Urteil vom 10.12.2009 -
BVerwG 3 C 25.08ECLI:DE:BVerwG:2009:101209U3C25.08.0
Leitsatz:
Eine zur Durchsetzung der landwirtschaftlichen Bodenreform in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone ergehende Anordnung mit dem Inhalt, sich an einer Sammelstelle zum Abtransport in ein Lager einzufinden (sog. Kreisverweisung), führt auch dann zu einer schweren Herabwürdigung im persönlichen Lebensbereich im Sinne des § 1a Abs. 1 VwRehaG, wenn sich der Betroffene dem Vollzug der Deportation durch Flucht hat entziehen können.
Urteil
BVerwG 3 C 25.08
- VG Dresden - 30.11.2007 - AZ: VG 12 K 2123/05
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Buchheister, Dr. Möller und Dr. Wysk
für Recht erkannt:
- Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. November 2007 wird zurückgewiesen.
- Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I
1 Die Klägerin begehrt als Miterbeserbin ihres 1959 verstorbenen Vaters dessen moralische Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG).
2 Der Vater der Klägerin war Eigentümer der in der ehemaligen Amtshauptmannschaft L. (heute Kreis B.) gelegenen Rittergüter H. und K. mit insgesamt rund 236 ha Land. Er wurde im Jahre 1945 im Zuge der sog. Demokratischen Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone entschädigungslos enteignet.
3 Die Klägerin beantragte unter dem 17. Februar 1998, ihren Vater wegen dieses vermögensrechtlichen Eingriffs verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren. Dabei erklärte sie auf eine Frage nach der zwangsweisen Umsiedlung, gegen ihren Vater sei am 23. Oktober 1945 ein Kreisverweis ohne Zuweisung eines anderen Kreises mit Androhung der Deportation nach Rügen ausgesprochen worden.
4 Der Beklagte lehnte die Rehabilitierung ab, weil die Enteignung auf besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Grundlage erfolgt und daher vom Geltungsbereich des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes ausgenommen sei. Eine moralische Rehabilitierung nach § 1a VwRehaG scheide ebenfalls aus, weil der geltend gemachte Sachverhalt zu einem Eingriff in Vermögenswerte geführt habe, der dem Vermögensgesetz bzw. dem Ausgleichsleistungsgesetz unterfalle. Ausgleichsleistungen nach diesen Vorschriften drückten zugleich die von der Klägerin erstrebte moralische Rehabilitierung aus.
5 Mit ihrer dagegen gerichteten Klage hat die Klägerin zunächst die Rehabilitierung ihres Vaters wegen der Enteignung weiterverfolgt, im Laufe des Klageverfahrens dieses Begehren jedoch zugunsten einer ergänzenden Neubescheidung unter dem Aspekt der Kreisverweisung fallen lassen. Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags hat sie eine „eidesstattliche Versicherung“ ihrer Schwester vom 15. Juni 2005 vorgelegt, wonach der seinerzeitige Bürgermeister von H. am 23. Oktober 1945 zu ihrem Vater gekommen sei, um ihm mitzuteilen, dass er sich mit seiner Familie am Vormittag des nächsten Tages zwecks Abtransports in der Turnhalle von L. mit wenig Gepäck zu melden habe. Schriftliche Unterlagen darüber hätten nie existiert.
6 Der Beklagte hat dieses - in Anknüpfung an ein entsprechendes, im Antrag der Klägerin vom 17. Februar 1998 bereits enthaltenes und noch unbeschiedenes - Begehren auf moralische Rehabilitierung nach § 1a VwRehaG wegen der Ankündigung von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Bodenreform im ehemaligen Land Sachsen mit Bescheid des Sächsischen Landesamtes für Familie und Soziales vom 19. Oktober 2005 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, Platzverweis- und Umsiedlungsentscheidungen der sächsischen Kreispolizeibehörden sowie Internierungsmaßnahmen seien zwar mit den tragenden Prinzipien eines Rechtsstaates unvereinbar gewesen. Eine daran anknüpfende moralische Rehabilitierung komme aber nur in Betracht, wenn eine Maßnahme tatsächlich vollzogen worden sei. Die Ankündigung von Repressalien sei nicht mit dem Vollzug von Unrechtsmaßnahmen gleichzusetzen. Soweit Betroffene sich durch rechtzeitige Flucht hätten retten können, sei ihr Schicksal nicht mit dem Los jener Betroffener vergleichbar, die in aller Öffentlichkeit gedemütigt, verhaftet und in Güterzügen abtransportiert worden seien und unter unmenschlichen Bedingungen hätten dahinvegetieren müssen. Die Behörde könne keine hypothetischen, sondern nur vollzogene oder in Kraft gesetzte Verwaltungsentscheidungen aufheben oder für rechtsstaatswidrig erklären.
7 Zur Begründung ihrer nunmehr nur noch auf Rehabilitierung nach § 1a VwRehaG gerichteten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, schon die Kreisverweisung selbst habe auch ohne Zwangsdeportation und Lagerhaft als Diskriminierung und politische Verfolgung gewirkt. Sie sei ein typisches Mittel gewesen, um Störungen der Bodenreform durch enteignete Großgrundbesitzer zu verhindern. Diesen habe jede Möglichkeit weiterer Einflussnahme genommen werden sollen. Mit der Anordnung, das Haus zu verlassen, habe es auch eine konkrete Maßnahme gegeben. Das darin liegende Rückkehrverbot habe ihre Familie unabhängig davon aus der Dorfgemeinschaft dauerhaft ausgegrenzt, dass es nicht zu einer Internierung auf Rügen gekommen sei. Nur dem zweiten Teil der Anordnung, sich bei einer Sammelstelle einzufinden, habe sich die Familie durch Flucht entzogen.
8 Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 30. November 2007 stattgegeben und den Beklagten verpflichtet festzustellen, dass die vom damaligen Bürgermeister ausgesprochene Anordnung zum Abtransport des Vaters der Klägerin und seiner Familie aus H. am 23./24. Oktober 1945 rechtsstaatswidrig im Sinne des § 1a VwRehaG gewesen sei. Dass diese Anordnung tatsächlich ergangen sei, sei durch eine Erklärung der Schwester der Klägerin glaubhaft gemacht worden. Es handele sich um eine auf Verweisung aus dem Heimatort zielende hoheitliche Maßnahme, die selbstständig neben der Enteignung gestanden und der politischen Verfolgung gedient habe. Dass es der Familie gelungen sei, sich dem Abtransport durch Flucht zu entziehen, stehe einer Rehabilitierung nach § 1a VwRehaG nicht entgegen. Kreisverweisungen seien bereits dann rehabilitierungsfähig, wenn sie eingeleitet worden seien. Davon seien solche Fälle abzugrenzen, in denen sich die Betroffenen wegen einer nur vermuteten, nicht konkret bevorstehenden Kreisverweisung entschlossen hätten, ihren Heimatort zu verlassen.
9 Mit der Revision rügt der Beklagte, einer nicht vollzogenen Kreisverweisung fehle die in § 1a VwRehaG vorausgesetzte Eingriffsintensität. Zwar seien die politische Schädigungsabsicht und auch der Erfolg der Maßnahme im konkreten Fall nicht zu bezweifeln; jedoch seien infolge der Flucht keine nach Umfang und Schwere hinreichenden Rechtsverletzungen eingetreten. Die Eingriffsschwere sei mit Fällen gleichzusetzen, in denen der Widerstand der Alteigentümer allein durch massive Einschüchterungen gebrochen worden sei.
10 Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
II
11 Die Revision ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten ohne Verstoß gegen Bundesrecht verpflichtet, den Vater der Klägerin wegen der gegen ihn und seine Familie gerichteten Anordnung vom 23. Oktober 1945 verwaltungsrechtlich zu rehabilitieren.
12 Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 1a VwRehaG. Sie kann sich auf diese Vorschrift als nach § 9 Abs. 2 VwRehaG antragsbefugte Miterbeserbin der unmittelbar betroffenen Person stützen (vgl. BTDrucks 12/4994 S. 37 f.).
13 Nach § 1a Abs. 1 VwRehaG ist auf Antrag die Rechtsstaatswidrigkeit u.a. einer Verwaltungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 VwRehaG festzustellen, die nicht zu einer Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 genannten Rechtsgüter geführt hat, soweit sie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und aus Gründen der politischen Verfolgung zu einer schweren Herabwürdigung des Betroffenen im persönlichen Lebensbereich geführt hat. Diese Voraussetzungen erfüllt die Anordnung vom 23. Oktober 1945.
14 Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat der Bürgermeister der Gemeinde H. am 23. Oktober 1945 eine Anordnung getroffen, mit der der Vater der Klägerin verpflichtet worden ist, sich mit seiner Familie am Folgetag mit wenig Gepäck dem Abtransport in ein Lager zu stellen. Diese sog. Kreisverweisung war eine Verwaltungsentscheidung im Sinne des § 1a Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG, nämlich eine hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990. Sie hat nicht zu einer Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG genannten Rechtsgüter geführt, weil sich die Familie der bevorstehenden Deportation durch Flucht hat entziehen können.
15 Die Rechtsstaatswidrigkeit der festgestellten Verwaltungsentscheidung steht außer Frage. Nach der in § 1 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 VwRehaG getroffenen Wertung des Gesetzgebers, die hier gemäß § 1a Abs. 2 VwRehaG entsprechend herangezogen werden kann, sind Zwangsaussiedlungen, die der politischen Verfolgung dienten, grundsätzlich rehabilitierungsfähig, weil sie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar sind. Das gilt auch für Zwangsaussiedlungen von Opfern der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone. Sie sind politisches Verfolgungsunrecht im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG, und zwar auch dann, wenn mit ihnen keine Deportation verbunden war.
16 Die landwirtschaftliche Bodenreform beruht im damaligen Bundesland Sachsen auf der gleichnamigen Verordnung vom 10. September 1945 (BodenreformVO; Amtliche Nachrichten der Landesverwaltung Sachsen 1945, S. 27 ff., abgedr. bei Fieberg/Reichenbach, RWS-Dokumentation 7, Enteignung und Offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Bd. I, 2. Aufl. 1992, Nr. 2.8.1). Die Bodenreform sollte „die Liquidierung des feudal-junkerlichen Großgrundbesitzes gewährleisten und der Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer im Dorfe ein Ende bereiten“ (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 der BodenreformVO). Zur Durchsetzung dieser Ziele wurden unter anderem „der gesamte feudal-junkerliche Boden und der Großgrundbesitz mit über 100 ha“ entschädigungslos enteignet (Art. 2 Nr. 3 BodenreformVO). In den Durchführungsbestimmungen der Landesverwaltung Sachsen war zudem vorgesehen, etwaigen Widerstand der früheren Besitzer gegen Maßnahmen der Bodenreform durch Kreisverweisungen zu brechen (Nr. 3 der Anordnung zur BodenreformVO vom 13. September 1945, Amtliche Nachrichten der Landesverwaltung Sachsen 1945, S. 29 <30>, abgedr. bei Fieberg/Reichenbach, a.a.O. Nr. 2.8.1.2).
17 Die Bodenreform war eine Maßnahme der politischen Verfolgung, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass sie - jedenfalls bei der Personengruppe, die ausschließlich wegen des Umfangs ihres Grundeigentums in Anspruch genommen wurde - primär der Landbeschaffung diente und daher nach der Rechtsprechung des Senats nach § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG unter den Anwendungsvorrang des Vermögensgesetzes fällt (Urteil vom 28. Februar 2007 - BVerwG 3 C 18.06 - Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 9 <Rn. 11>). Auch wenn die Enteignungen in diesen Fällen erst bei einer bestimmten Betriebsgröße ansetzten, richteten sie sich erklärtermaßen gegen die „Junker und Großgrundbesitzer“, also gegen eine bestimmte Personengruppe, die nach ihrer sozialen „Klasse“ definiert war. Insofern war die Bodenreform politische Verfolgung. Diese Charakterisierung gilt verstärkt für die im Zusammenhang mit der Bodenreform verübten und sie kennzeichnenden Schikanen und Drangsalierungen, die wie die Bodenreform selbst von der Motivation getragen waren, die Betroffenen aus der Gesellschaft auszugrenzen. Zu diesen diskriminierenden Maßnahmen zählen auch die so genannten Kreisverweisungen. Demgemäß ist der Senat schon in seinen Beschlüssen vom 14. April 2003 (BVerwG 3 B 167.02 - juris Rn. 15 und - BVerwG 3 B 175.02 - VIZ 2003, 375) sowie im Beschluss vom 27. Juni 2006 (BVerwG 3 B 188.05 - ZOV 2006, 306 <Rn.13>) davon ausgegangen, dass eine Kreisverweisung als eigenständige behördliche Maßnahme grundsätzlich einer Rehabilitierung gemäß § 1a VwRehaG zugänglich ist.
18 Die Anordnung der Deportation des Vaters der Klägerin und seiner Familie bedeutete im Sinne des § 1a Abs. 1 VwRehaG eine schwere Herabwürdigung des Betroffenen im persönlichen Lebensbereich.
19 Mit dem Bezug auf den persönlichen Lebensbereich werden Benachteiligungen in jedwedem Rechtsgut erfasst, das Ausfluss des Anspruchs des Menschen auf Achtung seiner Würde ist (Art. 1 Abs. 1 GG). Dazu gehören neben den in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG genannten Rechtsgütern (Gesundheit, Vermögen, Beruf) etwa die persönliche Ehre, die Bewegungsfreiheit und die Freizügigkeit. Anders als bei der Rehabilitierung nach § 1 Abs. 1, Abs. 5 VwRehaG (dazu Urteil vom 9. Oktober 2003 - BVerwG 3 C 1.03 - BVerwGE 119, 102 <104> = Buchholz 428.6 § 1 VwRehaG Nr. 8 S. 25 f.) wird aber nicht vorausgesetzt, dass die Folgen der Herabwürdigung im Zeitpunkt der Rehabilitierungsentscheidung fortwirken. Denn mit der Einfügung des § 1a in das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR vom 1. Juli 1997 (BGBl I S. 1609) sollte ausweislich der Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren den Opfern gerade solcher Unrechtsmaßnahmen persönliche Genugtuung verschafft werden, die wegen des Fehlens eines ausgleichbaren Folgeschadens nach den vor Einfügung der Norm bestehenden Möglichkeiten keine Rehabilitierung erlangen konnten (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 22. April 1997, BTDrucks 13/7491 S. 12 f.).
20 Die danach zu berücksichtigenden Auswirkungen der Anordnung haben unabhängig vom Vollzug der Deportation und Internierung zu einer schweren Herabwürdigung des Vaters der Klägerin geführt. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung insoweit auf die gewollte Ausgrenzung aus der Gesellschaft abgestellt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Anordnung, sich am Folgetag zum Abtransport an einer Sammelstelle einzufinden, war die beabsichtigte Deportation nicht nur angekündigt, wie der Beklagte meint, sondern konkret eingeleitet. Bereits damit wurde der Betroffene zur Aufgabe der sozialen Stellung und aller Bindungen in der örtlichen Gemeinschaft genötigt und überdies zu einem Objekt abgewertet, mit dem von Staats wegen nach Belieben verfahren werden könne. Sich noch tiefgreifenderen Eingriffen zu entziehen, konnte nur durch Flucht unter entwürdigenden Begleitumständen gelingen wie dem heimlichen Verlassen des Heimatortes und Zurücklassen jener Habe, die von der Landenteignung nicht betroffen war.
21 Entsprachen diese tatsächlichen Folgen unmittelbar dem Regelungsgehalt der Kreisverweisung - dem Befehl zum Verlassen des Heimatortes -, so kommt es nicht darauf an, dass die Folgen wegen des Ausweichens der Familie in den Westen anders als durch Deportation herbeigeführt wurden. Aus demselben Grund hindert es die Rehabilitierung nicht, dass der Familie die schlimmeren Folgen einer Deportation (wie Inhaftierung, Kasernierung, Zwangsarbeit, Demütigungen und körperliche Schäden durch Hunger und Kälte) erspart geblieben sind, die aus der Sicht des Beklagten erst die Schwelle der Anspruchsberechtigung markieren. Es nimmt einer anderweitig erreichten Intensität der Herabwürdigung im Sinne des § 1a Abs. 1 VwRehaG nicht das anspruchsbegründende Gewicht, wenn sich der Betroffene konkret drohenden, noch schwerwiegenderen Beeinträchtigungen hat entziehen können.
22 Der Anspruch auf moralische Rehabilitierung nach § 1a VwRehaG wird schließlich nicht wegen des Zusammenhangs der Kreisverweisung mit der Enteignung ausgeschlossen. Zwar diente die in Rede stehende Kreisverweisung wie gesagt der Durchsetzung oder Absicherung einer vorrangig gegen das Vermögen und nicht die Person des Alteigentümers gerichteten Enteignung und ist insofern die Fortsetzung eines Eingriffs, dessen verwaltungsrechtliche Rehabilitierung durch den in § 1 Abs. 1 Satz 2 VwRehaG verankerten Anwendungsvorrang des Vermögensgesetzes bzw. gemäß § 1 Abs. 8 VermG des Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2624) ausgeschlossen ist (Urteil vom 28. Februar 2007 a.a.O. Rn. 9). Die Kreisverweisung wird jedoch von diesem Anwendungsvorrang nicht erfasst; denn sie geht in ihren Wirkungen - dem Zwang zur Aufgabe der Heimat und aller sozialen Bindungen - über eine bloße Verfestigung und Vertiefung der Eigentumsentziehung hinaus. Ihre Folgen überschreiten deutlich den Rahmen dessen, was auch nach den Vorstellungen der seinerzeitigen Machthaber mit dem Zugriff auf das Eigentum notwendigerweise verbunden war; denn nach den Durchführungsbestimmungen zur Bodenreform war eine Kreisverweisung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft, deren Vorliegen hier im Übrigen nicht festgestellt worden ist.
23 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.