Beschluss vom 13.01.2009 -
BVerwG 2 WD 5.08ECLI:DE:BVerwG:2009:130109B2WD5.08.0
Beschluss
BVerwG 2 WD 5.08
- Truppendienstgericht Süd 6. Kammer - 04.12.2007 - AZ: TDG S 6 VL 06/07
In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 13. Januar 2009 beschlossen:
- Auf die Berufung des Soldaten wird das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 4. Dezember 2007 aufgehoben.
- Die Sache wird zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zurückverwiesen.
- Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens und die Erstattung der dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Der 29 Jahre alte Soldat trat am 1. Juli 2002 in die Bundeswehr ein. Mit Wirkung vom 1. Dezember 2002 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zunächst auf vier und später auf acht Jahre festgesetzt. Sie wird voraussichtlich mit Ablauf des 30. Juni 2010 enden.
2 Der Soldat wurde zuletzt mit Wirkung vom 1. März 2003 zum Stabsunteroffizier mit gleichzeitigem Wechsel in die Laufbahn Allgemeiner Fachdienst befördert. Als Angehöriger der 1./...bataillon ... in D. ist er als Personalunteroffizier in der S 1-Abteilung des Bataillonsstabes eingesetzt.
II
3
In dem ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wird dem Soldaten mit der ihm am 29. März 2007 zugestellten Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Heeresführungskommandos vom 16. März 2007 folgender Sachverhalt als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„1. Der Soldat fasste in einer nicht näher bestimmbaren Nacht im November 2004 in der von ihm genutzten Stube in der F.-Kaserne in D. den damaligen Gefreiten ... D., der zu dieser Zeit ebenfalls der 1./...bataillon ... angehörte, an dessen Penis und legte auch dessen Hand auf seinen Penis, wobei er zumindest hätte erkennen können und müssen, dass der damalige Gefreite D. hiermit nicht einverstanden war.
2. Der Soldat berührte an mehreren, nicht mehr näher feststellbaren Abenden im Januar 2005 in der F.-Kaserne in D. ohne dienstlichen Anlass den damaligen Gefreiten ... D., kitzelte ihn und kraulte ihm den Nacken, wobei er zumindest hätte erkennen können und müssen, dass der damalige Gefreite D. mit diesen körperlichen Berührungen nicht einverstanden war.
3. Der Soldat kitzelte an nicht mehr näher feststellbaren Tagen Ende Januar 2005 in der F.-Kaserne in D. wiederholt den damaligen Obergefreiten ... B., der zu dieser Zeit ebenfalls der 1./...bataillon ... angehörte, und fasste diesen mehrfach ohne dienstlichen Grund im Hüftbereich an, wobei er zumindest hätte erkennen können und müssen, dass dieser mit diesen körperlichen Berührungen nicht einverstanden war.
4. Der Soldat fasste an nicht mehr näher feststellbaren Tagen Ende Januar und im Februar 2005 in der F.-Kaserne in D. den damaligen Gefreiten ... K., der zu dieser Zeit ebenfalls der 1./...bataillon ... angehörte, mehrfach unter dem Vorwand einer Rasurkontrolle ins Gesicht, kitzelte ihn darüber hinaus und öffnete mehrfach die Knöpfe seiner Uniformjacke mit der Bemerkung: ‚Was ist denn das für ein Anzug?’, wobei ein dienstlicher Grund hierfür tatsächlich nicht vorlag und er zumindest hätte erkennen können und müssen, dass der damalige Gefreite K. mit diesen Berührungen nicht einverstanden war.
5. Der Soldat forderte am 13.02.2005 gegen 01.00 Uhr in seiner Wohnung, ...ring ..., ... D., den damaligen Gefreiten ... K., mehrfach auf, mit ihm zusammen in seinem Bett zu schlafen, wobei er zumindest hätte wissen können und müssen, dass dies nicht dem Willen des damaligen Gefreiten K. entsprach und dies bei ihm den Anschein eines sexuell motivierten Annäherungsversuches erwecken konnte, was es auch tat.
6. Der Soldat fasste am 20.02.2005 im Munitionslager I. während des Wachdienstes als Wachhabender den damaligen Gefreiten ... K. mit den Worten: ‚Soll ich Sie ärgern?’ im Brust- und Hüftbereich an, während dieser als Wachsoldat mit einem Gewehr im Anschlag die Überprüfung eines aus der Kaserne fahrenden Fahrzeuges sicherte, wobei er zumindest hätte erkennen können und müssen, dass dies gegen den Willen des damaligen Gefreiten K. geschah.
Durch sein Verhalten hat der Soldat die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt,
der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen (Anschuldigungspunkt 6.),
für seine Untergebenen zu sorgen (Anschuldigungspunkte 1. - 6.),
die Rechte seiner Kameraden zu achten (Anschuldigungspunkte 1. - 6.),
dem Ansehen der Bundeswehr und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordert (Anschuldigungspunkte 1. - 4. und 6.)
sowie sich außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (Anschuldigungspunkt 5.),
wobei er jeweils als Vorgesetzter in Haltung und Pflichterfüllung ein schlechtes Beispiel gegeben hat.
Dienstvergehen nach § 23 Abs. 1 Soldatengesetzt (SG) in Verbindung mit § 7, § 10 Abs. 3, § 12 Satz 2, § 17 Abs. 2 Satz 1, Alternative 1 und 2, § 17 Abs. 2 Satz 2, Alternative 1 und 2 SG unter den erschwerenden Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SG.“
4
Mit dem angefochtenen Urteil vom 4. Dezember 2007 hat die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd den Soldaten wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten herabgesetzt. In tatsächlicher Hinsicht hat sie den dem Soldaten im verfügenden Teil der Anschuldigungsschrift vorgeworfenen Sachverhalt festgestellt und ergänzend folgende tatsächlichen Feststellungen getroffen:
„Von Oktober 2004 bis zu seinem Dienstzeitende am 31.12.2005 versah der HG d.R. D. Dienst in der 1./...bataillon ... in I. Er lernte den Soldaten an einem Abend im November 2004 in der Diskothek ‚...’ in D. kennen, wo er sich mit zwei weiteren Soldaten aus der Grundausbildung aufhielt. Zwischen 02.00 Uhr und 03.00 Uhr hielt sich nur noch D. und der Soldat in der Diskothek auf, während D.’s Kameraden bereits in die Kaserne zurückgekehrt waren. Der Soldat forderte D., der sich noch mit der jungen Frau abgab, auf, mit ihm zusammen in die Kaserne zurückzukehren. Dort angekommen überredete er den Zeugen D., er solle doch mit auf die Stube des Soldaten kommen in der sich zwei Betten befänden, um dort zu übernachten, weil die Stube des Zeugen D. zu weit entfernt sei. Aus Fürsorgegründen müsse er sogar befehlen, dass der Zeuge D. nicht alleine zu seinem Unterkunftsgebäude gehe, sondern mit auf seine Stube komme. Die Stube des Soldaten befand sich einige hundert Meter näher zum Eingang der Kaserne. Nachdem D. dem Soldaten gefolgt war, legte er sich zunächst in das unüberzogene Bett, worauf der Soldat ihn aufforderte, er solle sich doch in das überzogene Bett legen. Der lediglich mit Boxershorts bekleidete Zeuge D. wunderte sich zwar, legte sich jedoch daraufhin in das überzogene Bett und döste ein. Kurze Zeit später bemerkte er, wie sich der Soldat, ebenfalls nur mit Boxershorts bekleidet, zu ihm in das überzogene Bett legte. Der Zeuge wachte davon auf, als der Soldat den Penis des Zeugen innerhalb der Boxershort in die Hand nahm. Der Zeuge war geschockt, ließ es jedoch zu, dass der Soldat seine Hand ergriff und sie in die eigene Hose steckte. Der Zeuge drehte sich wenig später weg und stellte sich schlafend, wobei beide Hände nicht mehr in den jeweiligen Hosen waren. Er konnte nicht einschlafen und wollte den Soldaten im Glauben lassen, er habe die Zudringlichkeiten nicht gemerkt. Am Morgen verließ er die Stube und begab sich in seine Einheit. Innerhalb der ersten zwei Tage musste er erst zu sich selbst finden und erzählte niemandem von dem Vorfall. Der Soldat war irgendwie netter zu ihm. In der Folgezeit fühlte er sich durch das Verhalten des Soldaten jedoch nur noch genervt. Dieser kam öfter zu ihm auf die Mannschaftsstube, setzte sich neben ihn auf das Sofa, auch wenn es andere leere Sitzgelegenheiten gab, betatschte ihn am Nacken, kraulte und kitzelte ihn. Der Zeuge haute ihm auf den Schenkel, weil es ihm einfach zu viel wurde. Danach ließ er den Soldaten in Form einer SMS auf seinem Handy wissen, dass er noch alles vom Verlauf dieser Nacht wisse, worauf der Soldat ihn in der Folgezeit in Ruhe ließ und ihn nun auch wieder siezte. Als er am Sonntagabend in die Kaserne zurückkam, hatte der Soldat UvD. Er befahl dem Zeugen, seine Haare unverzüglich schneiden zu lassen. Dieser schnitt sich die Haare und ging danach duschen. Der Soldat kam in den Duschraum nach und machte das Licht mehrfach aus und wieder an. Dann nahm er die Kleidung des Zeugen weg, der jedoch einfach weiterduschte. Nach geraumer Zeit brachte der Soldat die Kleider wieder zurück. Nach dem Vorfall in der Nacht machte er dem Zeugen Geschenke, u.a. Süßigkeiten, Feuerzeug, Wecker und ein Computerspiel. Außer den Süßigkeiten lehnte der Zeuge alles ab, was der Soldat jedoch ignorierte, so dass aus Sicht des Zeugen ihm nichts anderes übrig blieb, als die Gegenstände zu behalten. Auch seinen Kameraden auf der Stube sei das Verhalten des Soldaten aufgefallen. Der Soldat habe es auch wohl bei dem Kameraden B. probiert, was er, der Zeuge, jedoch nur am Rande mitbekam.
Der Zeuge, OG d.R. B., leistete vom 01.07.2004 bis 31.03 .2004 Grundwehrdienst, nach der allgemeinen Grundausbildung in der 1./...bataillon ... Als an einem Sonntagnachmittag im Jahr 2004 ein Kamerad nicht zu einem eingeteilten Dienst erschien, rief der Soldat den Zeugen an, damit er den Vertretungsfall übernehme. Es ergab sich zunächst ein freundlicher Kontakt zwischen den beiden. Es folgte der Austausch von SMS per Handy. Nach und nach wurde der Soldat dem Mannschaftsdienstgrad zu intim. Er fragte den Zeugen, was er auf der US-Wache in Da. machen würde. Der Soldat machte anzügliche Bemerkungen wegen des Kontakts zu den Frauen der im Auslandseinsatz befindlichen US-Soldaten. Als der Zeuge zur Übernahme des Vertretungsdienstes am Sonntagabend in die Kaserne kam, trug er den Flecktarnanzug und meldete sich bei dem Soldaten, der im UvD-Zimmer saß. Während sich der Zeuge mit anderen Mannschaftsdienstgraden unterhielt, reihte sich der Soldat in das Gespräch ein und fing an, Knöpfe und Taschen an der Feldbluse und Feldhose des Zeugen zu öffnen. Er fragte ihn, was das sei. Der Zeuge fühlte sich zwar nicht gedemütigt, fand es aber nicht nett. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass er kitzelig war. Er empfand die Art des Soldaten, in dem er einen Vorgesetzten sah, als belästigend und problematisch. Zu einer energischen Gegenwehr oder Klarstellung kam es nicht.
Der Zeuge, StUffz K., wurde am 01.04.2004 in P. einberufen. Er suchte eine Stelle in D., weil dieses näher an seinem Heimatort im Schwarzwald lag und er sehr unter der Trennung von seiner Freundin litt, zu der er eine innige Beziehung hatte. Er erkundigte sich telefonisch bei dem Soldaten, der als Sachbearbeiter in der S 1-Abteilung seines Verbandes tatsächlich die Versetzung nach D. möglich machte. Es ergaben sich, vom Soldaten initiiert, SMS-Kontakte per Handy. Die Handynummer stellte der Soldat fest, indem er die Liste der Erreichbarkeit der Kompanieangehörigen einsah. Es kam dazu, dass der Soldat dem Zeugen Taschen am Anzug öffnete und ihm befahl, diese wieder zuzumachen. Er kontrollierte die Rasur des Zeugen, indem er sich dem Zeugen auf eine sehr geringe Entfernung näherte. Auf eine Anfrage des Soldaten, wie es dem Zeugen ginge, teilte dieser ihm mit, dass sein Auto kaputt sei und er zum Dienstbeginn mit dem Zug nach D. kommen werde. Der Soldat kündigte an, er werde den Zeugen selbst mit seinem Auto abholen. Als der Zeuge darauf verwies, dass er doch mit dem Zug kommen könne, beharrte der Soldat mit der Formulierung, das könne ‚auch befohlen werden’ auf der persönlichen Abholung. Er holte ihn in seinem Heimatort M. ab, nachdem er ihm zuvor seine Ankunftszeit mitgeteilt hatte sowie ihm eröffnet hatte, er solle mehr Kleidung mitnehmen, weil er am nächsten Wochenende nicht nach Hause fahren dürfe. Gegen 24.00 Uhr erreichten beide schließlich D.. Der Soldat sagte, der Zeuge solle mit ihm in seine Wohnung kommen, um seine bereits in der Kaserne schlafenden Kameraden nicht zu stören. In der aus zwei Zimmern bestehenden Wohnung angekommen, wies er auf sein Bett und sagte, der Obergefreite solle darin schlafen. Dieser wusste nicht, wie er reagieren solle. Er war extrem befremdet und ängstlich, verließ jedoch den Raum und ging in das andere Zimmer, wo er sich einschloss. Am Montagmorgen tat er so, als ob nichts gewesen wäre.
In der Folgezeit legte der Soldat dem Obergefreiten ohne weitere Anfrage drei Tauschzettel zum Unterschreiben vor, wodurch er die Wache von drei anderen Kameraden am nächsten Wochenende übernahm. Während der Wache am nächsten Wochenende belästigte der Soldat den Zeugen, indem er permanent seine Nähe suchte. Bei der zweiten Wache fragte der Soldat, der Wachhabender war, während eines Sicherungsvorgangs bei der Ausfahrt eines Fahrzeuges aus der Kaserne: ‚Soll ich Sie ärgern?’ und fasste den Zeugen, der wegen der Beengtheit der Schutzwehr nicht zurücktreten konnte, am Oberkörper an. Der Zeuge machte daraufhin eine kleine abwehrende Bewegung.
Weil er den Kompaniechef noch nicht kannte und als Neuzugang in der Einheit noch zu keinem Vorgesetzten Vertrauen gefasst hatte, sah er sich nicht in der Lage, sich jemandem zu eröffnen. Nach seinem Eindruck deckte jeder jeden. Der Soldat, der in den Bataillonsstab und die Einheit integriert war und mit den Stabsfeldwebeln Karten spielte, schüchterte den Zeugen ein und drohte ihm, im Hinblick auf seine Aussage sogar damit, für seine Entlassung zu sorgen. Bei dem Zeugen entwickelten sich psychische Probleme, die schließlich dazu führten, dass er das Verhältnis zu seiner Freundin aufgab und sich in psychiatrische Behandlung begab. Er meldete die Vorfälle weiterhin nicht, reichte jedoch am 03.08.2005 eine Eingabe an den Wehrbeauftragten ein.
Die Einlassungen des Soldaten, die die Darstellungen der Zeugen definitiv bestreiten, sind von der Kammer als reine Schutzbehauptungen gewertet worden. Die Aussage der Zeugen erschienen der Kammer auch deswegen glaubwürdig, weil sie von keinerlei Belastungseifer gekennzeichnet waren.“
5
Gegen das ihm am 17. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat der Soldat am 14. Januar 2008 Berufung eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und ihn freizusprechen,
hilfsweise
die Sache gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts zurückzuverweisen.
6
Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen:
Der ihm vorgeworfene Sachverhalt treffe nicht zu. Er habe die Vorwürfe detailliert und substanziiert bestritten. Diese Einlassung hätte für die Kammer Anlass sein müssen, sich mit den Aussagen der Zeugen einerseits und andererseits mit seinem, des Soldaten, Vorbringen im Einzelnen auseinanderzusetzen. Dies sei im angefochtenen Urteil nicht geschehen. Stattdessen werde lapidar festgestellt, seine, des Soldaten, Einlassungen seien „von der Kammer als reine Schutzbehauptung gewertet worden“. Zu den Aussagen der Zeugen werde lediglich mitgeteilt, dass sie der Kammer deshalb glaubwürdig erschienen seien, weil sie nicht von Belastungseifer gekennzeichnet gewesen seien. Dies sei keine ordnungsgemäße Beweiswürdigung.
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Zu den Einzelvorwürfen hat sich der Soldat wie folgt eingelassen:
Zu Anschuldigungspunkt 1:
Er habe den Zeugen D. nicht an dessen Penis gefasst und auch nicht dessen Hand auf seinen - des Soldaten - Penis gelegt. Eine derartige Situation habe nicht stattgefunden. Der Zeuge D. sei nicht auf der Stube des Soldaten gewesen. Die Hauptverhandlung vor der Truppendienstkammer habe zudem zahlreiche Fragen aufgeworfen, mit denen sich das angefochtene Urteil ausweislich der Entscheidungsgründe nicht einmal ansatzweise auseinandergesetzt habe. Es sei unklar, welchen Anlass der Zeuge D. überhaupt gehabt haben solle, mit auf seine Stube zu kommen. Außerdem sei unerklärlich, warum sich der Zeuge D. nicht spätestens zu dem Zeitpunkt entfernt habe, als es zu dem angeblichen Vorfall gekommen sei. Ferner sei nicht nachvollziehbar, warum der Zeuge D., ein sprachgewandter Abiturient, das vermeintliche Ereignis nicht gemeldet habe. Unklar sei ferner, in welchem Umfang der Zeuge D. alkoholisiert gewesen sei. Dieser habe hierzu unterschiedliche Angaben gemacht. Auch die Darstellungen des Zeugen D. zum angeblichen Geschehensablauf seien widersprüchlich.
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Zu Anschuldigungspunkt 2:
Er, der Soldat, bestreite weiterhin, dass er ohne dienstlichen Anlass den Zeugen D. gekitzelt und ihm den Nacken gekrault habe. Richtig sei vielmehr, dass es auf der Stube zu einer freundschaftlichen Rauferei gekommen sei. Eine sexuelle Intention habe nicht vorgelegen.
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Zu Anschuldigungspunkt 3:
Er, der Soldat, bestreite auch die Richtigkeit des Vorwurfs, er habe den Zeugen B. ohne dienstlichen Grund im Hüftbereich angefasst. Der Zeuge B. habe in der Vernehmung vom 6. November 2006 selbst erklärt, er, der Soldat, habe ihn mehrfach in die Hüfte gestoßen. Eine Belästigung, zudem mit sexuellem Hintergrund, sei hierin nicht zu erkennen.
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Zu Anschuldigungspunkt 4:
Auch der Vorwurf treffe nicht zu, er, der Soldat, habe den Zeugen K. ins Gesicht gefasst, ihn gekitzelt und die Knöpfe der Uniformjacke des Zeuge geöffnet. Belästigungen, insbesondere solche mit sexuellem Hintergrund, hätten nicht stattgefunden.
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Zu Anschuldigungspunkt 5:
Unrichtig sei auch der Vorwurf, er, der Soldat, habe den Zeugen K. mehrfach aufgefordert, mit ihm zusammen in einem Bett zu schlafen, wodurch der Anschein eines sexuell motivierten Annäherungsversuches erweckt worden sei. Vielmehr habe der Zeuge K. an jenem Abend Verbindung mit ihm, dem Soldaten, aufgenommen und ihn, den Soldaten, seiner Mutter vorgestellt und den elterlichen Betrieb gezeigt. Er, der Soldat, habe dem Zeugen K. vorgeschlagen, im Zimmer des abwesenden Wohngemeinschaftskameraden Kl. zu nächtigen, was dann auch geschehen sei. Zu keiner Zeit habe er dem Zeugen K. angeboten, dieser solle in seinem, des Soldaten, Bett schlafen. Die Darstellung des Zeugen K., alles sei mehr oder weniger gegen seinen Willen abgelaufen, sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen stelle sich hier die Frage, weshalb der Zeuge K. nicht aus seiner Sicht klare Verhältnisse geschaffen habe, indem er sich entfernt habe.
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Zu Anschuldigungspunkt 6:
Unzutreffend sei auch der Vorwurf, er, der Soldat, habe den Zeugen K. während des Wachdienstes mit den Worten „Soll ich Sie ärgern?“ im Brust- und Hüftbereich angefasst. Vielmehr sei es so gewesen, dass der Zeuge K. behauptet habe, durch nichts ablenkbar zu sein. Daraufhin habe er, der Soldat, gefragt, ob er dies ausprobieren könne. Er habe dann dem Zeugen mit den Fingern Stiche in die Körperseite in Hüft- und Rückenhöhe verpasst. Auch hier habe jegliche sexuelle Motivation gefehlt.
13 Das angefochtene Urteil habe sich mit allen diesen Gesichtspunkten nicht auseinandergesetzt. Dazu habe aber in besonderem Maße Veranlassung bestanden. Denn er, der Soldat, habe selbst die Ermittlungen durch seine Meldung vom 4. März 2005 ins Rollen gebracht. Hätte er sich tatsächlich etwas vorzuwerfen gehabt, hätte er diese Meldung unterlassen. Zu keiner Zeit habe es zudem Beschwerden gegen ihn, den Soldaten, gegeben. Insbesondere die angeblich Betroffenen hätten keine Meldung erstattet. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe passten auch nicht zu seinem Persönlichkeitsbild, das die in der Hauptverhandlung vernommenen Leumundszeugen von ihm gezeichnet hätten und das sich zudem aus den schriftlichen Beurteilungen ergebe.
III
14 Das vom Soldaten eingelegte, nach § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WDO zulässige Rechtsmittel der vollen Berufung führt zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung, weil ein schwerer Mangel des Verfahrens vorliegt und weil weitere Aufklärungen erforderlich sind (§ 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO). Die Entscheidung ergeht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und in der Besetzung mit drei Richtern (§ 80 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 WDO).
15 Weitere Aufklärungen sind im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO erforderlich, wenn es in dem angefochtenen Urteil des Truppendienstgerichts ganz oder teilweise an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen fehlt. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn volle Berufung eingelegt worden ist und der Wehrdienstsenat damit an sich die notwendigen Sachverhaltsfeststellungen seinerseits noch treffen könnte (vgl. dazu Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 120 Rn. 5 m.w.N.). Ein schwerer Mangel des Verfahrens im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO liegt vor, wenn gegen eine Verfahrensvorschrift verstoßen worden ist, deren Verletzung schwerwiegend und für den Ausgang des Verfahrens (noch) von Bedeutung ist. Ein schwerwiegender Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Rechte eines Verfahrensbeteiligten wesentlich beeinträchtigt worden sind oder wenn der Verfahrensverstoß den Zweck einer Formvorschrift wesentlich vereitelt. Als schwerwiegender Mangel des Verfahrens im dargelegten Sinne ist in der Rechtsprechung u.a. das Fehlen von ausreichenden und widerspruchsfreien Feststellungen zur Tat- und Schuldfrage anerkannt (vgl. u.a. Beschlüsse vom 24. Februar 1966 - BDH 3 D 53/65 - BDHE 7, 37, vom 11. Mai 1978 - BVerwG 2 WD 36.78 - BVerwGE 63, 72 <74> = NZWehrr 1979, 32 und vom 7. November 2007 - BVerwG 2 WD 1.07 - BVerwGE 130, 12 <19> = Buchholz 450.2 § 120 WDO 2002 Nr. 2; Dau, a.a.O. § 121 Rn. 5 i.V.m. § 120 Rn. 7).
16 Im gerichtlichen Disziplinarverfahren muss der Tatrichter den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen erforschen (§ 106 Abs. 1 WDO) und nach Maßgabe der prozessrechtlichen Vorschriften feststellen sowie diesen und die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen in den Urteilsgründen darlegen. Nach der im Wehrdisziplinarrecht gem. § 91 Abs. 1 WDO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 261 StPO setzt die freie, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfte Überzeugung des Tatrichters in subjektiver Hinsicht die für die Überführung des Angeschuldigten erforderliche volle persönliche Gewissheit des Tatrichters voraus. Dies schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufes nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden tatsächlichen Umstände ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche (volle) persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gestützte Zweifel nicht mehr aufkommen lässt (vgl. Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 und vom 3. Juli 2003 - BVerwG 1 WD 3.03 - Buchholz 235.01 § 91 WDO Nr. 1 = NZWehrr 2004, 166; BGH, Urteil vom 8. Januar 1988 - 2 StR 551/87 - NStZ 1988, 236 <237>; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl. 2008, § 261 Rn. 2 m.w.N.).
17 Zur Überführung eines Angeschuldigten ist dabei keine „mathematische“ Gewissheit erforderlich. Die subjektive Überzeugung des Tatsachengerichts/Tatrichters muss aber auf einer objektiv tragfähigen Tatsachenbasis beruhen. Der Beweis muss mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Allein damit wird die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) widerlegt (vgl. Urteile vom 12. Februar 2003 a.a.O. und vom 3. Juli 2003 a.a.O.).
18 Die Beweiswürdigung muss auf eine verstandesmäßig einsichtige Tatsachengrundlage gestützt und muss erschöpfend sein. § 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 261 StPO verpflichtet, alle in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu würdigen und dem Urteil zugrunde zu legen, sofern nicht im Einzelfall ein Beweisverwertungsverbot entgegensteht. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zugunsten oder zuungunsten des Angeschuldigten zu beeinflussen. Auch die Äußerungen des Angeschuldigten sind zu würdigen. Steht Aussage gegen Aussage und hängt die Entscheidung allein davon ab, welchen Angaben das Gericht folgt, sind besonders strenge Anforderung an die Beweiswürdigung zu stellen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. § 261 Rn. 11a m.w.N.). In einem solchen Fall müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehlbeurteilung der Zeugenaussagen kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die Beweiswürdigung eingestellt und in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. dazu u.a. BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92 - StV 1994, 526 m.w.N. und Beschluss vom 6. März 2002 - 5 StR 501/01 - NStZ-RR 2002, 174 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O.). Selbst wenn einzelne Indizien jeweils für sich genommen noch keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit einer den Angeschuldigten belastenden Aussage aufkommen lassen, so kann jedoch eine Häufung solcher Indizien bei einer Gesamtbetrachtung zu solchen Zweifeln führen (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003 a.a.O. m.w.N.).
19 In der Begründung des Urteils müssen die für erwiesen erachteten äußeren und inneren Tatsachen als das Ergebnis der Beweiswürdigung nachvollziehbar dargelegt werden (§ 91 Abs. 1 WDO i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO). Die Einlassung des Angeschuldigten muss mitgeteilt und unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eingehend gewürdigt werden. Die bloße Wiedergabe der Aussagen des Angeschuldigten und der Zeugen genügt dabei nicht. Eine bestreitende Einlassung des Angeschuldigten und ihre Widerlegung bestimmen Umfang und Inhalt der Darlegung im Urteil (vgl. dazu u.a. Meyer-Goßner, a.a.O. § 267 Rn. 12 m.w.N.). Um die Beweiswürdigung nachvollziehbar zu machen, muss dargelegt werden, in welchem Umfang und aus welchem Grund nach der Überzeugung des Gerichts die Aussage des Zeugen und nicht die Einlassung der Angeschuldigten glaubhaft ist und warum das Gericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen bejaht, diejenige des Angeschuldigten aber verneint. Hat der Angeschuldigte mit Tatsachen belegte, nicht eindeutig unerhebliche Bedenken gegen einen Beweis oder den Wert eines Beweismittelns vorgebracht, so muss sich das Gericht auch damit auseinandersetzen.
20 Erfüllt ein Urteil nach seinen Entscheidungsgründen diese Anforderungen nicht (vgl. Urteil vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 34.02 - BVerwGE 118, 262 = Buchholz 235.01 § 108 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2004, 36), liegt ein Aufklärungsmangel und zugleich ein schwerwiegender Mangel des Verfahrens vor.
21 Die Verteidigung hat mit dem Berufungsschriftsatz gerügt, dass das Truppendienstgericht im angefochtenen Urteil - obwohl der Soldat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe substanziiert bestritten habe - keine Veranlassung gesehen habe, „sich mit den Aussagen der Zeugen einerseits, andererseits mit der Schilderung des Soldaten im Einzelnen auseinanderzusetzen.“ Lapidar werde im Urteil lediglich festgestellt, die Einlassungen des Soldaten seien „von der Kammer als reine Schutzbehauptung gewertet worden“; zu den Aussagen der Zeugen werde „lediglich mitgeteilt, dass sie der Kammer deshalb unglaubwürdig erschienen seien, weil sie nicht von Belastungseifer gekennzeichnet gewesen seien“.
22 Dieser Vorwurf der Verteidigung ist begründet. Denn die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil erschöpfen sich in der Tat im Wesentlichen in der Mitteilung, die Truppendienstkammer habe „den im verfügenden Teil der Anschuldigungsschrift vorgeworfenen Sachverhalt festgestellt“ und sei „zusätzlich ... zu folgenden Feststellungen“ gelangt, die dann auf den Seiten 4 (letzter Absatz) bis 8 (erster Absatz) mitgeteilt werden, ohne dass dargelegt oder sonst hinreichend erkennbar wird, worauf diese beruhen. Am Ende dieses Abschnitts des angefochtenen Urteils wird lediglich angegeben, die Kammer habe „die Einlassungen des Soldaten, die die Darstellungen der Zeugen definitiv bestreiten“, als „reine Schutzbehauptung“ gewertet. Worauf diese Schlussfolgerung gestützt ist, wird im Unklaren gelassen. Dies gilt auch für die zweite in diesem Absatz angeführte Erwägung, wonach der Truppendienstkammer „die Aussage (?) der Zeugen“ „auch deswegen glaubwürdig“ erschien(en), „weil sie (?) von keinerlei Belastungseifer gekennzeichnet waren“. Es bleibt nicht nur unklar, ob damit das Ergebnis der Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen einzelner oder aller Zeugen gemeint ist oder ob auf deren persönliche Glaubwürdigkeit („keinerlei Belastungseifer“) abgestellt wird. Vor allem aber fehlt es erkennbar an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den auf die einzelnen Anschuldigungspunkte bezogenen Einlassungen des Angeschuldigten einerseits und den Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen sowie den sonstigen Beweismitteln andererseits. Die bloße formelhafte Mitteilung, das Gericht werte die Einlassungen des Angeschuldigten als „Schutzbehauptung“, lässt nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände und wie das Gericht zu dieser Schlussfolgerung gelangt ist. Zudem fehlt es an jeder Zuordnung der Einzelaussagen der von der Truppendienstkammer vernommenen Zeugen zu den für die einzelnen Anschuldigungspunkte relevanten Beweisthemen und an einer näheren Würdigung der Umstände, die aus der Sicht des Gerichts für die inhaltliche Richtigkeit dieser Zeugenbekundungen und gegen die Einlassungen des Angeschuldigten sprechen. Die Sachverhaltsfeststellungen sind damit grob fehlerhaft und unzureichend. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass der Verfahrens- und Aufklärungsmangel das Ergebnis der Beweiswürdigung und die Sachverhaltsfeststellung beeinflusst haben kann und damit auch entscheidungserheblich war.
23 Diese schwerwiegenden Mängel der Beweiswürdigung und damit der Sachverhaltsaufklärung durch die Truppendienstkammer werden auch nicht dadurch geheilt, dass die Wehrdisziplinaranwaltschaft in ihrer dem Bundeswehrdisziplinaranwalt zur Berufungsschrift vorgelegten internen Stellungnahme vom 13. Februar 2008, die dem Senat durch den Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Schriftsatz vom 6. Januar 2009 zur Kenntnis gebracht worden ist, aus ihrer Kenntnis des Ablaufs der erstinstanzlichen Beweisaufnahme die Zeugenaussagen und die Beweislage näher gewürdigt hat. Denn diese Stellungnahme der Wehrdisziplinaranwaltschaft vermag die erforderliche gerichtliche Beweiswürdigung und die auf dieser Grundlage zu treffenden hinreichenden Tatsachenfeststellungen der Truppendienstkammer nicht zu ersetzen.
24 Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils der Truppendienstkammer und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Truppendienstgerichts Süd.
25 Zwar steht die Entscheidung darüber, ob der Senat bei Vorliegen eines Aufklärungsmangels oder eines schweren Verfahrensmangels ungeachtet dessen in der Sache selbst entscheidet oder ob er das Urteil der Truppendienstkammer aufhebt und die Sache an eine andere Kammer desselben Truppendienstgerichts oder eines anderen Truppendienstgerichts zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung zurückverweist, nach § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO in seinem gerichtlichen Ermessen. Bei der pflichtgemäßen Ausübung dieses Ermessens kommt dem Normzweck regelmäßig eine entscheidende Bedeutung zu.
26 Wurde eine Sachverhaltsaufklärung erstinstanzlich gar nicht erst begonnen (vgl. dazu Beschlüsse vom 28. April 1993 - BVerwG 2 WD 68.91 - und vom 16. September 1996 - BVerwG 2 WD 30.96 -) oder war sie weitgehend unzulänglich (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 14. September 1988 - BVerwG 2 WD 17.88 -, vom 15. April 1992 - BVerwG 2 WD 13.92 - und vom 25. März 1997 - BVerwG 2 WD 4.97 -), ist in aller Regel auch in Ansehung des Beschleunigungsgebotes des § 17 Abs. 1 WDO jedenfalls wegen Vorliegens eines schweren Mangels des Verfahrens eine Zurückverweisung durch das Berufungsgericht geboten (vgl. auch Beschluss vom 31. Oktober 2007 - BVerwG 2 WD 22.06 -). Es ist nach den Regelungen der Wehrdisziplinarordnung nicht Aufgabe des Berufungsgerichts, an Stelle der dazu berufenen Truppendienstkammer notwendige gerichtliche Feststellungen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt erstmals zu treffen. Ein angeschuldigter Soldat hat zudem Anspruch darauf, dass bereits im ersten Rechtszug nach Maßgabe der prozessrechtlichen Vorschriften alle erforderlichen Maßnahmen zur hinreichenden Aufklärung der Sach- und Rechtslage ordnungsgemäß getroffen werden und die erhobenen Beweise nachvollziehbar gewürdigt werden und dass das Ergebnis der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen niedergelegt wird. Es reicht nicht aus, wenn das erstinstanzliche Gericht lediglich den von ihm für festgestellt erachteten historischen Geschehensablauf wiedergibt, ohne nachvollziehbar darzulegen, wie es in Ansehung der Einlassung des Angeschuldigten sowie der Zeugenaussagen und erhobenen weiteren Beweise zu diesem Ergebnis gekommen ist.
27 Nur bei einer nach Maßgabe der dargelegten Grundsätze ergehenden, die Instanz abschließenden Entscheidung der Truppendienstkammer wird der Angeschuldigte - ebenso wie die Wehrdisziplinaranwaltschaft - in die Lage versetzt, eine verantwortliche Entscheidung darüber zu treffen, ob von dem Recht auf Einlegung einer Berufung Gebrauch gemacht und ein Berufungsverfahren eingeleitet und durchgeführt werden soll.
28 Angesichts dessen macht der Senat von dem ihm durch § 120 Abs. 1 Nr. 2 WDO eingeräumten Ermessen in der im Tenor des vorliegenden Beschlusses bestimmten Weise Gebrauch. Die nach § 120 Abs. 2 WDO erforderliche Gelegenheit zur Äußerung ist dem Soldaten und dem Bundeswehrdisziplinaranwalt durch gerichtliche Verfügung vom 15. Dezember 2008 gewährt worden.
29 Für eine Zurückverweisung an ein anderes Truppendienstgericht sieht der Senat keine Veranlassung.
30 Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens und die Erstattung der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen ist der Schlussentscheidung vorbehalten.