom 11. Au­gust 2009 wer­den mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass die durch Zei­chen 240 be­kannt­ge­mach­ten ver­kehrs­recht­li­chen An­ord­nun­gen so­wie der Wi­der­spruchs­be­scheid der Re­gie­rung Ober­pfalz vom 24. Sep­tem­ber 2003 auf­ge­ho­ben wer­den, so­weit sie die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht re­geln.
  2. Die Be­klag­te und die Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern tra­gen die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens je zur Hälf­te.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger wen­det sich ge­gen die An­ord­nung ei­ner Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht.

2 Der in bei­de Fahrt­rich­tun­gen frei­ge­ge­be­ne Fuß- und Rad­weg, der die Orts­tei­le Graß, Leo­prech­ting und Oberis­ling der Be­klag­ten ver­bin­det, schlie­ßt süd­lich an die Brunn-, Lieb­hart- und Rau­ber­stra­ße an. Der Weg be­ginnt am öst­li­chen Orts­rand von Graß und geht von dort durch ein im We­sent­li­chen un­be­bau­tes Ge­biet; die­ser Ab­schnitt en­det kurz nach Be­ginn der ge­schlos­se­nen Orts­la­ge von Leo­prech­ting. Vom öst­li­chen Rand die­ses Orts­teils durch­quert der Weg ein eben­falls über­wie­gend un­be­bau­tes Ge­län­de und führt bis in die ge­schlos­se­ne Orts­la­ge von Oberis­ling. Die Orts­durch­fahr­ten sind als Tem­po-30-Zo­nen aus­ge­wie­sen; au­ßer­orts ist die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit auf 60 km/h be­schränkt.

3 Die Be­klag­te ord­ne­te am 8. Sep­tem­ber 1987 an, den Fuß- und Rad­weg zwi­schen Leo­prech­ting und Oberis­ling in bei­den Rich­tun­gen mit dem da­ma­li­gen Zei­chen 244 (Ge­mein­sa­mer Rad- und Fuß­weg; vgl. VkBl 1976 S. 767) nach der Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung (StVO) zu be­schil­dern; das er­folg­te am 18. Sep­tem­ber 1987. Am 13. De­zem­ber 2002 ord­ne­te sie an, den Fuß- und Rad­weg zwi­schen Graß und Leo­prech­ting in bei­den Rich­tun­gen mit den Zei­chen 240 (Ge­mein­sa­mer Fuß- und Rad­weg) so­wie den Zu­satz­zei­chen 1022-11 (Mo­fas frei) und 1000-31 (frei in bei­de Rich­tun­gen) zu be­schil­dern; die­se An­ord­nung wur­de am 18. De­zem­ber 2002 um­ge­setzt.

4 Der orts­an­säs­si­ge Klä­ger leg­te mit Schrei­ben vom 8. Ja­nu­ar 2003 Wi­der­spruch ge­gen die An­ord­nung der Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht zwi­schen Graß und Leo­prech­ting ein und be­an­trag­te, die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht zwi­schen Leo­prech­ting und Oberis­ling auf­zu­he­ben. Mit Schrei­ben vom 11. Ju­ni 2003 teil­te die Be­klag­te dem Klä­ger mit, sie kön­ne sei­nem Wi­der­spruch nicht ab­hel­fen. Die Fuß- und Rad­we­ge sei­en er­rich­tet wor­den, da bei ei­ner Fahr­bahn­brei­te von 5,50 m we­gen des dort statt­fin­den­den Schwer­last- und Om­ni­bus­ver­kehrs ei­ne Misch­nut­zung nicht län­ger ver­tret­bar ge­we­sen sei. Den Wi­der­spruch des Klä­gers wies die Re­gie­rung der Ober­pfalz hin­sicht­lich bei­der Stre­cken­ab­schnit­te zu­rück.

5 Sei­ne Kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt ab­ge­wie­sen. Die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht die­ne im In­ter­es­se der Si­cher­heit und Leich­tig­keit des Ver­kehrs der Tren­nung von mo­tor- und mus­kel­be­trie­be­nen Fahr­zeu­gen und da­mit der Ord­nung des Ver­kehrs. Die­ser Re­ge­lungs­zweck dür­fe nicht un­ter Hin­weis auf § 45 Abs. 9 StVO un­ter­lau­fen wer­den.

6 Auf die Be­ru­fung des Klä­gers hat der Baye­ri­sche Ver­wal­tungs­ge­richts­hof die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung mit Ur­teil vom 11. Au­gust 2009 ge­än­dert und die an­ge­grif­fe­nen Be­schei­de auf­ge­ho­ben. Zur Be­grün­dung wird aus­ge­führt: Die Kla­ge sei hin­sicht­lich bei­der Stre­cken­ab­schnit­te als An­fech­tungs­kla­ge zu­läs­sig. Die Be­klag­te ha­be in ih­rem Schrei­ben vom 11. Ju­ni 2003 auch den An­trag des Klä­gers auf Auf­he­bung der be­stands­kräf­ti­gen An­ord­nung vom 8. Sep­tem­ber 1987 ab­ge­lehnt und in­so­fern ei­nen Zweit­be­scheid er­las­sen. Die an­ge­ord­ne­te Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht sei rechts­wid­rig. Sie be­inhal­te ei­ne Be­schrän­kung des flie­ßen­den Ver­kehrs im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Die­se Re­ge­lung ge­he eben­so wie die Neu­fas­sung von § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO auf die Vier­und­zwan­zigs­te Ver­ord­nung zur Än­de­rung stra­ßen­ver­kehrs­recht­li­cher Vor­schrif­ten (im Fol­gen­den: 24. Än­de­rungs­ver­ord­nung) zu­rück; be­reits das wi­der­le­ge die An­nah­me, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nicht für Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflich­ten gel­te. Au­ßer­dem sei § 45 Abs. 9 StVO mitt­ler­wei­le zwei­mal ge­än­dert wor­den, um be­stimm­te ver­kehrs­recht­li­che An­ord­nun­gen von der An­wen­dung von Satz 2 aus­zu­neh­men; im Hin­blick auf die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht sei das nicht ge­sche­hen. Die Vor­aus­set­zun­gen von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO sei­en bei den hier in Re­de ste­hen­den Stre­cken­ab­schnit­ten nicht er­füllt. Die Fahr­bahn sei kur­ven­arm und über­sicht­lich; durch die an­ge­brach­te Be­leuch­tung sei­en die Sicht­ver­hält­nis­se auch nachts über­durch­schnitt­lich gut. Die Un­fall­zah­len zeig­ten, dass auch an­sons­ten kei­ne über­durch­schnitt­li­che Un­fall­ge­fahr für Rad­fah­rer be­stehe. Auch nach den von der For­schungs­stel­le für Stra­ßen- und Ver­kehrs­we­sen her­aus­ge­ge­be­nen „Emp­feh­lun­gen für Rad­ver­kehrs­an­la­gen“ (ERA 1995) kön­ne kei­ne be­son­de­re Ge­fah­ren­la­ge an­ge­nom­men wer­den. Da­nach soll­ten, wenn der Rad­ver­kehr au­ßer­halb be­bau­ter Ge­bie­te auf der Fahr­bahn ge­führt wer­de, die Ver­kehrs­stär­ke 2 500 Kfz/Tag und die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit in kur­ven­rei­chen Stre­cken 70 km/h nicht über­schrei­ten. Bei­des sei hier aber der Fall. Auch wenn ein nicht un­er­heb­li­cher Teil der Kraft­fah­rer die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit über­schrei­te, sei ei­ne Tren­nung der Ver­kehrs­ar­ten nicht an­ge­zeigt, da die Emp­feh­lung kur­ven­rei­che Stre­cken be­tref­fe. Eben­so we­nig sei­en die in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen in Be­zug auf die Stra­ßen­brei­te er­füllt. Zwar hei­ße es in den „Richt­li­ni­en für die An­la­ge von Stra­ßen - Teil: Quer­schnit­te“ (RAS-Q 96), dass ei­ne vom Kraft­fahr­zeug­ver­kehr ge­trenn­te Füh­rung der Rad­fah­rer und Fu­ß­gän­ger aus Grün­den der Ver­kehrs­si­cher­heit an­zu­stre­ben sei und dass an au­ßer­orts ge­le­ge­nen Stra­ßen der Fu­ß­gän­ger- und Rad­fah­rer­ver­kehr in der Re­gel auf ein­sei­tig an­ge­leg­ten ge­mein­sa­men Geh- und Rad­we­gen ge­führt wer­de. Doch hät­ten die Richt­li­ni­en kei­nen nor­ma­ti­ven Cha­rak­ter. Zu­dem rei­che die Fahr­bahn­brei­te von 5,50 m für die hier zu er­fül­len­de un­ter­ge­ord­ne­te Ver­kehrs­funk­ti­on aus. Die in der Richt­li­nie ge­nann­te Ver­kehrs­men­ge von täg­lich 3 000 Kraft­fahr­zeu­gen wer­de bei Wei­tem nicht er­reicht. Der deut­lich über dem in der Richt­li­nie an­ge­ge­be­nen Schwel­len­wert lie­gen­de Schwer­ver­kehr be­stehe hier im We­sent­li­chen aus den Bus­sen des öf­fent­li­chen Nah­ver­kehrs, de­ren Fah­rer sich ge­gen­über Rad­fah­rern in der Re­gel auf­merk­sam und rück­sichts­voll ver­hiel­ten. Kom­me kein an­de­res Fahr­zeug ent­ge­gen, kön­ne selbst ein Bus oder ein ähn­lich brei­tes an­de­res Fahr­zeug ei­nen aus­rei­chen­den Si­cher­heits­ab­stand beim Über­ho­len ei­nes Rad­fah­rers ein­hal­ten. Bei Ge­gen­ver­kehr müs­se ab­ge­war­tet wer­den, bis das ent­ge­gen­kom­men­de Fahr­zeug vor­bei­ge­fah­ren sei. Die Zahl der Rad­fah­rer und die Ver­kehrs­dich­te sei­en so ge­ring, dass das zu kei­nen nen­nens­wer­ten Er­schwer­nis­sen füh­re.

7 Ge­gen die­ses Ur­teil ha­ben die Be­klag­te und die Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern Re­vi­si­on ein­ge­legt.

8 Zu de­ren Be­grün­dung trägt die Be­klag­te vor: Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, die An­ord­nung ei­ner Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht sei an § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu mes­sen, ver­let­ze Bun­des­recht. Das Zei­chen 240 be­inhal­te we­der ei­ne Be­schrän­kung noch ein Ver­bot des flie­ßen­den Ver­kehrs im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Dar­un­ter fie­len nur Ver­kehrs- und Stre­cken­ver­bo­te ge­mäß § 41 Abs. 2 Nr. 6 und 7 StVO. Dem­ge­gen­über kenn­zeich­ne­ten die Zei­chen 237, 240 und 241 Son­der­we­ge und dien­ten der Ver­kehrs­füh­rung. Die Rad­fah­rer dürf­ten in der ein­ge­schla­ge­nen Rich­tung wei­ter­fah­ren, ih­nen wer­de da­bei nur die Nut­zung des Rad­we­ges ge­bo­ten. Dass sie die Fahr­bahn zu mei­den hät­ten, sei nur ei­ne mit­tel­ba­re Fol­ge die­ses Ge­bo­tes und kein Ver­bot. Aus den­sel­ben Grün­den sei auch § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht an­wend­bar. Recht­li­cher Maß­stab für ei­ne Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht sei da­her al­lein § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Des­sen Vor­aus­set­zun­gen sei­en er­füllt. Die An­ord­nung der Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht sei im Sin­ne die­ser Vor­schrift zwin­gend ge­bo­ten, da die all­ge­mei­nen und be­son­de­ren Ver­hal­tens­vor­schrif­ten der Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung die Rad­fah­rer nicht da­zu ver­pflich­te­ten, die für sie er­rich­te­ten Son­der­we­ge zu be­nut­zen. Ei­ne sol­che Be­nut­zungs­pflicht sei aber au­ßer­orts und auf stark be­fah­re­nen Vor­fahrt­stra­ßen auch in­ner­orts in al­ler Re­gel schon des­halb zwin­gend er­for­der­lich, weil Rad­fah­rer be­son­ders ge­ring ge­schütz­te Ver­kehrs­teil­neh­mer sei­en. Ab­ge­se­hen da­von lä­gen hier we­gen der ge­rin­gen Fahr­bahn­brei­te, der ver­brei­te­ten Über­schrei­tung der zu­läs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit und dem ho­hen Schwer­last­an­teil be­son­de­re Um­stän­de vor. Selbst bei An­wend­bar­keit von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO wä­re das Be­ru­fungs­ur­teil feh­ler­haft. Bei der Be­wer­tung der Ge­fah­ren­la­ge ha­be das Be­ru­fungs­ge­richt we­sent­li­chen Ak­ten­in­halt nicht be­rück­sich­tigt und da­mit den Grund­satz der frei­en Be­weis­wür­di­gung (§ 108 Abs. 1 Vw­GO) ver­letzt. Nach den Er­geb­nis­sen der Ver­kehrs­zäh­lun­gen ha­be die Mehr­zahl der Kraft­fah­rer die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit zum Teil be­trächt­lich über­schrit­ten

9 Auch die Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern hält § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO bei der An­ord­nung von Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflich­ten für nicht an­wend­bar. Recht­li­cher Maß­stab sei al­lein § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, der auch für die in­so­weit ver­gleich­ba­ren Um­lei­tun­gen gel­te. Im Sin­ne ei­nes in­ten­dier­ten Er­mes­sens spre­che viel da­für, ei­ne Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht im­mer schon dann an­zu­ord­nen, wenn ein Rad­weg vor­han­den sei, er den bau­li­chen An­for­de­run­gen ge­nü­ge und kei­ne un­ge­wöhn­lich nied­ri­ge Ge­fah­ren­schwel­le be­stehe.

10 Der Klä­ger tritt den Re­vi­sio­nen ent­ge­gen.

11 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ist in Über­ein­stim­mung mit dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung der Auf­fas­sung, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auf Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflich­ten an­wend­bar ist.

II

12 Die Re­vi­sio­nen sind un­be­grün­det; das Ur­teil des Be­ru­fungs­ge­richts steht im Ein­klang mit Bun­des­recht (§ 137 Abs. 1 Vw­GO). Nach­dem der Klä­ger in der münd­li­chen Ver­hand­lung klar­ge­stellt hat, dass sich sein Kla­ge­an­trag nur ge­gen die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht als sol­che rich­tet, al­so nicht auch ge­gen den wei­te­ren Re­ge­lungs­ge­halt des Zei­chens 240, ist die sei­ner Kla­ge statt­ge­ben­de Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts le­dig­lich um die Ma­ß­ga­be zu er­gän­zen, dass die durch das Zei­chen 240 be­kannt­ge­mach­ten ver­kehrs­recht­li­chen An­ord­nun­gen der Be­klag­ten und der Wi­der­spruchs­be­scheid nur auf­ge­ho­ben wer­den, so­weit sie die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht re­geln.

13 1. Nicht zu be­an­stan­den ist, dass das Be­ru­fungs­ge­richt die An­fech­tungs­kla­ge hin­sicht­lich bei­der Stre­cken­ab­schnit­te für zu­läs­sig ge­hal­ten hat. Das ist für die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht zwi­schen Graß und Leo­prech­ting un­pro­ble­ma­tisch, die auf ei­ne am 18. De­zem­ber 2002 durch Auf­stel­len des Zei­chens 240 um­ge­setz­te ver­kehrs­recht­li­che An­ord­nung zu­rück­geht; der Klä­ger hat in­so­weit frist­ge­recht (An­fech­tungs-)Wi­der­spruch ein­ge­legt. Da­ge­gen be­ruht die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht zwi­schen Leo­prech­ting und Oberis­ling auf ei­ner schon am 18. Sep­tem­ber 1987 an­ge­brach­ten Be­schil­de­rung. Die­se Re­ge­lung wur­de dem Klä­ger ge­gen­über un­strei­tig be­stands­kräf­tig. Doch wur­de ihm auch in­so­fern die Mög­lich­keit ei­ner An­fech­tungs­kla­ge je­den­falls da­durch wie­der er­öff­net, dass die Wi­der­spruchs­be­hör­de über sein Über­prü­fungs- und Auf­he­bungs­be­geh­ren in der Sa­che ent­schie­den hat, oh­ne sich auf die Be­stands­kraft der Re­ge­lung zu be­ru­fen (vgl. et­wa Ur­teil vom 27. Fe­bru­ar 1963 - BVer­wG 5 C 105.61 - BVer­w­GE 15, 306 <310 f.> = Buch­holz 436.0 § 122 BSHG Nr. 1 S. 4 m.w.N.).

14 2. Ver­kehrs­be­zo­ge­ne Ge- und Ver­bo­te in Form von Ver­kehrs­zei­chen - zu de­nen auch das hier in Re­de ste­hen­de Zei­chen 240 ge­hört - sind re­gel­mä­ßig den Dau­er­ver­wal­tungs­ak­ten zu­zu­rech­nen (stRspr, vgl. u.a. Ur­teil vom 21. Au­gust 2003 - BVer­wG 3 C 15.03 - Buch­holz 310 § 42 Abs. 2 Vw­GO Nr. 19 m.w.N.). Ma­ß­geb­lich für den Er­folg ei­ner An­fech­tungs­kla­ge ist da­her re­gel­mä­ßig die Sach- und Rechts­la­ge zum Zeit­punkt der letz­ten tat­sa­chen­ge­richt­li­chen Ver­hand­lung (stRspr; vgl. für ver­kehrs­be­schrän­ken­de An­ord­nun­gen u.a. Ur­tei­le vom 27. Ja­nu­ar 1993 - BVer­wG 11 C 35.92 - BVer­w­GE 92, 32 <35 f.> = Buch­holz 442.151 § 45 StVO Nr. 24 S. 13 f. und vom 14. De­zem­ber 1994 - BVer­wG 11 C 25.93 - BVer­w­GE 97, 214 <220> = Buch­holz 442.151 § 45 StVO Nr. 31 S. 18, vom 21. Au­gust 2003 a.a.O. so­wie zu­letzt vom 23. Sep­tem­ber 2010 - BVer­wG 3 C 32 und 37.09 - bis­lang n.v.), hier al­so der 11. Au­gust 2009.

15 Da­nach er­gibt sich der recht­li­che Maß­stab für die Recht­mä­ßig­keit der an­ge­foch­te­nen Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflich­ten aus der Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung in der Fas­sung der Fünf­und­vier­zigs­ten Ver­ord­nung zur Än­de­rung stra­ßen­ver­kehrs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 26. März 2009 (BGBl I S. 734). Da­ge­gen ist, an­ders als die Re­vi­si­ons­füh­rer mei­nen, die Sechs­und­vier­zigs­te Ver­ord­nung zur Än­de­rung stra­ßen­ver­kehrs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 5. Au­gust 2009 (BGBl I S. 2631) schon des­halb nicht an­wend­bar, weil sie nach ih­rem Art. 9 erst zum 1. Sep­tem­ber 2009 in Kraft tre­ten soll­te. Da­hin­ste­hen kann da­her, ob die­se Än­de­rungs­ver­ord­nung oh­ne­hin kei­ne An­wen­dung fin­den könn­te, weil sie - wie der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses in Über­ein­stim­mung mit dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um des In­nern und dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ver­kehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung vor­ge­tra­gen hat - we­gen ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen das Zi­tier­ge­bot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ins­ge­samt nich­tig sei.

16 3. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat an­ge­nom­men, dass ei­ne durch Zei­chen 240 ver­laut­bar­te Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht an den in § 45 Abs. 9 Satz 2 und § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen zu mes­sen ist. Das steht im Ein­klang mit Bun­des­recht.

17 Ge­mäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dür­fen - ab­ge­se­hen von hier nicht ein­schlä­gi­gen Aus­nah­men - ins­be­son­de­re Be­schrän­kun­gen und Ver­bo­te des flie­ßen­den Ver­kehrs nur an­ge­ord­net wer­den, wenn auf Grund der be­son­de­ren ört­li­chen Ver­hält­nis­se ei­ne Ge­fah­ren­la­ge be­steht, die das all­ge­mei­ne Ri­si­ko ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der in den vor­ste­hen­den Ab­sät­zen ge­nann­ten Rechts­gü­ter - al­so et­wa der Si­cher­heit und Ord­nung des Ver­kehrs - er­heb­lich über­steigt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, der durch die An­fü­gung von § 45 Abs. 9 StVO zwar mo­di­fi­ziert und er­gänzt, nicht aber er­setzt wor­den ist (vgl. Ur­teil vom 5. April 2001 - BVer­wG 3 C 23.00 - Buch­holz 442.151 § 45 StVO Nr. 41), kön­nen die Stra­ßen­ver­kehrs­be­hör­den die Be­nut­zung be­stimm­ter Stra­ßen oder Stra­ßen­stre­cken aus Grün­den der Si­cher­heit oder Ord­nung des Ver­kehrs be­schrän­ken oder ver­bie­ten.

18 Die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht nach Zei­chen 240 (Ge­mein­sa­mer Fuß- und Rad­weg) ist - eben­so wie bei Zei­chen 237 (Rad­fah­rer) und Zei­chen 241 (Ge­trenn­ter Rad- und Fuß­weg) - ei­ne Be­schrän­kung des flie­ßen­den Ver­kehrs im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und ei­ne Be­schrän­kung der Be­nut­zung der Stra­ße im Sin­ne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Die­se Zei­chen be­deu­ten nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a StVO, dass Rad­fah­rer die für sie be­stimm­ten Son­der­we­ge nut­zen müs­sen. Dem ent­spricht § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO; da­nach müs­sen Rad­fah­rer Rad­we­ge be­nut­zen, wenn die je­wei­li­ge Fahrt­rich­tung mit Zei­chen 237, 240 oder 241 ge­kenn­zeich­net ist. Kehr­sei­te die­ses Nut­zungs­ge­bo­tes ist das Ver­bot für Rad­fah­rer, auf den so ge­kenn­zeich­ne­ten Stre­cken die Fahr­bahn zu be­nut­zen. Ob die­ses Ver­bot - wie die Re­vi­si­ons­füh­rer mei­nen - nur mit­tel­ba­re Fol­ge oder Re­flex des Ge­bo­tes ist, wirkt sich auf die recht­li­che Ein­ord­nung des Ver­kehrs­zei­chens nicht aus. Ent­schei­dend ist viel­mehr die re­gle­men­tie­ren­de Wir­kung für den Fahr­rad­ver­kehr. Das Ver­kehrs­zei­chen be­grün­det zwar kein Ver­bot der Be­nut­zung der Stra­ße (zu der auch Rad­we­ge zäh­len), wohl aber ei­nen Aus­schluss der Fahr­rad­fah­rer von der Be­nut­zung der Fahr­bahn und da­mit ei­ne Be­schrän­kung in Be­zug auf die all­ge­mei­ne Ver­kehrs­re­gel, dass Fahr­zeu­ge ein­schlie­ß­lich Fahr­rä­der die Fahr­bahn be­nut­zen (§ 2 Abs. 1 StVO).

19 Dass die ei­ne Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht ver­laut­ba­ren­den Zei­chen 237, 240 und 241 in § 41 Abs. 2 StVO nicht un­ter den „Ver­kehrs­ver­bo­ten“ nach des­sen Num­mer 6 oder un­ter den „Stre­cken­ver­bo­ten“ nach des­sen Num­mer 7, son­dern ge­son­dert un­ter Num­mer 5 als Re­ge­lung von Son­der­we­gen auf­ge­führt wer­den, be­legt kei­nes­wegs, dass es sich da­bei nicht um Be­schrän­kun­gen oder Ver­bo­te des Ver­kehrs im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 und § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO han­delt. Denn dort wird auf die re­gle­men­tie­ren­de Wir­kung der Ver­kehrs­re­ge­lung ab­ge­stellt, nicht aber auf die in­ner­halb von § 41 StVO vor­ge­nom­me­ne Ein­ord­nung. Hät­te der Ver­ord­nungs­ge­ber die An­wen­dung von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO - wie die Re­vi­si­ons­füh­rer mei­nen - auf Ver­kehrs­ver­bo­te und Stre­cken­ver­bo­te im Sin­ne von § 41 Abs. 2 Nr. 6 und 7 StVO be­gren­zen wol­len, hät­te er die­se Be­grif­fe in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO über­neh­men kön­nen; statt­des­sen hat er dort je­doch ei­ne all­ge­mei­ne­re For­mu­lie­rung ver­wen­det.

20 Auch sonst er­ge­ben sich aus den Ma­te­ria­li­en zur Ent­ste­hung von § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, die bei­de auf die 24. Ver­ord­nung zur Än­de­rung stra­ßen­ver­kehrs­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 7. Au­gust 1997 (BGBl I S. 2028, ber. BGBl I 1998 S. 515) zu­rück­ge­hen, kei­ne Hin­wei­se dar­auf, dass der Ver­ord­nungs­ge­ber § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nicht auf Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflich­ten an­ge­wen­det wis­sen woll­te. Al­lein aus dem Um­stand, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auf ei­ne Bun­des­rats­in­itia­ti­ve zu­rück­geht, wo­ge­gen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO be­reits im ur­sprüng­li­chen Ver­ord­nungs­ent­wurf ent­hal­ten war (vgl. BR­Drucks 374/97 S. 1 und 374/1/97 S.10), kann das nicht her­ge­lei­tet wer­den. Bei­de Re­ge­lun­gen zie­len dar­auf ab, die Ei­gen­ver­ant­wor­tung der Ver­kehrs­teil­neh­mer zu stär­ken, § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO durch stren­ge­re An­for­de­run­gen an den Ein­satz von Ver­kehrs­zei­chen zum Zweck von Be­schrän­kun­gen und Ver­bo­ten des flie­ßen­den Ver­kehrs und § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO durch ei­ne Be­gren­zung der Be­nut­zungs­pflicht von Rad­we­gen.

21 Ge­gen die An­nah­me der Re­vi­si­ons­füh­rer spricht zu­dem, dass der Ver­ord­nungs­ge­ber nach dem In­kraft­tre­ten der 24. Än­de­rungs­ver­ord­nung aus­drück­lich zwei Aus­nah­men von der An­wen­dung von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vor­ge­se­hen hat, näm­lich bei der An­ord­nung von Tem­po-30-Zo­nen und von Zo­nen-Ge­schwin­dig­keits­be­gren­zun­gen so­wie für Be­schrän­kun­gen und Ver­bo­te zur Un­ter­bin­dung von Maut­aus­weich­ver­kehr. Da­ge­gen hat er auf ei­ne sol­che Aus­nah­me­re­ge­lung für die An­ord­nung von Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflich­ten ver­zich­tet, ob­wohl in der Recht­spre­chung der In­stanz­ge­rich­te § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO schon seit län­ge­rem ver­brei­tet für an­wend­bar ge­hal­ten wird.

22 Aus al­le­dem folgt zu­gleich, dass die An­nah­me der Lan­des­an­walt­schaft Bay­ern nicht zu­trifft, Rad­fah­rer sei­en stets auf ei­nen Rad­weg zu ver­wei­sen, wenn er vor­han­den sei, den bau­li­chen An­for­de­run­gen nach der All­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­vor­schrift zu § 2 Abs. 4 StVO ge­nü­ge und kei­ne im Ein­zel­fall un­ge­wöhn­lich nied­ri­ge Ge­fah­ren­schwel­le be­stehe.

23 Ist § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO an­wend­bar, schei­det da­mit zu­gleich § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO als Rechts­grund­la­ge für die An­ord­nung ei­ner Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht aus. Als in Be­zug auf Be­schrän­kun­gen und Ver­bo­te des flie­ßen­den Ver­kehrs spe­zi­el­le­re Re­ge­lung kon­kre­ti­siert und ver­drängt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in sei­nem An­wen­dungs­be­reich die all­ge­mei­ne Re­ge­lung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (vgl. Ur­tei­le vom 23. Sep­tem­ber 2010).

24 4. Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, dass bei den bei­den strei­ti­gen Stre­cken­ab­schnit­ten die nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für die An­ord­nung ei­ner Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht er­for­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nicht vor­lie­gen, ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den.

25 a) § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Ver­bo­te und Be­schrän­kun­gen des flie­ßen­den Ver­kehrs ei­ne Ge­fah­ren­la­ge vor­aus, die - ers­tens - auf be­son­de­re ört­li­che Ver­hält­nis­se zu­rück­zu­füh­ren ist und - zwei­tens - das all­ge­mei­ne Ri­si­ko ei­ner Be­ein­träch­ti­gung der re­le­van­ten Rechts­gü­ter (hier ins­be­son­de­re: Le­ben und Ge­sund­heit von Ver­kehrs­teil­neh­mern so­wie öf­fent­li­ches und pri­va­tes Sach­ei­gen­tum) er­heb­lich über­steigt (vgl. Ur­tei­le vom 5. April 2001 a.a.O. und vom 23. Sep­tem­ber 2010). In sol­chen Fäl­len dient die Tren­nung von mo­tor- und mus­kel­be­trie­be­nen Fahr­zeu­gen der Si­cher­heit und Leich­tig­keit des Ver­kehrs (vgl. Be­schluss vom 31. Mai 2001 - BVer­wG 3 B 183.00 - Buch­holz 442.151 § 2 StVO Nr. 2).

26 b) Be­son­de­re ört­li­che Ver­hält­nis­se im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO kön­nen - wie der Se­nat im Zu­sam­men­hang mit Ge­schwin­dig­keits­be­schrän­kun­gen und Lkw-Über­hol­ver­bo­ten be­reits ent­schie­den hat - bei ver­kehrs­be­hörd­li­chen Maß­nah­men ins­be­son­de­re in der Stre­cken­füh­rung, dem Aus­bau­zu­stand der Stre­cke, wit­te­rungs­be­ding­ten Ein­flüs­sen (z.B. Ne­bel, Schnee- und Eis­glät­te), der dort an­zu­tref­fen­den Ver­kehrs­be­las­tung und den dar­aus re­sul­tie­ren­den Un­fall­zah­len be­grün­det sein (vgl. zu­letzt Ur­tei­le vom 23. Sep­tem­ber 2010). Die­se Grund­sät­ze sind auch in Be­zug auf die An­ord­nung ei­ner Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht an­wend­bar. Dass auch hier für die Be­ur­tei­lung ein gan­zes Bün­del von Fak­to­ren von Be­deu­tung ist, be­stä­tigt die All­ge­mei­ne Ver­wal­tungs­vor­schrift zur Stra­ßen­ver­kehrs-Ord­nung (VwV-StVO). Da­nach kommt die An­la­ge von Rad­we­gen im All­ge­mei­nen dort in Be­tracht, wo es die Ver­kehrs­si­cher­heit, die Ver­kehrs­be­las­tung und der Ver­kehrs­ab­lauf er­for­dern (vgl. VkBl 1997 S. 691).

27 Ei­ne auf be­son­de­re ört­li­che Ver­hält­nis­se zu­rück­ge­hen­de qua­li­fi­zier­te Ge­fah­ren­la­ge liegt hier nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht vor. Da­nach er­gibt sich aus dem Stra­ßen­ver­lauf we­gen der Über­sicht­lich­keit und gu­ten Aus­leuch­tung kein be­son­de­res Ge­fähr­dungs­po­ten­zi­al für Rad­fah­rer. Ei­ne qua­li­fi­zier­te Ge­fah­ren­la­ge im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nimmt der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof auch des­halb nicht an, weil es auf den strei­ti­gen Stre­cken­ab­schnit­ten in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2003 bis zum 31. Ok­to­ber 2004 zu kei­nem Un­fall mit Be­tei­li­gung ei­nes Rad­fah­rers ge­kom­men und auch zwi­schen dem 1. No­vem­ber 2004 bis zum 30. Ju­ni 2009 kein Un­fall auf der Fahr­bahn ge­mel­det wor­den sei. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat da­bei be­rück­sich­tigt, dass wäh­rend die­ser Zeit­räu­me die Rad­we­ge­be­nut­zungs­pflicht zwar schon galt, gleich­wohl aber ein nicht un­er­heb­li­cher Teil der Rad­fah­rer wei­ter­hin die Fahr­bahn be­nutz­te; so­mit konn­te es da­von aus­ge­hen, dass dem Aus­blei­ben von Un­fäl­len durch­aus Aus­sa­ge­kraft zu­kommt. Ei­ne be­son­de­re Ge­fähr­dungs­la­ge im Hin­blick auf den Aus­bau­zu­stand der Stra­ße und die dor­ti­ge Ver­kehrs­be­las­tung hat das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter Be­zug­nah­me auf die „Emp­feh­lun­gen für Rad­ver­kehrs­an­la­gen“ und die „Richt­li­ni­en für die An­la­ge von Stra­ßen“ eben­falls ver­neint.

28 c) An die­se tat­säch­li­che Wür­di­gung der Ge­fah­ren­la­ge ist der Se­nat ge­bun­den, nach­dem die Be­klag­te kei­ne durch­grei­fen­den Ver­fah­rens­rü­gen er­ho­ben hat (§ 137 Abs. 2 Vw­GO). Ih­re Rü­ge, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be den Grund­satz der frei­en Be­weis­wür­di­gung (§ 108 Abs. 1 Vw­GO) ver­letzt, ist un­be­grün­det.

29 Die Be­klag­te stützt die­sen Ein­wand zum ei­nen dar­auf, dass der Um­fang der auf den Stre­cken­ab­schnit­ten fest­ge­stell­ten Über­schrei­tun­gen der zu­läs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit un­be­ach­tet ge­blie­ben sei. Doch geht auch das Be­ru­fungs­ge­richt von zahl­rei­chen Ge­schwin­dig­keits­über­schrei­tun­gen aus (vgl. UA S. 36); gleich­wohl sieht es al­lein in über­höh­ter Ge­schwin­dig­keit noch kei­ne qua­li­fi­zier­te Ge­fah­ren­la­ge im Sin­ne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO be­grün­det, weil da­mit noch kei­ne Ge­fähr­dung von Rad­fah­rern durch Über­ho­len mit zu ge­rin­gem Sei­ten­ab­stand oder zu knap­pem Ein­sche­ren dar­ge­tan sei, zu­mal bei der ge­rin­gen Ver­kehrs­dich­te. Ein Ver­stoß ge­gen all­ge­mei­ne Be­weis­wür­di­gungs­grund­sät­ze liegt dar­in nicht; viel­mehr be­stä­ti­gen die Un­fall­zah­len die tat­säch­li­che Ein­schät­zung.

30 Eben­so we­nig greift ih­re Rü­ge, ein Ver­stoß ge­gen § 108 Abs. 1 Vw­GO lie­ge in der An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, Om­ni­bus­fah­rer ver­hiel­ten sich ge­gen­über Rad­fah­rern be­son­ders rück­sichts­voll. Die­se Rü­ge ist nicht schlüs­sig. Selbst wenn die zu­läs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit auch von Nah­ver­kehrs­bus­sen über­schrit­ten wor­den sein soll­te, folgt dar­aus noch kei­ne Ge­fähr­dung von Rad­fah­rern. Ab­ge­se­hen da­von han­delt es sich um ei­ne tat­säch­li­che Ein­schät­zung des Be­ru­fungs­ge­richts, der ge­gen­über sich die Be­klag­te nur auf ei­nen Ver­stoß ge­gen all­ge­mei­ne Be­weis­wür­di­gungs­grund­sät­ze und Denk­ge­set­ze be­ru­fen kann. Ei­nen sol­chen Ver­stoß hat sie nicht dar­ge­tan.

31 Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 1 Vw­GO i.V.m. § 100 ZPO.