Verfahrensinformation

Die Klägerin, eine bayerische Gemeinde, wendet sich gegen die Verlängerung einer dem beigeladenen Unternehmen erteilten Baugenehmigung für die Errichtung eines Autohauses. Das Vorhaben soll im Geltungsbereich eines sog. vorhabenbezogenen Bebauungsplans verwirklicht werden, dem eine zwischen der Klägerin und der Beigeladenen abgestimmte Planung zugrunde liegt. Die Beigeladene verpflichtete sich im Jahr 2007 gegenüber der Klägerin vertraglich, das Vorhaben bis zum 30. September 2009 fertigzustellen, der Änderungsvertrag sah eine Fertigstellung bis zum 30. September 2013 vor. Das Landratsamt erteilte der Beigeladenen eine bis zum 14. April 2014 befristete Baugenehmigung. Da die Beigeladene untätig blieb, verweigerte der Gemeinderat der Klägerin die Zustimmung zu einer Verlängerung des Änderungsvertrages über den 30. September 2013 hinaus und ihr Einvernehmen zu einer Verlängerung der Baugenehmigung. Trotzdem verlängerte das Landratsamt die Baugenehmigung bis zum 14. August 2016. Der dagegen erhobenen Klage hat der Verwaltungsgerichtshof München stattgegeben. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig, da das Baurecht, das der Bebauungsplan vermittelt habe, am 30. September 2013 erloschen sei. Um das Vorhaben genehmigen zu können, hätte es einer erneuten Verlängerung des Durchführungsvertrages bedurft. Hiergegen hat die Beigeladene Revision eingelegt.


Urteil vom 09.02.2017 -
BVerwG 4 C 4.16ECLI:DE:BVerwG:2017:090217U4C4.16.0

Festsetzung einer Durchführungsfrist im vorhabenbezogenen Bebauungsplan

Leitsatz:

In einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan ermöglicht § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB nicht die (textliche) Festsetzung, dass nur Vorhaben zulässig sind, die innerhalb der im Durchführungsvertrag vereinbarten Frist fertiggestellt werden.

  • Rechtsquellen
    BauGB § 12 Abs. 3a, Abs. 6 Satz 1, § 30 Abs. 2
    BayBO Art. 69

  • VG München - 28.04.2015 - AZ: M 1 K 14.3721
    VGH München - 01.03.2016 - AZ: VGH 1 BV 15.1535

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 09.02.2017 - 4 C 4.16 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:090217U4C4.16.0]

Urteil

BVerwG 4 C 4.16

  • VG München - 28.04.2015 - AZ: M 1 K 14.3721
  • VGH München - 01.03.2016 - AZ: VGH 1 BV 15.1535

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2017
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz, Petz, Dr. Decker und Dr. Külpmann
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision der Beigeladenen wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. März 2016 geändert.
  2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 28. April 2015 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Gründe

I

1 Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Verlängerung der Geltungsdauer einer der Beigeladenen ausgestellten Baugenehmigung.

2 Mit Bescheid vom 17. Juli 2008 erteilte das zuständige Landratsamt der Beigeladenen auf der Grundlage des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 33 "VEP Autohaus Weinberger-Chiemsee" der Klägerin eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Autohauses. Der Durchführungsvertrag zum Vorhaben- und Erschließungsplan sah eine Fertigstellung des Vorhabens bis zum 30. September 2009, ein Änderungsvertrag eine Fertigstellung bis zum 30. September 2013 vor. Die Geltungsdauer der Baugenehmigung verlängerte das Landratsamt im April 2012 bis zum 14. August 2014.

3 Nachdem die Beigeladene bis zum 20. März 2014 von ihrem Baurecht keinen Gebrauch gemacht hatte, lehnte es der Gemeinderat der Klägerin ab, den Durchführungsvertrag nochmals zu ändern und die Frist zur Durchführung des Vorhabens erneut hinauszuschieben. Auch verweigerte er das Einvernehmen zu dem Antrag der Beigeladenen vom 31. Mai 2014 auf eine weitere Verlängerung der Baugenehmigung. Im Hinblick auf einen zwischenzeitlich gefassten Aufstellungsbeschluss zur Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans beantragte die Klägerin am 28. Juli 2014 beim Landratsamt zudem die Zurückstellung des Verlängerungsantrags. Das Landratsamt lehnte den Zurückstellungsantrag ab und verlängerte mit Bescheid vom 31. Juli 2014 unter Berufung auf ein vermeintlich vorliegendes Einvernehmen der Klägerin die Geltungsdauer der Baugenehmigung bis zum 14. August 2016.

4 Die Klage auf Erteilung eines Zurückstellungsbescheides und gegen die Verlängerung der Baugenehmigung hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung der Klägerin teilweise stattgegeben und den Bescheid des Landratsamts vom 31. Juli 2014 aufgehoben. Die Verlängerung der Geltungsdauer der Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil das Vorhaben seit Ablauf der Durchführungsfrist am 30. September 2013 den Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht mehr entspreche. Durch die rechtswidrige Maßnahme sei die Klägerin in ihrem Recht der Planungshoheit verletzt.

5 Die Beigeladene hat im Umfang ihrer Beschwer die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Sie hält das Berufungsurteil für bundesrechtswidrig, soweit der Berufung stattgegeben worden ist. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

II

6 Die Revision der Beigeladenen hat Erfolg.

7 1. Der Rechtsstreit hat sich nicht erledigt. Zwar war die Geltungsdauer der angefochtenen Baugenehmigung bis zum 14. August 2016 befristet und hat das Rechtsmittel der Klägerin den Lauf der Erlöschensfrist nicht nach Art. 69 Abs. 1 Halbs. 2 BayBO gehemmt, weil diese landesrechtliche Regelung keine Anwendung finden soll, wenn das Ende der Baugenehmigung durch einen datumsmäßig bezeichneten Termin begrenzt ist (VGH München, Beschluss vom 12. Januar 2000 - 2 ZB 97.10 21 - BeckRS 2000, 24746 Rn. 3). Die Genehmigung ist aber nicht erloschen, weil die Beigeladene zuvor mit der Ausführung des Vorhabens begonnen hat (Art. 69 Abs. 1 Halbs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BayBO). Ein Bediensteter des Landratsamts hat festgestellt, dass die Beigeladene vor Fristablauf den Mutterboden hat abschieben und auf einer Fläche von rund 200 m² eine Kiesdecke zur Gründung des Fundaments für die Bodenplatte hat aufbringen lassen. An die baubehördliche Schlussfolgerung, dass die Maßnahmen einen Baubeginn kennzeichnen, ist der Senat zwar nicht gebunden, sieht aber keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.

8 Dem Einwand der Klägerin, die von der Beigeladenen veranlassten Maßnahmen seien dem Baubeginn vorgelagerte Vorbereitungshandlungen, vermag der Senat nicht zu folgen. Er schließt sich vielmehr dem von der Klägerin herangezogenen Urteil des Verwaltungsgerichtshofs München vom 29. Juni 1987 - 14 B 86.02 133 - (BRS 47 Nr. 143; zustimmend: Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 69 Rn. 7) an, wonach bei der Neuerrichtung eines Gebäudes das Abschieben von Mutterboden (in einer Tiefe zwischen 0,2 und 0,3 m) als "erster Spatenstich" die Bauausführung unmittelbar einleitet. Der Annahme eines Baubeginns steht nicht entgegen, dass die Beigeladene die in der Nebenbestimmung Nr. 4 zur Baugenehmigung vom 17. Juli 2008 geforderte Brandschutzbescheinigung bislang nicht vorgelegt hat. Der Baubeginn ist eine faktische Maßnahme, für die ohne Bedeutung ist, ob sich die Bauausführung in jeder Hinsicht im Rahmen der Baugenehmigung hält (Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 69 Rn. 8; Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand August 2016, Art. 69 Rn. 42). Im Sinne des Art. 69 Abs. 1 Halbs. 1 BayBO ist mit der Ausführung des Bauvorhabens nur dann nicht begonnen worden, wenn das in Angriff genommene Vorhaben so stark von dem genehmigten abweicht, dass es als aliud anzusehen ist (vgl. VGH München, Beschluss vom 26. März 2008 - 15 ZB 07.3194 - juris Rn. 9). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

9 Der Verwaltungsgerichtshof München verlangt für einen Baubeginn zusätzlich, dass der Bauherr die Bauarbeiten ernsthaft mit dem Ziel aufnimmt, das genehmigte Vorhaben - wenn auch möglicherweise zeitlich gegliedert in Bauabschnitte - fertigzustellen; sofern ein Bauherr die Bauarbeiten aus freien Stücken alsbald wieder einstellt, bestünden hieran Zweifel (Urteil vom 29. Juni 1987 - 14 B 86.02 133 - BRS 47 Nr. 143). Der Senat hält die Baumaßnahmen der Beigeladenen nicht für bloße Scheinaktivitäten. Der Baustopp nach dem 14. August 2016 ist kein Indiz für den Mangel des ernstlichen Willens der Beigeladenen, die Baugenehmigung auszunutzen, sondern entsprach dem nachvollziehbaren Eigeninteresse der Beigeladenen. Der Ausgang des Revisionsverfahrens war offen, und für den Fall der Erfolglosigkeit der Revision musste die Beigeladene damit rechnen, dass das Landratsamt bauaufsichtlich gegen sie einschreitet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2016 - 4 VR 13.16 - BauR 2016, 1770 <1771>) und einen Rückbau anordnet. Bis dahin getätigte Investitionen hätten als Verluste verbucht werden müssen.

10 2. Soweit das Berufungsurteil der revisionsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, beruht es auf der Verletzung von Bundesrecht. Der Verwaltungsgerichtshof hätte den Bescheid des Landratsamts vom 31. Juli 2014 nicht aufheben dürfen.

11 a) Die Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen ergibt sich aus § 30 Abs. 2 BauGB. Hiernach ist im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs waren die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BauGB zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verlängerung der Baugenehmigung erfüllt.

12 aa) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen zum Zeitpunkt der Verlängerung der Baugenehmigung am 31. Juli 2014 dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 33 "VEP Autohaus Weinberger-Chiemsee" widersprochen habe. Im Bebauungsplan sei eine Frist festgesetzt worden, innerhalb derer das Vorhaben fertiggestellt sein müsse. Nach Ablauf der Frist am 30. September 2013 hätte es einer erneuten Änderung des Durchführungsvertrags bedurft, um das Vorhaben nach § 30 Abs. 2 BauGB genehmigen zu können.

13 Wie sich aus dem Durchführungsvertrag ergebe, habe die Klägerin von der Festsetzungsmöglichkeit des § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB Gebrauch gemacht. Sie habe unter Nummer 1 Abs. 1 Satz 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans als allgemeine Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO festgesetzt und in Satz 2 bestimmt, dass nur solche Vorhaben zulässig seien, zu deren Durchführung sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichte. Damit übernehme der Durchführungsvertrag die planungsrechtliche Konkretisierung des Vorhabens mit der Konsequenz, dass die näheren Vorgaben im Durchführungsvertrag maßgeblich für die Zulässigkeit des jeweiligen Vorhabens seien. Da der vorhabenbezogene Bebauungsplan nicht nur darauf gerichtet sei, nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB die planungsrechtlichen Grundlagen für ein im Vorhaben- und Erschließungsplan bestimmtes Projekt zu schaffen, sondern in Verknüpfung mit dem Durchführungsvertrag der Realisierung des Projekts innerhalb eines überschaubaren Zeitraums diene, gehöre auch der Zeitpunkt der Fertigstellung des Projekts zu den Festsetzungen nach § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB.

14 An die Auslegung der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ist der Senat gebunden, weil sie Bestandteil des irrevisiblen Landesrechts sind (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Er hat aber zu prüfen, ob das Berufungsgericht die für seine Interpretation maßgeblichen bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat. Ist das - wie hier - nicht der Fall, weil die Bestimmung des Inhalts des Landesrechts durch eine Verletzung von Bundesrecht beeinflusst worden ist, so hat das Revisionsgericht korrigierend einzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1987 - 4 C 9.86 - BVerwGE 78, 347 <351>) und der landesrechtlichen Bestimmung einen Inhalt zu geben, der mit Bundesrecht im Einklang steht.

15 Das Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs vom Inhalt der textlichen Festsetzungen in Nummer 1 Abs. 1 Satz 2 des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 33 ist durch eine Fehlvorstellung von § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB geprägt. Die Vorschrift ermöglicht nicht die Festsetzung, dass nur Vorhaben zulässig sind, die innerhalb der im Durchführungsvertrag vereinbarten Frist fertiggestellt werden.

16 Nach § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB ist, wenn in einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan für den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans durch Festsetzung eines Baugebiets auf Grund der Baunutzungsverordnung oder auf sonstige Weise eine bauliche oder sonstige Nutzung allgemein festgesetzt wird, unter entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2 BauGB festzusetzen, dass im Rahmen der festgesetzten Nutzungen nur solche Vorhaben zulässig sind, zu deren Durchführung sich der Vorhabenträger im Durchführungsvertrag verpflichtet.

17 § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB erlaubt es, statt ein konkretes Vorhaben zu ermöglichen, ein Baugebiet festzusetzen. Die planende Gemeinde kann sich dabei eines der in der Baunutzungsverordnung angebotenen Baugebiete bedienen oder ein Baugebiet eigener Art schaffen (Spieß, in: Jäde/Dirnberger, Baugesetzbuch/Baunutzungsverordnung, 8. Aufl. 2017, § 12 BauGB Rn. 34). Mit Baugebieten wird die Art der baulichen Nutzung der in ihnen zur Bebauung vorgesehenen Flächen festgelegt (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO). Um zu verhindern, dass aus dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein "normaler" Bebauungsplan wird, für dessen Aufstellung teilweise andere Voraussetzungen gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 - BVerwGE 119, 45 <52>), hat der Gesetzgeber auf der Rechtsfolgeseite des § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB die Ermächtigung beschränkt. Durch Festsetzung ist sicherzustellen, dass "im Rahmen der festgesetzten Nutzungen", d.h. aus dem Katalog der allgemein zulässigen Arten der baulichen Nutzungen, nur solche Vorhaben verwirklicht werden dürfen, die Gegenstand des Durchführungsvertrags sind.

18 Der in § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB hergestellte Vorhabenbezug entspricht so, wie er sich aus der Vorschrift ergibt, der Intention des Gesetzgebers. Anlass für die nachträgliche Einführung des Absatzes 3a in § 12 BauGB durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) war die Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 - BVerwGE 119, 45 und Beschluss vom 10. August 2004 - 4 BN 29.04 - BauR 2004, 1908), die im Rahmen des § 12 BauGB zulässige Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten eng zu ziehen. Dem Gesetzgeber ging es mit § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB darum, die sich aus der Senatsrechtsprechung ergebende Konsequenz zu vermeiden, dass sich später als notwendig herausstellende Änderungen der beabsichtigten oder schon durchgeführten Bauvorhaben stets eines Verfahrens zur Änderung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans bedurften (BT-Drs. 16/2496 S. 10). Dies hat er dadurch erreicht, dass im Bebauungsplan für den Vorhaben- und Erschließungsplan auch die bauliche Nutzung allgemein festgesetzt werden kann. Zwar bleibt weiterhin nur die Nutzung zulässig, zu der sich der Vorhabenträger verpflichtet hat. Bei einer Änderung des Durchführungsvertrags wird jedoch ohne Änderung des Bebauungsplans die im Durchführungsvertrag nunmehr zugelassene Nutzung zulässig, soweit sie von der allgemein festgesetzten Nutzung umfasst wird. Das führt zu einer flexibleren Einsatzmöglichkeit des Instruments des vorhabenbezogenen Bebauungsplans.

19 Der Gesetzesbefehl, dass die Festsetzung "unter entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2" zu erfolgen hat, rechtfertigt nicht die Erweiterung der Festsetzungsmöglichkeiten im Sinne des angefochtenen Urteils. Die Festsetzung soll sicherstellen, dass Vorhaben, die ihrer Art nach dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan, nicht aber dem Durchführungsvertrag entsprechen, nicht zulässig sind. Sie können nur nach § 12 Abs. 3a Satz 2 BauGB durch Änderung des Durchführungsvertrags oder Abschluss eines neuen Durchführungsvertrags zulässig werden (Krautzberger, UPR 2006, 405 <410>). Mit dem Zusatz "unter entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 2" verbindet der Gesetzgeber die Idee, dass die festgesetzten Nutzungen in Bezug auf ihre Zulässigkeit als aufschiebend bedingt zu behandeln sind, wobei Bedingung die entsprechende Verpflichtung im Durchführungsvertrag ist (BT-Drs. 16/2496 S. 12).

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht nur die Reichweite der Festsetzungsermächtigung in § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB verkannt, sondern auch den Anwendungsbereich des von ihm als einschlägig herangezogenen § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB verlassen. § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB ermöglicht die Festsetzung im Bebauungsplan, dass in ihm festgesetzte bauliche und sonstige Nutzungen und Anlagen nur für einen bestimmten Zeitraum zulässig sind. Mit einer Festsetzung, dass nur Vorhaben zulässig sind, die innerhalb der im Durchführungsvertrag vereinbarten Frist fertiggestellt werden, wird keine Zeitspanne festgelegt, innerhalb derer die Vorhaben vorübergehend zulässig sein sollen. Vielmehr soll sie die dauerhafte Zulässigkeit eines innerhalb der vertraglich vereinbarten Durchführungsfrist fertiggestellten Vorhabens bewirken.

21 Die in Rede stehende Festsetzung ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb mit § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB vereinbar, weil § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB die "entsprechende" Anwendung der Norm anordnet. Mit der Verpflichtung zur entsprechenden Anwendung einer Vorschrift will der Gesetzgeber die für einen Tatbestand vorgesehene Regelung auf einen anderen, wertungsmäßig gleich zu behandelnden Tatbestand übertragen wissen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 383). Er erteilt aber nicht die Befugnis, die Regelung inhaltlich zu ändern.

22 Der vorinstanzlichen Auslegung des § 12 Abs. 3a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 BauGB steht schließlich § 12 Abs. 6 Satz 1 BauGB entgegen. Danach soll die Gemeinde den Bebauungsplan aufheben, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist nach § 12 Abs. 1 BauGB, d.h. innerhalb der im Durchführungsvertrag vereinbarten Frist, durchgeführt wird. Eine Festsetzung im vorhabenbezogenen Bebauungsplan, dass der Plan mit der Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Frist zur Durchführung des Vorhaben- und Erschließungsplans außer Kraft tritt, hat der Gesetzgeber für vorhabenbezogene Bebauungspläne, die nicht unter § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB fallen, nicht vorgesehen. Für eine abweichende Behandlung von Bebauungsplänen nach § 12 Abs. 3a Satz 1 BauGB gibt es weder einen Ansatzpunkt in den Gesetzesmaterialien noch einen sachlichen Grund.

23 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin geltend gemacht, dass nur die vorinstanzliche Interpretation des § 12 Abs. 3a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 BauGB einen angemessenen Schutz der Gemeinden vor einem Überschreiten der Durchführungsfrist durch den Investor gewährleiste. Der Senat sieht das anders. Den Schutz, den die Klägerin vermisst, können Gemeinden durch eine Klausel im Durchführungsvertrag herbeiführen, wonach der Vertrag erlischt oder gekündigt werden darf, wenn der Vorhabenträger die Durchführungsfrist nicht einhält. Gibt es keinen Durchführungsvertrag mehr, treten die Festsetzungen im vorhabenbezogenen Bebauungsplan - jedenfalls bis zum Abschluss eines neuen Durchführungsvertrags - außer Funktion (Spieß, in: Jäde/Dirnberger, Baugesetzbuch/Baunutzungsverordnung, 8. Aufl. 2017, § 12 BauGB Rn. 36). Das Vorhaben kann bauplanungsrechtlich nicht mehr an § 30 Abs. 2 BauGB gemessen werden.

24 Mit einer gesetzeskonform verstandenen Festsetzung in Nummer 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 33 ist das Bauvorhaben der Beigeladenen vereinbar. Es ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO im Gewerbegebiet allgemein zulässig und entspricht dem Durchführungsvertrag, dessen Gegenstand nach § 1 Nr. 1 die Errichtung eines Autohauses ist.

25 bb) Die Festsetzungen in Nummer 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 waren wirksam.

26 Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass im Falle einer räumlichen und sachlichen Identität von Vorhaben- und Erschließungsplan und vorhabenbezogenem Bebauungsplan beide Pläne ausnahmsweise "körperlich" in einer Planurkunde vereinigt werden dürfen. Das ist mit Bundesrecht vereinbar.

27 Das Erfordernis eines Vorhaben- und Erschließungsplans für die Wirksamkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan setzt nämlich voraus, dass die Gemeinde mit dem Vorhabenträger einen Durchführungsvertrag geschlossen hat, dessen Gegenstand ein Vorhaben- und Erschließungsplan ist (BVerwG, Urteil vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 - BVerwGE 119, 45 <52>).

28 Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB wird der Vorhaben- und Erschließungsplan Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Sinn und Zweck der Bestimmung ist es, den Vorhabenträger dagegen abzusichern, dass der Satzungsgeber vom Vorhaben- und Erschließungsplan abweichende Festsetzungen trifft (Kukk, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 8. Aufl. 2015, § 12 Rn. 45). Um einen Abgleich zwischen Vorhaben- und Erschließungsplan und vorhabenbezogenem Bebauungsplan zu ermöglichen, ist es grundsätzlich geboten, eine zum Vorhaben- und Erschließungsplan gehörende Planzeichnung des Vorhabenträgers in das Aufstellungsverfahren und den Satzungsbeschluss einzubeziehen. Eine Ausnahme ist zuzulassen, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan so erstellt wird, dass er von der Darstellung der Planzeichnung her nicht von einem normalen Bebauungsplan unterscheidbar ist (vgl. dazu Nr. 7.4 des Muster-Einführungserlasses zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz vom 9. September 1997, wiedergegeben von Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2016, § 12 Rn. 86) und die Gemeinde die Planzeichnung unverändert ("eins zu eins") übernimmt. Denn in einem solchen Fall, der nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz hier vorliegt, sind Interessen des Vorhabenträgers nicht berührt und dürfen Vorhaben- und Erschließungsplan und vorhabenbezogener Bebauungsplan auf einer einheitlichen Planurkunde dargestellt werden (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2016, § 12 Rn. 118a; Kuschnerus, BauR 2004, 946 <950>; Köster, ZfBR 2005, 147 <148>; Oerder, BauR 2009, 744 <750>). Die Forderung, dass zwei Planurkunden, die sich in nichts voneinander unterscheiden, zum Gegenstand des Beteiligungsverfahrens und des Satzungsbeschlusses gemacht werden müssten, wäre reiner Formalismus. Zu verlangen ist allerdings, dass sich aus der Planurkunde ergibt, dass sie sowohl für den Vorhaben- und Erschließungsplan als auch für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan gilt (vgl. Kuschnerus, BauR 2004, 946 <950>). Dem hat die Klägerin durch die Kennzeichnung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 33 "VEP Autohaus Weinberger-Chiemsee" Rechnung getragen.

29 Andere Gründe für die Unwirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

30 cc) Die Erschließung des Baugrundstücks ist gesichert. Die Klägerin hat auf dem Formular, das sie für ihre Stellungnahme zum Bauantrag der Beigeladenen vom 15. Februar 2008 benutzt hat, angekreuzt, dass die Zufahrt durch die Lage des Grundstücks in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche sowie die Wasserversorgung durch einen Anschluss an die zentrale Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung durch eine Anbindung an die Kanalisation gesichert sind. Bundesrechtlich ohne Bedeutung ist, ob und inwieweit Klägerin und Beigeladene ihre jeweiligen Verpflichtungen aus § 4 des Durchführungsvertrags (Herstellung der Erschließungsanlagen) erfüllt haben.

31 b) Das fehlende Einvernehmen der Klägerin zur Verlängerung der Baugenehmigung macht den Bescheid vom 31. Juli 2014 nicht rechtswidrig. Zwar ist es ständige Rechtsprechung des Senats zu § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB, dass das Gericht im Anfechtungsprozess, in dem sich die Gemeinde gegen ein missachtetes Einvernehmenserfordernis wehrt, die Genehmigung unabhängig von der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens aufzuheben hat (zuletzt BVerwG, Urteil vom 26. März 2015 - 4 C 1.14 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 60 Rn. 17). Hier war der Anwendungsbereich des § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB jedoch nicht eröffnet, weil über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen zum Zeitpunkt der von der Klägerin angefochtenen Entscheidung des Landratsamts nicht nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB, sondern nach § 30 Abs. 2 BauGB zu entscheiden war.

32 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.