Verfahrensinformation

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, kam 1997 nach Deutschland. Wegen der Heirat einer deutschen Staatsangehörigen wurden ihm 1998 eine befristete Aufenthaltserlaubnis und eine unbefristete Arbeitsberechtigung erteilt. Nachdem der Ausländerbehörde bekannt geworden war, dass die eheliche Lebensgemeinschaft bereits im Jahr 1999 geendet hatte, nahm sie die seitdem erteilten Aufenthaltserlaubnisse zurück und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an. Das Verwaltungsgericht Hamburg wies die Klage ab. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat der Klage dagegen stattgegeben. Es ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger mangels hinreichender Beschäftigungszeiten keine zum Aufenthalt berechtigende Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80) erworben hat. Es hat aber angenommen, dass dem Kläger wegen der ihm unbefristet erteilten Arbeitsgenehmigung ein Aufenthaltsrecht aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 zustehe. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu den entsprechenden Diskriminierungsverboten in den Europa-Mittelmeer-Abkommen etwa mit Tunesien. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision. Das Bundesverwaltungsgericht wird zu entscheiden haben, ob der Kläger die Voraussetzungen erfüllt, unter denen nach der Rechtsprechung des EuGH einem Diskriminierungsverbot ausnahmsweise aufenthaltsrechtliche Wirkung zukommt.


Pressemitteilung Nr. 86/2009 vom 08.12.2009

Kein Aufenthaltsrecht aus dem Diskriminierungsverbot für türkischen Arbeitnehmer

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte heute im Fall eines türkischen Arbeitnehmers darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen sich dieser gegenüber aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Ausländerbehörde auf ein Aufenthaltsrecht aus dem assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbot berufen kann.


Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, erhielt Mitte 1998 nach Heirat einer Deutschen eine befristete Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Ehegattennachzugs, die jeweils antragsgemäß bis Januar 2006 verlängert wurde. Daneben erteilte ihm das Arbeitsamt 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung. Im Februar 2006 nahm die Beklagte die seit 2001 erteilten Aufenthaltserlaubnisse zurück, lehnte die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis über Januar 2006 hinaus ab und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei an. Der Kläger habe die Aufenthaltserlaubnisse mit falschen Angaben erwirkt, da sich inzwischen herausgestellt habe, dass die eheliche Lebensgemeinschaft entgegen seinen Angaben schon vor Ablauf von zwei Jahren geendet habe. Er habe deshalb seit 2001 weder als Ehegatte noch nach Art. 6 des Beschlusses des Assoziationsrats EWG/Türkei 1/80 (ARB 1/80) aufgrund seiner Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht gehabt. Dies wurde vom Verwaltungsgericht als rechtmäßig bestätigt, während das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG) den angefochtenen aufenthaltsbeendenden Bescheid als rechtswidrig ansah. Der Kläger habe zwar seit 2001 nach nationalem Recht keinen Anspruch mehr auf eine Aufenthaltserlaubnis gehabt, weil die eheliche Lebensgemeinschaft entgegen seinen Angaben nicht zwei Jahre bestanden habe. Unabhängig davon habe ihm aber seither wegen der unbefristet erteilten Arbeitsgenehmigung ein Aufenthaltsrecht aufgrund des Diskriminierungsverbots in Art. 10 ARB 1/80 zugestanden. Dies verleihe dem Kläger - in Anlehnung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu den entsprechenden Diskriminierungsverboten in den Europa-Mittelmeer-Abkommen der Europäischen Gemeinschaft etwa mit Tunesien oder Marokko - in Verbindung mit der zwischenzeitlich ausgeübten Beschäftigung ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision.


Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat das Urteil des OVG aufgehoben. Er hat ein Aufenthaltsrecht des Klägers allein aufgrund des Diskriminierungsverbots des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 verneint. Nach dieser Vorschrift dürfen türkische Arbeitnehmer, die dem regulären Arbeitsmarkt angehören, gegenüber Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgelts und der sonstigen Arbeitsbedingungen nicht diskriminiert werden. Zum einen wird durch eine Rücknahme erteilter Aufenthaltserlaubnisse die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung in vergangenen Zeiträumen nicht beeinträchtigt. Zum anderen kann dem Diskriminierungsverbot aufenthaltsrechtliche Wirkung allenfalls für die Dauer eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zukommen. Hinzu kommt, dass sich die Rechtslage ab 1. Januar 2005 geändert hat. Mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes hat der deutsche Gesetzgeber das bis dahin vorgesehene doppelte Genehmigungsverfahren (Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung) aufgegeben. Die Entscheidung über den Aufenthalt und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird gegenüber dem Ausländer einheitlich mit Erteilung des Aufenthaltstitels getroffen. Hinsichtlich der Erwerbstätigkeit findet lediglich eine interne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit durch die Ausländerbehörde statt (vgl. Urteil vom heutigen Tag in BVerwG 1 C 14.08 und die dazu veröffentlichte Presseerklärung). Der Anwendung der neuen Rechtslage auf den Kläger als türkischen Staatsangehörigen steht auch nicht das Verschlechterungsverbot nach Art. 13 ARB 1/80 entgegen. In seinem Fall hat sich die Rechtslage nicht zu seinem Nachteil verändert. Da auch die Würdigung der Beweislage im Berufungsurteil hinsichtlich des Zeitpunkts der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft revisionsrechtlich zu beanstanden war, konnte der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger nicht schon wegen einer ausreichenden Ehebestandszeit nach nationalem Recht eine Aufenthaltserlaubnis zustand und auch künftig weiterhin erteilt werden könnte. Das Verfahren war deshalb an das OVG zurückzuverweisen. Vor diesem Hintergrund kam die vom Kläger angeregte Vorlage an den EuGH nicht in Betracht.


BVerwG 1 C 16.08 - Urteil vom 08.12.2009


Urteil vom 08.12.2009 -
BVerwG 1 C 16.08ECLI:DE:BVerwG:2009:081209U1C16.08.0

Leitsätze:

1. Das Diskriminierungsverbot in Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 steht der Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis für vergangene Zeiträume nicht entgegen.

2. Eine vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes erteilte Arbeitsberechtigung, die ab dem 1. Januar 2005 als verwaltungsinterne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Aufnahme einer Beschäftigung fortgilt (§ 105 Abs. 2 AufenthG), scheidet als Grundlage für eine aufenthaltsrechtliche Wirkung des Diskriminierungsverbots in Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 aus.

3. In der verfahrensrechtlichen Neuregelung des Arbeitsgenehmigungsrechts durch das seit dem 1. Januar 2005 geltende Aufenthaltsgesetz liegt jedenfalls dann keine Verletzung der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80, wenn der türkische Arbeitnehmer auch bei Fortgeltung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel geltenden Rechtslage nicht in den Besitz einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung gelangt wäre.

Urteil

BVerwG 1 C 16.08

  • OVG Hamburg - 29.05.2008 - AZ: OVG 4 Bf 232/07 -
  • Hamburgisches OVG - 29.05.2008 - AZ: OVG 4 Bf 232/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 2009
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kraft und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2008 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich dagegen, dass die Beklagte im Februar 2006 die ihm ab August 2001 erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse rückwirkend zurückgenommen, die beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht hat.

2 Der 1969 geborene Kläger reiste erstmalig im Februar 1997 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Während des Asylverfahrens heiratete er im Juni 1997 eine deutsche Staatsangehörige. Nach Ablehnung seines Asylantrags kehrte er im Mai 1998 in die Türkei zurück und stellte dort bei der deutschen Auslandsvertretung einen Antrag auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug, das ihm antragsgemäß mit Zustimmung der seinerzeit zuständigen Ausländerbehörde erteilt wurde. Er reiste daraufhin erneut am 8. Juni 1998 nach Deutschland ein, meldete sich unter der damaligen Anschrift seiner Ehefrau in B. an und erhielt von der dortigen Ausländerbehörde am 2. Juli 1998 eine für ein Jahr gültige Aufenthaltserlaubnis, die später bis zum 2. Juli 2001 verlängert wurde. Daneben erteilte das zuständige Arbeitsamt dem Kläger im September 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung. Ab Februar 1999 war der Kläger bei verschiedenen H. Arbeitgebern mit Unterbrechungen im Baugewerbe beschäftigt. Im Juni 2001 beantragte er bei der beklagten Ausländerbehörde in H. die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Er gab an, wegen der Arbeitsaufnahme nach H. gezogen zu sein, seine Ehefrau aber alle 14 Tage zu sehen. Die Beklagte erteilte ihm daraufhin im August 2001 eine bis zum 15. August 2003 gültige Aufenthaltserlaubnis, die im Januar 2004 antragsgemäß bis zum 19. Januar 2006 verlängert wurde.

3 Nachdem der Beklagten Erklärungen aus anderen Verwaltungsverfahren bekannt geworden waren, wonach die Eheleute schon seit Oktober 1999 bzw. Februar 2000 getrennt lebten, nahm sie mit Bescheid vom 6. Februar 2006 die dem Kläger im August 2001 und im Januar 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnisse zurück, lehnte den inzwischen gestellten weiteren Verlängerungsantrag des Klägers ab und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe die Aufenthaltserlaubnisse mit falschen Angaben erwirkt, da die eheliche Lebensgemeinschaft schon im Oktober 1999 aufgehoben worden sei. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. August 2006 zurück.

4 Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse sei rechtswidrig. Er habe sich erst im Herbst 2000 nach seinem endgültigen Umzug nach H. von seiner Ehefrau getrennt, so dass ihm nach mehr als zweijähriger Ehebestandszeit ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG zugestanden habe. Ferner verstoße die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80. Denn ihm sei nach der Einreise in das Bundesgebiet eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erteilt worden, die ihm nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ein Aufenthaltsrecht zur Ausübung einer Beschäftigung aufgrund des Diskriminierungsverbots vermittelt habe.

5 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 3. Juli 2007 abgewiesen und den Bescheid als rechtmäßig bestätigt. Die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse sei rechtmäßig, da der Kläger jedenfalls ab Februar 1999 in H. gearbeitet und dort getrennt von seiner Ehefrau gelebt habe. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe deshalb weniger als zwei Jahre gedauert, so dass dem Kläger kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG zugestanden habe. Er habe auch kein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 gehabt, weil er die dafür notwendigen Beschäftigungszeiten nicht erfüllt habe. Ebenso wenig habe die Beklagte seine Aufenthaltserlaubnisse seinerzeit mit Rücksicht auf die ihm erteilte unbefristete Arbeitsgenehmigung in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 verlängern müssen.

6 Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. Mai 2008 die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse hätten nicht vorgelegen. Denn die Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnisse im August 2001 und Januar 2004 seien nicht rechtswidrig gewesen. Allerdings habe der Kläger seinerzeit keinen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder - nach deren Beendigung - wegen Erreichens der zweijährigen Ehebestandszeit gehabt. Der Senat habe nicht die Erkenntnis gewinnen können, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau mindestens bis Anfang Juli 2000 gedauert habe. Auf diesen Zeitpunkt sei abzustellen, da dem Kläger nach seiner Einreise im Juni 1998 erstmals am 2. Juli 1998 eine Aufenthaltserlaubnis als Ehegatte erteilt worden sei. Der Kläger und seine Ehefrau hätten sich seit Februar 1999 getrennt an verschiedenen Orten aufgehalten. Mangels einer gemeinsamen Wohnung könne von einer ehelichen Lebensgemeinschaft daher nur dann ausgegangen werden, wenn die Ehegatten einen intensiven persönlichen Kontakt pflegten, ihre tatsächliche eheliche Verbundenheit nach außen erkennbar und nachprüfbar in konkreter Weise in Erscheinung trete und in der Ausgestaltung der Beziehung einen fassbaren Niederschlag finde. Hierfür trage der Kläger die materielle Beweislast. Das Vorbringen des Klägers genüge diesen Anforderungen nicht. Er habe keine konkreten Lebensverhältnisse dargetan, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft trotz räumlicher Trennung zuließen. Da eine weitere Aufklärung nicht in Betracht komme, gehe die Unaufklärbarkeit der Lebensverhältnisse zu seinen Lasten.

7 Auch aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 habe dem Kläger zum maßgeblichen Verlängerungszeitpunkt im August 2001 und Januar 2004 mangels ausreichender Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber kein Aufenthaltsrecht zugestanden. Allerdings habe er einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis deshalb gehabt, weil ihm im September 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erteilt worden sei, aus der sich in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 ein von der Ehe unabhängiges Aufenthaltsrecht ergeben habe. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften folge, dass eine unbefristete Arbeitserlaubnis in Verbindung mit dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot zu einem Aufenthaltsrecht führe (Urteile vom 2. März 1999 - Rs. C-416/96 - El-Yassini und vom 14. Dezember 2006 - Rs. C-97/05 - Gattoussi). Diese zu den Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Tunesien und Marokko ergangene Rechtsprechung habe der Gerichtshof auf türkische Staatsangehörige übertragen, soweit sie sich als Arbeitnehmer grundsätzlich auf das assoziationsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 berufen könnten (Urteil vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-4/05 - Güzeli). Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80. Er habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse im August 2001 und Januar 2004 eine Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt ausgeübt. Er sei ferner im Besitz einer die Dauer der Aufenthaltserlaubnis übersteigenden ordnungsgemäßen Arbeitsgenehmigung gewesen. Das Recht auf tatsächliche Ausübung der Beschäftigung hätte ihm nur aus Gründen des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, entzogen werden können. Derartige Gründe hätten bei dem Kläger nicht vorgelegen. Etwaige unrichtige Angaben über die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft bei Stellung der Verlängerungsanträge reichten hierfür nicht aus. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass der Kläger aus dem Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots falle, weil er sich das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet und die deshalb erteilte unbefristete Arbeitsgenehmigung erschlichen haben könnte, da für die Annahme einer sogenannten Scheinehe ausreichende Anhaltspunkte fehlten.

8 Der Kläger habe auch einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis ausstelle. Für dieses Verpflichtungsbegehren sei auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Dem Kläger stehe ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zu, weil er seit Oktober 2006 - und damit mehr als ein Jahr - bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sei. Diese Beschäftigung sei auch ordnungsgemäß im Sinne von Art. 6 ARB 1/80 gewesen. Denn ihm habe während dieser Zeit jedenfalls ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 zugestanden. Überdies habe der Kläger bereits im Zeitpunkt des Ablaufs der zuletzt erteilten und zu Unrecht zurückgenommenen Aufenthaltserlaubnis im Januar 2006 wegen der bis zu diesem Zeitpunkt seit November 2004 ausgeübten Tätigkeit bei der Firma A. GmbH die Voraussetzungen des ersten Spiegelstrichs nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 ARB 1/80 erfüllt. Diese Tätigkeit habe er nach seinen unstreitigen Angaben im Verlängerungsantrag vom 19. Januar 2006 auch zu diesem Zeitpunkt noch ausgeübt, so dass ihm seinerzeit bereits eine Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung dieser Tätigkeit hätte erteilt werden müssen.

9 Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Sie trägt vor, sie sei berechtigt gewesen, die durch falsche Angaben erschlichenen Aufenthaltstitel gemäß § 48 Abs. 1 des Hamburger Verwaltungsverfahrensgesetzes mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Hieran sei sie auch nicht deshalb gehindert gewesen, weil dem Kläger unmittelbar nach der Einreise im Hinblick auf die Ehe mit einer Deutschen eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt worden sei. Etwas anderes lasse sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften herleiten. Insbesondere sei der Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Güzeli nichts für den Fall des Klägers zu entnehmen, da der dortige Kläger keine falschen Angaben gemacht habe. Die Frage, ob Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 einem türkischen Staatsangehörigen, der zu Beginn seines rechtmäßigen Aufenthalts eine zeitlich unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten habe, trotz Nichterreichung irgendeiner Stufe des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 allein wegen dieser Arbeitserlaubnis einen Verlängerungsanspruch vermittle, habe der Gerichtshof nicht beantwortet. Er habe sich vielmehr allein an Art. 6 ARB 1/80 orientiert und betont, dass es auf die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt ankomme, die von den nationalen Gerichten festzustellen sei. Im Übrigen können sich nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes für den Kläger aus Art. 10 ARB 1/80 keine Aufenthaltsrechte ergeben, da die ihm erteilte Arbeitsgenehmigung erloschen sei.

10 Der Kläger tritt der Revision entgegen und verteidigt die Berufungsentscheidung. Er beantragt vorsorglich, dem Europäischen Gerichtshof im Einzelnen bezeichnete Fragen zur Auslegung von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 in Fällen einer nachträglichen Rücknahme von in der Vergangenheit erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnissen vorzulegen. Ferner beantragt er für den Fall, dass ein Aufenthaltsrecht des Klägers aus Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 wegen der Änderungen des Arbeitsgenehmigungsrechts durch das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz verneint werden sollte, dem Gerichtshof auch die Frage vorzulegen, ob diese gesetzliche Neuregelung gegen Art. 13 ARB 1/80 (Stand-Still-Klausel) verstößt. Dies ist nach Ansicht des Klägers der Fall, weil nach dem bei Inkrafttreten des ARB 1/80 maßgeblichen § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitserlaubnisverordnung ein von der Aufenthaltserlaubnis unabhängiger Anspruch auf Erteilung einer unbeschränkten Arbeitserlaubnis nach einem achtjährigen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt entstanden sei, wenn die Arbeitserlaubnis aufgrund der Ehe mit einer Deutschen zunächst befristet erteilt worden sei. Ein solcher Anspruch sei in seinem Fall spätestens im Juni 2006 - mithin vor der insoweit maßgeblichen Widerspruchsentscheidung - entstanden.

II

11 Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Rücknahme der am 16. August 2001 und am 20. Januar 2004 erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse für die Vergangenheit mit einer Begründung als rechtswidrig angesehen, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist. Es hat zu Unrecht angenommen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum damaligen Zeitpunkt schon aufgrund des Diskriminierungsverbots des Art. 10 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 - ARB 1/80 - zustand (1.). Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger wegen eines fortbestehenden Aufenthaltsrechts aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung ausreichende Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung zurückgelegt hat, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zu erlangen, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (2.). Der Senat kann nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden, weil die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es einen Anspruch des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht (als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten einer Deutschen nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 AuslG 1990 für die Vergangenheit und nach § 31 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 3 AufenthG für die Zukunft) verneint hat, einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten (3.). Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Rücknahme der am 16. August 2001 und am 20. Januar 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 48 Hamburger Verwaltungsverfahrensgesetz - HmbVwVfG - zunächst voraussetzt, dass diese Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig waren, d.h. dass dem Kläger seinerzeit kein Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zustand. Das Berufungsgericht hat indes zu Unrecht angenommen, dass sich ein solcher Anspruch schon aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 ergab. Insoweit hat es den Umfang und die Qualität einer möglichen aus diesem Verbot folgenden aufenthaltsrechtlichen Wirkung verkannt.

13 Nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 räumen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgelts und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschließt. Diese Bestimmung, die inhaltlich mit dem Diskriminierungsverbot in Art. 37 des Zusatzprotokolls zu dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 23. November 1970 - im Folgenden: Zusatzprotokoll - entspricht, entfaltet in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung mit der Folge, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger vor den nationalen Gerichten des Aufnahmemitgliedstaates hierauf berufen kann (EuGH, Beschluss vom 25. Juli 2008 - Rs. C-152/08, Real Sociedad de Futbal SAD u.a. - Slg. 2008, I-6291 Rn. 29).

14 Ob aus diesem Diskriminierungsverbot, das in erster Linie eine Schlechterstellung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in einem Beschäftigungsverhältnis verhindern soll, überhaupt (ausnahmsweise) auch eine aufenthaltsrechtliche Wirkung hergeleitet werden kann oder ob die in dem Assoziationsratsbeschluss 1/80 getroffenen besonderen Regelungen über die stufenweise Integration türkischer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaates, insbesondere nach Art. 6 ARB 1/80, insoweit eine abschließende Regelung enthalten (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 23. März 2006 - Rs. C-4/05, Güzeli - Slg. 2006, I-10279 Rn. 52 ff.), bedarf hier keiner Entscheidung. Allerdings spricht die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (bisher: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) in der Rechtssache Güzeli (Urteil vom 26. Oktober 2006 - Rs. C-4/05 - Slg. 2006, I-10279) eher dafür, dass er der Auffassung des Generalanwalts in den Schlussanträgen nicht folgen will. Denn er hält es nicht von vornherein für ausgeschlossen, dass sich auch türkische Arbeitnehmer auf eine aufenthaltsrechtliche Wirkung des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 berufen können, wie sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs den entsprechenden Diskriminierungsverboten in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tunesischen Republik andererseits vom 17. Juli 1995 (ABl EG 1998 L 97 S. 2; BGBl 1997 II S. 342) - Europa-Mittelmeer-Abkommen/Tunesien - und Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits vom 26. Februar 1996 (ABl EG 2000 L 70 S. 2; BGBl 1998 II S. 1811) - Europa-Mittelmeer-Abkommen/Marokko - zukommt. Auch bei einer - zugunsten des Klägers unterstellten - aufenthaltsrechtlichen Wirkung des Art. 10 ARB 1/80 im Sinne dieser Rechtsprechung ergibt sich daraus allerdings für ihn kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die hier streitigen vergangenen Zeiträume.

15 Den genannten Diskriminierungsverboten in den Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Tunesien und Marokko kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Ausnahmefällen aufenthaltsrechtliche Wirkung zu. Zwar untersagt dieses Verbot einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht, Maßnahmen in Bezug auf das Aufenthaltsrecht eines tunesischen oder marokkanischen Staatsangehörigen zu ergreifen, der zunächst die Erlaubnis zum Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat und zur Aufnahme einer Berufstätigkeit erhalten hat. Dass ein solches Vorgehen den Betroffenen zwingt, sein Arbeitsverhältnis im Aufnahmemitgliedstaat vor dem mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbarten Termin zu beenden, ändert daran grundsätzlich nichts. Dennoch bejaht der Gerichtshof in Ausnahmefällen eine aufenthaltsrechtliche Wirkung dieser Diskriminierungsverbote und begründet sie damit, dass nicht angenommen werden könne, dass die Mitgliedstaaten in der Weise über das Diskriminierungsverbot verfügen dürften, indem sie dessen praktische Wirksamkeit durch Bestimmungen des nationalen Rechts beschränken. Eine solche Möglichkeit würde die Bestimmungen eines von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommens beeinträchtigen und die einheitliche Anwendung des Verbots infrage stellen. Insbesondere könne der Aufnahmemitgliedstaat dann, wenn er dem Wanderarbeitnehmer ursprünglich in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen habe, die Situation dieses Arbeitnehmers nicht aus Gründen infrage stellen, die nicht dem Schutz eines berechtigten Interesses des Staates, wie der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit dienen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - Rs. C-97/05, Gattoussi - Slg. 2006, I-11917 Rn. 39 f. unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 2. März 1999 - Rs. C-416/96, El-Yassini - Slg. 1999, I-1209). Dieser Auffassung hat sich der Senat in seinem Urteil vom 1. Juli 2003 hinsichtlich der Regelung in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko im Grundsatz angeschlossen (vgl. Urteil vom 1. Juli 2003 - BVerwG 1 C 18.02 - BVerwGE 118, 249).

16 Aus dieser Begründung der - ausnahmsweisen - aufenthaltsrechtlichen Wirkung des Diskriminierungsverbots folgt, dass dieses Verbot keinen dem assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrecht nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 vergleichbaren Status vermittelt. Seine aufenthaltsrechtliche Wirkung leitet sich nicht aus einem gemeinschaftsrechtlich begründeten Anspruch auf Ausübung einer Beschäftigung ab, sondern beruht auf einer durch das nationale Recht eines Mitgliedstaates eingeräumten überschießenden beschäftigungsrechtlichen Position in Verbindung mit der praktischen Wirksamkeit (effet utile) des Diskriminierungsverbots. Sinn und Zweck der aufenthaltsrechtlichen Wirkung des Diskriminierungsverbots ist es, dem Aufnahmemitgliedstaat zu untersagen, durch nach nationalem Recht zulässige aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen die praktische Wirksamkeit des Diskriminierungsverbots zu unterlaufen und für den Wanderarbeitnehmer dadurch die ursprünglich erlaubte weitere tatsächliche Ausübung seiner Beschäftigung aus Gründen infrage zu stellen, die nicht dem Schutz eines berechtigten Interesses des Staates, wie der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit dienen. Die aufenthaltsrechtliche Wirkung besteht danach in einem erhöhten Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Eine Verletzung des Diskriminierungsverbots kann daher auch nur in einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme liegen, die den Aufenthalt des Arbeitnehmers und damit auch die Fortsetzung seiner Beschäftigung infrage stellt, nicht aber in einer aufenthaltsrechtlichen Maßnahme, die - wie die hier streitige Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis - lediglich vergangene Zeiträume betrifft, in denen der Wanderarbeitnehmer ungehindert einer Beschäftigung nachgehen konnte. Das Diskriminierungsverbot untersagt dem Aufnahmemitgliedstaat eine Aufenthaltsbeendigung, die nicht dem Schutz eines berechtigten Interesses des Staates dient, verpflichtet ihn aber nicht zur Erteilung eines bestimmten qualifizierten Aufenthaltstitels namentlich für bereits vergangene Zeiträume.

17 Unabhängig davon spricht auch viel dafür, dass das Diskriminierungsverbot in Fällen einer überschießenden Arbeitserlaubnis nur das im Vertrauen auf diese Erlaubnis aufgenommene konkrete Beschäftigungsverhältnis schützt und dessen Fortsetzung gewährleistet, nicht aber ein von einer solchen Beschäftigung unabhängiges dauerhaftes Aufenthaltsrecht vermittelt. Dass der Kläger im Zeitpunkt des Ablaufs der vorangegangenen Aufenthaltserlaubnis in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, das er seitdem ununterbrochen fortgesetzt hat, ist aber nicht ersichtlich.

18 Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger sich aufgrund der Erteilung einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung im September 1998 überhaupt in einer Situation befand, in der ihm in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung nach nationalem Recht weitergehende Rechte als in Bezug auf seinen Aufenthalt verliehen worden sind und in der das Diskriminierungsverbot nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den genannten Europa-Mittelmeer-Abkommen ausnahmsweise aufenthaltsrechtliche Wirkungen entfaltet. Der Senat ist bisher davon ausgegangen, dass nach deutschem Recht eine unbefristete Arbeitsgenehmigung kein von der Aufenthaltserlaubnis unabhängiges, gleichsam überschießendes Recht auf Fortführung einer nicht selbstständigen Erwerbstätigkeit vermittelt (vgl. Urteil vom 1. Juli 2003 - BVerwG 1 C 18.02 - a.a.O.). Ob an dieser Auffassung nach der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Gattoussi (Urteil vom 14. Dezember 2006 a.a.O.) ohne Vorlage an den Gerichtshof festgehalten werden kann, bedarf hier aus den oben aufgeführten Gründen keiner Entscheidung.

19 Indem das Berufungsgericht einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den gesamten zurückliegenden Zeitraum vom Juli 2001 an bis zum Ablauf der (zurückgenommenen) Aufenthaltserlaubnis am 19. Januar 2006 angenommen hat, hat es die im Vergleich zu den aus Art. 6 ARB 1/80 abgeleiteten Aufenthaltsrechten beschränkte aufenthaltsrechtliche Wirkung des Diskriminierungsverbots verkannt.

20 2. Auch den im Streit befindlichen Anspruch auf Erteilung oder Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft, der nach den Bestimmungen des seit dem 1. Januar 2005 geltenden Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist, hat das Berufungsgericht mit einer Begründung bejaht, die mit Bundesrecht nicht vereinbar ist.

21 a) Das Berufungsgericht hat wegen der mehr als einjährigen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber in der Zeit von Oktober 2006 bis zur Berufungsverhandlung am 29. Mai 2008 ein Aufenthaltsrecht des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 hergeleitet, weil dem Kläger jedenfalls aus Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht während dieses Zeitraums zugestanden habe, so dass die Beschäftigung ordnungsgemäß im Sinne von Art. 6 ARB 1/80 gewesen sei. Das Berufungsgericht ist dabei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger sich während dieses Zeitraums auf eine aufenthaltsrechtliche Wirkung des Diskriminierungsverbots in Art. 10 Abs. 1 AufenthG berufen kann.

22 Wie der Senat in seinem gleichzeitig verkündeten Urteil im Verfahren BVerwG 1 C 14.08 (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) entschieden hat, hat sich eine vor dem 1. Januar 2005 erteilte Arbeitsberechtigung - wie sie der Kläger besaß - nach § 105 Abs. 2 AufenthG mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 in eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Aufnahme einer Beschäftigung umgewandelt, wenn der Ausländer zu diesem Zeitpunkt im Besitz eines Aufenthaltstitels war, der ihn uneingeschränkt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Als bloßes Verwaltungsinternum scheidet die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit aber von vornherein als Grundlage für eine ausnahmsweise mögliche aufenthaltsrechtliche Wirkung des Diskriminierungsverbots aus. Denn sie verleiht dem Ausländer in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung keine weitergehenden Rechte als der ihm erteilte Aufenthaltstitel in Bezug auf den Aufenthalt. Diese gesetzliche Neuordnung des Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrechts verstößt auch weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch unterliegt sie gemeinschaftsrechtlichen Bedenken. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit zunächst auf die Urteilsgründe im Verfahren BVerwG 1 C 14.08 zu dem entsprechenden Diskriminierungsverbot in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Tunesien Bezug, die auch für den Fall des Klägers bei einer zu seinen Gunsten unterstellten aufenthaltsrechtlichen Wirkung des Diskriminierungsverbots in Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 gelten.

23 Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung auf seinen Fall auch nicht gegen die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80. Nach dieser Bestimmung dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Regelung hat in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung (EuGH, Urteile vom 17. September 2009 - Rs. C-242/06, Sahin - Rn. 53 ff., NVwZ 2009, 1551 und vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-317/01 u.a., Abatay - Slg. 2003, I-12301 Rn. 58 f.), so dass sich türkische Staatsangehörige, für die diese Bestimmungen gelten, vor den innerstaatlichen Gerichten auf sie berufen können, um die Anwendung entgegenstehender Vorschriften des innerstaatlichen Rechts auszuschließen. Die Stillhalteklausel verbietet es den Mitgliedstaaten, den Zugang zum Arbeitsmarkt für die von der Vorschrift erfassten türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen zu unterwerfen, als sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift am 1. Dezember 1980 (Art. 16 Abs. 1 ARB 1/80) in dem betreffenden Mitgliedstaat galten. Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Neuregelung des Arbeitsgenehmigungs- und Aufenthaltsrechts stellt den Kläger hinsichtlich des Zugangs zu einer Beschäftigung und deren Ausübung nicht schlechter als das am 1. Dezember 1980 geltende nationale Recht. Auf die Frage, ob der Kläger die sonstigen Voraussetzungen des Art. 13 ARB 1/80 erfüllt, d.h. ob sein Aufenthalt und seine Beschäftigung im Bundesgebiet in dem maßgeblichen Zeitpunkt ordnungsgemäß waren, kommt es deshalb nicht an.

24 Dass sich die bisherige Rechtsstellung ausländischer Arbeitnehmer hinsichtlich der Ausübung einer Beschäftigung durch die Neuregelung der Zuständigkeit und des Verfahrens hinsichtlich der Arbeitserlaubnis nach den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers nicht verschlechtern sollte, ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Übergangsregelung in § 105 AufenthG (BTDrucks 15/420) in der es heißt:
„Die Übergangsregelungen stellen sicher, dass erteilte Arbeitsgenehmigungen ohne Einschränkungen fortgelten oder als Zustimmung der Bundesanstalt für Arbeit nach diesem Gesetz gelten, wenn ein neuer Aufenthaltstitel erteilt wird. Damit wird der zuvor erworbene Rechtsstatus auch unter dem geänderten Instrumentarium gewahrt.“

25 Der Kläger sieht eine Verschlechterung seiner beschäftigungsrechtlichen Position demzufolge auch nur darin, dass ihm die Berufung auf einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Hinblick auf die ihm unbefristet erteilte Arbeitsgenehmigung dadurch genommen wird. Ob ein etwaiger - hier unterstellter - gemeinschaftsrechtlicher Anspruch aus Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 in den Günstigkeitsvergleich der nationalen Rechtslagen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziationsratsbeschlusses 1/80 und zum gegenwärtigen Zeitpunkt einzubeziehen wäre, erscheint zumindest zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Denn der Kläger stünde bei Anwendung des am 1. Dezember 1980 geltenden Rechts auch bei Einbeziehung einer etwaigen aus dem früheren Arbeitsgenehmigungsrecht folgenden günstigeren Rechtsposition im Ergebnis nicht besser als nach dem derzeit geltenden nationalen Recht (vgl. zu diesen Voraussetzungen auch VG Darmstadt, Beschluss vom 12. Oktober 2009 - 5 L 971/09.DA - juris Rn. 66 ff.). Denn er hätte eine unbefristete Arbeitsgenehmigung und damit eine solche Rechtsposition unter Geltung der Rechtslage von 1980 nicht erlangt.

26 Nach der damals maßgeblichen Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer (Arbeitserlaubnisverordnung - AEVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. September 1980 (BGBl I S. 1754) hätte der Kläger nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 AEVO eine auf fünf Jahre befristete besondere Arbeitserlaubnis erhalten. Die sofortige Erteilung einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung für Ehegatten von deutschen Staatsangehörigen ist erst mit der 1998 in Kraft getretenen Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer (Arbeitsgenehmigungsverordnung - ArGV) vom 17. September 1998 (BGBl I S. 2899) eingeführt worden und wird deshalb von der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 nicht erfasst. Dem Kläger hätte die besondere Arbeitserlaubnis unter Zugrundelegung der Rechtslage von 1980 erst nach achtjährigem ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt, also frühestens im Juni 2006, unbefristet erteilt werden können, wenn zu diesem Zeitpunkt die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten.

27 Es ist bereits nicht ersichtlich, dass bei Zugrundelegung der Rechtslage von 1980 die fünfjährige Arbeitserlaubnis im Fall des Klägers nach ihrem Ablauf im September 2003 überhaupt befristet verlängert worden wäre. Ein solcher Anspruch hätte u.a. vorausgesetzt, dass er auch zu diesem Zeitpunkt noch eine Aufenthaltsgenehmigung besessen oder sein Aufenthalt als erlaubt gegolten hätte (§ 5 Abs. 1 AEVO). Das wäre aber bei Anwendung der 1980 geltenden Ermessensvorschriften in § 7 Abs. 2, § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 nicht der Fall gewesen. Angesichts des Umstandes, dass die eheliche Lebensgemeinschaft nach eigenen Angaben des Klägers jedenfalls im Herbst 2000 geendet hat, wäre seine am 2. Juli 2001 abgelaufene Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles nach der maßgeblichen damaligen Verwaltungspraxis nicht verlängert worden (vgl. zur damaligen Rechtslage Beschluss vom 11. Januar 1983 - BVerwG 1 B 143.82 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 42). Das von der ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängige eigenständige Aufenthaltsrecht des Ehegatten ist erst durch § 19 AuslG 1990 eingeführt worden und deshalb hier nicht zu berücksichtigen. Der Kläger wäre demnach bei Fortgeltung der Rechtslage von 1980 schon vom Ablauf der fünfjährigen Arbeitserlaubnis an nicht mehr in den Besitz einer weitergehenden (befristeten) Arbeitserlaubnis gelangt. Damit wäre auch die Grundlage für etwaige Rechte aus dem Diskriminierungsverbot entfallen.

28 Unabhängig davon hätte der Kläger auch deshalb bei Fortgeltung der damaligen Rechtslage keine unbefristete Arbeitserlaubnis erhalten können, weil er sich nicht im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 AEVO in den letzten acht Jahren ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Zwar hat sich der Kläger ab Juni 2006 tatsächlich acht Jahre lang im Bundesgebiet aufgehalten. Dieser Aufenthalt war aber - auch wenn die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts während der Zeiten der 2001 und 2004 erteilten (und zurückgenommenen) Aufenthaltserlaubnisse zu seinen Gunsten unterstellt wird - jedenfalls nach Ablehnung des Verlängerungsantrags mit dem angefochtenen Bescheid vom 6. Februar 2006 nicht mehr vorläufig erlaubt im Sinne von § 21 Abs. 3 AuslG 1965. Die Fiktionswirkung nach dieser Vorschrift endete mit der Ablehnung des Verlängerungsantrags durch die Ausländerbehörde.

29 Entgegen der Ansicht des Klägers galt sein Aufenthalt nach der Rechtslage von 1980 auch nicht im Hinblick auf Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG bis zum Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 als erlaubt im Sinne von § 21 Abs. 3 AuslG 1965. Denn die Anwendung der für Unionsbürger geltenden verfahrensrechtlichen Bestimmungen dieser Richtlinie erstreckt sich nur auf türkische Staatsangehörige, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 besitzen (EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - Rs. C-136/03, Dörr u. Ünal - EuGRZ 2005, 319 Rn. 66 ff.). Dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der möglichen Verlängerung der Arbeitserlaubnis als unbefristet im Juni 2006 im Besitz eines solchen Aufenthaltsrechts gewesen wäre, lässt sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen.

30 Der beantragten Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu der Frage eines Verstoßes gegen Art. 13 ARB 1/80 bedarf es nicht, weil die vom Kläger formulierte gemeinschaftsrechtliche Frage sich nach den vorstehenden Ausführungen nicht stellen würde. Der Kläger geht in seiner Frage davon aus, dass er „in Anwendung älterer nationaler arbeitserlaubnisrechtlicher Regelungen ein unbeschränktes Recht zur Erwerbstätigkeit erworben hatte“ und stellt in der Begründung darauf ab, dass er nach der im Dezember 1980 geltenden Rechtslage spätestens im Juni 2006 einen Anspruch auf Erteilung einer unbeschränkten, d.h. auch unbefristeten, Arbeitserlaubnis nach § 4 Abs. 2 Satz 2 AEVO gehabt hätte. Dies war indes aus den im Einzelnen dargelegten Gründen nicht der Fall. Da es Sache der nationalen Gerichte ist, zu beurteilen, ob sich das nationale Recht zu Lasten des Klägers verschlechtert hat, stellt sich in diesem Zusammenhang auch sonst keine gemeinschaftsrechtliche Zweifelsfrage.

31 b) Aus dem Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass der Kläger im Zeitpunkt des Ablaufs der letzten (zurückgenommenen) Aufenthaltserlaubnis im Januar 2006 über ein Jahr lang bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war und deshalb zu diesem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 gehabt hätte, folgt ebenfalls kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung. Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob der Kläger seinerzeit im Besitz einer gesicherten aufenthaltsrechtlichen Position war, wie sie für die Ausübung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Sinne von Art. 6 ARB 1/80 erforderlich ist, hat der Kläger diese Beschäftigung vor Erreichen der Rechtsposition nach dem zweiten Spiegelstrich beendet und den Arbeitgeber gewechselt. Damit ist auch eine etwaige Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 entfallen.

32 3. Auch wenn das Berufungsurteil demnach auf der Verletzung von Bundesrecht beruht, kann der Senat mangels ausreichender revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Feststellungen des Berufungsgerichts in der Sache nicht abschließend zu Lasten des Klägers entscheiden. Das Berufungsgericht ist zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass dem Kläger nach nationalem Recht im Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im August 2001 und im Januar 2004 ein Anspruch auf Verlängerung nicht zustand, weil die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach dem seinerzeit geltenden § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG nicht vorlagen. Denn die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Frau habe nicht zwei Jahre gedauert. Die dieser Auffassung zugrunde liegende Sachverhalts- und Beweiswürdigung hält indes einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht stand. Sie geht zum einen von einer unzutreffenden Auslegung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG hinsichtlich des Beginns der Zweijahresfrist für den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft aus (a). Zum anderen lässt sich nicht ausschließen, dass die Beweiswürdigung auf einer fehlerhaften Vorstellung über die Bedeutung der materiellen Beweislast im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 VwGO beruht (b).

33 a) Wie oben bereits ausgeführt, ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Rücknahme der am 16. August 2001 und am 20. Januar 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnisse nach § 48 LVwVfG zunächst voraussetzt, dass dem Kläger die Aufenthaltserlaubnisse seinerzeit zu Unrecht erteilt worden sind. Das wäre der Fall, wenn dem Kläger seinerzeit kein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach dem seinerzeit geltenden § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 23 Abs. 3 AuslG 1990 zugestanden hätte. Ein Verlängerungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG 1990 zum Zwecke der Führung einer ehelichen Gemeinschaft mit einer Deutschen kam von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger selbst nach den Feststellungen des Berufungsgerichts angegeben hat, sich im November 2000, und damit vor dem Verlängerungsantrag im Jahr 2001, von seiner deutschen Ehefrau getrennt zu haben. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, der gemäß § 23 Abs. 3 AuslG 1990 auf Ehegatten von Deutschen entsprechend anzuwenden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, von dem in § 17 Abs. 1 AuslG 1990 bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängigen, Aufenthaltsrecht verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Das Erfordernis der Rechtmäßigkeit bezieht sich nach allgemeiner Auffassung nicht auf die ohnehin notwendige Rechtmäßigkeit der Ehe, sondern auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beider Ehepartner (vgl. etwa Marx, in: GK-AufenthG, Stand 27. Juni 2008, § 31 AufenthG Rn. 86). Dieses Erfordernis ist jedenfalls dann erfüllt, wenn der ausländische Ehegatte während der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland im Besitz eines Aufenthaltstitels bzw. - nach der Terminologie des Ausländergesetzes 1990 - im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung war. Die weitere in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG genannte Voraussetzung betrifft nur die aufenthaltsrechtlichen Anforderungen an den Ausländer, zu dem der Nachzug stattfinden soll. Diese Anforderungen werden bei dem Nachzug zu Deutschen im Rahmen der entsprechenden Anwendung der Vorschrift durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet ersetzt (§ 23 Abs. 3 AuslG 1990).

34 Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat sich der Kläger nicht erst seit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 2. Juli 1998, sondern bereits seit der Einreise aus der Türkei am 8. Juni 1998 rechtmäßig zum Zwecke der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet aufgehalten. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist er zu diesem Zeitpunkt mit einem Sichtvermerk (Visum) für eine Familienzusammenführung in das Bundesgebiet eingereist und hat sich unter der damaligen Anschrift seiner Ehefrau in B. angemeldet (UA S. 3 und 27 f.). Ausweislich der Ausländerakten war der Kläger bei der Einreise im Besitz eines von der Deutschen Botschaft in Ankara mit Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde erteilten Visums mit einer Gültigkeit vom 14. Mai bis 13. August 1998. Damit war der Kläger seit seiner Einreise lückenlos im Besitz eines - sogar ehebezogenen - Aufenthaltstitels, so dass die Mindestbestandszeit der ehelichen Lebensgemeinschaft schon am 8. Juni 2000 und damit dreieinhalb Wochen vor dem vom Berufungsgericht angenommenen Termin erreicht gewesen wäre.

35 Da das Berufungsgericht zur Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft lediglich ausgeführt hat, es habe nicht die Erkenntnis gewinnen können, dass die Lebensgemeinschaft mindestens bis Anfang Juli 2000 gedauert habe, ist nicht auszuschließen, dass diese zeitliche Differenz auch im Ergebnis zu einer anderen Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts bezüglich der Erfüllung der Zweijahresfrist hätte führen können. Das liegt auch deshalb nicht völlig fern, weil sich nach den Feststellungen im Berufungsurteil gerade im Juni 2000 die Lebensumstände durch den Umzug der Ehefrau des Klägers und ihrer Mutter von B. nach A. verändert haben könnten (UA S. 10). Da der Senat insoweit keine eigenen Sachverhalts- und Beweiswürdigungen vornehmen kann, ist das Verfahren schon aus diesem Grunde an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

36 b) Unabhängig davon ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft auch deshalb nicht in vollem Umfang mit den Grundsätzen der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) vereinbar, weil das Berufungsgericht sich dabei u.a. auf den Gesichtspunkt gestützt hat, dass der Kläger „die materielle Beweislast“ dafür trage, dass die eheliche Lebensgemeinschaft trotz unterschiedlicher Aufenthaltsorte der Ehegatten fortbestanden habe, und im Falle der Unaufklärbarkeit der Lebensverhältnisse die Folgen zu tragen habe. Sofern das Berufungsgericht damit tatsächlich eine Entscheidung in Anwendung der Regeln über die materielle Beweislast hat treffen wollen, wäre dies mit Bundesrecht nicht vereinbar. Denn bei der Rücknahme eines begünstigten Verwaltungsakts - wie hier der Aufenthaltserlaubnis - geht es grundsätzlich zu Lasten der Behörde, wenn nicht geklärt werden kann, ob die Rücknahmevoraussetzungen, insbesondere das Erfordernis der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Verwaltungsakts, erfüllt sind (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl. 2008, § 48 Rn. 170 m.w.N.). Das bedeutet allerdings nicht, dass der Betroffene, namentlich bei atypischen Gestaltungen des ehelichen Zusammenlebens, von seiner verfahrensrechtlichen Pflicht oder zumindest Obliegenheit entbunden ist, durch substantiierte Angaben über die tatsächlichen Lebensverhältnisse bei der Aufklärung mitzuwirken. Das Unterlassen dieser Mitwirkung kann bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wie dies das Verwaltungsgericht in dem erstinstanzlichen Urteil auch getan hat. Jedenfalls muss das Tatsachengericht aber deutlich machen, ob es bei Würdigung der Gesamtumstände die Überzeugung von der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft vor Ablauf von zwei Jahren gewonnen hat oder ob es wegen der Unaufklärbarkeit der Verhältnisse (non-liquet) eine Entscheidung nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast trifft (vgl. zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung im Einzelnen Urteil vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <176 ff.>). Da die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil nicht erkennen lässt, ob das Berufungsgericht die Unterlassung der Mitwirkung des Klägers an der Aufklärung in zulässiger Weise im Rahmen seiner Überzeugungsbildung gewürdigt hat oder ob es eine Entscheidung nach den Grundsätzen der - fälschlicherweise dem Kläger auferlegten - materiellen Beweislast getroffen hat, kann sie revisionsrechtlich keinen Bestand haben.

37 4. Das Berufungsgericht wird deshalb in dem erneuten Berufungsverfahren nochmals nach den geschilderten rechtlichen Maßstäben prüfen müssen, ob die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers zumindest bis Anfang Juni 2000 bestanden hat. Sollte es zu der Überzeugung gelangen, dass dies der Fall war, könnte der angefochtene Bescheid sowohl hinsichtlich der Rücknahme als auch hinsichtlich des nach § 31 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 28 Abs. 3 AufenthG zu beurteilenden Verlängerungsbegehrens und hinsichtlich der Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben. Sofern nicht eine Ermessenreduzierung auf Null vorliegt, müsste die Beklagte gegebenenfalls zur Neubescheidung des Verlängerungsantrags verpflichtet werden. Dasselbe würde gelten, wenn das Berufungsgericht den Zeitpunkt der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft für unaufklärbar hielte und deshalb nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast zu Lasten der Beklagten entscheiden müsste.

38 Falls das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft schon vor dem 8. Juni 2000 geendet hat, müsste es weiter prüfen, ob die Rücknahme auch im Übrigen rechtmäßig ist, insbesondere ob der Kläger - wie von der Ausländerbehörde angenommen - die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse jeweils durch falsche Angaben erschlichen oder erwirkt hat und die Beklagte von ihrem Rücknahmeermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. In diesem Fall wäre der angefochtene Bescheid insgesamt als rechtmäßig zu bestätigen.

39 Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.