Urteil vom 09.06.2005 -
BVerwG 3 C 25.04ECLI:DE:BVerwG:2005:090605U3C25.04.0
Leitsatz:
Die Anordnung, zur Klärung der Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV i.V.m. § 46 FeV wegen nachgewiesenen Drogenkonsums ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ist nicht an die Einhaltung einer festen Frist nach dem letzten erwiesenen Betäubungsmittelmissbrauch gebunden. Entscheidend ist, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere nach Art, Umfang und Dauer des Drogenkonsums, noch hinreichende Anhaltspunkte zur Begründung eines Gefahrenverdachts bestehen.
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Rechtsquellen
StVG §§ 2, 3 FeV § 11 Abs. 8, § 14, § 46 -
Instanzenzug
OVG Koblenz - 18.05.2004 - AZ: OVG 7 A 10194/04 -
OVG Rheinland-Pfalz - 18.05.2004 - AZ: OVG 7 A 10194/04.OVG
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Zitiervorschlag
BVerwG, Urteil vom 09.06.2005 - 3 C 25.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:090605U3C25.04.0]
Urteil
BVerwG 3 C 25.04
- OVG Koblenz - 18.05.2004 - AZ: OVG 7 A 10194/04 -
- OVG Rheinland-Pfalz - 18.05.2004 - AZ: OVG 7 A 10194/04.OVG
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Juni 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht
van S c h e w i c k , Dr. D e t t e , L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
I
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Der 1963 geborene Kläger erwarb am 23. April 1990 die Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt). Das Polizeipräsidium W. teilte dem Beklagten durch Schreiben vom 25. April 2001 mit, dass gegen den Kläger ein Verfahren wegen Erwerbs und Besitzes von Kokain zum Eigenkonsum anhängig sei. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts L. vom 30. Mai 2001 wurde der Kläger wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Kokain) zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 DM verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte der Kläger in der Zeit von September 2000 bis März 2001 regelmäßig zwei- bis dreimal im Monat ein Gramm Kokain gekauft.
Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 forderte der Beklagte den Kläger auf, bis zum 10. Oktober 2002 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Klärung der Frage beizubringen, ob er noch Betäubungsmittel einnehme und ob er zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, obwohl er Betäubungsmittel eingenommen habe.
Gegen die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wandte der Kläger ein, die Aufforderung sei rechtswidrig, da auch mittels eines Urintests festgestellt werden könne, dass er keine Drogen mehr konsumiere.
Nachdem der Kläger am 16. September 2002 fernmündlich durch seinen Bevollmächtigten hatte mitteilen lassen, dass er nicht bereit sei, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, entzog der Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2002 die Fahrerlaubnis. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe sich einer zu Recht angeordneten medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht unterzogen, woraus geschlossen werden könne, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sei. Durch ein ärztliches Gutachten in Form eines Drogenscreenings lasse sich nicht feststellen, ob bei ihm ein stabiler Einstellungswandel eingetreten sei.
Gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis legte der Kläger mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 Widerspruch ein und führte darin aus, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung über eineinhalb Jahre nach dem letzten Drogenkonsum unverhältnismäßig gewesen sei.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 6. Januar 2003 zurück und führte zur Begründung aus: Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV sei die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn es um die Klärung einer bestehenden Abhängigkeit oder der weiteren Einnahme von Betäubungsmitteln gehe. Der Kläger habe nach eigenen Angaben über einen Zeitraum von sieben Monaten in mindestens 14 Fällen jeweils ein Gramm Kokain konsumiert. Weder ein Drogenscreening noch die Aussage des Klägers, der Konsum von Kokain sei für ihn erledigt, sei für die Ausräumung von Eignungszweifeln und für die Klärung der Stabilität des Einstellungswandels ausreichend. Die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens stehe nicht im Widerspruch zu der im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Bei Kokain handele es sich um ein weitaus gefährlicheres, mit höherem Suchtpotential ausgestattetes Betäubungsmittel als bei Cannabis. Der Einwand des Klägers, Eignungszweifel hätten nicht geltend gemacht werden dürfen, weil der letzte bekannte Kokainkonsum mehr als ein Jahr zurückliege, greife nicht durch. Nach den Vorschriften der Fahrerlaubnis-Verordnung sei der Kläger zum Zeitpunkt des Kokainkonsums zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet gewesen. Er müsse nun durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachweisen, dass die Voraussetzungen der Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung erfüllt seien und er deshalb wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Da die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens rechtmäßig gewesen sei, habe der Beklagte aus der Weigerung des Klägers, sich der angeordneten Untersuchung zu unterziehen, auf dessen Nichteignung schließen dürfen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und ergänzend vorgetragen: Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ergebe keinen Anhalt dafür, dass er von Betäubungsmitteln abhängig gewesen sei. Daher sei es unverhältnismäßig, von ihm eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu verlangen, da durch ein Drogenscreening nachgewiesen werden könne, dass er seit über eineinhalb Jahren keine Betäubungsmittel mehr konsumiert habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. September 2003 abgewiesen.
Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger seinen bisherigen Vortrag wiederholt und ergänzend vorgetragen: Eine medizinisch-psychologische Untersuchung sei in seinem Fall nicht erforderlich gewesen. Da bereits eine 16-monatige Abstinenz zum Zeitpunkt der Untersuchungsanordnung bestanden habe, wäre ein Drogenscreening hinsichtlich des in der Vergangenheit liegenden Abstinenzzeitraums ausreichend gewesen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung mit Urteil vom 18. Mai 2004 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Beklagte habe gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV zu Recht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt. Der Kläger habe den mehrfachen Konsum von Kokain eingeräumt. Aufgrund dessen sei der Beklagte jedenfalls innerhalb eines Jahres nach dem letzten feststehenden Konsum grundsätzlich verpflichtet gewesen, die Fahrerlaubnis wegen bestehender Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen. Bereits der einmalige Konsum so genannter harter Drogen nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung schließe im Regelfall die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Hieraus folge zugleich, dass innerhalb eines Jahres nach festgestelltem Drogenkonsum auch die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtlich unbedenklich sei. Der nach den genannten Vorschriften bestehende Aufklärungsbedarf setze allerdings einen hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem zuletzt festgestellten Drogenkonsum und der angeordneten Aufklärungsmaßnahme voraus. Dieser Zusammenhang sei im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren dann nicht mehr gegeben, wenn der Fahrerlaubnisinhaber unwiderlegbar vortrage, vor mehr als 15 Monaten den Entschluss gefasst zu haben, keinerlei Drogen mehr zu nehmen und sich hieran auch gehalten zu haben. Diese 15-monatige Frist ergebe sich aus der in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung erwähnten einjährigen Drogenabstinenz zuzüglich der diesem Zeitraum vorausgehenden Entgiftungs- und Entwöhnungszeit. Die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV sei daher nach Ablauf von mehr als 15 Monaten nach dem letztmalig festgestellten Konsum und dem Entschluss zur Drogenabstinenz ohne Vorliegen weiterer geeigneter Anhaltspunkte nicht mehr zulässig. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall habe der Beklagte die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu Recht gefordert, weil der Kläger den Entschluss zur Drogenabstinenz ausweislich seines eigenen Vorbringens in der polizeilichen Vernehmung vom 24. April 2001 an diesem Tag und damit weniger als 15 Monate vor der Gutachtenanforderung vom 10. Juli 2002 gefasst habe. Da demnach eine rechtmäßige Gutachtenanordnung vorliege, sei nach § 11 Abs. 8 FeV aus der Weigerung, ein solches Gutachten vorzulegen, auf die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeuges zu schließen.
Der Kläger trägt zur Begründung der Revision vor: Das angefochtene Urteil verstoße gegen die Fahrerlaubnis-Verordnung und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zutreffend sei das Oberverwaltungsgericht zwar davon ausgegangen, dass ein Aufklärungsbedarf bezüglich seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bestanden habe, weil er den Konsum von Kokain über einen Zeitraum von sieben bis acht Monaten in der Beschuldigtenvernehmung vom 24. April 2001 eingeräumt habe. Zu Recht habe das Vordergericht ferner angenommen, dass zwischen dem Drogenkonsum und der angeordneten Aufklärungsmaßnahme ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang bestehen müsse. Denn anderenfalls könne auch noch Jahrzehnte nach einem Drogenkonsum eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden, was jedoch evident gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde. Fehlerhaft sei jedoch die Bestimmung des zeitlichen Zusammenhangs durch das Oberverwaltungsgericht als Zeitraum von 15 Monaten, der sich aus einer einjährigen Drogenabstinenz sowie einer Entgiftungs- und Entwöhnungszeit von drei Monaten inklusive Sicherheitszuschlag zusammensetze. Für eine Entgiftungs- und Entwöhnungszeit von drei Monaten bestehe kein Anhalt. Eine Entwöhnung und Entgiftung des menschlichen Körpers erfolge bei nur gelegentlichem Drogenkonsum, wie er hier vorliege, in einem Zeitraum von deutlich unter drei Monaten. Völlig unbestimmt und damit rechtsfehlerhaft sei auch der vom Oberverwaltungsgericht angesetzte "Sicherheitszuschlag". Dieser "Sicherheitszuschlag" sei zu weit gefasst und damit unverhältnismäßig. Bereits nach einer einjährigen Drogenabstinenz, die ggf. durch ein Haarscreening nachzuweisen sei, sei kein hinreichend enger zeitlicher Zusammenhang zwischen angeordneter Aufklärungsmaßnahme und Drogenkonsum mehr gegeben, so dass in diesem Fall die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung unverhältnismäßig sei. Selbst wenn von einer 15-monatigen Frist auszugehen sein sollte, wäre jedenfalls die Fristberechnung durch das Oberverwaltungsgericht fehlerhaft. Unzutreffend sei es, für den Fristbeginn nicht an den Zeitpunkt des letzten Drogenkonsums, sondern erst an den späteren Entschluss, keine Drogen mehr zu nehmen, anzuknüpfen. Denn die Entgiftung und Entwöhnung beginne schon nach dem letzten Konsum. Dies sei vorliegend der 3. März 2001 gewesen, so dass die 15-monatige Frist, die noch einen hinreichenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem zuletzt festgestellten Drogenkonsum und der angeordneten Aufklärungsmaßnahme darstelle, bei Anordnung der medizinisch-psychologischen Untersuchung am 10. Juli 2002 deutlich überschritten worden sei.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt kein Bundesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 24. September 2002 war rechtmäßig.
1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verfügung, welche die Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bestehende Sach- und Rechtslage maßgeblich. Der revisionsgerichtlichen Entscheidung zu Grunde zu legen ist daher das Straßenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1952 (BGBl I S. 837) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11. September 2002 (BGBl I S. 3574) sowie die Fahrerlaubnis-Verordnung vom 18. August 1998 (BGBl I S. 2214) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 7. August 2002 (BGBl I S. 3267).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Bedenken an der Kraftfahreignung genügen nicht für die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Wenn allerdings Tatsachen bekannt werden, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach Ergebnis der Eignungsuntersuchung in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).
Der Schluss auf die Nichteignung ist nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht zu § 15 b StVZO a.F. entwickelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 1985 - BVerwG 7 C 26.83 - BVerwGE 71, 93 <95>; Urteil vom 13. November 1997 - BVerwG 3 C 1.97 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 28; Urteil vom 5. Juli 2001 - BVerwG 3 C 13.01 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 29 S. 3). Sie sind auch bei der Anwendung der Fahrerlaubnis-Verordnung zu beachten (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 37. Auflage 2003, § 11 FeV Rn. 24; Jagow in: Jagow/Burmann/ Heß, Straßenverkehrsrecht 17. Auflage 2002, § 3 StVG Rn. 7 e). Der Verordnungsgeber hat in der Begründung zu § 11 Abs. 8 FeV ausdrücklich auf die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bezug genommen (BRDrucks 443/98 S. 257).
2. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten über die Fahreignung des Klägers beizubringen, war rechtmäßig. Sie fand ihre Grundlage in § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV. Unmittelbar regelt § 14 FeV zwar nur die Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel im Rahmen der Erst- oder Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis. Nach § 46 Abs. 3 FeV finden die §§ 11 bis 14 aber entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Von dieser Bezugnahme ist auch § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV erfasst, der bestimmt, dass die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder die Verlängerung der Fahrerlaubnis anzuordnen ist, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder - ohne abhängig zu sein - weiterhin Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes oder psychoaktiv wirkende Stoffe einnimmt. Die Vorschrift schreibt bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen zwingend die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vor.
Dem Wortlaut nach reicht für die Anwendung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV, dass in der Vergangenheit ein Konsum harter Drogen - für den gelegentlichen Genuss von Cannabis enthält § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV eine Sonderregelung - entweder aufgrund einer Abhängigkeit oder ohne solche Abhängigkeit erfolgt ist. Das ergibt sich aus der Formulierung, es sei zu klären, ob weiterhin Betäubungsmittel eingenommen werden. Eine solche Fortsetzung der Einnahme setzt begrifflich voraus, dass jedenfalls nachweislich in der Vergangenheit ein Drogenkonsum stattgefunden hat.
Allerdings kann nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden. Das ergibt sich schon aus der Verweisungsnorm des § 46 Abs. 3 FeV, wonach Tatsachen bekannt geworden sein müssen, die Bedenken gegen die Kraftfahreignung des Betroffenen begründen. Der erfolgte Betäubungsmittelmissbrauch muss also nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Das ergibt sich auch aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, greift in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Ihm wird zugemutet, anderen Einblick in Kernbereiche seiner Persönlichkeit zu geben. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig ist. Es muss also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann.
Das in unterschiedliche Richtungen weisende Bemühen der Beteiligten und des Berufungsgerichts, schematisch feste Zeiten zu bestimmen, nach deren Ablauf ein Drogenkonsum im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV unbeachtlich werden soll, wird dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kontext der Drogenproblematik nicht gerecht. So meint der Kläger etwa, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei unzulässig, wenn der Betroffene nach dem letzten Drogenkonsum ein Jahr lang keine Drogen zu sich genommen habe. Das Berufungsgericht zieht die Grenze insoweit bei 15 Monaten. Eine solche generalisierende Betrachtungsweise trägt den Gefahren, deren Bekämpfung § 14 Abs. 2 FeV dient, nicht hinreichend Rechnung. Erforderlich ist vielmehr eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände. Entscheidend ist, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen.
Von besonderem Gewicht ist insoweit Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob die Umstände die Annahme nahe legen, dass der Betroffene ein einziges Mal Drogen zu sich genommen hat, oder ob sich der Konsum über einige, unter Umständen sogar längere Zeit hingezogen hat. Auch die Art der konsumierten Droge und ihre Eignung, Abhängigkeit zu erzeugen, können ins Gewicht fallen. Vor diesem Hintergrund ist es eine prinzipiell von den zuständigen Behörden und den Tatsachengerichten zu beantwortende Frage, wie schwer der Gefahrenverdacht wiegt, der sich aus dem in der Vergangenheit erfolgten nachgewiesenen Drogenkonsum ergibt. Zu kurz greift insoweit die Argumentation des Klägers, dass sich die Frage eines gegenwärtigen Drogenkonsums durch eine das Persönlichkeitsrecht weniger beeinträchtigende ärztliche Untersuchung klären lasse. Jedenfalls bei einem über das einmalige Probieren hinausgehenden Betäubungsmittelmissbrauch ist die Frage, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden hat, für die Einschätzung der Gefahrensituation von entscheidender Bedeutung. Genau auf die Klärung dieser Frage zielt das in § 14 Abs. 2 FeV vorgesehene medizinisch-psychologische Gutachten.
3. Der Beklagte hat die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, und die durch die angefochtenen Bescheide erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis mit Art, Umfang und Dauer des Betäubungsmittelmissbrauchs durch den Kläger begründet. Das Berufungsgericht hat zwar das Schwergewicht seiner Argumentation darauf gelegt, dass der notwendige zeitliche Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und der Gutachtenanforderung gegeben sei, weil die von ihm angenommene Verwertungsgrenze von 15 Monaten nicht überschritten sei. Es hat aber ersichtlich keinen Zweifel gehabt, dass abgesehen hiervon Art und Umfang des Drogenkonsums durch den Kläger auch angesichts der inzwischen verstrichenen Zeit Bedenken gegen die Fahreignung des Klägers begründen können.
Diese Einschätzung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat sieben Monate lang, wenn auch jeweils mit einem Abstand von zwei Wochen, Kokain und damit eine harte Droge zu sich genommen. Selbst wenn der Kläger, wie er behauptet, danach keine Drogen mehr genommen haben sollte, erscheint die Frage nach der Stabilität des Einstellungswandels durchaus berechtigt.
Ohne Belang ist für die vorliegende Entscheidung, dass inzwischen ein weitaus längerer Zeitraum verstrichen ist. Für den Erfolg der Anfechtungsklage ist entscheidend, ob die Gutachtenanordnung seinerzeit rechtmäßig erfolgt ist.
Da der Kläger die Beibringung des Gutachtens hiernach zu Unrecht verweigert hat, konnte der Beklagte nach § 11 Abs. 8 i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV vom Fehlen seiner Kraftfahreignung ausgehen.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.